Telecaster mit extravagantem Design und Sound
Inhaltsverzeichnis
In der Vergangenheit hatten wir bereits das Vergnügen, einige Instrumente der Gitarrenschmiede Baboushka aus Berlin zu testen. Hier werden liebevolle Einzelstücke gebaut, wobei extrem „abgehangenes Holz“ zur Verwendung kommt. Dadurch klingen die Instrumente sehr „vintage-mäßig“, da sich die lange Lagerzeit und vor allem das Alter der Tonhölzer (150 Jahre) in einem resonierfreudigen Ton ausdrücken. Einige Alleinstellungsmerkmale sind hier an Bord, angefangen vom Look dieser Telecaster, der eingegossenen Tarot-Karte, aber auch der splitbare Singlecoil am Steg sowie der Charlie Christian-Tonabnehmer am Hals sind Features jenseits des Mainstreams. Natürlich muss man für ein sehr individuelles Instrument leider auch etwas tiefer in die Tasche greifen, dafür besitzt man quasi ein Unikat. Schauen wir nun mal genauer hin:
Baboushka Barncaster Tarot – Facts & Features
Die Barncaster Tarot wird in einem sogenannten SCC Tolex Hardcase mit Baboushka-Berlin Schriftzug ausgeliefert. Inkludiert sind einige kleine Gimmicks wie ein Zertifikat, Sticker, Flyer und Plektrum. Das Instrument ist letztlich eine „gepimpte“ Telecaster, die sich jedoch in vielen Details von einer Fender unterscheidet. Dank des abgelagerten Tonholzes bringt die Gitarre lediglich 3,25 kg auf die Waage. Ein“ künstlich gealterter“ (aged) Drehschalter mit vier Stellungen wählt die Tonabnehmer aus, wobei die vordere Position als sogenannter „Killswitch“ fungiert und die Gitarre dann letztendlich „ausschaltet“ und eine Verbindung von Tonabnehmer und Ausgang physisch nicht mehr existiert. Die anderen drei Stellungen arbeiten wie bei einer gewöhnlichen Telecaster.
Baboushka Barncaster – Korpus
Der Korpus (Dreiteiler) wurde aus ca. 150 Jahre altem, wildgewachsenen Kiefernholz gefräst, das einen langen Lagerungsprozess hinter sich brachte.
„Südlich“ der T-Style Brücke (gelegentlich auch als sogenannter Aschenbecher bezeichnet), wurde eine ca. 3 mm tiefe kreisförmige Ausfräsung vorgenommen, in der eine Tarot-Karte (zwei Schwerter) eingelegt wurde. Anschließend wurde die Karte bzw. der Ausschnitt mit Kunstharz ausgegossen, was dann so aussieht, als wäre die Karte durch Glas zu sehen. In Zukunft sind weitere Modelle mit anderen Tarotkarten aus dieser Serie geplant, somit gibt es genug Potenzial für weitere Einzelstücke.
Das Finish (laut Hersteller „natural dark stained“) wurde in einem recht aufwendigen Verfahren aufgebracht: Hierbei wurde der Korpus zunächst mit Ölfarbe schwarz lackiert und anschließend wieder abgeschliffen, damit sich nur die Maserung schön einfärbt. Anschließend kam Waffenöl zum Einsatz, das normalerweise zur Pflege von Gewehrschäften verwendet wird. Eine Lackierung von zwei bis drei Schichten mit Nitrolack wird dann wiederum mit zwei bis drei Schichten „True Oil“ aufgetragen und poliert. So ein Finish kann dann nach Aussage von Nikolai, dem Vater dieses Instruments, durchaus bis zu zehn Tagen dauern, bevor es vollständig fertiggestellt ist.
Baboushka Barncaster – Hals
Der Hals aus Ahorn besitzt im Gegensatz zu einer „Vintage-Tele“ 22 Bünde, wobei das Griffbrett aus Palisander etwas übersteht. Durch eine sogenannte „Röstung“ erhielt der Hals eine etwas dunklere Farbe und fühlt sich angenehm an, das Profil „Medium C) liegt gut in den Händen und wird sicherlich der Mehrzahl der Gitarrist:innen liegen, da er weder besonders dünn oder massig ausfällt. Die Halsrückseite wurde nur dünn lackiert, sodass man beim Lagenwechsel nicht „kleben bleibt“.
Das Griffbrett besitzt einen Radius von 9,5 Zoll, der etwa dem Hals einer Tele aus den 70ern entspricht, wurde sauber bundiert, abgerichtet und poliert. Der Sattel wurde aus Knochen gefertigt und die Sattelkerben tief genug gekerbt, um vor allem im ersten Bund Intonationsprobleme zu vermeiden. Viele Gitarren sind „ab Werk“ diesbezüglich schlecht auf ihre Arbeit vorbereitet, da bei der Endkontrolle oft nicht der Mut bzw. die Zeit investiert wird, die Kerben ausreichend tief zu feilen. Ginge man hier zu weit (feilte man die Kerben zu tief), bedeutete dies ein Auswechseln und erneutes Feilen des Sattels. Oft muss bei neuen Gitarren diesbezüglich zunächst nachgearbeitet werden, um die Gitarre komfortabel spielen zu können, hier war alls in Ordnung.
Natürlich erhielt die Kopfplatte der Barncaster auch eine gefräste Stufe, wie man sie von weiteren Modellen aus dem Hause Baboushka bereits kennt. Das Firmenlogo und ein sogenannter Saitenniederhalter (Stringtree) für die h- und e-Saite (erfreulicherweise rund) wurden dort implementiert. Der Zugang zum Halsstab erfolgt kopfplattenseitig. Am zwölften Bund wurde eine spezielle Einlage aus drei Dots platziert.
Baboushka Barncaster – Elektrik & Hardware
Die schwarz lackierte Elektrikfachabdeckung aus Aluminium ähnelt von der Optik der Music Man Stingray, die sich in den 80ern einer gewissen Popularität erfreute.
Für den elektrifizierten Sound wurde ein „matched set“ des deutschen Herstellers Dead End Pickups verbaut, das speziell für diese Gitarre entwickelt wurde. Der Charlie Christian Pickup am Hals erzeugt einen eigenen Ton. Ein großer Fan dieser Tonabnehmer ist u. a. der begnadete Tim Lurch, der in quasi alle seiner Teles diesen Tonabnehmer einbauen ließ.
Der recht kraftvolle Bridge-Pickup wurde mit Coiltap ausgestattet, wobei die ca. 8000 Wicklungen nicht im Verhältnis 1:1 geteilt wurden, sondern bei ca. 6000 Windungen einen Abgriff besitzen, sodass der „getapte“ Sound nicht zu dünn klingt, sondern klanglich etwa mit einem „gewöhnlichen“ Stegtonabnehmer einer Tele zu vergleichen ist. Der Coiltap wird mittels des Push-Push-Tonpotis erreicht. Ist der Tonregler in der Standardposition, erhält man den „angezapften“ Steg-Pickup, für einen fetteren Klang, kann man dann das Push-Push-drücken, bis die Potiachse „ausgefahren ist“, dann sind alle Wicklungen aktiviert und der Sound gewinnt etwas an Mitten und Bässen.
Die beiden Potis besitzen den für Singlecoil-Gitarren üblichen Wert von 250 Kiloohm (log), der Kondensator am Tonpoti (33 nf) stammt aus alten Beständen. Die Verkabelung im Elektrikfach wurde mit gewachsten Stoffkabeln vorgenommen, wie dies bei u. a. Vintage-Strats bzw. Teles auch gerne gemacht wurde.
Der Steg kommt aus dem Hause Wilkinson und besitzt kompensierte Brücken aus Messing. Damit lässt sich eine exakte Bundreinheit einstellen, was sich bei einem Tele-Steg mit nur drei Saitenreitern immer etwas nervig gestaltet und meist Kompromisse in der Bundreinheit erfordert.
Die sechs Kluson Roundback Mechaniken an der Kopfplatte wurden „geaged“. Dies wird oft mit Salzsäurelösung, wie man sie zum Ätzen elektronischer Platinen im Heimbereich einsetzt, erreicht. Richtige „Aging Freaks“ verwenden für diesen Zweck möglicherweise auch eine eigene Rezeptur, Hauptsache diese sorgt für ein Abstumpfen des Lacks.
Zur Verbindung von Korpus und Hals wird eine Halsplatte aus Aluminium verwendet, die ein B-Logo (für Baboushka) besitzt.
Sound
Bereits ohne Einklinken im Verstärker zeigt sich, dass sich das Instrument nicht zuletzt durch die sehr alten und „abgehangenen Brocken“ sehr resonierfreudig verhält. Wer einmal das Vergnügen hatte, wirklich alte Gitarren (60 Jahre und mehr), E-Gitarren bzw. akustische Instrumente gespielt zu haben, wird das bestätigen. Das Spielgefühl und der Ton verändern sich mit den Jahrzehnten, insbesondere, wenn ein solches Instrument auch regelmäßig in allen Lagen gespielt wurde.
Hören wir uns zuerst den Charlie Christian Tonabnehmer am Hals mit klarem Sound an, dieser klingt sehr eigen und individuell. Für Blues und Jazz sicherlich hervorragend einzusetzen:
Der Charlie Christian-Tonabnehmer klingt für mich noch einen Hauch wärmer als ein „gewöhnlicher“ klassischer Hals-Pickup beispielsweise einer Fender Telecaster.
Nun hören wir den Steg-Pickup. Dieser liefert einen recht hohen Output. Wir hören zunächst den „angezapften“-Klang mit klarem Sound und aktivieren anschließend die volle Spule mittels des Push-Push-Tonreglers. Der Klang verändert sich recht subtil, ist aber eindeutig auszumachen:
So sollte eine gute Tele klingen, knochiger, drahtiger Sound mit viel „Twang“. Dieser Sound ist nicht zu scharf, aber durchsetzungsfähig und bedient viele Sparten, bekanntermaßen insbesondere Country ganz ausgezeichnet.
Hören wir nun beide Tonabnehmer parallel, hier ist beim Stegtonabnehmer der Coiltap aktiviert:
Interessant zu wissen ist sicherlich auch, wie sich der Stegtonabnehmer verzerrt verhält. Wir hören einen moderat verzerrten Sound meines Peavey Classics 20, der Stegtonabnehmer arbeitet hier mit allen Wicklungen:
Der Klang ist angenehm fett, aber gleichfalls auch durchsetzungsfähig. Bei heftigem Gain (Verzerrung) bekommen wir es natürlich mit dem üblichen und nervigen Brummen zu tun, das entspricht der Natur eines Einspulers. Aber Alternativen zum Singlecoil (gerade bei einem Telecaster-Stegtonabnehmer), lassen meist die volle Lebendigkeit vermissen.
Schließlich hören wir einen crunchy Sound mit angezapftem Stegtonabnehmer:
Die Klangbeispiele wurden mit folgendem Equipment aufgenommen:
Baboushka Barncaster Tarot – Peavey Classic 20 MH – MESA/Boogie 1x 12″ Thiele Box mit Creamback Celestion Lautsprecher – Shure SM57 – MOTU M4 – Mac mit Logic (etwas Hall vom Verstärker hinzugefügt).
Wie jetzt? Traut sich keiner zu schreiben, dass das Ding potthässlich ist? Nicht nur ist für mich Kiefernholz der Inbegriff von Kinderzimmermöbeln aus den 80ern, auch die übriggebliebene schwarze Farbe um die Tarotkarte lässt mich an erste DIY-Anfänge denken.
Ich bin ein alter Sack und fand schon vor Jahrzehnten die kaputtgerissenen und dafür extrateuren Jeans nicht cool. „Aged“ Gitarren mag ich auch nicht. Wenn dann eine Gitarre daherkommt, die absichtlich auf „Ich hab mal schnell was gebastelt“ getrimmt ist, dann ist das nicht meine und wird es auch nie sein.
There used to be a metal band
Until 2010
When they traded in their Axes
For a Bass and Mandolin
They bought a Six String Banjitar
And played the Tambourine
Everybodies chasing the Americana Dream
Skinny Jeans and Trucker Hats
Beards and Flannel Shirts
A couple pair of Working Boots
That have never seen the dirt
They spend their days in coffee shops
Reading Pitchfork Magazine
Everybodies chasing the Americana Dream
They sing about the Devil
They sing about the Lord
They sing about the road
But they’ve never been on tour
https://www.songlyrics.com/firekid/americana-dream-lyrics/
@bluebell Danke! Ich hatte heute morgen Kopfschmerzen und traute mir deswegen kein geschmackliches Urteil zu. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, was zuerst da war. Die Kopfschmerzen, oder der Artikel? 😅
Nix gegen Johannes und seinen Artikel!
Wenn man beim Hersteller schaut, dann ist das wohl deren Stil. Schmuddel shabby chic.
@bluebell Ich hatte tatsächlich überlegt, etwas über meinem Eindruck zu schreiben und mir dann erstmal die Herstellerseite angeschaut. Die Art des Designs geht über alle dort gezeigten Instrumente…Das mag man oder eben nicht.
Allerdings, wenn man sich die gezeigten Details anschaut, dann find ich es erstaunlich, dafür ein PLUS für die Verarbeitung zu geben.
Aging ist das eine, aber ausgerissene Griffbrettkanten, schiefe Halsplatte, Druckstellen auf dem Griffbrett und eine deutlich unsauber gearbeitet Griffbretteinlage am 12. Bund (im Text als „speziell“ bezeichnet), dass ist zum aufgerufenen Preis sportlich.
Technisch und handwerklich gefertigt scheint die Gitarre ja auf hohem Niveau zu liegen…. aber das Design…😖👎
Wir hatten im Kinderzimmer mal einen liebevoll selbstgefertigten Tisch und Stühlchen, die sahen genauso aus😁
Was mir nicht so gefällt: Die Wilkinson-Bridge passt m.E. optisch nicht zum Konzept und der Korpus ist offenbar aus mehreren Teilen, was klanglich sicherlich egal ist, optisch wegen der Maserung aber auch nicht so gut kommt.
Heftiger Preis, wobei hier aber viel Handarbeit hinterstecken wird.