Eine Martin für "on the road"
Inhaltsverzeichnis
Was haben wir hier denn Schönes aus dem Hause C.F. Martin & Co. vor uns? Wenn ich die Worte Martin Guitars höre, denke ich zuerst an drei Dinge: Musikgeschichte, Qualität und viel Geld. Sicher wird es vielen von uns schon so gegangen sein, dass man sich wünscht, ein Mal im Leben eine Martin zu besitzen. Das von einem deutschen Auswanderer gegründete Unternehmen baut nämlich Gitarren, die von ungefähr allen legendären Musikern, die Westerngitarren spielen, verwendet und damit eben berühmt gemacht wurden. Um nur die wenigsten zu nennen: Paul McCartney, Eric Clapton, Joni Mitchell, Elvis Presley, John Mayer oder Johnny Cash. Und was denkt man, wenn all diese Legenden Gitarren der gleichen Marke spielen? Genau: Die müssen ja unfassbar gut sein! Und was passiert meistens, wenn Gitarren mit guter Qualität so viel Berühmtheit erlangen? Genau, sie werden sehr teuer (oder sind es von Anfang an schon). Und somit ist es dann doch kein so großer Spaß, bei einer Martin D-28 oder der beliebten OMJM (John Mayers Signature Modell) aufs Preisschild zu schauen. Doch auch bei Martin tut sich hier seit einigen Jahren etwas und somit gibt es mittlerweile auch Martin Gitarren im bezahlbaren Preissegment. Und genau so eine nehmen wir heute mal unter die Lupe.
Unboxing the Martin Guitars GPC-10E Roadseries Special
Aus dem Karton lacht uns ein anthrazitfarbenes GigBag entgegen, das dem äußeren Anschein nach einen wirklich guten Eindruck macht. Einmal geöffnet offenbart sich die Akustikgitarre mit perfektem Sitz im Soft-Case. Ein kleines Schildchen weist angenehmerweise darauf hin, dass die Gitarre mit einem Satz Authentic Acoustic Lifespan 2.0 Guitar Strings Phosphor Bronze – Light .012 – .053 bespannt ist. Unsere Testgitarre kommt von Thomann und somit liegt auch der Nachweis bei, dass das Instrument die Qualitätskontrolle durchlaufen hat. Dementsprechend ist die Gitarre bis auf die D-Saite auch ziemlich gut gestimmt und vom ersten Eindruck her ist an der Gitarre erst mal alles lecker! Obendrauf gibt’s noch die Anleitung zum Tonabnehmersystem und Care-Tipps für das Instrument.
Noch ein paar Gedanken zum mitgelieferten GigBag: Ja, ich weiß, es gibt Gitarren zu diesem Preis, die sogar inklusive Koffer kommen. Ich persönlich finde jedoch GigBags super, zumal ich als Tourmusiker viel mit der Bahn und mehreren Gepäckstücken unterwegs bin. Und das hier mitgelieferte macht ganz gut was her! Sinnvolle Verstärkungen am Hals und an der Unterseite geben der Gitarre viel Sicherheit, die Vordertasche wartet noch mit einem integrierten Netz zur Organisation auf und auch das blaue samtige Innenleben wirkt stimmig und wertig.
Facts & Features
Die Akustikgitarre kommt mit einer massiven Decke aus Fichte. Boden und Zargen sind aus Sapele gefertigt. Dieses Tonholz stellt eine günstigere Alternative zu Mahagoni dar, die jedoch für Laien wirklich schwer zu unterscheiden ist. Klanglich sagt man dem afrikanischen Holz etwas mehr Leichtigkeit und Transparenz als Mahagoni nach. Hals und Griffbrett sind aus „Selected Hardwood“. Martin seitig ein seit einigen Jahren beliebter kleiner Trick, um sich nicht komplett festlegen zu müssen, was die Holzsorte betrifft. Wir haben es also entweder mit Mahagoni oder spanischer Zeder zu tun. Weitere Features:
- Bauform: Grand Performance Fret mit Cutaway
- Bracing: X-Brace Fichte
- Rosette: Multi-Stripe
- weiße Style 28 Mother-of-Pearl Griffbretteinlagen
- Griffbrettradius: 16″
- Mensur: 645 mm (25,4″)
- Sattelbreite: 44,5 mm (1,75″)
- Sattel: White Corian
- 20 Bünde
- Tonabnehmer: Fishman MX-T
- Tortoise Schlagbrett
- Stegeinlage: Compensated White Tusq
- Stegmaterial: Richlite
- Bridge String Spacing: 54,8 mm (2,16″)
- Black Enclosed Gear Mechaniken
Tonabnehmer Fishman MX—T
Von der Konstruktionsweise haben wir es hier mit einem relativ klassischen Piezo Under Saddle Tonabnehmer zu tun. Sprich, der Ton wird unter dem Steg abgenommen. An Einstellmöglichkeiten befinden sich im oberen Bereich des Schalllochs zwei Regler. Ein mal Volume und ein mal Tone. Der Tone-Regler wartet hier jedoch mit einer interessanten Besonderheit auf. Er fungiert nämlich nicht wie eine klassische Tonblende. Im Linksanschlag hat man den EQ-neutralen Piezo Sound, im Rechtsanschlag einen sogenannten „scooped Sound“, also angehobene Bässe und Höhen und dadurch etwas reduzierte Mitten. Im unteren Bereich des Schalllochs befindet sich etwas, was ich beim ersten Begutachten fälschlicherweise für ein Mikrofon oder ähnliches gehalten habe. Hier versteckt sich jedoch ein Tuner. Mit einem kleinen, unscheinbaren, aber gut leserlichen Display und einem nahe an der Decke angebrachten Knopf zum Aktivieren, hat Fishman hier wirklich mitgedacht. Von außen kaum wahrnehmbar liegt der Tuner bei normaler Haltung sehr gut im Blickfeld und das Ausgangssignal des Piezo-Pickups wird bei aktiviertem Stimmgerät stummgeschaltet. Tolle Sache.
Die Martin GPC-10E in der Praxis
Wie eingangs erwähnt, kam die Gitarre super eingestellt und sogar fast perfekt gestimmt bei mir an. Der schlichte optische Charakter der Gitarre lässt vermuten, dass hier mehr auf Qualität als auf Optik gesetzt wird und das zeigt sich auch direkt in der Verarbeitung. Die in Mexiko gebaute Gitarre ist sehr sauber gearbeitet, wie man es von Martin erwartet. Bis auf die Kopfplatte, die aufgrund der Art des Finishs etwas billig anmutet, gibt es hier nichts zu meckern. Der Hals fühlt sich für meine eher mittelgroßen Hände sehr angenehm an. Die Sattelbreite von 44,5mm passt zur Bauform und lässt den Fingern genügend Platz für entspanntes Fingerpicking. Die Bünde sind sehr sauber gearbeitet und der Hals wirkt weder dick noch dünn (mein favourite). Die schwarzen Martin eigenen Mechaniken erinnern optisch sehr an Schaller und laufen super. Ein perfekt gerader Hals und gegebene Oktavreinheit laden hier direkt zum Spielen ein. Mir fällt auf, dass die Gitarre eine wirklich schöne Trennung der einzelnen Saiten aufweist. Außerdem klingt sie sehr ausgewogen. Weder die Bässe noch die Höhen wirken aufdringlich und die Gitarre hat diesen typischen wirklich sehr positiven „flachen“ und dafür sehr nahbar und hölzern wirkenden Sound.
Also direkt mal vors Mikro, um zu versuchen, diese Facetten einzufangen. Hierfür schnappe ich mir mein SE Electronics VR1 Bändchenmikro und richte es mit ca. 20-30 cm Abstand etwas schräg zwischen 12. Bund und Hals/Korpus-Übergang. Die Aufnahmen sind komplett unbearbeitet und nur mit ein paar dB an Lautstärke ausgestattet, damit man die Laptop-Speaker nicht auf 11 drehen muss und Strumming und Picking nicht ganz so weit von einander entfernt sind.
Doch vor dem Mikro ist bei dieser Gitarre ja nur die halbe Miete. Nicht umsonst heißt sie „Roadseries“. Und darum interessiert uns natürlich genauso sehr, wie sie denn mittels Tonabnehmersystem performt. Erst mal nochmal stimmen. Ach ja, die Gitarre hat ja einen eingebauten Tuner. Der ist so unscheinbar, dass ich das schon vergessen hatte. Und siehe da, er funktioniert wirklich super! Wirklich sehr schönes Feature. Also, erst mal beide Regler auf Linksanschlag (Piezo-Sound ohne EQ) und ein paar Akkorde schrammeln. Es tönt ganz gut, klassischer Piezo-Sound eben, wobei mir hier die Bässe ein klein wenig fehlen. Aber mit ein paar kleinen Handgriffen am Mischpult oder dem EQ Pedal lässt sich hier noch mehr rausholen. Was ganz schön ist, ist der anders arbeitende Klangregler. Die EQ Kurve, die hier aufgelegt wird, lässt alles ein klein wenig mehr nach Mikro klingen, ohne jedoch tatsächlich für Feedback anfällige Mikros in der Gitarre verbauen zu müssen. Ein riesiger Unterschied ist hier jedoch nicht zu bemerken und andere Hersteller erzielen mit Mikrofonemulationen und ähnlichem mehr Klangvielfalt. Dennoch wirkt das, was Martin hier bietet, auf jeden Fall grundsolide und genau das ist ja das, was man auf der Bühne braucht.
Signalkette Mic Aufnahme: SE Electronics Voodoo VR1 – RME Fireface 802 – Ableton Live 11
Signalkette Pickup Aufnahme: RME Fireface 802 – Ableton Live 11