Was ist neu bei Wavelab Pro?
Steinberg erhöht die Schlagzahl: Hatte man sich in letzter Zeit beim Versionssprung meist drei Jahre Zeit gelassen, ist Wavelab Pro 11 bereits zwei Jahre nach dem Release des Vorgängers erschienen. Ist das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Hatten die Hamburger jetzt schon ein Jahr früher genug Material zusammen? Oder wird der Umfang bei neuen Versionen zukünftig kleiner? Das Einbinden externer Editoren, Videos und Inspect in der Audiomontage oder Undo mit History-Funktion – das waren die wichtigsten Neuerung in der Jubiläumsausgabe 10 zum 25-jährigen Bestehen, deren Test ihr hier lesen könnt. Was aber hat sich dieses Mal getan?
Ein kurzer Rückblick zu Steinberg Wavelab
1994 hatte der französische Entwickler Philippe Goutier (übrigens ein studierter Physiker mit einem Abschluss in Quantenmechanik – Nerdwissen) mit den Arbeiten an WaveLab begonnen, nachdem er zuvor einige Programme zur Kontrolle von Synthesizern geschrieben hatte – wie etwa Synthworks für den Atari, das damals schon von Steinberg veröffentlicht wurde. WaveLab 1 wurde für das damals frische Betriebssystem Windows 95 entwickelt. Mit der Version 2 wurde dann aus dem Sample-Editor – aufgrund der Verbreitung preiswerter CD-Brenner – zusätzlich eine Mastering-Software, in Version 3.0 kam schließlich die Audio-Montage hinzu. Übrigens ein Begriff, den Goutier selber, nach dreitägigem Grübeln im Garten erfunden hat, weil er den Begriff „Projekt“ nicht verwenden wollte, wie er in einem Interview mal erklärte.
Weitere Meilensteine in der WaveLab-Geschichte: Mit WaveLab 7 erschien 2010 die Software erstmals für Mac und PC, in WaveLab 10 kam endlich auch die lange geforderte Videointegration hinzu.
Download und Installation von Wavelab Pro 11
Das Testmuster habe ich – mit Hilfe des Steinberg Download Assistant – problemlos direkt von der Steinberg-Seite heruntergeladen. In meinem Fall war das ein Update von der Version WaveLab Pro 9 auf WaveLab Pro 11. Den benötigten Key in das eLicenser Control Center eingeben, Software laden, installieren (wobei kurz gefragt wird, welche Software man updaten möchte), fertig.
Die Version Pro 9 ist dann natürlich auch noch weiterhin nutzbar. Und wenn sich jetzt jemand fragen sollte, warum man das tun möchte, wenn man doch die neueste Version auf der Platte hat: Ich habe sogar noch WaveLab 7 (das mit dem Win 3.1 GUI) auf dem Rechner und setze es hin und wieder ein – einfach, weil ich das richtig gut kenne und für kleinere Aufgaben zwischendurch auch nicht mehr brauche. Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier.
Welche Steinberg WaveLab-Versionen gibt es?
Wavelab gibt es wie gewohnt in zwei Versionen: Zum einen als kleineres, abgespecktes WaveLab Elements 11 für 129,- Euro und die hier getestete „große“ Version WaveLab Pro 11 (499,- Euro).
Quickcheck: Was ist neu in Steinberg WaveLab Pro 11?
Laut Steinbergs Marketing Manager Luis Dongo gehört WaveLab 11 mit über 40 Neuerungen und Workflow-Verbesserungen zu einer der Feature-reichsten Versionen, die Steinberg jemals präsentiert hat. Das klingt ja schon mal nicht schlecht. Bevor wir uns aber die Neuerungen im Detail anschauen, hier schon mal ein kurzer Überblick.
- Unterstützung von Interleaved – Mehrkanaldateien: Öffnen, Bearbeiten und Speichern von Interleaved-Mehrkanaldateien bis zu 22.2 Surround
- Spurgruppen für Multitrack/Stems Workflows: Zusammenfassen von Audiospuren, die zu einem Gruppenbus geroutet werden
- Unterspuren für Multitrack/Stems-Workflows: Unterteilung einer Audiospur in acht Unterspuren mit verschiedenen Audioclips
- Parameter-Automation mit Clip-Hüllkurven: VST3-Plug-in-Parameter-Automation im Inspector-Fenster
- SuperVision Analyzer: Individuell konfigurierbarer Audio-Analyzer
- Neue VST 3 Effekt-Plug-ins: DeReverb, LIN Pro Dithering, Frequency 2, Squasher, Imager, Quadrafuzz v2, MixConvert V6, VST AmbiDecoder
- Audio in einem Video ersetzen: Audios einer Videodatei oder Teile davon können durch das Audio einer anderen Spur ersetzt werden, ohne das Video neu berechnen zu müssen
- Podcast Host Service Support: Podcast-Upload direct zu allen gängigen Podcast-Hosts
- Audio Ducking: Lautstärke einer Spur mit einer anderen Spur steuern
- Bereinigen und Veredeln im Spur-Inspector: Zwei neue Sektionen mit spezialisiertem Channel Strip für die Audiobearbeitung in Echtzeit
- Performance Booster für die Audiomontage: Unterstützung von Multicore-Verarbeitung zur Performance-Verbesserung
- Neuer Startup-Assistent
- Überarbeitete Fenster für externe FX-Plug-ins
- Verbessertes Handling für VST Plug-ins
- Diverse Workflow- und Performance-Verbesserungen
Auf den ersten Blick würde ich sagen: Das ist ein durchaus ansprechendes Paket. Aber schauen wir uns mal ein paar Sachen näher an.
Neu: Unterstützung von Interleaved – Mehrkanaldateien
Mit der Unterstützung von Mehrkanaldateien erfüllt Steinberg einen schon länger gehegten Wunsch der Nutzergemeinde. „Noch immer kein Support von Surround-Files“ bemängelte dann auch Kollege Florian Scholz in seinem Test hier zum Vorgänger. Bei der Umsetzung verfuhr Steinberg dann nach dem Motto „Nicht kleckern, sondern klotzen“. Es können jetzt Surround-Projekte mit drei bis 22 Kanälen realisiert werden, und das in vielen Abstufungen; so kann ich ein 14-Kanal-Projekt zum Beispiel als 7.1.6., 12.2., 13.1. oder 14.0. anlegen. Außerdem werden auch Ambisonics-Dateien bis hin zur 7.Ordnung (64 Kanäle) unterstützt, die dann als Reihe von Mono-Kanälen geöffnet werden.
Um dabei die Übersicht zu behalten, fügt Steinberg die jeweils passenden Kanäle zu Channel Clustern zusammen (was man auch selber ganz individuell machen kann), die über erweiterte Track Header einfacher und genauer bearbeitet werden können. Über den neuen Channel-Selection-Mode-Button können Time-Selections ohne Rücksicht auf die vertikale Position des Cursors auf alle Kanäle angewendet werden; ausgewählte Cluster lassen sich dabei zur besseren Kontrolle auf die Mainspeaker legen. Ausschnitte aus den Kanälen lassen sich auf andere Kanäle des Projekts kopieren oder verschieben – etwa, um einen Sound vom rechten auf den linken Channel zu schieben. Die Ausschnitte können bei Bedarf auch in einem zuvor festgelegten externen Editor weiter bearbeitet werden, falls die internen Bearbeitungsmöglichkeiten nicht ausreichen. Mehrkanal-Projekte werden auf Wunsch dann im Mixdown auch auf Stereo-Format heruntergerechnet. Insgesamt eine nützliche Sache, die ich eigentlich zwar schon etwas eher erwartet hätte (siehe z.B. Sound Forge), aber dafür ist das Feature jetzt aber umso gewaltiger am Start.
Neu: Unterspuren für Multitrack/Stems-Workflows
Spuren können jetzt in bis zu acht Unterspuren aufgeteilt werden, heißt: ich kann zu einer Spur bis zu acht Unterspuren erzeugen und darauf dann mehrere Clips untereinander anordnen, ohne dafür extra jeweils einen neuen Track anzulegen. Das funktioniert sowohl für Mono- als auch für Stereo- und Referenzspuren.
Unterspuren lassen sich – wie normale Spuren auch – solo oder stumm schalten, darauf befindliche Clips können gegeneinander ausgetauscht werden, zudem lassen sich darauf sowohl Clip- als auch Spureffekte anwenden. So kann ich Clips layern und auch mit unterschiedlichen Effekten bearbeiten. Schön auch, dass ich ganz unkompliziert Spuren in Unterspuren umwandeln kann und umgekehrt, oder ausgewählte Spuren zu Unterspuren zusammenführen. Besonders bei der Arbeit mit Mix-Stems und/oder beim Stem Mastering ist das eine willkommene Verbesserung des Workflows.
Neu: Parameter-Automation mit Clip-Hüllkurven
Mit den neuen Clip-Hüllkurven kann ich Parameter von VST3-Plug-ins automatisieren. Die Vorgehensweise ist dabei simpel und von anderen Programmen bekannt (ich kenne das zum Beispiel von Studio One): Clip Plug-in öffnen, Rechtsklick auf den Parameter, den ich „verhüllkurven“ möchte, „Clip-Automationskurve erstellen“, fertig ist die Laube (und „jestrichen wirdse jrün“, wie mein Berliner Kompositionsprof dann immer zu ergänzen pflegte. Fiel mir gerade so ein). Dabei lassen sich dann beliebig viele Hüllkurven pro Plug-in/ pro Clip erstellen. Die liegen dann aber nicht etwa alle wild übereinander wie die Kommunarden in der Kommune 1, sondern sind im Inspector unter der Überschrift „Automation/Hüllkurve“ aufgeführt und einzeln anwählbar, so dass sie dann sehr übersichtlich bearbeitet werden können. Wird in die Kategorie „Gut und nützlich“ einsortiert.
Neu: Der SuperVision Analyzer
SuperVision ist ein neues Plug-in – oder besser: eine komplette Suite – zur Signal-, Spektral, Phasen-, Raum- und Wellenformanalyse, bestehend aus insgesamt 27 einzelnen Modulen, von denen bis zu neun in einem Fenster frei angeordnet werden können. Folgende Module sind im Angebot:
- Level
- VU
- Level Histogram
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- Leq (a)
- Leq (m)
- Loudness
- Loudness (Netflix)
- Loudness Histogram
- Loudness Ratio
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- Spectrum Curve
- Spectrum Bar
- Spectrum Intensity
- Spectrum Keyboard
- Spectrogram
- Chromatogram
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- Phasescope
- Panorama
- Multipanorama
- Correlation
- Multicorrelation
- Balance
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- Surround
- Ambisonics
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- Oscilloscope
- Wavescope
- Wavecircle
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- Time
Für jedes einzelne Modul gibt es einige Parameter und Einstellungen, die individuell geschaltet werden können, auch können alle Modi entweder im Bearbeitungsmodus „Maximum Audio Performance“ (hier hat das Plug-in keine Auswirkungen auf die Audio-Performance, doch ist die Messung möglicherweise sind samplegenau) oder „Sample-Accurate Display“ (samplegenau, aber möglicherweise mit geringfügig niedrigerer Audio Performance) laufen.
Die Messungen können auf Knopfdruck gleichzeitig angehalten werden, entweder einzeln oder „all together“, zudem kann ich die zuletzt gemessenen Werte bei einem Stop auch einfrieren. Ich kann natürlich auch auswählen, welche Kanäle gemessen werden sollen; bei „Mixdown“ wird ein Durchschnittswert aller Kanäle innerhalb einer Spur angezeigt. In einigen Modulen (wie Level, Loudness oder Time) lassen sich sogar Parameterwerte als Text in die Zwischenablage kopieren. Ein wahrhaftig mächtiges Tool, das kaum Wünsche offen lässt.
Funktionsübernahme aus Wavelab Cast
Einige neue – und wie ich finde recht nützliche – Funktionen in Wavelab Pro 11 hat Steinberg aus seinem kürzlich erschienen Wavelab Cast übernommen. Dazu gehören die praktischen „Clean“ und „Enhance“-Effekt-Pakete mit Sachen wie De-Esser, Voice Exciter, DeHummer oder Maximizer, die in einem Aufwasch ohne große Voreinstellungen mit wenigen Klicks Aufnahmen verschönern und bereinigen – gut, wenn es mal schnell gehen muss oder man eher wenig Ahnung von oder Lust auf größere Schraubereien hat. Man sollte damit aber vorsichtig umgehen, hin und wieder schießen die Effektpakete auch über das Ziel hinaus.
Ebenfalls aus dem Wavelab Cast kommt das Feature des direkten Uploads von Podcasts. Die Auswahl an Podcast-Plattformen, die sich direkt aus Wavelab heraus ansprechen lassen, ist mit Spreaker, Podbean, Soundcloud, Buzzsprout und Castos noch etwas löchrig und vielleicht auch willkürlich, aber ein Anfang ist gemacht – und außerdem kann ich alternativ auch einen RSS-Feed erstellen. Das Ducking-Feature schließlich (das auch in Wavelab Cast auftaucht) wurde hier noch weiter ausgebaut und seine Bedienung gleichzeitig vereinfacht. Welcher Kanal beeinflusst welchen, dazu sind Fade-ins und -outs, Thresholds und der Grad der Dämpfung einstellbar. Besonders im Livebetrieb ist das eine feine Sache.
Neue Plug-ins in Steinberg Wavelab Pro 11
Insgesamt acht neue Plug-ins bringt Wavelab Pro 11 mit. DeReverb ist – wie der Name schon sagt – ein Plug-in zur Reduzierung oder Entfernung des Halls aus einem Audiosignal in Echtzeit, indem es eine per Physical Modeling erzeugte Impulsantwort zusammen mit einer Lernfunktion nutzt. Was überraschend gut funktioniert, zumindest bei Sprache. Praktisch, wenn man etwa seinen Podcast wieder mal im Bad aufnehmen musste.
„LIN Pro Dithering“ von MAAT Incorporated ersetzt die veralteten Dithering-Engines – den Unterschied hört man. Beide Plug-ins gibt es exklusiv in Wavelab Pro 11. Weitere Plug-ins aus der Kategorie „nützlich und gut“ sind unter anderem der Equalizer „Frequency 2“ mit acht dynamischen Bändern, die Sidechaining unterstützen, das Dynamik-Plug-in „Squasher“ mit Aufwärts- und Abwärtskompression für bis zu drei Bänder oder der „Imager“, mit dem ich bis zu vier Bänder einzeln im Stereofeld platzieren kann. Alle Plug-ins arbeiten gut und zuverlässig, gefallen durch ein einheitliches, übersichtliches Design und ihre angenehme Bedienbarkeit.
Wavelab Extras: Nützliche Kleinigkeiten
Gute Software erkennt man auch an den Kleinigkeiten, den kleinen Verbesserungen die beweisen, dass die Entwickler die Nutzerpraxis kennen. Dazu gehören definitiv die überarbeiteten Track-Header-Kontextmenüs, die nun deutlich übersichtlicher sortiert sind. Eine weitere Kleinigkeit ist der jetzt deutlich übersichtlichere Start-Requester, der jetzt in Recent und Templates unterteilt ist, und dort wiederum in Project, Audio Montage, Audio File, Batch Processor und RSS Feed. Über eine Filterfunktion kann ich die Suche noch eingrenzen, so dass ich alte Projekte und Files jetzt deutlich schneller finde oder mit einem neuen Template loslegen kann; das ist um Längen besser als die schnarchige Eröffnung, die uns noch in Wavelab 10 begrüßte. Klein, aber fein.
Ein Wort zu Elements
Übrigens hat auch die kleinere Version, Wavelab Elements 11, einiges an neuen Features erhalten. So sind auch hier jetzt die Interleaved Mehrkanaldateien mit dabei, wenn auch „nur“ bis Surround 5.1 – aber immerhin. Außerdem gibt es neue Metering-Anzeigen, das „Clean & Enhance“-Paket aus Wavelab Cast, die direkte Anbindung an Podcast-Hoster, neues Dithering, Video-Support, sieben neue Plug-ins, Multicore Processing, den neuen Startup-Assistenten, Unterstützung für unbegrenzt große Dateien und einiges mehr. Das ist durchaus lobenswert, werden die „Anfänger“-Versionen von anderen Herstellern doch nicht selten etwas stiefmütterlich behandelt.
Alle 3 Jahre reicht mir. Bitte kein verstecktes Abo. Ansonsten: Ich arbeite sehr gerne mit Wavelab, auch wenn ich nicht alle Funktionen verwende, bisher jedenfalls. Bin seit der 7er Version dabei. Steinberg war mit diesem Design damals aber auch wirklich nicht up-to-date.