Viel Luxus für wenig Kohle mit der Cort G290
Holla, was hat uns Cort denn da für ein schönes Vögelchen ins Nest gelegt? Ich habe den Begriff „Vögelchen“ mal bewusst gewählt, denn an der Cort G290 FAT finden wir doch tatsächlich einen herrlich gemaserten Hals aus Vogelaugenahorn! Ein absolutes Novum in dieser Preisklasse oder habe ich da eventuell etwas übersehen? Aber auch der Rest klingt sehr verlockend: Riegelahorndecke, Zweipunkt-Vibratosystem mit Klemmmechaniken und selbstentworfene Pickups – kann so etwas für knapp über 600,- Euro funktionieren? Schauen wir uns die neue Cort-Strat im Antikdesign mal genauer an!
Cort G290 FAT – Facts & Features
Die Koreaner von Cort gelten nicht ohne Grund als einer der besten Hersteller von Musikinstrumenten fernöstlicher Herkunft, das konnten wir in unseren Reviews bislang immer wieder feststellen. Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich erst das Vergnügen, eine Les Paul Kopie von Cort einem Test zu unterziehen – schlicht unglaublich, welch hohe Qualität trotz des günstigen Preises mittlerweile möglich ist. Der Testartikel der Cort CR250 ist weiter unten verlinkt, für ganz Eilige geht es jetzt schon HIER lang. Doch zurück zu unserer G290 FAT, die mit ihren zwei Cutaways den anderen berühmten Gitarrentyp vertritt, die Fender Strat natürlich. Ein wenig gedehnt wurde der Korpus allerdings, was ihn schon fast in die Richtung einer modernen Superstrat bringt und vieles von diesem Typ finden wir tatsächlich auch an dieser E-Gitarre. Das sind vor allem die Shapings auf der Vorder- und Rückseite des zweiteiligen Eschenkorpus, wobei man es hier mit der Fräsung auf der Rückseite besonders gut gemeint hat. Die Vertiefung dort ist sehr intensiv, was die Gitarre wie einen Magneten an den Körper des Spielers anzieht. Zudem sorgt ein ergonomisch gestalteter Hals-Korpus-Übergang für eine komfortable Bespielbarkeit auch jenseits des 15. Bundes – denn dort verschwindet der Hals in seiner Tasche im Korpus.
Das Finish unseres Testinstruments bezeichnet der Hersteller als „Antique Violin“, in natura kann man sich die Farbe wie die eines alten, gut ausgereiften Whiskey vorstellen. Dieses Finish ist eins von zwei erhältlichen, die G290 FAT gibt es zudem noch in einem moderner wirkenden „Bright Blue Burst“.
Cort G290 FAT – Hals aus Vogelaugenahorn
Ja, der Hals … Es ist wirklich kein Fake, die Cort G290 FAT besitzt einen einteiligen (!) Birdseye Maple Neck, jedoch wurde das aus dem gleichen Material bestehende Griffbrett separat aufgeleimt. Dennoch ein echter Hingucker, aus welcher Perspektive man ihn auch immer betrachtet. Seine Oberfläche wurde nur geölt und gewachst, sodass hier das Spielgefühl kaum besser sein könnte. Ein paar raue Stellen sind bei unserem Testmodell im Schliff des Holzes zu spüren, aber die dürften nach ein paar Stunden der Benutzung von alleine verschwinden. Das Halsprofil ist eine dezent ausgeprägte V-Form, mich erinnert dieses Profil an eine Music Man: zwar kräftig, aber zugleich recht schmal ausgefallen. Bei unserem Testinstrument hätte die Saitenlage noch etwas optimiert werden können, anspruchsvolle Soloartisten würden hier sicher schnell Hand anlegen.
Makellos hingegen präsentiert sich die Bundierung vom ersten bis zum letzten Draht Nummer 22 und die Öffnung für den Zugang zur Halseinstellschraube am Halsfuß begrüßen wir doch mal sehr!
Cort G290 FAT – Hardware und Pickups
Besonders gespannt war ich persönlich ja auf die Zuverlässigkeit und die Performance des montierten Vintage-Vibratos, das aus Cort-eigener Herstellung stammt und mittels zweier Bolzen auf der Decke seinen Platz findet. Gerade in dieser Preisklasse ist es ja oft ein Graus mit den verbauten Systemen und das unabhängig davon, ob sie nun auf einem konventionellen oder aber auf Floyd-Rose-System (mit Klemmsattel) basieren. Umso überraschter war ich, als ich den Hebel, der nur eingesteckt wird, erstmals zum Einsatz brachte: Nichts, nicht einen Cent Verstimmung! Dabei ist das System sehr weich aufgehängt und erlaubt somit einen wunderbar feinen Gebrauch, hinzu kommt der frei schwebende Vibratoblock, der auch Upbendings bis zu einem Halbton ermöglicht. Mehr braucht es ohnehin meist nicht, nach unten reicht es hingegen fast bis zur vollständigen Entspannung der Saiten.
Ein Grund für diese erstaunlich gute Stimmstabilität dürfte, neben der Fixierung des Vibratoblocks auf zwei Bolzen und einem gut gefeilten Sattel, die sechs Klemmmechaniken an der Kopfplatte sein. Auch sie stammen aus eigener Fertigung von Cort und wurden wie die gesamte Hardware mit einer Chromschicht überzogen. Neben ihrer Unnachgiebigkeit beim Halten der Stimmung sorgen sie auch beim Stimmen selbst durch ihren präzisen Lauf ohne nennenswertes Spiel für einen schnellen Weg zum Ziel.
Nichts wird bei der Cort G290 FAT dem Zufall bzw. irgendeinem Fremdanbieter überlassen, das ist bei der kompletten Hardware so und bei den Tonabnehmern nicht anders. Verbaut wurden zwei identische, mit Blechkappen versehene VTH-77 Humbucker in Hals- und Stegposition, die über einen Fünfwegeschalter angewählt und über zwei Potis in Lautstärke und Ton weiter geregelt werden. Moment mal, ein Fünfwegeschalter für zwei Tonabnehmer? Kann ja nur eine Singlecoil-Option bedeuten, oder? Richtig, auch hier hat Cort nicht gekleckert und der Elektronik diese meiner Meinung nach sehr sinnvolle Erweiterung mit auf den Weg gegeben. Über die Qualität der Regler und des Schalters kann man nichts Negatives berichten, wenngleich die Potis ruhig etwas weicher auf ihren Achsen laufen dürften. Der Schalter, als einer der wohl am meisten genutzten bzw. strapazierten Teile an einer elektrischen Gitarre, rastet hingegen knackig ein und dürfte dem neuen Besitzer vermutlich über Jahre keine Sorgen bereiten.
Cort G290 FAT – in der Praxis!
Die verbesserungsbedürftige Saitenlage ab Werk hatte ich ja bereits erwähnt, das ist allerdings auch das einzige Manko, was beim ersten Anspielen der Cort G290 FAT negativ auffällt. Viel mehr fällt das kräftige Sustain auf, das die Gitarre im unverstärkten Zustand entwickelt – die massiven Hölzer scheinen hier ihre Trümpfe auszuspielen. Erfreulich zeigt sich zudem die Anschlagsdynamik (Attack), die jede kleine Nuance beim Anschlagen der Saite(n) ohne Verzögerung sofort zu einem akustischen Ergebnis bringt. Das Frequenzbild im unverstärkten Zustand ist recht ausgeglichen, vielleicht würde man sich noch etwas mehr Spritzigkeit in den Höhen wünschen.
Diese Spritzigkeit können auch die Pickups nicht liefern, auch nicht im Singlecoil-Modus. Viel mehr ergänzen sie den wuchtigen und druckvollen Klang der Grundkonstruktion wirkungsvoll, wenn auch nicht ganz ohne Nebengeräusche. Und sie tun natürlich das, was man von ihnen erwartet: fette Leadlines mit dem Front-Pickup, rotzige Riffs mit dem Kollegen am Steg und zwischendrin eben die Singlecoil-Sounds, die zwar nicht so recht nach Singlecoil klingen mögen, was ja bei splitbaren Humbuckern naturgemäß immer ein Kompromiss darstellt, aber trotzdem die Flexibilität bzw. die Klangvielfalt des Instruments insgesamt betrachtet deutlich erweitern.
Kommen wir zu den Hörproben, für die ich mal wieder mein Referenz-System Orange Micro Dark, Celestion 1×12″ V-30 Box und das AKG C3000 Mikro herangezogen habe. Die Tracks wurden ohne Effekte aufgenommen, lediglich ein Limiter sorgte zum Auffangen der Pegelspitzen – denn in Sachen Dynamik geht die Cort G290 FAT schon beachtlich zur Sache.
Beginnen wir zunächst mit den unverzerrten Sounds. Im ersten Beispiel sind alle 5 Positionen des Schalters mit einem Picking zu hören. Warm und rund klingt es ja schon, nur eben das Höhenbild dürfte etwas frischer klingen.
Eine Prise mehr Höhen würde auch den Zerrsounds gut tun, wie zum Beispiel dem VTH-77 am Steg, den wir in Beispiel 2 hören:
Im dritten Beispiel bleiben wir auf dem VTH-77 am Steg bzw. Vibratoblock, nun allerdings mit einer Leadline:
Wir legen den Schalter vom Steg-Pickup weg eine Position weiter nach vorne, zu hören sind nun die äußeren beiden Spulen der Pickups parallel.
Abschließend noch ein Beispiel für den Leadsound des Front-Pickups. Auch wenn hier wieder mehr oder weniger das etwas eingestaubte Höhenbild zu bemängeln wäre, überrascht der Pickup jedoch mit einem erstaunlich differenzierten Klangbild, das auch bei höherer Zerrung nicht gleich die weiße Fahne in Form von Matschen hisst:
Nicht schlecht – bis auf den geölten und gewachsten Hals. Fett, Schweiß und andere Verbindungen aus den Fingern werden das schöne Holz mit den Jahren nicht nur schlecht aussehen lassen, sondern auch die Holzstruktur beschädigen. Stabilität wird das nicht kosten, aber wahrscheinlich den Klang beeinflussen.
Sehe ich anders … mit etwas Pflege – 1000er Schleifpapier und etwas Öl & Wachs – kann man das Teil viele Jahre lang in Form halten :)