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Test: AudioThing Lines, Software Effekt-Plug-in

Blieep, Blop, Bluup, Zisch

8. November 2023

AudioThing Lines ist eines dieser Effekt-Plug-ins, das von vornherein eine Ausnahmestellung einnimmt. Und das, ob wohl es eine Software-Emulation eines realen Gerätes ist. Ich sage bewusst „Gerät“, denn Vorbild ist ein Testgerät für Sprach- und Datenübertragung.

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So was ruft sofort Stefan Paul Goetsch alias Hainbach vom YouTube-Kanal Hainbach auf den Plan (später noch ein kleines Interview dazu), der immer auf der Suche nach obskuren Teilen ist, die sich als Klangquelle oder Effektgeräte umfunktionieren lassen. Der „Axel Line Simulator“ sollte also die Robustheit einer Modem- oder Telefonübertragung testen, indem er den Übertragungskanal (natürlich eine Telefonleitung) mit allerlei Störsignalen und Signalverzerrungen konfrontierte.

AudioThing Lines - Axel-Line-Simulator.jpg

Warum aber steht der AudioThing Lines dann in der Keys-Abteilung von AMAZONA.de? Das hat er der Modifikation von S. Hainbach zu verdanken, der der Hardware einfach einen Feedback-Pfad spendiert hat. Dadurch macht er Töne und kann durch den eingebauten Modulator „gespielt“ werden. Eines muss man aber sofort klarstellen: liebliche Melodien wird der AudioThing Lines nie produzieren, dagegen Noise, Feedback, Krach, Drohnes, FX und alles dazwischen. Die feinfühlige Leserschaft sollte zudem vor dem Anhören der Beispiele die Lautstärke herunterdrehen.

Installation von AudioThing Lines

Nach dem Kauf wird im Backend ein Registrierungscode hinterlegt. Entweder wird dieser beim ersten Start eingegeben oder das Plug-in verbindet sich über die Login-Daten mit dem AudioThing-Server. Danach ist es auch ohne Netzanbindung lauffähig und präsentiert sich in einer fotorealistischen Darstellung. AudioThing Lines ist verfügbar in den Formaten VST2, VST3, AU, AAX, CLAP (64 Bit); übrigens auch für die Linux-Distribution Ubuntu.

Oberfläche des AudioThing Lines

Wie man der Oberfläche ansieht, wurde die Hardware nicht eins-zu-eins übernommen; es wurden ein paar Vereinfachung vorgenommen oder ein paar Bedienelemente verschoben. Die generelle Optik wurde gut getroffen und das GUI von AudioThing Lines wirkt aufgeräumt und einladend. Es ist verstellbar in der Größe und sollte auch auf 4k-Monitoren gut zu nutzen sein.

Eine Preset-Verwaltung gibt es nur im Form eines kaskadierenden Drop-Down-Menüs, dessen Struktur auf dem Dateisystem angelegt wird. Es sind also Schlagwörter, Kategorien oder Favoriten nur über den Umweg des Dateisystems möglich. Für ein experimentelles Plug-in, das AudioThing Lines nun mal explizit ist, finde ich das nicht ideal.

Bei der Suche nach Klanggebilden würde ich gerne sehr feinkörnig die Presets speichern können, damit ich den Weg zu einem Klang nachvollziehen kann, um eventuell an der vorletzten Kreuzung eine andere Richtung einzuschlagen. Um so mehr, als das manchmal nur winzige Unterschiede in der Reglerstellung einen Sound komplett verändern können.

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Sektionen des AudioThing Lines

Generell könnte man AudioThing Lines einfach als Verzerrer mit Lowpass-Filter und einstellbarem Feedback-Pfad sowie internem Phase- und Frequency-Shifter und noch ein paar Extras bezeichnen. Ein bisschen viel auf einmal? Geht mir auf so, deswegen der Reihe nach.

AudioThing Lines - GUI

Starten wir mal mit dem Pulse-Sequencer, dieser fügt dem Audiosignal ein Click-Pattern mit bis zu 8 Steps hinzu. Synchronisierbar zur DAW und änderbar in der Step-Länge, dient er vor allem der Anregung des Filters im Feedback-Modus.

Die Noise-Quelle ist mit diesem Sequencer verbunden, wenn die Hüllkurven-Option ENV aktiviert ist; ansonsten rauscht es einfach so durch. Das Rauschen geht übrigens nicht über das LPF, erst wenn es mit dem Feedback wieder in das Gerät zurückgeführt wird. Dafür aber landet es in den beiden Nonlinear-Distortion-Einheiten.

Diese fügen dem Signal eine 2. und eine 3. Harmonische hinzu. Wobei die Phase der 3. auch umgekehrt werden kann. Ein kurzer Test ergab, dass hier keinerlei Anti-Aliasing am Werk ist. Es zwitschert bei einem Sinus-Sweep munter umher.

Ein optionales Anti-Aliasing ist aber schon in Planung und soll dann wahlweise hinzugeschaltet werden können. In anderen Plug-in der Hainbach-Reihe gibt es das bereits auch.

Mit Jitter wird eine Phasenmodulation des Eingangssignals vorgenommen, die im Endeffekt wiederum neue Seitenbänder hinzufügt. In der Abbildung sieht man den Effekt auf eine 20 Hz Sinusschwingung; einmal mit einer Jitter-Modulation von 50 Hz respektive 180 Hz. Die Start-Phase kann zudem auch noch eingestellt werden.

Richtig wild wird es dann beim Frequency-Shifter. Diesen könnte man als als böses Pendant zum Pitch-Stifter bezeichnen. In Gegensatz zum Pitch-Stifter zerstört dieser nämlich durch eine lineare (additve) Arbeitsweise die relative harmonische Struktur eines Klanges, was zu dem eigentümlichen Effekt führt. Mit Leakage wird der Anteil bestimmt, den das Originalsignal am Shifter-Ausgang hat.

Output-Sektion des AudioThing Lines

Die Output-Sektion bietet Input, Output und Mix sowie einen Limiter, der dafür sorgt, dass es auch bei extremen Ergebnissen nicht das Trommelfell zerreißt – obwohl das irgendwie ja die Ansage des Plug-ins ist. Außerdem fügt er noch eine 3. und weitere Harmonische hinzu, sättigt also das Ausgangssignal. Der Input-Regler kann in Kombination mit Feedback ebenfalls dazu genutzt werden, das Signal in die Sättigung zu fahren.

Der Line-Selector wählt schließlich die verschiedenen LPF- und HPF-Konfigurationen aus. Je höher der Buchstabe, desto mehr generelle Hochpassfilterung findet statt. Auch die Cutoff-Abstände der beiden Filtertypen ändern sich und können dann mit Width feinjustiert werden. Eine Resonanzeinstellung rundet das Ganze ab. Diese Filter sind natürlich auch in der Feedback-Schleife.

AudioThing Lines - FB Filter Width

Filter der Ausgangssektion

Klang durch Feedback – AudioThing Lines

Herzstück ist das Lowpass-Filter, das prominent neben dem VU-Meter prangt, das eher zur Belustigung gedacht ist. Feedback bestimmt, wie viel Anteil des Signals an den Eingang zurückgegeben wird. Die Cutoff-Frequentz des LPF dient dann als Frequenzeinstellung der Rückkopplung.

Diese kann dann mit den besprochenen Sektionen angereichert werden. Mit Rauschen, neuen harmonischen Inhalten und Klicks aus dem Pulse-Sequencer. Alles interagiert dabei miteinander und mitunter entsteht wirklich das Gefühl, es handele sich um eine unberechenbare analoge Maschine.

Um mehr Bewegung hereinzubringen, kann dann noch ein globaler LFO auf ausgewählte Parameter geroutet werden. Dieser bietet verschiedene Schwingungsformen und kann auch zur DAW synchronisiert werden. Ansonsten reicht die Frequenz von 0,001 bis 10 Hz. Mit Parameter-Lock ist die Möglichkeit gegeben, bestimmte Einstellungen beim Wechseln von Presets beizubehalten.

Ein Osterei Namens 42

Eine integrierte MIDI-Learn-Funktion fehlt, deswegen ist hier die der benutzten DAW gefragt. Dabei fiel mir auch der Parameter „Easter-Egg“ auf.

Dieser Controller wird aktiviert, wenn auf die Oberfläche geklickt wird. Dahinter verbirgt sich eine Amplitudenmodulation mit den Frequenzen 42 Hz und 84 Hz – Douglas Adams und das Universum bedanken sich.

Hainbach zum AudioThing Lines, ein kleines Interview

Thilo:
Was war dein erstes Messgerät, das du als Klangquelle genutzt hast?

Hainbach:
Das erste Gerät war ein Rohde und Schwarz Sinusoszillator. Das alte Röhrengerät brüllte so schön beim Start, dass ich mich sofort verliebt habe.

Thilo:
Wie kam es zu der Zusamenarbeit mit AudioThing?

Hainbach:
Carlo und ich kamen nach meinem Video zu dem sowietischen MN41 Drahtrecorder ins Gespräch – er fand es genau so faszinierend wie ich. Daraufhin haben wir uns zusammengeschlossen und ein Plug-in gemacht. Er hat gecodet, ich habe getestet und gehört, in einer Art moderner Brieffreundschaft. Schließlich stand das Gerät bei mir in Berlin, während er in Dublin saß. Ich konnte bei der Annäherung viel von dem anwenden, was ich im Modular gelernt habe. Dadurch klingt Wires so lebendig.

Thilo:
Ist es nicht ein wenig ungewöhnlich, Testequipment als Plug-in umzusetzen?

Hainbach:
Klar ist es ungewöhnlich und nicht leicht im Verhältnis zum X-ten Modell eine Neve-EQs. Da wissen die Leute, was sie erwartet. Bei den Plugins, an denen ich arbeite, nicht. Es ist immer Überzeugungsarbeit, dass sich Experimentieren lohnt. Mir liegt es sehr am Herzen, Musiker genau dazuzubringen. Ich kann mit Marketing-Copy, die sich auf Hype und FOMO beruft, nichts anfangen. Meine Plug-ins, sei es mit AudioThing oder Bram Bos, gleichen einem Spielplatz und jedes lohnt sich tiefer zu erforschen.

Anm. d. Red.: Die Fear of missing out (deutsch: Angst, etwas zu verpassen, Akronym FOMO) ist die Befürchtung, dass Informationen, Ereignisse, Erfahrungen oder Entscheidungen, die das eigene Leben verbessern könnten, verpasst werden.

Thilo:
Welche Verbesserungen zur Hardware wurden eingebaut?

Hainbach:
Das Ursprungsgerät für Lines, der Axel Line Simulator, war überhaupt nicht für Musik gedacht. Es ist ein Messgerät für Modem-Datenübertragung. Message geht rein, wird verzerrt, als würde sie durch ein Kabel unter dem Atlantik gehen, wieviel bleibt übrig. So kann festgestellt werden, wie man eine Nachricht verfassen muss, so dass sie auch im worst-case ankommt. Das macht das Original zu einem netten LoFi-Prozessor. Aber erst, indem ich es durch Feedback patching „gehackt“ habe, hat es angefangen zu singen. Das ist bei Lines die Grundfunktionalität. Dazu kommen ein Step-Sequencer, umfangreiche Modulationsmöglichkeiten, Filter im Feedback-Pfad, variable Bandpassfilter und ein versteckter Feedback-Knopf, neben all dem, was man digital erwartet.

Thilo:
Ist für die Zukunft Oversampling/Antialiasing geplant oder ist das „by design“?

Hainbach:
Oversampling kommt und klingt schon sehr gut im Beta! Mein Lieblingsbeispiel für effektives Oversampling ist unser Plug-in „Dials“ – da ist es sogar auf der Frontplatte des Geräts und fein einstellbar. Ohne fühlt sich das Signal „in your face“ an, mit wird es „tiefer“. Nicht besser oder schlechter, nur verschiedene Farben.

Thilo:
Wie stehst du zu Preset-Browsern?

Hainbach:
Preset-Browser interessieren mich nur soweit, dass ich verschiedene Kategorien habe, so wie bei Lines (Basic/Rhythm/Scapes). Presets sind für mich als hilfreiche Einführung gedacht – ich hoffe immer, dass Musiker auch mal die INIT laden und dann anfangen zu experimentieren.

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Fazit

Der AudioThing Lines soll Krach machen, es soll blubbern zischen und röcheln – Mission erfüllt. Ich vermisse aber schmerzlich eine vernünftige Preset-Verwaltung, die bei solchen experimentellen Plug-ins wichtiger sind als beim Klon-X eines Minimoogs.

Das fehlende Anti-Aliasing soll nachgebessert werden und ich denke, das sollte den Klang weit nach vorne bringen, da gerade AudioThing Lines viel mit Addition von Harmonischen arbeitet. Das Aliasing sorgt dann dafür, dass das Frequenzspektrum arg dicht wird.

Bis dahin ein gutes Plug-in auch gerade als Quelle für weitere Effektbearbeitung, wie in den letzten drei Beispielen angedeutet.

Plus

  • bietet Arsenal an wilden Störgeräuschen
  • einfacher Zugang
  • nicht tonal spielbar

Minus

  • Preset-Verwaltung nur über Dateisystem
  • kein Antialiasing
  • nicht tonal spielbar

Preis

  • 69,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    Flowwater AHU

    Hahahaha … ich habe das Bild gesehen und die Überschrift gelesen … und SOFORT Hainbach im Kopf gehabt. 😄

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