Seidige Höhen im Kleinformat
Heute im Teststudio: Ein 2-Kanal Preamp aus dem Hause RND, der Portico 5012. „Moment“, wird der kundige Leser anmerken, ist der neu? Nein, ist er nicht, aber gemessen an der Zeitspanne, in der Rupert Neve die Audio- und Studiotechnik prägend mitgestaltet hat, ist der 5012 tatsächlich noch in den Flegeljahren. Also, auf geht´s.
Zuerst etwas Historie zu Rupert Neve
Sicher wird jedem, der sich auch nur entfernt mit analoger Studiotechnik beschäftigt, der Name Neve schon mehr als einmal untergekommen sein. Nicht umsonst ist der „Neve-Sound“ ein fester Begriff und als das englische Pendant zum amerikanischen „API-Sound“ bekannt. Beiden Soundidealen wird eine klangprägende Charakteristik nachgesagt.
Gemeinhin wird der Neve-Sound mit dem 1073 Preamp und EQ verbunden, den der Pionier im Jahre 1970 vorgestellt hat. Bis heute werden diverse Variationen des 1073 von AMS Neve, ein Unternehmen, das nach dem Verkauf der Neve Group an Siemens entstanden ist, sowie bekannte und unbekanntere „Klone“ erfolgreich angeboten.
Mit der Gründung von Focusrite im Jahr 1985 folgte ein weiterer Meilenstein von Rupert Neve, der ISA 110 Preamp. Focusrite ging 1989 in Konkurs, die daraufhin neu gegründete Focusrite Audio Engineering Ltd. ist bis heute fest am Markt verwurzelt und profitiert immer noch von den Leistungen ihres Ur-Gründers.
Danach hat sich Rupert Neve lange darauf beschränkt, mit seiner Firma ARN Consultants Entwicklungsarbeit für andere Firmen zu betreiben, so etwa für Amek oder Taylor Guitars. Vor einiger Zeit kam es auch zu einer Kollaboration mit sE Electronics, aus der die sE / Rupert Neve Signature Mikrofone hervorgingen.
Mit Rupert Neve Designs, oder kurz RND, fertigt ARN Consultants seit 2005 nun auch wieder eigene Hardware. Neben der ursprünglichen Portico Serie ist inzwischen ein reichhaltiges Portfolio entstanden.
Wer sich etwas genauer in den Werdegang des Pioniers einlesen möchte, dem sei die offizielle Website empfohlen (Link im Anhang). Rupert Neve ist dieses Jahr übrigens 93 Jahre alt geworden, aber das scheint ihm nichts auszumachen. Der Mann macht einfach immer weiter…
Der Portico 5012 Preamp
Der Mic Preamp ist zweikanalig aufgebaut und kommt im 9,5“ Format. „Niedlich“ ist der erste Gedanke beim Öffnen des Kartons, bis man das Ding in der Hand hat. Mit über 3,5 kg ist das Modul kein Leichtgewicht.
Die hellgraue Frontplatte ist übersichtlich aufgebaut, dazu tragen auch die Potiknöpfe in verschiedenen Farben bei. Weinrot ist der Gain-Regler, der von 0-66 dB in 6 dB Schritten schaltet. Das Feintuning findet mit dem grauen Trimpoti statt, das stufenlos einen Werteumfang von -6 bis +6 dB bietet. Der dritte Drehregler in Dunkelblau ist für den High Pass Filter zuständig, der sich stufenlos von 20 Hz – 250 Hz einstellen lässt. Die Steilheit beträgt dabei 12 dB / Octave.
Auch einige Drucktaster sind vorhanden, die allesamt Hintergrund-beleuchtet sind. Neben den üblichen Schaltfunktionen für Phantomspeisung, Phasendrehung und Filter hat auch ein Mute Schalter Eingang gefunden, der nur auf den Main Out wirkt. Der 5012 besitzt nämlich auch ein Buss System, das zur Signalweiterführung genutzt werden kann. Auch hierfür ist ein Taster vorhanden.
Der letzte Druckknopf wirkt auf beide Kanäle gleichzeitig und sitzt folgerichtig in der Mitte. Mit „Silk“ wird eine Klangveränderung aufgerufen, die das Signal musikalischer und mehr vintage gestalten soll. Abschließend verfügt jeder Kanal über ein 8-stelliges Level Meter.
Rückseitig finden sich die XLR Buchsen für die Ein- und Ausgänge. Pro Kanal stehen zwei unsymmetrische Klinkenbuchen parat, die das Signal zu einem Buss Mixer führen können. Strom erhält das Gerät über ein 12 Volt Netzteil, ein Power-Schalter ist auch vorhanden.
Das Gehäuse betsteht aus massivem Stahlblech, das seitlich mit Lüftungslöchern perforiert ist. Vier Gummifüße erhöhen die Rutschfestigkeit. Die Frontplatte ist aus 5 mm starkem Aluminium, auch die Potiknöpfe sind aus demselben Material gefertigt. Die Potiachsen sind aus Metall, was auf höherwertige Bauteile schließen lässt. Die Potis laufen sehr seidig, auch die Schalter arbeiten ohne Klagen.
Immer wieder spannend: Die Innenansicht. Rappelvoll fällt mir dazu ein. Alles natürlich sauber verarbeitet und verkabelt. Blickfang sind natürlich die Ausgangstransformatoren, die mit RND gelabelt sind. Wer die Dinger fertigt, da lässt sich der Meister nicht in die Karten schauen.
Für den Eingang nutzt Neve einen T.L.A., Transformer-Like-Amplifier, der dem Eingangstransformator vorsteht. So werden die Vorzüge von einer elektronisch-symmetrierten mit einer Trafo-symmetrierten Signalführung vereint. Gleichzeitig ist so der Eingang bei ausgeschalteter Phantomspeisung als hochwertiger Line Input zu nutzen.
Einsatz des Rupert Neve 5012
Dann hören wir uns doch mal an, was der Portico 5012 klanglich zu bieten hat. Moment, fragt sich nun der aufmerksame Leser, hat der Rezensent da nicht vorab den wichtigen Abschnitt mit den technischen Werten vergessen? Nein, es handelt sich hier um ein Gerät eines der renommiertesten Entwickler für Audioequipment, deshalb ist diese Frage ganz einfach mit der historischen Antwort von Rolls Royce nach der PS Stärke des Phantom IV zu beantworten: „Ausreichend“. So, nun zum Wesentlichen.
Dafür nehme ich mal wieder einige potente Vergleichsgeräte hinzu, zuallererst den über jeden Zweifel erhabenen Millennia HV-3C. Als Mikrofon kommt mein Standard, das AKG C-414 B-ULS zum Einsatz.
Mit der Stimme ist beim RND 5012 eine leichte Unterstützung der tiefen Mitten und unteren Höhen wahrzunehmen, die typische Neve „Wir bringen das Signal nach vorne“ Charakteristik. Hier verhält sich der Millennia neutraler. Auch die Höhen zeigen den Neve Sound. Seidig, aber nicht so offen und strahlend wie beim HV-3C. Der reagiert auch etwas impulshafter bei perkussiven Klangereignissen, von mir überprüft mit einen Shaker.
Beide Preamps bringen das Signal absolut authentisch mit makelloser Auflösung rüber, die Gewichtung liegt beim Millennia eben mehr auf 100% Abbildung des Klangs, der Neve greift minimal klangbildend ein, ohne die Neutralität in den Hintergrund zu rücken.
Weiter zum nächsten Preamp, bei mir steht ja auch ein Klon der bekanntesten Neve Entwicklung, dem 1073 im Rack. Die Interpretation von Warm Audio konnte im Test durchaus gefallen.
Hier kann der Portico zunächst stimmiger und klanglich geschlossener auftreten. Der Warm Audio ist in den Höhen gedämpfter und entwickelt eine minimal störende Frequenz um die 800 Hz herum. Das ändert sich, als der Tone Schalter am WA-73 gedrückt wird, der die Impedanz von den gängigen 1.200 Ohm auf 300 Ohm herabsetzt. Nun rückt der Warm Audio recht dicht an den Neve heran. Diese Anpassung ist sehr erstaunlich, nutzt der RND doch den umgekehrten Weg zum optimalen Klang, seine Impedanz liegt bei 10.000 Ohm. Bei diesem ist aber eine wesentlich bessere Auflösung des Signals zu hören. Nun wird es Zeit, mal den Silk Button zu drücken.
Der verspricht den Klang seidiger und musikalischer zu gestalten. Damit soll der Preamp mehr in Richtung Vintage getrimmt werden. Das Ergebnis ist eher subtil, aber doch wahrnehmbar. Der Sound wird in den Höhen etwas wolkiger und bringt den Klang noch ein wenig mehr nach vorne. Gleichzeitig tritt eine gewisse Intimität in den Vordergrund. Gerade für Gesangsaufnahmen eine willkommene Option.
Nun hat die britische Insel neben Neve in der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts noch einen zweiten stilprägenden Sound hervorgebracht, wir reden hier von Solid State Logic, kurz SSL. Wie es der Zufall so will, konnte ich erst kürzlich den XR627 Preamp im SSL eigenen X-Rack Format nebst einem Mynx Rack mit 2 Slots erwerben. Das schreit doch förmlich nach einem Direktvergleich.
Nach mehrmaligem Gegenhören: All zu weit liegen die beiden Preamps nicht auseinander. Der Neve macht etwas mehr Druck, der SSL geht eher in Richtung des Millennia, absolute Neutralität.
Nun haben aber beide Preamps noch eine Sound-Veränderung zur Verfügung. Beim RND Portico 5012 ist es der Silk Schalter, der harmonische Obertöne hinzufügt, beim SSL XR627 kann VHD (Variable Harmonic Distortion) zugeschaltet werden, die stufenlos von 2. zu 3. Harmonischen übergeblendet wird. Der SSL ist dabei variabler, auf Linksanschlag klingt die Schaltung weicher und röhrenmässiger, während die 3. Harmonische kratziger und Transistor basiert klingt. Durch Phasenauslöschung kann ich die beiden Preamps mit Silk und VHD auf ca. 10 Uhr so einstellen, dass sie nahezu identisch klingen. Ein überraschendes Ergebnis bei durchaus unterschiedlichem Aufbau der beiden Produkte.
Beide Vorverstärker haben einen Low Cut Filter implementiert. Bei RND lässt sich der von 20-250 Hz einstellen, beim SSL sogar von 15-500 Hz. Beide erfüllen ihren Zweck, musikalischer empfinde ich den RND Filter. Es klingt, als würde er oberhalb der Trennfrequenz eine Erhöhung hinzufügen, die mehr Druck macht. Der SSL Filter beschneidet mit einer Flankensteilheit von 18 dB / Octave auch brutaler.
Gemeinsam ist beiden Geräten die Verwendung als Line Preamp. Der Neve nutzt hierzu den Mic Input, da ist dann unbedingt darauf zu achten, dass die Phantomspeisung ausgeschaltet ist. Beim XR627 ist ein separater XLR Eingang mit eigenem Trimpoti vorhanden. Beide Line Inputs funktionieren, wobei der SSL lebhafter klingt, der RND Input wirkt etwas belegt in den Höhen. Durch die Konstruktion ohne eigene Buchse ist Line hier aber sowieso mit Vorsicht zu genießen und eher als kleiner Bonus zu sehen.
Danke für den Test ! Ein edles Teil, auch wenn das Frontplattendesign ja schon so ein bischen Lego/Fischertechnik Charme versprüht. Für klanglich hochwertige Akustikgitarren-aufnahmen jenseits von Westerngitarrengeklampfe käme der 5012 jedenfalls doch ganz sicher in die engere Wahl. Hm, mal schauen und Weihnachtsgeld abwarten ;-)
Dafür ist er sicher geeignet.
Eine Option wäre sicher auch das RND 511 API500 Modul, dass wohl eine erweiterte Silk Funktion hat. Könnte ich aber leider nicht im Direktvergleich testen.