Making of Led Zeppelin I
Rockmusik ist in die Jahre gekommen – das wird nicht nur am aufwendigen Faltengeflecht im Gesicht von Keith Richards offensichtlich, sondern auch an den sich häufenden Jubiläen und Gedenktagen, vorne mit einer immer höheren Zahl. Alben, Festivals, Todesfälle, alles zählt, um Annalen und Statistiken zu füttern. Von der (mitunter erfolgreichen) Strategie der Plattenindustrie, aus ihren Backkatalogen den letzten Tropfen Ergiebigkeit zu pressen, ganz zu schweigen.
Wie dem auch sei, im Fokus des musikalischen Jubiläumskalenders befindet sich in diesem Jahr Led Zeppelin I (was ein Frevel diese „I“, aber zur allgemeinen Verständigung ungemein praktisch – glaubt mir!), das Debütalbum der Band, die dem Genre, das wir als Hardrock kennen, Entität und Format verlieh. Wann das geschah? Vor ziemlich genau 50 Jahren! Darum, getreu dem Motto „die Feste feiern, wie sie fallen“, laden wir euch dazu ein, ein bisschen Licht in die Entstehungsgeschichte unseres Jubilars zu bringen, hier im Making of: Led Zeppelin I.
Led Zeppelin I – Die Entstehung des Mutterschiffs
Ist von den britischen Bands der 60er Jahren die Rede, kommt bei kaum jemandem der Name The Yardbirds über die Lippen. Dabei waren sie seinerzeit nicht nur auf beiden Seiten des Atlantiks extrem erfolgreich, sondern besaßen auch die vielleicht wichtigste Drehtür für aufstrebenden Rockgitarristen – Eric Clapton, Jeff Beck und Jimmy Page (in dieser Reihenfolge) lösten sich in wenigen Jahren als Lead-Klampfer im Dienste der Yardbirds gegenseitig ab. Nachdem 1968 die Gründungsmitglieder die Band verließen, blieb Page – zu jenem Zeitpunkt bereits ein erfahrener Studiomusiker – alleine mit der Gitarre und den Namensrechten in der Hand zurück, aber auch mit vertraglichen Verpflichtungen im Rücken, die erfüllt werden wollten, wie z. B. eine Skandinavien-Tour. Um diese zu absolvieren, musste dringend ein neues Lineup her. Für den Posten des Bassisten konnte Page seinen auch erprobten Studiokollegen John Paul Jones gewinnen; der erwünschte Sänger Terry Reid stand zwar nicht zur Verfügung, von ihm kam jedoch ein wertvoller Tipp: Robert Plant, der wiederum seinen Freund, den Schlagzeuger John Bonham mitbrachte. Der Bandname wurde fortan um das Adjektiv „New“ ergänzt und los ging es für drei Wochen auf die skandinavischen Bühnen, mit dem Yardbirds-Repertoire und einer Handvoll neuer Stücke „zum Testen“ im Gepäck.
Led Zeppelin I – Im Studio
Die immer wieder beschworene „Chemie“ unter den Musikern war tatsächlich da und bei Jimmy Page wurde der Drang, die neu gefundene Dynamik auf Band zu bannen, einfach zu groß. Und so brachte er, knapp zwei Wochen nach der Tour und ohne Plattenvertrag, seine schon als Led Zeppelin umgetaufte Truppe in die Londoner Olympic Studios, damals eine der feinsten Recording-Adressen Englands.
Das eigene Songmaterial, das sie in der kurzen Zeit zustande gebracht hatten (erweitert um eigene Arrangements der traditionellen Folkballade „Babe I’m Gonna Leave You“ und Willie Dixons „You Shook Me“), war bühnenerprobt und ihm galt die volle Konzentration. Die unausgesprochene Prämisse könnte gelautet haben „kreativ bleiben, aber die Studiouhr im Auge behalten“.
Von den möglichen Formen des Kreativseins bestand Led Zeppelins Variante aus einem Cocktail, in dem der Blues – sei es aus Überzeugung oder durch Background bedingt – zwar eine wichtige, jedoch nicht dominierende Rolle spielte. Mit einer derart muskulösen Rhythmusabteilung wie der, die John Bonham und John Paul Jones bildeten, war es eh undenkbar, den Blues nach klassischer Lesart vorzutragen. Dennoch ließ diese durch und durch rockige Konstellation Räume für andere stilistische Vorlieben von Page zu. Eine Palette, die von keltisch angehauchtem Folk über Pop bis hin zu orientalischen Klängen und Rhythmen reichte. Diese Synthese findet im kurz gehaltenen Instrumentalstück „Black Mountain Side“ einen kuriosen Höhepunkt: Die indische Tabla begleitet ein Gitarrenmotiv zwischen England und Südspanien mit einer derartigen Natürlichkeit, als ob man keine gigantische Brücke bräuchte, um die drei Regionen zu verbinden.
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Man mag sich kaum vorstellen, was Page heute mit der Aussage meint, man habe alles „mit erbarmungsloser Effizienz“ gemacht, aber nach neun Tagen und insgesamt 36 Stunden Studioarbeit war das Album für das Presswerk fertig. Kostenpunkt für das komplette Paket (Artwork inklusive!): £ 1,782.
Mit den Bändern ging man dann zu Atlantic Records, einer Adresse, in der Page aufgrund seiner Arbeit mit den Yardbirds schon bekannt und geschätzt war. Das Interesse an einer gemeinsamen Arbeit wurde von der Plattenfirma sofort durch den ersehnten Vertrag besiegelt.
Led Zeppelin I – Jimmy Page, der Produzent
Ohne den Einsatz der anderen Bandmitgliedern gering schätzen zu wollen, ist es kein Wagnis zu behaupten, Led Zeppelin als Band sei – zumindest was die Anfangsjahre betrifft – das Kind von Jimmy Pages Antrieb und Expertise, sowohl als Musiker als auch als Produzent mit einer klaren künstlerischen Vision. Seine Lehrjahre als Studiomusiker hatten ihm nicht nur die Ersparnisse gebracht, mit denen er die Rechnung der Produktionskosten von Led Zeppelin I in vollem Umfang beglich, sondern auch ein breites Wissen darüber, was im Studio technisch machbar war und – mindestens genauso wichtig für seine Band, die mehr oder weniger on the road zusammengefunden hatte – wie man die Arbeit in dieser Umgebung sortiert.
Der Legende nach soll Glyn Johns, der bereits bei Aufnahmen der Beatles, der Rolling Stones und The Who an den Reglern gesessen hatte und Page seit Jugendtagen kannte, nach Co-Credits als Produzent gefragt haben. Die Antwort des Gitarristen, kurz und bündig: „Auf keinem Fall. Ich stellte diese Band zusammen und dirigierte den ganzen Aufnahmeprozess; dazu habe ich noch meinen eigenen Gitarrensound. Ich sage dir: Keine Chance!“
Led Zeppelin I – Deins? Meins!
Von wem soll folgender Spruch stammen? „[Mein Debütalbum besteht aus] Manches, was ich geschrieben habe, Manches, was ich entdeckt habe, und Manches, was ich gestohlen habe“. Nun, die Antwort lautet „Bob Dylan“, aber es würde durchaus auch zu Jimmy Page passen, denn in Sachen Urheberschaft sind Teile des Materials auf Led Zeppelin I zumindest umstritten.
Sieht man von den zwei „richtigen“ Coverversionen („You shook me“ und „I can‘t quit you baby“) ab, bleiben – streng genommen – drei als „eigene“ einzustufende Stücke, nämlich „Good times bad times“, „Your time is gonna come“ und „Communication breakdown“. Die restlichen Songs brachten vor allem Page als Produzent und Hauptkomponist in Erklärungsnot, teilweise vor Gericht und letztendlich zugunsten der wahren Autoren.
Dass sich die Band im Laufe ihrer Karriere hinter Argumentationen der Sorte „das Stück basiert zwar auf einem traditional, aber unser Arrangement ist neu“ versteckte oder Teile fremder Songs clever zusammenführte, um sich dann (in beiden Fällen) als deren Komponisten aufführen zu lassen, würde langfristig etwas an der Glaubwürdigkeit der Band nagen, nicht zuletzt auch in Kollegenkreisen.
Led Zeppelin I – Equipment
Die Kombination von tiefhängender ’59 Gibson Les Paul und Marshall Super-Lead-Amp im Rücken, die in den 70er Jahren zum Sinnbild aller hardrockig spielenden Gitarristen wurde, lag 1969 noch in gewisser Ferne, denn bei den Aufnahmesessions zu Led Zeppelin I bediente sich Jimmy Page einer Equipment-Auswahl, die aus heutiger Sicht – abgesehen von bescheiden – sogar etwas Genre-fremd erscheinen könnte. Aber damals war ja vieles noch in der Mache, sprich: Vieles ging!
Fakt ist, dass Page seine E-Gitarrenparts auf dem Album durchgehend mit einer bunt lackierten Fender Telecaster einspielte, die er 1965 von seinem buddy Jeff Beck geschenkt bekommen hatte, zusammen mit der Empfehlung, sich den Yardbirds als Ersatz für Eric Clapton anzuschließen. Eben diese Tele ist das Instrument, das in geklonter, serienreifer Form von Fender auf der diesjährigen NAMM unter der Modellbezeichnung „Jimmy Page Telecaster“ vorgestellt wurde.
Nur auf „You shook me“ kam eine andere E-Gitarre zum Einsatz und zwar eine Gibson Flying V, die jemand Page versuchte anzudrehen und ihm probeweise zur Mitnahme ins Studio lieh.
Für die entsprechende Verstärkung sorgte ein Supro-1690T-Coronado. Der Amp, der seinerzeit durch den Einbau eines zusätzlichen Gain-Boosts und eines 1×12“- anstelle der originalen 2×10“-Lautsprecher modifiziert worden war, wurde zwecks Nachbau vor Kurzem vom Produzenten Perry Margouleff und Amp-Guru Mitch Colby forensisch abgescannt. Das Ergebnis dieser Arbeit wurde ebenfalls letzten Januar auf der NAMM vorgestellt, trägt den Namen Sundragon Amp und wird in einer extrem limitierten 50er-Auflage fabriziert. Wie man sieht, wird 2019 die Jubiläumskuh im Hause Page ordentlich abgemolken …
Die Stationen zwischen Gitarre und Verstärker bei Jimmy Page waren zu jener Zeit übersichtlich: Der Sola Sound Tonebender MKII und ein Vox Wah-Wah Pedal – beide von Roger Mayer modifiziert.
Zwei akustische Gitarren spielten eine entscheidende Rolle bei der Produktion von Led Zeppelin I, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise. Zu hören auf allen Akustikparts des Albums ist eine 1963 Gibson J-200, eine Leihgabe vom Yardbirds-Produzenten Mickey Most. Die andere Akustische, eine Harmony Sovereign H-1260, stellt wiederum eine kuriose Wahl dar, da es sich um ein eher billiges Instrument handelt. Die Relevanz der Harmony für das Album liegt jedoch darin, dass sie im Songwriting-Prozess für Page als Hauptinstrument zur Verfügung stand. Im Gespräch mit dem US-Journalisten Brad Tolinski (Anm.d.Red.: Autor von „Light and Shade: Conversations with Jimmy Page“), erklärte er seine Beziehung zu dieser Gitarre so: „(…) Sie half mir, all diese tollen Songs zu schreiben! Sie ermutigte mich. Sie kämpfte nicht gegen mich an und verstimmte sich nicht. Als würde sie zu mir sagen ‚Mach weiter, Mann, gib mir mehr! Auf, komm!‘“ Die Harmony sollte dennoch ihren Auftritt für die Ewigkeit bekommen, nämlich zwei Alben später auf „Stairway to heaven“.
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Letztlich sorgte eine 10-saitige Pedal-Steel-Gitarre von Fender für zusätzliche Klangkoloratur auf dem von John Paul Jones‘ Orgel getriebenen „Your time is gonna come“.
Und wenn wir schon beim Bassisten sind, passend zu Jones eher stiller Natur, gibt es über seinen Rig weniger zu erzählen, denn ein 1961 Fender Jazz Bass und einer seiner Vox-T-60-Verstärker schienen damals für das Einspielen aller Bassparts zu genügen.