Boutique-Dynamik Made in Spain
Der spanische, in der Landeshauptstadt Madrid ansässige und dort komplett entwickelnde und produzierende Hersteller für hochwertige Studio-Hardware, Heritage Audio hat für den Successor (Testbericht bei AMAZONA.de hier entlang) bereits eine eigene Dioden-Kompressorschaltung entwickelt. Was lag also näher, als sich dem populärsten Diodenkompressor überhaupt zu widmen: dem Neve 33609 (hier der Testbericht des Originals). Herausgekommen ist dabei der Heritage Audio HA 609A Elite, der auch optisch gewisse Ähnlichkeiten mit seinem Vorbild aufweist.
Lieferumfang und Verarbeitung
Neben dem eigentlichen Gerät enthält der Lieferumfang ein 48-Volt-Netzteil und eine englischsprachige Bedienungsanleitung. Das aus Stahlblech konstruierte Gehäuse des Madrilenen im 19-Zoll-Format misst 2 HE und reicht 180 mm in die Tiefe. Seitlich und auf der Oberseite des Gehäuses sind reichlich Lüftungsschlitze vorhanden, was auf eine ordentliche Wärmeentwicklung während des Betriebs schließen lässt.
Die anthrazitfarbene Frontplatte mit grauen und weinroten Kunststoffdrehreglern erzeugt eine eigenständige Optik und erinnert mit dem übereinander angeordneten, zweikanaligen Aufbau und den versetzten VU-Metern pro Kanal trotzdem an das berühmte Vorbild. Die Verarbeitung macht einen hochwertigen und langlebigen Eindruck.
Technik und Bedienelemente
Eine Spezialität des Hauses Heritage Audio sind Schaltungen, die sich klanglich am Neve 1073 Preamp orientieren. So wird auch beim Testkandidaten in der Ausgangsstufe ein Nachbau dieser Class-A Verstärkungsschaltung eingesetzt, wie überhaupt das gesamte Gerät in Class-A-Technik gehalten ist.
Darüber hinaus setzt der Hersteller neben jeweils einem Übertrager für Ein- und Ausgang noch einen weiteren, „interstage“-Übertrager ein. Dieser sitzt direkt hinter der Diodenbrücke vor deren Aufholverstärkung. Somit kommen pro Kanal nicht weniger als drei Übertrager zum Einsatz.
Beide Kanäle sind identisch aufgebaut, Kompressor und Limiter lassen sich separat in den Signalweg schalten, wobei der Limiter direkt hinter dem „Gain-Makeup“ des Kompressors liegt. Darüber hinaus kann man per „Bypass“-Schalter jeden Kanal komplett aus dem Signalweg entfernen, das eingehende Signal wird dann direkt auf den jeweiligen Ausgang geschaltet (True-Bypass).
Die Attack-Zeit des Kompressors lässt sich zwischen zwei fixen Zeiten (2 und 4 Millisekunden) umschalten, Release per 6-fachem Drehschalter zwischen 100, 400, 800 und 1.500 Millisekunden. Zusätzlich gibt es noch zwei Automatik-Modi („A1, A2“).
Mit 41-fach gerasterten Drehreglern lassen sich der Threshold von -20 bis +20 dB und Gain-Makeup von 0 bis + 20 dB justieren.
Ebenfalls mit einem solchen gerasterten Drehregler wird am „Limit Level“ der Einsatzpunkt des Limiters bestimmt. Release bietet neben den beiden Automatik-Modi Werte von 50, 100, 200 und 800 Millisekunden als Optionen.
Die beiden Automatikmodi arbeiten bei Limiter und Kompressor mit identischen Werten: A1 und A2 mit 50 Millisekunden für Signalspitzen sowie A1 mit 0,8 Sekunden beziehungsweise A2 mit 1,5 Sekunden für ausklingende Signale.
Die beiden VU-Meter, mit „Compression“ beschriftet, zeigen die Gain-Reduktion an und sind beleuchtet, solange der jeweilige Kanal aktiv ist, Der „Link“-Button verbindet beide Kanäle zu einem Stereokanal, wobei jeweils der Kanal mit der höheren Gain-Reduktion das Zepter übernimmt, also das Steuersignal für beide Kanäle stellt. Heritage Audio weist hier auf die besonders präzise Arbeitsweise beim Abgleich der Kompressorkennlinien dank der eigens entwickelten Diodenbrückenschaltung hin.
Ein praktisches, leider nicht selbstverständliches Feature findet sich noch in Gestalt des roten, frontseitigen Power-Schalters, dessen Status durch eine ebenfalls rote LED angezeigt wird.
Rückseitig sind neben dem Anschluss für das Netzteil noch jeweils zwei, am Gehäuse verschraubte XLR-Eingänge und Ausgänge vorhanden.
Sound und Praxis
Erwartungsgemäß wird der spanische Kompressor aufgrund seiner Class-A-Technik im Betrieb innerhalb kurzer Zeit ziemlich warm (um nicht zu sagen: heiß!). Es empfiehlt sich also, beim Einbau ins Studiorack etwas Platz einzuplanen, um die Belüftung zu gewährleisten.
Das Herumschrauben an den gerasterten Potis macht immensen Spaß, die Haptik stimmt und das VU-Meter leistet gute Dienste bei der Kontrolle von Pegel und Gain-Reduktion. Grundsätzlich greift der Limiter ziemlich heftig ein und neigt ungeachtet der Einstellungen von Attack und Release recht früh zum Clipping, dezente Eingriffe bleiben eher dem Kompressor vorbehalten. Man kann sich angesichts dreier Übertrager pro Kanal schon vorstellen, dass hier kein neutral klingendes Arbeitsgerät, sondern ein charakterstarker, färbender Grundsound mit Sounddesign-Potential das Ziel bei der Entwicklung des HA 609A gewesen sein dürfte.
Die ersten Klangbeispiele sind mit einem mit Flatwounds besaiteten Precision-Bass von FGN erstellt: Neben dem trockenen Signal sind ein komprimiertes, ein limitiertes und eines mit einer Kombination aus beiden Prozessoren zu hören. Bei Letzterem wird der Limiter durch den maximal aufgedrehten Makeup-Gain des Kompressors angefahren und gerät dadurch in eine musikalisch klingende Übersteuerung. Man kann gut die klangliche Signatur des Testgerätes hören, die dem Signal neben satten Bässen auch eine gute Prise Brillanz hinzufügt. Diese sind dabei keineswegs harsch oder spitz, sondern eher angenehm und „weich“. Ich würde den Klangeindruck als eine Art „warmer HiFi-Sound“ beschreiben.
In den folgenden Beispielen hört man, was der Testkandidat mit Schlagzeugsignalen veranstaltet (getrommelt hat hier der virtuelle Logic-Drummer). Zu hören ist eine dezente Einstellung mit einer Gain-Reduktion von etwa 2 dB sowie das „volle Brett“, wo der Testkandidat im Wortsinn als Effektgerät eingesetzt wird:
Den direkten Vergleich zwischen den beiden automatischen Release-Einstellungen kann man hier begutachten. Die Ratio beträgt hier 4:1, der Attack-Schalter befindet sich in der schnelleren Position. Die VU-Meter zeigen hier eine Gain-Reduktion von etwa 4 dB an.
Das Signal des oberen Snare-Mikros wird hier „durch den Wolf“ gedreht, der Ton der Trommel wird betont und die Transienten angezerrt. Das Signal wird ziemlich heftig bearbeitet, sodass auch das Grundrauschen verstärkt wird:
Ein cleanes E-Gitarrensignal wird komprimiert:
Hier wird eine Gruppe, bestehend aus zwei E-Gitarren und einem (Software-) Clavinet, bearbeitet:
Der Stahlsaitengitarre, aufgenommen mit zwei Neumann KM 184, kommt die Bearbeitung mit dem Dynamikprozessor zugute, indem unangenehme Transienten dezent verrundet werden, ohne dass die Transparenz darunter leidet.
Der aus Logic Pro X stammende Gesang erfährt durch den HA 609A Elite ebenfalls eine Veredelung. Hier zwei Klangbeispiele mit dezenter Komprimierung und gezielten Verzerrungen durch den Limiter:
Ebenfalls etwas mehr „Beef“ kann man Software-Synthesizern einhauchen, jagt man deren Signale durch den Madrilenen. Im folgenden Klangbeispiel eine Sequenz des Softube Modulars:
Im Masterbus schließlich kann man den Testkandidaten ebenfalls gut einsetzen, obwohl hier diverse Varianten zu hören sind, überzeugt mich hier eigentlich nur das Beispiel mit der Kompression. Sobald der Limiter ins Spiel kommt, führt das zu nach meinem Geschmack übertriebenen, hörbaren Eingriffen in die Dynamik.
Der Heritage Audio HA 609A Elite erweist sich im Testverlauf als äußerst vielseitig einsetzbar. Dank schaltbarer kurzer Attack-Zeit lassen sich auch perkussive Einzelsignale ebenso bearbeiten und in der Dynamik begrenzen wie auch Summensignale und komplette Mixes. Freilich ist eine minimale Attack-Zeit von 2 Millisekunden nicht besonders schnell im Vergleich zu modernen VCA-Kompressoren, für einen Diodenkompressor ist das aber durchaus flott und erweitert die Möglichkeiten deutlich.
Das Regelverhalten erinnert tatsächlich an das legendäre britische Vorbild, wobei ich persönlich nur Erfahrung mit dessen UAD Software-Emulation habe, da ich diese besitze und auch gerne einsetze. Dem Vernehmen nach soll ja gerade die Regelcharakteristik dem Original sehr ähnlich sein.
Aufgrund der gefälligen und dabei markanten Färbung, die der Dynamikprozessor den ihm zugeführten Signalen verleiht, sollte man ihm vielleicht nicht sämtliche Signale eines Arrangements anvertrauen, auch wenn es verlockend erscheint. Ansonsten besteht die Gefahr, dass diese durch drei Übertrager pro Signalweg geprägte Färbung den Mix zu sehr dominiert.
Die Färbung an sich zeichnet sich durch angedickte, wuchtige Bässe in Kombination mit transparenten, „weichgezeichneten“, aber brillant klingenden Höhen und einem gewissen „Grip“ im Mittenbereich aus. Da bei der Diodenregelung von Kompressoren zunächst eine Dämpfung des Audiosignals vor der Kompressionssteuerung erforderlich ist, die dann wieder entsprechend verstärkt werden muss, geht diese Technik zwangsläufig mit einem erhöhten Nebengeräuschaufkommen einher. Diese war allerdings beim Testgerät kein nennenswertes Problem, die Class-A Schaltung macht da offenbar einen sehr nebengeräuscharmen Job.
Vergleicht man die Features mit denen der aktuellen Variante des Vorbildes, dem AMS Neve 33609, präsentieren sich beide Geräte nahezu deckungsgleich, lediglich beim Gain-Makeup hat der spanische Herausforderer ein Mehr an Reserve von 10 dB. Zieht man nun noch in Betracht, dass der HA 609 A nur etwas mehr als die Hälfte kostet, kann man von einem hervorragendem Preis-Leistungs-Verhältnis sprechen!