Stereo-Kompressor im Vintage-Stil
Heritage Audio aus Spanien hat es sich zum Ziel gesetzt, klassische Schaltkreise in das neue Jahrtausend zu hieven. Dabei wird eben nicht auf handverdrahtet und NOS-Bauteile (NOS = New Old Stock: alte Ware in ungeöffneter Originalverpackung), sondern konsequent, zumindest da, wo es Sinn ergibt, auf „neue“ Technologien wie SMD gesetzt. Nur dort wo es wirklich darauf ankommt, wird auf Vintage-Stil gesetzt. Ganz konkret sind es beim Heritage Audio Successor die Ein- und Ausgangstransformatoren der Marke Carnhill.
Mit einem Ladenpreis von 1549,- Euro ist der Heritage Audio Successor nun nicht gerade als günstig zu bezeichnen. Betrachtet man aber das vergleichbare Produkt des Mitbewerbers, von dem auch das eigentliche Original stammt, werden dort schon 3595,- Euro aufgerufen. Die Rede ist vom AMS Neve 33609 Stereo Limiter/Compressor, der hier bereits getestet wurde. Der Heritage Audio Successor liegt also 2050,- Euro unterhalb des Preises des „Originals“ und erscheint damit gleich etwas preiswerter.
Successor: Ein bewährtes Konzept
Hier soll nun aber kein Vergleich angestellt werden, zumal der 33609 viel mehr Einstellungsmöglichkeiten bietet. Hier geht es um den Heritage Audio Successor, einen Stereokompressor, dessen Regelweg auf der Diodenbrückenschaltung basiert. Weitere Besonderheiten sind die Ein- und Ausgangsübertrager, eine interne Sidechain mit variablem Filter sowie die Möglichkeit, externe Sidechain-Signale zu nutzen. Als Aufholverstärker dient eine Heritage-Variante des originalen NEVE 1073 Preamps, wie er auch schon unzählige Male kopiert wurde. Ein Blend-Regler, der stufenlose Parallelkompression ermöglicht, rundet das Bild ab.
Beim Heritage Audio Successor handelt es sich also um einen reinen Stereobus-Kompressor, der hauptsächlich für Mix-Bus- oder Stem-Bearbeitung konzipiert ist. Es gibt keine individuellen Einstellungsmöglichkeiten für die Stereokanäle. Die Sidechain reagiert dabei immer auf den lautesten Peak, egal auf welchem Kanal dieser gemessen wird; das ist die sogenannte Oxford-Charakteristik.
Heritage Audio Successor – Qualität aus Spanien
Optisch und haptisch gibt es keine Beanstandungen, das 1 HE 19 Zoll Gehäuse hat eine Tiefe von 18 cm und entwickelt beim Betrieb gerade mal Handwärme. Die Potikappen sind der klassischen Neve-Optik nachempfunden, die Drehregler selber sind alle gerastert und sitzen dank Verschraubung mit der Frontplatte bombenfest.
Ein- und Ausgänge sind schnell aufgelistet: Es gibt symmetrische beschaltete XLR-Buchsen für das Audiosignal und unsymmetrische Klinkenbuchsen für das externe Sidechain-Signal. Da der Heritage Audio Successor über einen Send/Return-Loop verfügt, kann auch das intern genutzte Signal genommen werden, bearbeitet und wieder dem Gerät zugefügt werden.
Überraschung in der Sidechain
An Reglern trifft man die üblichen Verdächtigen: THRESHOLD (-20 dB bis +20 dB), RATIO (1,5:1 bis Limiter), ATTACK (50 µs bis 20 ms), RELEASE (25 ms bis 400 ms, sowie Auto 1 und 2) und SC FILTER (Off, LP 80 Hz, LP 160 Hz, PK 800 Hz, HP 3 kHz und HP 5 kHz).
Als Regelung für die Mischung bleiben dann noch GAIN MAKEUP (0 dB bis +10 dB) und der BLEND-Regler (DRY bis WET).
Im Gegensatz zum klassischen Design fällt hier besonders die Sidechain auf. Sie bietet eben nicht nur die bekannten Lowpass-Filter, sondern eben auch ein Peak-Filter bei 800 Hz, das besonders empfindlich auf Snares reagiert und die beiden Highpass-Filter. Diese schlagen vor allem zu, wenn es um Becken geht.
Ebenfalls neu ist die Parallelkompression. So kann man ein Signal richtig zerquetschen und durch feinfühliges Beimischen einen gleichzeitig lebendigen sowie druckvollen Klang erreichen. Wenn man möchte, kann man aber den Blend-Regler völlig aus dem Geschehen entfernen (sowie die ganze dynamische Bearbeitung umgehen), so dass das Signal nur noch durch die Übertrager läuft. Damit kann man auch schon ein wenig Vintage-Vibe kreieren.
So ein Diodenbrückenkompressor steht und fällt mit der Aufholverstärkung. Denn die Dioden haben zwar eine ideale Kompressionscharakteristik, das Signal muss aber stark gedämpft werden, so dass es nicht übersteuert. Diese Dämpfung muss dann wieder von einem Verstärker aufgeholt werden. Im Heritage Audio Successor kommt dabei eine Variante des 1073 zum Einsatz, der noch mehr Vintage verspricht.
Klang und Handling des Heritage Audio Successor
Ausgangsmaterial ist eine kleine Bass-, Piano- und Schlagzeuggruppe. Bei den ersten Versuchen fällt mir sofort auf, wie angenehm es ist, immer beide Kanäle gleichzeitig zu verstellen. So macht man erst gar keine Fehler, die einem das Stereobild versauen können.
Der Heritage Audio Successor packt richtig zu, vor allem im Limiter-Betrieb und bei der sagenhaft kleinen Attack-Zeit von 50 µs. Da wird das Signal gequetscht, dass es kaum wiederzuerkennen ist. Dreht man von so einer heftigen Kompression nun 50 % über den BLEND-Regler raus, kommt man beinahe immer zu brauchbaren Ergebnissen. Natürlich kann man auch bei 100 % BLEND arbeiten, dann muss man eben feinfühlig mit dem Threshold und dem Gain-Makeup umgehen.
Mit seinen +10 dB bietet dieser Makeup-Gain genügend Verstärkung, um auch das Signal wieder aufzuholen. Das ist vor allem wichtig im Zusammenspiel mit BLEND, um verschieden nuancierte Ergebnisse zu bekommen.
Den größten Einfluss hat aber die Wahl des Sidechain-Filters. Hier bestimmt man die grundsätzliche Richtung: Dürfen die Bässe mit an der Kompression teilhaben oder sollen nur ganz hohe Frequenzen ab 3 kHz herangezogen werden. Diese Einstellung eignet sich auch hervorragend als De-Esser. Das 800 Hz Peak-Filter nimmt hier eine besondere Stellung ein, da es sehr stark auf Snare und Stimme reagiert.
Vielen Dank für den tollen Testbericht und vor allem Danke für die Hörbeispiele! Ich hab mir schon immer einen 33609 like Kompressor für mein Studio gewünscht und seit ca. 2 Wochen habe ich auch den Successor ins Auge gefasst und bin daher gerade eh am recherchieren. Da kommt mir dieser Test natürlich auch gerade recht bzw. hat mich gerade dazu gebracht ihn mir (erstmal zum testen) zu bestellen.
Dafür sind wir ja irgendwie da…. vielen Dank dafür. Wie gesagt, der Successor ist ein richtig gutes Gerät, das man auch kreativ einsetzen kann. Viel Spaß damit!