Günstige eierlegende Wollmilchsau?
Ganz frisch bei uns zum Test eingetroffen ist das Mooer GE 200. Das kleine, robuste Multieffektgerät im Alugehäuse vereint anscheinend alles, was das Gitarristenherz begehrt. Es ist quasi ein Multieffektgerät und Amp-Modeler, der zusätzlich gute Features zum Üben und Recording bereitstellt. Das Mooer GE 200 bietet 55 Ampmodel-Simulationen, eine Lautsprechersimulation mit 26 wählbaren Impulsantworten (IRs), 70 hochwertige Effekte, einen Looper mit 52 Sekunden Aufnahmekapazität sowie eine Rhythmusabteilung. Mit der Mooer Studio Software ist es möglich, zusätzliche Impulse Responses (IRs) von Drittanbietern in das Gerät zu laden.
Die Effektreihenfolge ist nach Belieben veränderbar, so lassen sich die einzelnen Effektblöcke in jede erdenkliche Reihenfolge bringen. Das GE 200 besitzt ein 3,5“ Farbdisplay, so lässt sich das Editieren auch entspannt grafisch verfolgen. Die Bedienung gestaltet sich recht intuitiv, wie wir später noch sehen werden.
Facts & Features
Das GE 200 ist mit seinen Abmessungen von 297 x 146 x 46 mm recht kompakt und bringt ein Gewicht von 1,4 kg auf die Waage. Das Mooer GE 200 macht einen absolut robusten Eindruck. Bis zu 200 Presets lassen sich editieren und speichern, das sollte für jede Gelegenheit (mehrere Livesetups, Studioklänge etc.) ausreichen.
Die Stromversorgung erfolgt über das mitgelieferte 9 Volt Netzteil, ein Batteriebetrieb ist aufgrund der hohen Stromaufnahme von 600 mA verständlicherweise nicht möglich.
Das integrierte Expressionpedal ermöglicht das Fernsteuern der gewünschten Parameter mittels des integrierten Pedals. Durch die sogenannte Merge-Funktion können auch mehrere Parameter eines Presets gemeinsam ferngesteuert werden. Auch die Grenzen (niedrigster bzw. höchster gewünschter Maximalwert), die beeinflusst werden sollen, lassen sich individuell pro Preset definieren. Sogar ein externes Expresssionpedal kann bei Bedarf über die EXP2-Klinkenbuchse (6,3 mm) angeschlossen werden.
Die Wippe des Pedals erscheint auf den ersten Blick etwas klein für einen Erwachsenen, da auch deren Regelweg etwas kürzer ist, man gewöhnt sich aber schnell daran.
Fußtaster, Regler und Taster des Mooer GE 200
Folgende bei Aktivierung grün leuchtende Taster befinden sich links neben der Wippe an Bord: PLAY, SYSTEM, SAVE, CHAIN, CTRL/TAP und EXP. Diese brauchen wir für das Editieren unserer Klänge. Das gilt auch für den großen Value-Regler. Der Master-Regler übernimmt lediglich die Justage der Ausgangslautstärke.
Signalkette
Schauen wir uns nun die Möglichkeiten der Effektblöcke einmal im Einzelnen an. Ganz vorne in der Effektkette sind erwartungsgemäß die Kompressoren und Wah-Wah-Pedale zu finden.
FX7COMP: Hier finden wir sechs verschiedene Wah-Wah Modelle und zwei Kompressoren.
DS/OD: zwanzig verschiedene Overdrive- bzw. Verzerrermodelle vom Tubescreamer 808 bis zum Boss DS-1 und Suhr Riot.
AMP (Verstärkermodelle): Satte 52 verschiedene Verstärkermodelle und drei Akustiksimulatoren stehen bereit. Vom cleanen Roland Jazz Chorus bis zum brutal verzerrten Mesa Boogie Recto finden wir alles, was Rang und Namen hat. Hier seien nur einige wenige persönlich aufgeführt: Plexi, JCM 800 bzw. 900, Boogie Mark III bzw. V, Rectifier, Orange, Dr. Zee, Vox AC 30, diverse Peaveys und Koch-Modelle.
CAB, Lautsprechersimulationen: 26 Impulse Responses (Boxensimulationen). Das Angebot reicht von 1 x 10″ über 2 x 12″ bis 4 x 12″.
Wie wir bereits erfahren haben, lässt sich das Mooer GE 200 via USB-Schnittstelle auch mit Impulsantworten (IRs) füttern. Diese gibt es frei oder auch käuflich in großer Anzahl im Internet herunterzuladen. Sollte man also mit den angebotenen Lautsprechersimulationen wider Erwarten nicht zufrieden sein, kann man dies einmal ausprobieren. Das Laden der Impulsantworten erfolgt über Mooer Studio Software.
Rauschunterdrückung (Noise Supressor)
EQ: Vier Equalizermodelle sind geboten.
Modulation: Drei verschiedene Phaser, Flanger, Tremolo, Stutter, Vibrato, Pitch Shift, Detune, Rotary, Chorus, Ringmodulator, Q-Filter, Highpass- und Lowpass Filter, Slow Gear und LoFi.
Am Ende der Signalkette wurden erwartungsgemäß das Delay und der Hall platziert.
Delay: Hier kann man aus neun verschiedene Delaymodellen wählen.
Reverb: Das GE 200 bietet sieben verschiedene Raum, bzw. Federhallsimulationen, das sollte ausreichen.
Der Looper im Mooer GE 200
Durch das gleichzeitige Betätigen des mittleren und rechten Fußtasters gelangen wir in den Loopermodus. Hier kann wie üblich aufgenommen und overdubt werden. Auch das Stoppen und Löschen der Loop wird hier vorgenommen. Hier benötigt man selbstverständlich ein gutes Timing mit dem Fuß, sodass der aufgenommene Loop auch geschmeidig rund läuft, also nicht nervös werden, sondern etwas üben und experimentieren. Auch Halftime- und Reverse-Effekte sind mit dem aufgenommenen Loop machbar, so wie das auch das mittlerweile viele Jahre auf dem Markt existierende Line6 DM4 vorgemacht hat.
Rhythmus
Damit nicht genug. Was beim Üben natürlich mehr anturnt, ist ein Rhythmus, der uns begleitet. Hiervon finden wir gleich 40 Pattern, die wir im Tempo natürlich an unsere Bedürfnisse anpassen können.
Die Schnittstellen des Mooer GE 200
Selbstverständlich bietet das GE 200 einen 6,3 mm Klinkeneingang und zwei 6,3 mm Klinkenausgänge, um das Gerät bei Bedarf auch in Stereo mit zwei Verstärkern bzw. einer Stereoendstufe oder zwei Kanälen des Mischpults zu speisen.
Möchte man ohne Verstärker bzw. Abhöre einfach nur üben, kann man den 3,5 mm Stereo-Kopfhörerausgang nutzen, um einen Kopfhörer anzuschließen. Mithilfe des 3,5 mm Stereo-Aux-Eingangs lässt sich generell jedes Audiosignal mit Line-Level einspeisen, was besonders beim Üben sinnoll ist. Der USB-Anschluss gestattet das Editieren über die kostenlos erhältliche Software oder das Aufnehmen in den Computer, ohne ein Interface zu bemühen.
Praxis mit dem Mooer GE 200
In der Praxis, insbesondere auf der Bühne absolut sinnvoll, ist die Tap-Funktion. Diese wird meist zum Beeinflussen der Delayzeit eingesetzt, aber auch der LFO eines Tremolos oder Vibes, Phasers etc. kann hiermit gesteuert werden.
Die Tap-Funktion beim GE 200 wird aktiviert, indem man den rechten Fußtaster zwei Sekunden gedrückt hält. Das rote Licht signalisiert uns, dass wir nun beispielsweise die Verzögerungszeit tappen können. Der rechte Fußschalter hat standardmäßig die Funktion, bestimmte (pro Preset festlegbare) Effekte (z.B. Delay und Hall) zu aktivieren bzw. zu deaktivieren.
Ein kleiner Tipp am Rande: Im System-Menü ist es auch möglich, den Lautsprechersimulator für eine Seite auszuschalten, so kann man mit einem Ausgang seinen Verstärker versorgen und die andere Seite mit aktiviertem Speakersimulator für das Mischpult bzw. die PA zu nutzen.
Sound
Da das Gerät klanglich einiges zu bieten hat, wollen wir uns hier etwas intensiver als üblich mit seinen Möglichkeiten beschäftigen.
Die Aufnahme der Audiobeispiele erfolgte in Stereo durch die beiden Klinkenausgänge direkt in ein Apogee Duett Interface. Die entsprechende Lautsprechersimulation war hierfür erwartungsgemäß aktiviert. Die verwendete Gitarre ist meine gute alte „Trusty“ Riemer Stratocaster mit zwei Fender ’50s Custom Shop Singlecoils und einem Seymour Duncan Little 59 am Steg.
Hören wir uns zunächst einige cleane Sounds an. Wir beginnen mit einem cleanen Fender Verstärker mit etwas Kompressor und Slapback Delay:
Hier nun ein Fender Amp, Clean mit Tremolo:
Und nun mit Chorus und Delay:
Es folgt eine VOX AC 30 Simulation, leicht crunchy:
Die Charakteristik des jeweils gemodelten Verstärkers ist teilweise gut getroffen. Wer jedoch die Originale gut kennt, der wird natürlich Unterschiede feststellen. Ein Modeler bleibt eben ein Modeler.
Hier nun einige Marshall Simulationen, zunächst ein PLEXI mit Gain auf 10.00 h:
Gefolgt von einem JCM 800 ohne Effekte:
Schaltet man „die gute alte Ratte“ (The Rat der Firma ProCo) davor, klingt dies so:
Nun noch mehr Gain: Ihr hört Preset 17, Classic Metal:
Je mehr Verzerrung im Spiel ist, desto mehr ähneln sich die Sounds, so ist es schwierig, einen aufgerissenes Marshall Modell von einem Mesa Boogie Rectifier, Mark III etc. zu unterscheiden. Auch die Dynamik lässt dann etwas zu wünschen übrig. Ein Modeler bringt niemals das Ansprechverhalten und die Dynamik z.B. eines 100-Watt-Röhrenverstärkers an den Start. Natürlich ist der generierte Sound auch stark von dem jeweils angeschlossenen Verstärker abhängig, der wird das eingehende Signal stets individuell handhaben.
Hier nun ein bluesige Variante, Preset „Blues Player“:
Aber auch spacige Klänge sind natürlich mit dem Mooer GE 200 möglich:
Hier kommt Preset Nummer 2 mit dem Namen „Dummy“ ohne Editierung des Sounds:
Last, but not least hört ihr hier noch eine bluesige B-Bob angehauchte Linie durch eine Mesa Boogie Rectifier Simulation. Der Gain-Regler war hierbei auf 10.00 h.
Nun hast du einen groben Eindruck davon, was das GE 200 leisten kann. Wenn man sich für die Programmierung Zeit lässt und sich in das Gerät einarbeitet, ist natürlich noch deutlich mehr möglich, da hier nur ein kleiner Teil der Effekte und Amps vorgestellt werden kann..
Hier wird ja gesagt, die Verstärker würden nicht immer ans Original rankommen. Dem könnte man ja durch das Nachkaufen von Impulsantworten beikommen. In verschiedenen Foren wird dann immer wieder gesagt, dass z.B. der Kemper viel dynamischer zu spielen wäre und auch besser klingen würde. Jetzt die Frage: Wenn ich dieselben IRs im Kemper und im Mooer lade, müssten die doch gleich klingen und auch dieselbe Dynamik haben, oder? Der einzige Unterschied könnten die Wandler sein, alles Andere ist dann doch dasselbe – oder täusche ich mich da?
@dr noetigenfallz Impulsantworten können nur den linearen Teil der Klangbildung abbilden, also grob alles aus der Ecke EQ, Delay, Reverb. Alles Nichtlineare, wie Kompression, Verzerrung etc. muss auf anderem Wege modelliert werden.
Fuer den Preis ist das gebotene wirklich gut. Habe aber letztlich das Teil durch ein HX Stomp ersetzt, bei dem alles nochmal ein Tick besser klingt. Zudem kann man mit Helix Native die gleichen Sounds in der DAW haben.