Die Les-Paul-Kopie für Sound-Tüftler
Ibanez‘ Les Paul Recording 2380 ist eine in den frühen 1970er-Jahren gebaute Kopie des gleichnamigen amerikanischen Gibson-Originals, einer E-Gitarre, an deren Entwicklung und Konzept der legendäre Gitarrist Les Paul maßgeblich beteiligt war.
Inhaltsverzeichnis
Kurze Frühgeschichte des großen Vorbilds
Diesmal muss ich etwas weiter ausholen, um die Geschichte einer interessanten japanischen Ibanez-Kopie zu erzählen. 1952 erschienen die ersten vom Hersteller Gibson gemeinsam mit dem Musiker und Entwickler Les Paul konzipierten und nach ihm benannten E-Gitarren auf dem Markt. Sie hatten noch P90-Singlecoil-Pickups und den berüchtigten, praxisuntauglichen Trapez-Saitenhalter mit eingebauter Bridge-Funktion. Nach und nach wurde die Gitarre spielbarer gestaltet, und als dann ab 1954/55 Stop-Tailpiece und Tune-O-Matic-Bridge verfügbar waren, und ab 1957 auch noch Humbucker-Pickups, war 1958 die legendäre Sunburst Les Paul Standard am Start – heute ein unbezahlbarer Klassiker des E-Gitarrenbaus. Damals waren die Verkaufszahlen aber enttäuschend, und so wurde die Produktion der Les Paul Standard im Jahr 1961 eingestellt und von der Gibson Les Paul Solid Guitar abgelöst, die es als SG bis heute gibt.
Ein paar amerikanische und britische Blues-Rocker waren dann aber in den Sechzigern doch noch auf den Geschmack gekommen, und da deren Musik international erfolgreich war, reanimierte Gibson 1968 die Les Paul, die seitdem als Standard, Deluxe und Custom im Programm des amerikanischen Herstellers ist.
Die Gibson Les Pauls für Les Paul
Damit hätte man sich zufrieden geben können, aber Lester Polfus aka Les Paul himself war nun mal ein Tüftler, und Gibson griff noch ein paar andere Ideen des legendären Musikers und Konstrukteurs auf: Les Paul Personal, Professional und Recording hießen die neuen Modelle, die ab 1969 im Gibson-Katalog auftauchten, und die vor allem durch ihre aufwändige Regel-Elektrik auffielen – sprich: sie hatten eine Menge mehr Knöpfe, Schalter, Hebel und Buchsen als die Mitbewerber. Diese Gitarren waren so konzipiert, dass deren spezielle niederohmige Tonabnehmer direkt an ein Studiomischpult oder ein Tonbandgerät angeschlossen werden konnten. Les Paul war zu der Zeit schon lange als Studiomusiker und Multitracking-Pionier aktiv und hatte sich daher ein paar Features für genau diesen speziellen Bereich einfallen lassen.
Die Gibson Les Paul Personal (sie wurde gebaut von 1969 bis 1973), von der nur 370 Stück produziert wurden, hatte einen etwas größeren Body als die klassische Standard, und sie sollte mit ihrem klaren, transparenten Ton vor allem Jazz-Gitarristen ansprechen. Skurril war eine Buchse im Korpus, an die man ein Schwanenhalsmikrofon anschließen konnte. Les Paul (*1915 +2009) spielte dieses Modell bis in seine letzten Jahre. Die im gleichen Zeitraum produzierte Les Paul Professional war ähnlich konzipiert wie die Personal. 1971 folgte dann die noch etwas weiterentwickelte Gibson Les Paul Recording, die bis Ende der Dekade produziert wurde. Sie hatte niederohmige Pickups mit Plastik-Cover an Bord, einen High/Low-Schalter für die Ausgangs-Impedanz, einen Phase-Switch, einen Ton-Wahlschalter mit drei Positionen, einen Toggle-Switch zur Tonabnehmer-Wahl, einen 11-Positionen-Drehschalter namens Decade und drei Regler für Volume, Treble und Bass.
Das Les Paul Recording Dilemma
Diese schönen neuen Gibsons hatten ein Problem: Mit so einem Instrument konnte man zwar jede Menge interessanter Sounds abseits des E-Gitarren-Mainstream für sich entdecken, man fand aber meist nicht mehr zurück zur vorherigen Einstellung, bzw. die neu entdeckte nie wieder. Sprich: Diese vielen Schalt- und Einstellungsmöglichkeiten dieser Gitarren waren ein Irrgarten.
Um es kurz zu machen: Da diese Instrumente zwar gut aussahen und dem sie fliegenden Musiker zu einem dezenten Pilot-im-Cockpit-Feeling verhalfen, sie aber an herkömmlichen Gitarrenverstärkern, insbesondere verzerrt, auch nicht besonders gut klangen und daher nicht wirklich Live-tauglich waren, wurden auch die Personal, die Professional und die Recording, so wie die ersten Les Pauls, eher kommerzielle Misserfolge. Denn alle, die sich in den späten 1960ern dann doch in die zehn Jahre alten LP Standards, die Bursts, verliebt hatten, waren für diese technisch überfrachtete Neuheit nicht zu begeistern. Das gilt auch für die Bässe dieses Typs: 1969 kam – quasi als Gegenstück zur LP Professional der Gibson Les Paul Bass auf den Markt, der ab 1971 mit einigen Modifikationen als Les Paul Triumph weitergeführt wurde. Die Bässe waren dazu noch extreme Schwergewichte, die selbst im Sitzen gespielt, weh taten.
Ibanez kopiert die Les Paul Recording und Professional
Aus heutiger Perspektive sehr interessant ist, dass Ibanez zwischen 1970 und 1976 so einige eher unbeliebte US-Modelle als Kopien auflegte und auch mehrere Jahre im Programm behielt. So war die Ibanez Les Paul Recording (Modell 2380) von 1971 bis ’75 in den Katalogen zu finden, die Les Paul Professional (Modell 2372) von 1971 bis ’74, und zwischendrin tauchten auch noch ein Les Paul Bass Model 2373 und ein LP Recording Bass (Modell 2381) auf. Warum setzte man auf diese im Original erfolglose Produkte?
Ich habe es mir so erklärt, dass diese Instrumente in der klassischen, edlen Paula-Form ja doch Hingucker waren, die mit ihrem warmen, dunklen Walnut-Finish in Kombination mit den vielen Reglern und Schaltern und ihrer geheimnisvollen Elektrik die Fantasie junger Gitarristinnen & Gitarreros angeregt haben könnten. Mit vielen Knöpfen, Hebeln und Schaltern hatten auch Hersteller wie Framus und Höfner schon früher E-Gitarren-Einsteiger begeistert.
Ibanez, Pearl und andere japanische Hersteller der 1970er-Jahre haben ohne Frage mehr Instrumente dieser Bauart abgesetzt, als Gibson selbst. Und während Ibanez mit seinen (bis auf den verschraubten Hals) sehr authentischen, detailgenauen Replika die Preisklasse über 750,- DM bediente, gab es auch für ca. das halbe Geld schon phänotypische „Recording-Paulas“ von Pearl und Master mit einfacherer Elektrik: Hier wurde eine klassische Les-Paul-Schaltung mit zwei normalen Humbucker-Pickups, Volume- und Tone-Reglern plus Tonabnehmer-Wahlschalter einfach nur um zwei kleine Schiebschalter ergänzt, mit denen man durch Zuschaltung eines Kondensators, die unteren Frequenzen dämpfen konnte und so das Instrument brillanter klingen ließ.
Die Ibanez Les Paul Recording 2380
Zurück zu den Ibanez-Modellen: Die Les-Paul-Recording-Kopie 2380 sieht auf den ersten Blick fast aus wie das Gibson-Original, nur sind bei der Japanerin die niederohmigen Pickups etwas gerader angeordnet. Sie verfügt über einen High/Low-Schalter für die Ausgangs-Impedanz, einen Phase-Switch, einen Ton-Wahlschalter mit drei Positionen, einen Toggle-Switch zur Tonabnehmer-Wahl und drei Regler für Volume, Treble und Bass. Der bei Gibson Decade benannte 11-Positionen-Drehschalter heißt hier schlicht Tone und kommt mit drei Positionen aus.
Hals und Body der Ibanez 2380 bestehen aus Mahagoni, das Griffbrett aus Palisander. Ein wesentlicher Unterschied zum Original ist natürlich der angeschraubte Hals. Ich hatte aber schon ein paar wirklich gute Les-Paul-Kopien von Ibanez in der Hand, die, was Schwingungsverhalten, Ansprache, Sustain etc. angeht, hervorragend waren. Genauso gibt es bekanntlich originale, mittelalte Gibson-Instrumente mit eingeleimtem Hals, die in diesen Punkten nicht überzeugen – insbesondere bei SG-Modellen kann man da ganz große Enttäuschungen erleben.
Ich habe bisher erst zwei alte Gibson-Les-Paul-Recording-Modelle testen können, eine davon mal im Direktvergleich mit zwei Ibanez-Kopien; und dabei schnitten die Schraubhals-Kopien wirklich gut ab. Unverstärkt klangen sie sogar etwas knackiger als das Original, hatten ein lebendigeres Attack-Verhalten. Dafür hatte die Gibson ein ausgewogeneres Sustain und die besseren Pickups, die auch noch Transparenz zeigten, wenn man ganz warme, runde Einstellungen abrief.
Wer sich für weitergehende technische Details und ein paar Eigenarten der Ibanez Les Paul Recording und der Professional der ersten Serie interessiert, findet in einem Artikel von Helmuth Lemme auf Gitarrenelektronik.de ein paar interessante Anmerkungen.
Die Ibanez 2380, 2372, 2381 & der Vintage Markt
Es ist schon erstaunlich, wie die Preise für japanische Ibanez-Kopien aus den 1970ern in den vergangenen zehn Jahren in die Höhe gegangen sind. Teilweise kosten sie heute mehr in Euro als damals in D-Mark – was bei einigen sehr guten Instrumenten von 1971 bis 1975 auch nicht ungerechtfertigt ist. Ich war immer wieder überrascht von der Qualität diverser Les-Paul-Kopien dieser Phase, insbesondere der Modelle mit Split-Diamond-Kopfplatte und mit Ibanez Schriftzug – sie waren meist Baujahr 1974 oder ’75 und wurden damals in den Fabriken von Fujigen, Hoshino, Dyna Gakki und/oder Matsumoku hergestellt.
Eine gut erhaltene Ibanez 2380 Les Paul Recording oder das Pendant 2372, die Les Paul Professional, ist kaum noch unter 1000,- Euro zu finden. Für den seltenen Les Paul Recording Bass, das Ibanez-Modell 2381, werden in den USA bis zu 1600,- Dollar aufgerufen.
Wer so eine Gitarre mal entdeckt, ganz egal ob es ein Gibson-Original ist oder eine der beschriebenen Ibanez-Kopien: Bitte unbedingt antesten! Bei allen genannten Eigenheiten haben diese Instrumente etwas Besonderes. Mr. Lester Polfus war ein Genie, ein toller Musiker und ein Gitarrenliebhaber – und all das strahlen auch diese nerdigen Instrumente aus. Nerds laufen ja genug durch die Gitarrenwelt, und vielleicht entdeckt die Eine oder der Andere so die große Gitarrenliebe. Viel Erfolg!