Geschichten aus dem Nähkästchen
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Es ist manchmal erstaunlich. Erstaunlich zu sehen, wie eine Technik genutzt wird, sich dann eine neue entwickelt und schließlich Jahrzehnte später (in diesem Fall mehr ein halbes Jahrhundert) eine Rückkehr zur alten Technik, diesmal erweitert um Mythos und Verklärtheit, zu beobachten ist. Und das gerade, weil die alte Technik bestimmte „Mängel“ aufweist. In diesem Fall geht es um den legendären Vorverstärker, der von ca. 1964 bis 1968 in den Abbey-Road-Studios in der REDD.51 Konsole zum Einsatz kam: der EMI Record Engineering Development Department (kurz: REDD) 47. Die Plattenfirma EMI unterhielt neben eigenen Studios damals auch eigene Fertigungsstätten für Studiogeräte und stattete z. B. die Abbey-Road-Studios exklusiv damit aus. Es gab also nie kommerzielle Versionen zum Verkauf. Ich hatte nun das Vergnügen, den aktuellen Chandler Limited EMI REDD 47 ausführlich zu testen.
Chandler – Kooperation mit EMI
Chandler kooperiert seit Mitte der 2000er-Jahre mit EMI, um viele der damaligen Studiogeräte neu aufzulegen. Dabei ist es selbstverständlich nicht erst seit der Verlängerung und Vertiefung der Kooperation in 2014, dass Chandler dabei Zugriff auf die originalen Schaltpläne der EMI REDD hat. Seit einiger Zeit gibt es die Neuauflegung des REDD.47, der als Vorverstärker in der Mischkonsole REDD.51 u.a. bei vielen Aufnahmen der Beatles oder Pink Floyd zum Einsatz kam. Zum schnelleren Austausch bei Fehlfunktionen und vereinfachter Wartung wurden die ursprünglichen Vorverstärker in Kassettenform in das Pult eingeschoben.
Chandler EMI REDD 47 – die (offizielle) Reinkarnation
Der Chandler Limited EMI REDD.47 ist für den gehobenen Studiobereich – aber eben auch für den Homerecording-Sektor – in einem zeitgemäßen 2 HE Rack für einen Ladenpreis von 3.295,- Euro auf dem Markt. Die großen Chickenhead-Regler auf der 5 mm dicken Alufrontplatte sind auf einer halben Rack-Breite verteilt (inklusive Signalpolaritäts- und Pad-Schalter), die andere Hälfte nimmt die Phantomspeisung und der An/Ausschalter nebst einem dickem Pilotlicht ein. Ganz links findet sich ein DI-Eingang für hochohmige Instrumente aller Art. Damit bleibt das Panel sehr übersichtlich, ist aber im Vergleich zu den Originalkassetten geradezu überfrachtet.
Viele Einzelheiten wurden hinzugefügt, um den REDD.47 zeitgemäß zu machen. Der Gain-Bereich wurde erweitert und hat einen größeren Regelbereich erhalten. Original: 24 dB bis 46 dB, Remake: 16 dB bis 52 dB. Der Fine-Gain geht in elf 1 dB Schritten von -5 dB bis +5 dB, beim Original war hier ein stufenloses Poti verbaut, das einen etwas zappeligen Regelweg aufwies. Der Output-Regler im Remake verhält sich wie der Kanalzug in der Konsole und kann das Signal also völlig ausblenden.
Ein Pad mit -20 dB gab es im Original ebenso wenig wie eine Phantomspeisung mit 48 V. Auch eine Nutzung als Röhren-DI-Box, dessen Eingang sich auf dem Frontpanel befindet, war damals nicht vorgesehen. Ansonsten gibt es auf der Rückseite nur je einen XLR-Ein- und Ausgang sowie die Buchse für den Kaltgerätestecker. Der Trittschallfilter setzte in der Kassette lediglich bei 30 Hz mit einer Flankensteilheit von 3 dB/Oktave an. In der aktuellen Version gibt es acht Frequenzen, von 30 Hz bis 180 Hz mit der gleichen Flankensteilheit.
Aufbau des Mikrofonvorverstärkers
Wie bereits angedeutet, entspricht der Signalweg 1:1 den Originalplänen, allerdings ist die Transistortechnik zusätzlich in den REDD.47 eingezogen. Die Eingangsspannung wird von Dioden gleichgerichtet und durch Spannungsregler und entsprechender Glättung durch Kondensatoren in die Spannungsversorgung für die Röhren umgewandelt. Früher wurden hier Diodenröhren eingesetzt. Man kann sich vorstellen, dass in der Kassette eine schöne Hitze herrschte, die so manchen Röhren frühzeitig den Garaus machte.
Die Kühlung/Lüftung geschieht rein passiv durch Schlitze im robusten Stahlblechgehäuse. Durch das voluminöse Gehäuse kann alles gut zirkulieren und auch nach längerer Betriebszeit konnte keine übermäßige Hitzeentwicklung festgestellt werden. Und selbst wenn das ein oder andere Bauteil ausfallen sollte, es gibt außer den Übertragern keine speziellen Bauteile aus der Boutique. Alle Widerstände und Kondensatoren sind Stangenware, gut selektiert, aber dennoch Stangenware.
Gegenüber dem Original sind das alles gute und zeitgemäße Zusätze, die man einfach heutzutage erwartet. Es existieren aber für die Einstellungen keinerlei optische Kontrollen, außer den Stellungen der Schalter selber. Eine Aktivitätsanzeige bei Pad und Phantomspeisung wäre schön gewesen und ein VU-Meter für den Pegel hätte der Ästhetik des Gerätes sicher nicht geschadet – und Platz auf dem Panel wäre genug gewesen. So muss man sich allein auf sein Gehör verlassen. Das ist keine schlechte Sache, doch hätte ich mir für den aufgerufenen Preis solche kleine Hilfestellungen ebenso wie eine XLR/Klinken-Kombo schon vorstellen können.
In der Natur dieser einfachen Röhrenschaltung liegt es, dass sich alle Einstellungen gegenseitig beeinflussen. Das kann man auch gut am Schaltplan des Originals sehen, der mit etwas Geduld im Netz zu finden ist. Wie man auch den Fotos entnehmen kann, besticht der Aufbau durch seine Einfachheit. Hinter dem Eingangsübertrager sorgt eine EF86 Pentode von Electro Harmonix für die Verstärkung. Eine JJ E88CC (hochwertige Variante der ECC88, Made in Slovakia) arbeitet im Parallelbetrieb als Treiber für den Ausgangsübertrager. Und sie steuert eben auch über negatives Feedback die Verstärkung der Pentode. Ein wirklich wahrnehmbares Rauschen im Signalweg war erst bei extremen Einstellungen zu verzeichnen, auch hier ist die Röhrentechnik en par mit der heutigen Transistortechnik.
Wie klingt der Chandler Preamp?
Wenn der DI-Eingang genutzt wird, liegt das Signal direkt am Röhrengitter an. Dieses Gitter ist von Natur aus hochohmig, allerdings nicht so hochohmig wie eine DI mit FET-Eingang oder ein Übertrager mit entsprechender Wicklung es wäre. Deshalb kann man beim Anschluss von passiven Singlecoil-Gitarren und -Bässen mit einer Verminderung der hohen Frequenzen (Tone-Suck) rechnen. Im Beispiel wurde eine niederohmige aktive Les Paul Professional verwendet, bei der der Effekt nicht auftritt.
Auch übersteuern kann man den REDD.47 gut, dazu braucht es aber bei einem dynamischen Mikrofon allerdings schon recht laute Signalquellen, da die Verstärkung mit maximal 57 dB nicht gerade üppig ausfällt im Vergleich zu anderen Mono-Preamps.
Der Output-Regler ist nur zur Verringerung des Ausgangspegels gedacht. Fährt man den REDD.47 in die Sättigung, bleibt jedoch auch noch in der minus-10-Stellung ein wenig Signal, das mit einem digitalen Normalize hörbar gemacht werden kann. Gut zu hören im Klangbeispiel, dass sich auch hierdurch der Charakter des Klangs ändert.
Ein einfaches SM58 direkt besprochen ergibt erstaunlich gute Ergebnisse, die man dieser Rampensau ansonsten nicht zutraut.
Mit einem Kondensatormikrofon, das auch schon einige Jahre auf dem Buckel hat (Sennheiser ME40), ergibt sich bei der Akustikgitarre auch ein sehr vintage-mäßiges Klangbild. Mit einem neueren Rode NT3 klingt das ganze sofort sehr modern, fast überbetont.
Überhaupt holt der REDD.47 gerade aus ausgewogenen Mikrofonen das gewisse Etwas in der Höhenfärbung heraus, ohne dabei zu übertreiben. Günstigere Mikrofone, die meist eine deutliche Präsenzanhebung im 5 kHz Bereich haben, scheinen oft überzeichnet und zu aufdringlich zu klingen.
Danke für den Test. Ich habe auch seit mehreren Jahren Chandler Redds (3 Pres und 3 Comps) im Einsatz. Und ich teile absolut Deine Einschätzung, welch grandiose Überraschungen beim Einsatz schöder SM58 in diesem Preamp lauern! Hab damit schon Live-Mitschnitte gemacht, die umwerfende Gesangssounds hatten. Leider ist wie Du bemänglest das Einsetzen hörbarer Verzerrungen schwer zu kontrollieren. Das ist es aber bei vielen alten Geräten (UA M610 fällt mir als Beispiel ein).
Die E-Gitarrenbeispiele finde ich sehr gelungen, auch wenn man den klassischen Beatles-Revolver-Sound bestimmt auch noch gewinnbringend hätte platzieren können.
Zwei Kritikpunkte an Deinem Test kann ich aber nicht verhehlen: EIn NT2, ein ME40 und ein 606 sind weißgott keine Mikrofone, um einem >3000.-EUR Preamp auch nur ansatzweise gerecht zu werden. Wenigstens ein Royer R121, Coles 4038 oder irgendetwas Tonstudio-Praxisnahes wäre schon wünschenswert gewesen. Das Chandler TG Mic Type L hätte sich beispielsweise aufgedrängt, oder halt ein KM184 oder TLM103.
Und als Minuspunkt anzuführen, der Preamp würde seinen Sound bei unterschiedlichen Einstellungen ändern, ist totaler quatsch, sorry. Genau dafür sind externe Preamps ja da. Klangfarben. Gestaltbare Farben. Nicht einfach ein „Rotfilter“. Wer über 3k für einen Pre im Vintage-Flavour hinlegt, erwartet sicher kein „wire with gain“.
Nichts für ungut…