The American Sound
Vorwort
Von Zeit zu Zeit durchstöbern wir unser Archiv auf der Suche nach Produkten, die bereits etliche Jahre auf dem Buckel haben und heute noch in identischer bzw. nahezu identischer Bauweise gefertigt und erhältlich sind. Denn dann gehören sie zum kleinen Kreis der Audio-Produkte, die sich fest als Studio-Standard etabliert haben. Vor allem unseren jüngeren Lesern wollen wir diese Artikel mit aktuellen Fotos und Links präsentieren, doch auch unsere langjährigen Leser werden den folgenden Artikel des Manley Force mit Sicherheit gerne lesen.
Leider sind die zugehörigen Audiobeispiele zum Force verloren gegangen. Dafür haben wir euch am Ende des Artikels mehrere Video verlinkt, mit Hilfe derer ihr euch einen guten Überblick verschaffen könnt. Wir bitten dies zu entschuldigen. Nun aber viel Spaß mit dem Test des Manley Force.
Inhaltsverzeichnis
Der Name Manley lässt so manchem von uns das Wasser im Munde zusammenlaufen. Leider sind die Geräte der amerikanischen Firma nicht gerade preiswert, so dass die Anschaffung für viele oft nur ein Traum bleibt. Für ambitionierte Hobby-Musiker und professionelle Tonstudios sind die Produkte aus dem Hause Manley aber definitiv einen genaueren Blick wert.
Manley Force – wie sieht die Ausstattung aus?
Verpackt ist der Force in einem schlichten weißen Karton. Neben einem Netzkabel liegt ein Datenblatt bei. Die englischsprachige Bedienungsanleitung kann man sich als PDF von der Herstellerseite herunterladen.
Auf 2 HE sind beim Manley Force vier identische Mikrofon-/DI-Kanäle auf der typischen Frontplatte aus dickem, blau eloxiertem Aluminium untergebracht.
Jede Preamp-Einheit sitzt auf einer dunkleren Blende, die separat in die Front eingelassen ist. Das zeigt Detailverliebtheit, andere Hersteller hätten da eher zum Farbtopf gegriffen.
Neben dem großen Level-Poti stehen pro Einheit Phantomspeisung, Phase-Reverse und ein LowCut bei 120 Hz zur Verfügung. Der High/Low Button hebt die Eingangsverstärkung um 10 dB an. Alle vier Buttons sind weiß hintergrundbeleuchtet. Je nach Sichtweise verspielt oder witzig präsentiert sich die 7-stellige Pegelanzeige, die einen 90° Bogen beschreibt.
Links neben jedem Level-Poti sitzt die Direct-in Buchse. Ein Netzschalter und eine blaue Betriebs-LED runden die Front ab.
Welche Anschlüsse bietet der Force Preamp?
Besondere Beachtung schenke ich dieses Mal der Rückseite, wobei sich diese recht unspektakulär präsentiert. Je vier XLR Ein- und Ausgangsbuchsen und eine Kaltgerätebuchse – das war’s.
Was aber weitaus interessanter ist, wo wird der Force produziert? Viele Hersteller lassen ihre Geräte ja kostenschonend in Asien produzieren. Nicht so Manley: „Handcrafted in USA“ prangt wie eh und je auf dem Gerät.
Die Verarbeitung und der Aufbau des Mikrofonvorverstärkers
Hier gibt es nichts auszusetzen. Schon allein die 7 mm dicke Frontplatte und das stattliche Gewicht schaffen Vertrauen. Das Stahlblechgehäuse ist stabil und sauber gefertigt, dicke Gummifüße verhindern rutschen und Kratzer.
Die Potis laufen seidig und lassen sich hervorragend greifen, die Schalter rasten sauber ein. Die Buchsen sind, wie könnte es auch anders sein, von Neutrik. Nichts wackelt oder sitzt irgendwie schief, alles 1A.
Dieses Bild setzt sich auch im Innern fort, auch hier ist eine makellose Arbeit zu bewundern und wird per Unterschrift bestätigt.
Der Mikrofoneingang des Force verstärkt das Signal um 40 dB. Das ist nicht gerade viel, lässt sich aber mit dem High/Low Schalter um 10 dB erhöhen. Optional kann die Erhöhung mit einem internen Jumper auch auf 20 dB gestellt werden.
Das Signal durchläuft einen Eingangstransformator, dem Manley den Namen Iron gegeben hat, da weiß man doch gleich, wohin die Reise geht. Als weitere klangformende Komponente liegt eine 12AX7 Röhre im Signalweg.
Der DI-Eingang, der übrigens bei Belegung den XLR stummschaltet, kommt auf eine Verstärkung von 20 dB bzw. 30 dB bei gedrücktem High-Button. Auch hier wirkt sich der interne Jumper zur weiteren Pegelerhöhung aus. Das Line-Signal wird am Transformator vorbei geschickt, die Röhre, LowCut und Phasendreher bleiben aber im Signalweg.
Auf eine Besonderheit im Aufbau weisen die Spezifikationen auf der Herstellerseite hin: Im Force fließen intern Gleichströme mit 300 Volt. „High Voltage = High Headroom“ wissen die Entwickler zu berichten. Wir werden sehen.
Wie klingt der Manley Force?
Um den Manley Force gut beurteilen zu können, darf mein TLAudio A1 den Vergleichspartner spielen. Nach dem Einschalten nimmt sich der Force erst mal eine kleine, ca. 30 Sekunden Pause, bis das Gerät betriebsbereit schaltet. Üblicherweise schadet es bei einem Röhrengerät auch nicht, ihm 15-20 Minuten Aufwärmzeit zu gestatten.
Zeit also für die Mikrofonauswahl, hier darf zuerst ein dynamisches Mikrofon, mein altes Sennheiser MD431 Profipower, zum Einsatz kommen.
Während sich der TLA hier mit einer Schalterstellung bei ca. 3 Uhr begnügt, muss ich beim Manley die Gain-Stufe voll aufreißen. Überraschend ist jedoch, dass selbst in dieser Maximalstellung so gut wie kein Rauschen wahrnehmbar ist. Hier ist der wahrlich nicht schlechte TLA deutlich unterlegen. Beim Force schaffe ich es, nur die dritte Pegel-LED zum Leuchten zu bringen. Das über meinen RME-Wandler geschickte Signal steuert sich in der DAW aber auf -3 dB aus, die Ausgänge des Force scheinen also so einiges raus zu schicken. Somit alles in Ordnung.
Um mehr Gain-Reserven zu haben, schalte ich den Force in den High-Modus. Holla, was ist das? Hier agiert der Manley nicht mehr so lautlos, das Rauschen nimmt deutlich zu, dazu gesellt sich ein hörbares Netzbrummen. Ein Blick auf die Online-Seite zeigt mir, dass Manley vorschlägt, immer bei voll aufgedrehtem Low-Modus zu starten und erst bei Bedarf den Pegel zu reduzieren. Dies scheint also der optimale Betriebspunkt für die Elektronik zu sein. Der High-Modus kommt nur für ganz schwache Signale zum Einsatz.
Wie klingt das amerikanische Prachtstück nun aber? Zum Soundvergleich spendiere ich dem TLAudio ca. 50% seiner Röhrenansteuerung, mehr macht ihn für Gesang schon arg rough. Der TLA ist ein recht neutraler Preamp, mit Röhre treten die Obertöne besser zur Geltung. Er reißt in den Höhenlagen aber auch etwas auf.
Hier bleibt der Manley viel geschlossener, richtig seidig klingen die Höhen. Die oberen Mitten klingen kompakter als beim Vergleichsgerät und drücken die Stimme nach vorne, das klingt gleich richtig groß. Auch die unteren Mitten bekommen einen Schub, der der Stimme ein tragendes Fundament verleiht. Dabei bleiben alle Bereiche immer schön fein aufgelöst.
Ups, eigentlich habe ich es nicht so mit amerikanischem Sound und Eisen-Transformatoren, aber was der Manley da bringt, alle Achtung. Ich bin gespannt auf die weiteren Tests.
Und es geht auch gleich weiter mit den Großmembranern. Natürlich kommt da wieder mein AKG C 414 B-ULS zum Einsatz, als zweites Modell ein Groove Tubes MD5SM, mein Country und Western-Mikrofon.
Zuerst geht das AKG an den Start. Das Rauschen gleicht sich nun etwas an, beide Preamps liegen beim C414 in etwa gleich auf. Also direkt beim Force die High-Einstellung probiert, das Rauschen bleibt nach Pegelausgleich relativ gleich, das Netzbrummen ist da, aber sehr viel leiser als mit dem dynamischen Mikrofon und damit vernachlässigbar.
Während beim Sennheiser der Manley klanglich deutlich mehr Charakter eingebracht hat, kann der TLA hier etwas Punkte gewinnen. Die grundsätzlichen Klangcharakteristiken bleiben erhalten, der Manley liefert die besser aufgelösten Höhen und schiebt auch hier die hohen Mitten mehr nach vorn. In den tiefen Mitten kann der TLA allerdings etwas aufholen, hier klingt er wesentlich plastischer als mit dem Dynamischen.
Nun zum Groove Tubes MD5SM, amerikanisches Mikro und amerikanischer Preamp müsste doch ganz gut passen, oder? Das GT ist kein Feinzeichner, sondern geht eher rustikal zu Werke, ein Mikro mit Charakter. Auch der Force hat Charakter, das hat er nun schon zu Genüge bewiesen. Geraten die Zwei vielleicht aneinander? Nein, der Manley nimmt sich den rauen Mitten des GTs an und kultiviert sie, ohne sie zu verwässern, fett und ganz, ganz groß klingt meine Stimme auf einmal. Auch den Höhen drückt der Preamp weiterhin seinen Stempel auf, fein und schön aufgelöst erscheinen sie. Der Force lässt das Mikro doppelt so wertig erscheinen wie es ist, hier hat sich ein Dreamteam gefunden.
Da kann der TLAudio A1 nur abstinken. Deutlich flacher, fast schon nasal gerät hier der wichtige Mittenbereich und auch Höhenzeichnung bleibt hinter dem Force zurück.
Nun sollen noch die Schalterchen zum Einsatz kommen. Phantompower ist ja schon gecheckt, sonst hätten wir die letzten zwei Mikros nichts gehört.
Phasendreher ist schnell abgehandelt, das Signal parallel auf zwei Einheiten, gleich ausgepegelt, 1x die 180° gedrückt, fast nichts mehr zu hören, tut also.
Der LowCut liegt bei 120 Hz, das kann schon in die Tiefmitten der Stimme eingreifen. Bei mir ist da nichts zu hören, mit eingeschaltetem Filter werden Popplaute aber recht deutlich unterdrückt, das Filter funktioniert für Stimme also ganz hervorragend.
Der Manley Force wartet ja noch mit einem DI-Eingang auf und auch der TLA besitzt einen Instrument-Input. Also werden beide noch mit einer Akustikgitarre getestet.
Der Manley liefert hier ein wieder ein sehr ausgeglichenes, plastisches Signal mit fein gezeichneten Höhen. Erstaunlicherweise kann hier der TLA gut mithalten, die Höhen präsentieren sich etwas rauer, was je nach Stilistik kein Nachteil ist. Punkten kann der Engländer aber vor allem in den tiefen Mitten / oberem Bass, wo er deutlich prägnanter aufträgt.
Betrachtungen
Gerne hätte ich den Manley Force natürlich auch auf Drum-Spuren und E-Gitarren getestet, was sich aber aktuell leider nicht ergeben hat. Ich bin mir aber sicher, dass er mit Trommeln, Snare, Kickdrum und Gitarrenboxen einen exzellenten Job erledigt. Gerade für Aufnahmen mit dynamischen Mikros an lauteren Schallquellen ist er eine ganz klare Empfehlung. Für gesprochenen Text dürfte er zu wenig Gain haben.
In den folgenden Videos hört ihr den Force an weiteren Instrumenten und beim Einsatz mit Vocals:
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Würde ich mir den Force kaufen? Nein, denn da ich inzwischen vorwiegend akustische Klangerzeugnisse aufnehme, habe ich wenig Bedarf für vier gleiche, charaktervolle Kanäle. Falls der Force aber jemals als Zweikanal-Einheit angeboten wird, könnte ich auf jeden Fall schwach werden.
Bei dem Preis isst das Auge eindeutig mit, wer von den Machern hat sich diesen Unsinn ausgedacht so dass selbst das Ultragain Gerät von Behringer mit seinen UV anzeigen und seinem unwiderstehlichen Vintage Charme war richtig hübscher ist. Es durfte damals bis heute meine Gesangsaufnahmen veredeln. Allein der Anblick macht bis heute einen guten Eindruck und ist immer noch im Einsatz und sieht halt einfach gut aus. Aber diese Kiste hier ist schon schön hässlich. Sa nutzt auch der Manley Schriftzug nix.
Aber über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Ich denk eingefleischte Manley Liebhaber mit dickem Bankkonto werden locker darüber hinweg sehen.
Manley-Geräte sind eigentlich nie eine Augenweide.
Professioneller Test, super geschrieben. Macht Spass das zu Lesen. Danke dafür!
Oben sind schon die ersten Beringer Trolle unterwegs. Amazona eben.