Notarzt oder Producer-Tool?
Machen wir es kurz. Der Empirical Labs FATSO EL7x ist ein analoger Tape Simulator und Optimizer und besteht im Wesentlichen aus drei Teilen:
- einer Kompressor-Sektion, bei der man zwischen drei Kompressortypen wählen kann und mit der SPANK Option auch aggressiv komprimieren kann,
- einem Warmth Prozessor, der eigentlich nichts anderes als ein HiCut-Filter ist,
- einer Tranny Option, die eine Verzerrer-Schaltung im mittleren Frequenzbereich darstellt.
Das Gerät mit diesen drei Funktionen kostet beim Musikhaus Thomann aktuell knapp 2.700 Euro. Für einen (kaum einstellbaren) Kompressor, ein HiCut-Filter mit nur 7 Schritten und einer MF-Distortion? OK, dann kann ich das Ding wieder einpacken, ein paar „Minus Argumente“ schreiben und zurückschicken. Manche Tests gehen schnell. Danke und auf Wiedersehen.
HALT!!!!!!!!
Bevor manch ein Leser jetzt einen vorsichtig kritischen Leserbrief an die AMAZONA.de Redaktion schreibt und die eher mittelmäßige Qualität des Autors bemängelt, darf ich dem geneigten Leser mitteilen, dass der FATSO so viel mehr ist als die Summe der Einzelteile. Daher bitte ich Sie höflich, mir noch ein paar Minuten zu schenken und mir mein etwas provokatives „Clickbait“ Intro zu verzeihen.
„First things first“, wie man in englischen Sprachraum gerne sagt: Neben der großzügigen Umverpackung findet man in einem stabilen Pizzakarton einen Haufen Karton-Blätter, in die der Empirical Labs FATSO EL7x kunstvoll eingeschnitten wurde. Etwas unkonventionell, aber wirksam. Das Gerät selber macht einen sehr soliden Eindruck. Viele LEDs, gut funktionierende Schalter und eine gut ausgestattete Buchsen-Armada auf der Rückseite.
Im Grunde ist mit den drei Punkten oben die Aufteilung der Funktionen gut beschrieben, aber natürlich gibt es mehr zu sagen. Alle Funktionen werden übrigens sehr gut im beigefügten Handbuch (auf Englisch) beschrieben und ermöglichen dem neuen Besitzer einen schnellen Einstieg in das Gerät. Im Folgenden ein Überblick über die einzelnen Funktionen mit der Bitte, diese unter folgendem Aspekt zu bewerten:
Der FATSO ist KEIN „Multifunktionsgerät“, das drei Funktionen in einem Gehäuse beinhaltet. Selten zuvor habe ich ein Gerät in den Händen gehabt, das erst durch die Kombination der einzelnen Elemente zum Leben erwacht.
Empirical Labs FATSO EL7x: Die Kompressor-Sektion
Es gibt drei verschiedene Kompressor-Typen im Empirical Labs FATSO und einen Limiter. Mit der Anwahl einer dieser Typen legt man auch die Parameter Ratio, Attack und Decay fest. Diese sind nicht zu verändern und wurden vom Hersteller auf bewährte Settings festgelegt, was tatsächlich in der Praxis sehr gut funktioniert. Von der Bedienung her handelt es sich übrigens um Rotationspunktkompressoren (ähnlich einem klassischem UA 1176 oder einem Black Lion Seventeen): Man stellt über den Input-Regler den Threshold ein (Gain-Reduction) und reguliert den Pegel dann über den Output-Regler. Hier eine kurze Beschreibung der Kompressortypen:
Der BUSS Kompressor
Das ist ein sanfter Geselle mit zurückhaltender 2:1 Ratio, langsamem Attack und schnellem Release. Der empfohlene Arbeitsraum liegt bei einer Kompression von 1 dB bis 4 dB, was über die LED-Ketten am Gerät gut einstellbar ist. Der BUSS ist im Gegensatz zu den anderen Kompressortypen mit einer Soft-Knee-Schaltung ausgestattet, wodurch der Übergangsbereich des Thresholds sehr weich vonstatten geht.
Der ELEVEN Kompressor
Wie nicht anders zu erwarten, hat auch der FATSO einen Kompressortyp nach Art des berühmten UREI 1176LN. Nach vielen Tests legte man bei Empirical Labs die Ratio auf vergleichsweise harte 20:1 fest, was aber der Wirkweise des eher bauchigen 1176 entgegenkommt. Dieser Kompressor soll (mit langsamem Attack und schnellem Release) Wärme und Fülle ins Klangbild bringen.
Der TRACK Kompressor
Der TRACK wurde an den hauseigenen Empirical Labs „Distressor“ angelehnt. Etwas sanfter als der ELEVEN, ist er besonders für Einzelinstrumente und Vocals geeignet.
Der SPANK Kompressor/Limiter
Der SPANK arbeitet sehr hart und aggressiv und kann mit den bestehenden Kompressortypen kombiniert werden. Er basiert auf den bekannten SSL Talkback Kompressoren und bewirkt erst ein schnelles, aber dann stark nachlassendes Release. Die Wirkung der SPANK-Funktion ist sehr dominant und ist ein wichtiger Baustein der FATSO Klang-Philosophie.
Kompressoren gehören für die meisten Musiker noch zum alltäglichen Arbeiten, aber bei den anderen beiden Funktionen des Empirical Labs FATSO wird es jetzt spannend.
Empirical Labs FATSO EL7x: Der Warmth Prozessor
Genau genommen habe ich diese Funktion am Anfang nicht ganz korrekt beschrieben: Der Warmth Prozessor ist kein HiCut-Filter (obwohl er eine dem angelehnte Funktionsweise hat), sondern ein sehr schnell arbeitender Hochfrequenz-Limiter, der eine HF-Sättigung („Saturation“) bewirkt, ähnlich einem analogen Bandgerät. Dort finden bei zu hohen Pegeln in den hohen Frequenzen Verzerrungen bis hin zu Mikro-Auslöschungen statt. Die Höhen werden somit nicht einfach leiser: Je stärker man den Warmth-Wert einstellt, desto stärker findet eine Art „nichtlineare harmonische Dämpfung“ statt (Nicht googeln: Der Ausdruck ist eine Erfindung des Autors!). Die Dämpfung der hohen Frequenzen geht einher mit einer Art angenehmer Andickung, die überaus musikalisch wirkt. So ein Effekt ist mit einem HiCut nie und nimmer zu erreichen und ist eines der vielen Highlights des FATSO.
Der Warmth Prozessor wird in 7 Stufen eingestellt und hier ist durchaus Vorsicht angebracht. Die obere LED-Kette zeigt die Gain-Reduction ab 20 kHz an und 3 bis 5 dB sind in der Regel für einen sehr angenehmen Effekt völlig ausreichend.
Empirical Labs FATSO EL7x: Die Tranny
„Tranny“ hat gemeinhin zwei Bedeutungen: Die eine ist schlicht die Abkürzung für „Transformer“ und zum Zweiten nennt man so einen Menschen, der der Travestie-Szene zugehörig ist. Gut, es liegt auf der Hand, dass Empirical Labs hier eher ersteres im Sinn hatte und ich bin auch froh, mich nicht aufs dünne Eis der Genderdiskussion einlassen zu müssen.
Ein Transformator (im traditionellen Sinne) isoliert zwei Signale durch den Einsatz von zwei Spulen auf einem Eisenkern, die sich jeweils im Induktionsfeld der anderen Spule befinden, sich aber nicht berühren. Bei Audiosignalen ist das Design eines Transformators eher eine Kunst als ein Handwerk und – ich zitiere das FATSO Handbuch: „… can do wonderful things to an audio signal“.
Im Falle des Tranny Transformators legte man das Augenmerk zum einen auf die mittleren Frequenzen und zu anderen auf den Tiefbass, der harmonisch verändert wird und so dominanter klingt, obwohl die Peaks gezähmt wurden.
Danke für den Test. Ich bin seit einiger Zeit auf der Suche nach einem guten Tape Simulator. Konnte schon jeman den Sound Skulptor TS500 Tape Simulator testen? Leider ist der Hersteller nicht fähig oder willig Sound Samples zur Verfügung zu stellen.
@swift Es gibt von ADT einen sehr guten Tape Simulator der allerdings ein bißchen Eingewöhnung verlangt.
Man kann sich in gewisser Weise seine eigene Maschine konstruieren da man über alle Parameter Kontrolle hat. Ein bißchen Anspruchsvoll aber hervorragend !
https://www.adt-audio.com/ProAudio/ToolMod/Photos/TM233TapeSimulatorStereo_Top_h.html
Ich finde die UAD Tape Simulationen sehr überzeugend. Da gibt’s nicht nur eine gelungene Fatso-Emulation, sondern auch fein justierbare Ampex- und Studer- Tape Versionen.
Und bei den Hardwarepreisen, über die wir hier reden, halte ich die Kombination aus UAD-Hard- und Software für die flexiblere und immer noch günstigere (Home-) Studio-Lösung.
Soundbeispiele sind online zu finden.
@defrigge Ich habe auch die UAD Fatso Emulation. Einer meiner Lieblings-Plugins.
Zum Reinschnuppern auch sehr zu empfehlen sind auch die zahlreichen Goldbaby Samplepacks, die u.a. mit Fatso bearbeitet wurden. Da bekommt man einen guten Eindruck, warum das Teil seit langer Zeit in der Pro-Audio Szene so beliebt ist.
„Auch beim FATSO, wie bei nahezu allen anderen Studiogeräten, empfiehlt es sich, die Klangbeispiele mit einem guten Kopfhörer oder hochwertigen Monitoren anzuhören. Über einen Handy-Lautsprecher lassen sich die oft subtilen Unterschiede kaum wahrnehmen.“
Und ich habe gedacht mein Distressor-Plugin hätte einen Bug.
Scheint eher Firmenphilosophie zu sein. :)
Edit: War das trollig? Sorry! ;)
Hör Dir mal die Fatso Version von UBK/Kush Audio an.
Da hat Gregory Scott das Gerät neu von einem anderen Level her gedacht und
ein paar essentielle Komponenten intern modifiziert.
Das ist für mich nochmal ein totaler Quantensprung – mein allerliebster Färbekompressor
aller Zeiten.
Egal was man reinschickt, egal wie sehr man ihn tritt – es klingt immer hervorragend…
Da beide ein ähnliches Ziel haben, wäre ein Vergleich zum Elysia Karacter ganz interessant. Und da es von beiden auch noch softe Pendants gibt, die gleich mit in den Vergleich…. :-))).
Danke für Euer Feedback. Vom Kush habe ich auch schon wahre Wunderdinge gehört. Muss wirklich klasse sein. Und auch der Elysia – über die kann ich nur Gutes sagen. Geräte von höchster Qualität.
Die Vergleiche Hardware vs. Software sind leider nicht trivial. Meist sind die Charakteristika zwischen der Regler völlig unterschiedlich, um die Mausbedienung zu ermöglichen. Dann ist oft 50% bei der Hardware nicht identisch, wie 50% bei der Software. Dann werden Plugins in der Software meist in den Aux/Send eingeschliffen und ich bevorzuge das direkte Einschleifen in den Signalweg. Auch das ist leider nicht 1:1 zu vergleichen. Aber man kann zumindest einen Eindruck bekommen, wo die Unterschiede liegen.
Ich möchte an dieser Stelle noch gern die Colour Palette Module von DIYRE empfehlen. Sättigung at its best.