Magischer Sound mit Raffinesse
Das „empirische Labor“ von Dave Darr ist bekannt für allerlei eigenwillige Studiogerätschaften. Auch der hier zum Test vorliegende Vorverstärker Empirical Labs El9 Mike-e ist ein Individualist. Während viele andere Hersteller nur noch berühmte Vintage-Hardware klonen oder emulieren, ist man bei Empirical Labs immer auf der Suche nach neuen, erfrischenden Ansätzen. Beim Empirical Labs EL9 Mike-e handelt es sich im Grunde um einen Mikrofonvorverstärker mit DI-Eingang und eingebautem Kompressor. Die Beschriftung auf der Frontplatte mit Begriffen wie NUKE, WARM und TOASTY lässt aber vermuten, dass man von dieser Kiste klangmalerisch noch viel mehr erwarten kann.
Empirial Labs (kurz ELI) wurde vor knapp über 30 Jahren in den USA gegründet. Ende der 90er hat der berühmte Distressor für Aufsehen gesorgt und in vielen Topstudios der Welt Einzug erhalten. Der Distressor machte ungeahnte Kompressionsarten möglich und die Geräte mit den großen weißen Drehreglern auf der Frontplatte sind heute aus vielen Produktionen nicht mehr wegzudenken. Wir von AMAZONA.de hatten den Distressor bereits im Test und auch der EL-Q Lil Freq und der FATSO EL7x mussten sich beweisen. (Wie man merkt, sind die Produktbezeichnungen bei ELI so individuell wie das Schaltungsdesign.) Mit einem Ladenpreis von etwa 2.000,- Euro für einen Mono-Kanal ist der Vorverstärker in der Profi-Liga anzusiedeln.
Lieferumfang des Empirical Labs El9 Mike-e
Das vorliegende Testgerät wird in einem sehr gut gepolsterten weißen Karton geliefert. Der Verpackung nach zu urteilen bin ich nicht der erste Tester, das Gerät selbst ist aber makellos und fällt erstmal durch sein massives Gewicht auf. Vier Kilo Lebendgewicht – da steckt also noch richtige Hardware drin. Die Verarbeitung ist in allen Punkten absolut vorbildlich und ohne Makel. Alle Anschlüsse sind fest verschraubt, Potis, Schalter und LEDs machen einen sehr guten Eindruck. Die acht rechteckigen Schalter auf der Frontseite kenne ich bereits von meinem Nord Piano – laut Empirical Labs sind sie besonders robust und sollen etwaiger Altersschwäche vorbeugen. Verarbeitungstechnisch wurden augenscheinlich keine Kompromisse eingegangen und ein potenzieller Käufer wird viele Jahrzehnte seine Freude mit dem Gerät haben. Eine Bedienungsanleitung gibt es nur auf Englisch auf der Website des Herstellers. Diese ist typographisch abenteuerlich und enthält auch einige Hinweise zur Arbeit im Studio, die weit über das Gerät hinausgehen.
Bedienelemente des EL9 Mike-e Mikrofonvorverstärkers
Auf der Vorderseite gibt es zunächst links die Preamp-Sektion mit DI-Eingang und zwei Schaltern für die Gain-Einstellungen. Dem folgt ein Taster zur Aktivierung der 48 Volt Phantomspannung sowie ein Schalter, mit dem sich einerseits die Phase umschalten und ein Hochpassfilter bei 80 Hz (18 dB/Oktave) aktivieren lässt. Nun wird es spannend, denn wir kommen zur sogenannten “CompSat” Sektion:
Hier gibt es einen großen, weißen Regler für Drive, einen Dreifach-Umschalter “CompMode” für die unterschiedlichen Kompressionsarten, einen “Ratio”-Schalter für sechs verschiedene Einstellungen von “Bypass” bis hin zum berühmten “Nuke”-Modus, den man schon vom Distressor kennt. Nun folgen jeweils vier Attack- und Release-Einstellungen. Durch einen Mix-Regler lässt sich der Anteil des Kompressors (bzw. der Saturation) bestimmen, die dem Eingangssignal hinzugefügt wird. Schlussendlich gibt es noch einen großen weißen Master-Out-Regler sowie einen Ein-/Ausschalter, der sich dankenswerterweise auf der Vorderseite befindet. Ein Vorteil der beiden weißen Regler, die so typisch für Empirical Labs sind, ist die Tatsache, dass jede Dezimalstelle abgebildet ist. Damit ist es möglich, beim Recall genaue Positionen wie 7.2, 6.4 etc. festzuhalten. An der oberen Kante des Gehäuses gibt es zudem eine Signalkette, bestehend aus 8 LEDs, die Auskunft über Lautstärkereduktion des Kompressors gibt.
Die Rückseite
Zwei symmetrischen Eingängen im TRS- und XLR-Format folgen ein unsymmetrischer TRS-Ausgang sowie ein symmetrischer XLR-Ausgang. Zusätzlich gibt es einen Sidechain- und einen Link-Ausgang, mit dem sich ein zweiter EL9 Mike-e für den Stereo-Betrieb verlinken lässt. Der Hersteller weist darauf hin, dass man beide Ausgänge auf der Rückseite nutzen kann, beim Eingang muss man sich allerdings für XLR oder TRS entscheiden.
Auf Bestellung werden von Empirical Labs optionale Modifizierungen für den Mike-e angeboten: So gibt es etwa die Möglichkeit, einen Insert-Anschluss oder einen Ausgangsübertrager einbauen zu lassen. Der Platz dafür ist auf dem Mainboard und am Gehäuse bereits vorhanden.
Das Innenleben
Nimmt man die schwere Metallplatte auf der Oberseite ab, wird der Blick auf das Mainboard frei. Auch hier ist die Verarbeitung bestens. Es handelt sich noch um echte Handarbeit, die man bei Bedarf reparieren bzw. modifizieren kann. Hier sieht man auch schön den Lundahl LL1527 Eingangsübertrager bzw. den Platz für einen Ausgangsübertrager. Das Datum 31. Mai 2012 ist ein Indiz dafür, dass das Gerät schon einige Tests bestehen musste – durch die Verwendung hochwertiger und langlebiger Bauteile ist ihm sein Alter aber überhaupt nicht anzumerken.
Technische Daten
Obwohl der Signalpfad analog ist, hat man sich bei Empirical Labs dazu entschieden, den Wert der Vorverstärkung digital zu steuern. Das sieht man nicht alle Tage und soll der Langlebigkeit dienen. In den meisten Fällen wird die Aussteuerung eines Mikrofonvorverstärkers mit einem Poti oder einem gerasterten Drehschalter reguliert. Das kann aber im Lauf der Zeit eine Schwachstelle werden, denn bei häufiger Benutzung neigen solche Regler zu Kratzern oder Aussetzern. Beim Mike-e werden Relais angesteuert, die Gain-Einstellungen zwischen 10 – 60 dB in 5 dB Schritten ermöglichen. Die verwendeten Relais haben laut Firmengründer Dave Darr eine Lebensdauer von mindestens 10 Millionen Einschaltvorgängen – womit sie also sogar den Käufer überleben werden. Da ausgangsseitig eine zusätzliche Verstärkung von 14 dB möglich ist, steht eine Signalverstärkung von insgesamt 74 dB zur Verfügung.
Laut Empirical Labs erreicht der Preamp einen Rauschabstand von -130 dB. Der Frequenzbereich beträgt 3 Hz bis 200 kHz, aktiviert man CompSat, verringert sich der Bereich auf 150 kHz – dieser Unterschied liegt allerdings weit außerhalb des menschlichen Hörbereichs. Interessant ist der Wert der harmonischen Verzerrungen, denn dieser bewegt sich im Bereich zwischen 0,0006 % und 15 % – abhängig vom Modus und den jeweiligen Einstellungen. Am Line-Eingang lassen sich allerhand verschiedene Instrumente anschließen oder ein bereits aufgenommenes Signal zur Bearbeitung mit dem EL9 Mike-e aus der DAW führen. Auf der Frontseite steht auch ein DI-Eingang mit einer Impedanz von 340 kOhm zur Verfügung, der ebenfalls alle Verstärkungsschritte von Line bis +60 dB durchlaufen kann.
Die magische CompSat Sektion
Was den Mike-e speziell macht, ist zweifelsohne seine CompSat-Sektion. Sie erlaubt unter anderem analoges „Soft Clipping, „ähnlich dem Effekt, den man von “heiß” angesteuerten Bandmaschinen erwarten könnte. Der eingebaute Kompressor besitzt Anleihen des Distressors, wie den bereits erwähnten “Nuke”-Schalter. Neben 8:1, 4:1 und 2:1 bietet er eine recht ungewöhnliche Ratio von 1:1. Diese ist für den Fall gedacht, dass man das Signal nicht komprimieren, sondern ausschließlich mithilfe von Drive und HF-Emphasis „saturieren“ will. Auch in dieser Sektion wird übrigens digital umgeschaltet, um die Fehleranfälligkeit von Potis auszuschließen. HF-Emphasis besteht aus zwei Schaltkreisen: Vor der CompSat Sektion werden die hohe Frequenzen angehoben (Pre-Emphasis) und nach der CompSat-Sektion werden sie wieder abgeschwächt. Das ähnelt dem Prinzip von alten Bandmaschinen. Hohe Frequenzen können dadurch früher in die Sättigung gehen.
Der ELI Mike-e im Einsatz
Bevor es an die Mikrofone geht, teste ich als erstes den Instrumenten-Eingang des Mike-e. Hier hört ihr einen Vergleich verschiedener Preamps mit DI-Funktion. Dank einer „Bad!“-LED neben dem Eingang sieht man sofort, ob ein Signal schon bei der Vorverstärkung übersteuert und der Preamp zu „heiß“ angefahren wird. Um das Gain richtig einzustellen, sollte man an den lautesten Stellen „Bad!“ aufleuchten lassen und im Anschluss das Gain um 1-2 Schritte reduzieren. Für meinem G&L Bass habe ich neben dem Mike-e auch den Golden Age Premier PRE-73, den Warm Audio WA12 sowie den internen Hi-Z-Eingang des RME UFX Audiointerfaces herangezogen. Letzteres ist natürlich übertragerlos, im Gegensatz zum Lundahl des Mike-e arbeiten im WA-12 und Premier-73 Übertrager von Carnhill:
Die CompSat-Sektion benutze ich erst einmal nur zur Saturation und stelle dafür den Drive-Regler auf 8. Während ich spiele, leuchtet die „Toasty“-Anzeige bei den Pegelspitzen auf. Das darf sie, solange man sich harmonische Verzerrungen im Signal wünscht.
Nun nehme ich den Kompressor hinzu mit einer Ratio von 4:1, einem Attack von 0,9 ms, dem schnellsten Release von 0,05 und einem Drive Anteil von 6,5:
Bitte beachtet das lange Sustain des Bass-Tons am Ende der Aufnahme. Hier eine Snare, abgenommen mit einem Beyer 201 – einmal clean und einmal mit Saturation (ohne Kompressor). Drive ist dafür in Vollaussteuerung:
Damit bekommt die Snare schon richtig „Schmackes“ und es stellt sich durch die Verzerrung ein natürlicher Kompressionseffekt ein. Jetzt kommt der „Nuke Button“ zum Einsatz, der sehr tiefgreifende Auswirkungen auf das Signal hat. Im Anschluss dazu hört ihr ein Beispiel mit einer Ratio von 8:1, HF Emphasis und Drive auf 6:
Allein diese vier Beispiele an der Snare geben einen Eindruck über die enorme Bandbreite der Klanggestaltung, die mit dem Mike-e möglich ist.
Für die Akustikgitarre greife ich auf das Großmembran-Mikrofon Austrian Audio OC818 zurück, das klanglich stark in der C12 Tradition steht. Zunächst einmal nur der Preamp allein, beim zweiten Beispiel aktiviere ich die das HPF bei 80 Hz:
Auch hier versuchen wir es mal etwas extremer und fügen Drive hinzu. Beim zweiten Beispiel packt der Kompressor mit 4:1 mächtig zu und reduziert das Signal um 10 dB:
Zum Abschluss noch ein paar kurze Beispiele mit dem OC818 und Gesang:
Beim letzten Beispiel habe ich mithilfe des Mix-Reglers den Anteil der ge“nukten“ CompSat-Sektion auf rund 30 % reduziert. Den Mix-Anteil variabel einstellen zu können, ist ein weiterer Grund, warum der Empirical Labs EL9 Mike-e so extrem vielseitig einsetzbar ist. Während des Testzeitraums hat es viel Spaß gemacht, mit ihm zu arbeiten.
»Geringes Rauschen« als Feature. Originell!
@Franz Walsch Haha :) Es soll natürlich kein Feature sein, sondern es schien mir erwähnenswert hervorzuheben, dass das Rauschen des Preamps sehr gering ausfällt.
@Franz Walsch Naja, für die Arbeit mit Bändchenmikrofon und leisen Signalquellen ist ein sehr niedriges Rauschen schon wichtig. Daher finde ich so eine Angabe schon essentiell für einen Testbericht. Schließlich gibt es auch im „teuren“ Bereich einige Preamps, die diesbezüglich nicht gerade glänzen…