Restauration in der achten Generation
iZotpe RX8 ist das kürzlich erschienene Update der Restaurations-Suite aus Cambridge, Massachusetts. Selbstverständlich werfen wir einen Blick auf das neue RX8 Advanced.
Der erste Eindruck zählt – auch für RX8
Wie von iZotope gewohnt, wird die Software über das iZotope Product Portal heruntergeladen und installiert. Das ist auch kaum der Erwähnung wert, da es – oh Wunder der modernen Technik – vollkommen problemlos funktioniert. Auch die Aktivierung wird über das hauseigene Applikationsmanagement vorgenommen. iZotope RX8 lässt sich problemlos auf dem Computer oder einem iLok lizenzieren/aktivieren. Wählt man den iLok – was die deutlich einfachere Methode auf Dauer sein dürfte – muss in der iLok-Applikation die Lizenz auf den entsprechenden Dongle gezogen werden. Leider meldet sich RX8 beim Start noch mal und fragt nach der Freischaltung. Das kriegen Marktbegleiter durchaus besser hin. Ein Problem ist das natürlich nicht, da dieser Vorgang nur beim ersten Start anfällt, demnach nur ein Schönheitsfehler.
Der Editor in RX8 präsentiert sich – wie auch die Vorgänger – übersichtlich und schnörkellos aufgeräumt, sehr gut. Allerdings ist die Liste der Werkzeuge am rechten Bildschirmrand schon lang geworden und nicht unbedingt für jeden so übersichtlich und selbsterklärend. Dafür gibt es nun mehr Platz für die Wellenform- und Spektraldarstellung.
Jetzt mag beispielsweise Steinberg mit WaveLab das etwas ordentlichere/übersichtlichere Menü bieten, dafür ist für den eigentlichen Editor weniger Platz. Wie so oft: Es ist reine Geschmacksache. Jeder, der iZotope RX7 schon kannte, wird sich natürlich sofort zurechtfinden, da die Oberfläche praktisch nicht verändert wurde.
Von den Systemanforderungen her gibt man sich bescheiden: Freunde des angebissenen Apfels sind ab High Sierra (10.13.6) bis Catalina (10.15) dabei, die Fenster-Welt darf ab Windows 8 mitspielen. Weitere Angaben werden nicht gemacht. Auf schwächeren und älteren Systemen ist mit eingeschränkter Echtzeitfähigkeit zu rechnen, aber die Arbeit ist prinzipiell möglich, sofern man auf 64 Bit unterwegs ist.
Nicht alles was glänzt, ist ein Plugin
Wer alle Tools (hier Module genannt) in iZotope RX8 nutzen möchte, muss den mitgelieferten Audioeditor einsetzen. Allerdings werden nicht alle Module als Plugin angeboten, schade. Dafür lassen sich (VST2/3 sowie AU) Plugins im RX8-Editor nutzen. So ersetzt der Editor zwar nicht vollständig Tools wie Sound Forge oder WaveLab Pro, allzu häufiges Wechseln zwischen den Applikationen wird jedoch vermieden.
Wer hingegen die Segnungen von RX8 in seinem Sequencer oder Audioeditor nutzen möchte, ist deutlich eingeschränkt. So sind von den 24 Modulen (in der Advanced Version) nur 14 auch als Plugin verfügbar. Würde man die ARA-Schnittstelle nutzen (wie Spectral Layers), sähe die Bilanz sicher anders aus. Zumal auch nicht alle 14 Plugins in den gängigen Formaten zur Verfügung stehen, vier Plugins sind nur in ProTools als AudioSuite nutzbar. Eine ARA-Anbindung wäre für RX 9 (spätestens) der nächste logische Schritt – zu erwarten ist das aber eher nicht.
Alles anders, alles neu in RX8?
Die Entwickler bei iZotope haben für RX8 einige Verbesserungen und Neuerungen im Gepäck. Ob aber jedes „improved“ (wie es auf der Hompage vermerkt wird) auch wirklich stets eine Verbesserung ist, bleibt eine andere Frage. So habe ich einen Kollegen, der meistens ältere Versionen vom Denoiser aus der RX-Suite nutzt und ebenso habe ich den Eindruck, dass nicht alles stets eine objektive Verbesserung ist, dazu später mehr.
Selbstverständlich habe ich – wie bestimmt einige RX-User hier – die Werkzeuge von RX zum Verbessern von E-Gitarrenaufnahmen eingesetzt (so eine Strat ist ein echter Magnet für alles was Brummen etc. erzeugen kann). Nun haben die Entwickler aus Massachusetts dazu ein extra Modul für RX8 spendiert: Guitar De-noise. Das gute Stück ist auch als Plugin direkt in den Sequencer zu integrieren.
Die Oberfläche lässt keinen Zweifel, für welchen Zweck das Modul gedacht ist. So teilt sich das GUI in den Bereich Amp (um alle verstärkerbezogenen Störgeräusche in den Griff zu bekommen), Squeak (bspw. für das Rutschen über den Bund) und Pick (hier werden Transienten gebändigt). Dieses neue Tool bietet alles in einem Plugin und kann gute Dienste leisten. Immerhin gibt es ein Preset-Paket von Grammy-Gewinner Michael Brauer zum kostenlosen Download.
Besonders (aber eben nicht nur) im Radio- und TV-Sektor sind Tonaufnahmen, die mit nicht geeignetem Equipment gemacht wurden und zu wenig Höhen haben, durchaus häufiger anzutreffen. Mit Spectral Recovery lassen sich neue Höhen für das Signal „dazu erfinden“.
Selbstverständlich können die verlorenen Höhen nicht mehr restauriert werden, sondern es müssen neue dazu kreiert werden. Wer jetzt anmerkt, das könnte auch ein Exciter/Vitalizer, hat natürlich Recht – und auch wieder nicht! Denn: Spectral Recovery macht deutlich mehr. So verspricht iZotope, dass speziell Videokonferenz-Aufnahmen, die über 4 kHz meistens nicht so ausgeprägt sind, wieder crisp und kristallklar erklingen. Ganz so würde ich das nicht unterschreiben, aber Spectral Recovery kann schon den einen oder anderen O-Ton retten und sendefähig machen.
Für alle unter uns, die mit Tonbändern arbeiten, ist das neue Wow & Flutter das richtige Modul. Bisher kannte ich nur Capstan von Celemony, das alleine schon fast 3.800,- Euro kostet. Wenn Wow & Flutter nur fast so gut ist wie der Münchener Konkurrent hat sich iZotope RX8 schon gelohnt. Leider habe ich keinen Zugriff auf Capstan, so dass ich selbst keinen direkten Vergleich anstellen kann. Mein Eindruck (von den Demos) ist, dass Capstan noch eine Stufe besser ist.
Loudness Control dürfte hauptsächlich die Broadcast-Engineers unter uns interessieren. Mit diesem Modul können Mischungen automatisiert in verschiedene Loudness-Normungen gepresst werden, auch in die R128. Für den Sektor der aktuellen Berichterstattung mag das noch okay sein. Da die Anwenderschaft nie präzise genug weiß, was diese Tools tontechnisch genau machen, ist eine gewisse Vorsicht geboten. So haben sich schon R128-Mischungen, die automatisiert Standard-Konform gemacht wurden, als nicht 100 % konform erwiesen (gilt NICHT für RX). So könnte man erwarten, dass für Produktionen, die eine etwas höhere Qualität erreichen sollen, die Kollegen und Kolleginnen in der Postpro wissen, was sie tun, und „von Hand“ Loudness-Mischungen machen können. Natürlich erzeugt Loudness Control 100 % korrekte R128-Master bei den Tests.
Besser geht nicht? Doch, meint iZotope …
Einige kleinere und größere Verbesserungen wurden RX8 auch noch mit auf den Weg gegeben. So wurde die De-Hum-Funktion und das GUI etwas verbessert, auch horizontales Scrolling ist im Editor nun möglich. Nach ca. 10 Jahren – wurde auch Zeit.
Music Rebalance erlaubt es, fertige Musikmischungen anzupassen. So können die Drums lauter oder der Gesang leiser gemacht (wenn bspw. ein Voice Over kommt) oder sogar ganz entfernt werden. Es lässt sich Gesang, Bass, Percussion (auch Drums) und der Rest (Other) in ein neues Mischverhältnis setzen.
Im Netz gab es einige Aufregung um die verbesserte Funktionalität von Music Rebalance. So ganz kann ich das nicht nachvollziehen, da ich bereits die Variante in RX7 recht gelungen fand. Außerdem wurde die Parametrisierung leicht verändert, was mich nicht 100%ig überzeugt.
RX7 hatte pro Stem einen „Sensitivity“-Regler, in RX8 gibt es nur einen „Seperation“-Regler für alle vier Bestandteile. Damit lässt sich weniger individuell arbeiten, denn gerade „Sensitivity“ habe ich in RX7 sehr geschätzt. Andererseits hat die RX8-Version meist die bessere Trefferqoute. So hat RX7 die Stimme von Tucker Halpern des Duos Sofie Tucker oft nicht als Stimme erkannt, das klappt jetzt besser. Ideal wäre es, wenn man Music Rebalance im RX7- und RX8-Modus betreiben könnte. Sehr schön ist der „Separate“-Button, mit dem man eine Aufnahme automatisiert in vier Einzeldateien zerlegen kann.
Der hier gezeigte Beispielsong stammt aus unserem iZotope RX 7-Test und wurde in RX8 neu bearbeitet. Daher bitte unbedingt mit den Ergebnissen dort vergleichen:
Praktisches mit iZotope RX8
Es wurden noch weitere Detailverbesserungen vorgenommen: Der Batch-Prozessor, auch das Modul Dialogue Isolate, wurde renoviert, es hat sich auch gelohnt (s. u.). Für den PostPro-Sektor leistet dieses Modul Unglaubliches und separiert Dialoge gut von Störgeräuschen.
Wie auch schon RX7 läuft iZotope RX8 sehr stabil und macht in der täglichen Arbeit keine Probleme. Einzig eine ARA-Anbindung des Editors wäre noch eine sehr feine Sache.
Der Batch-Prozessor ist eine Pflichtangelegenheit für ein Programm dieser Klasse. Allerdings ist dieser noch etwas zu rudimentär für meinen Geschmack. Sollen von einer Datei mehrere Versionen angelegt werden, ist das nicht so komfortabel möglich wie bei manchem Mitbewerber.
Sprachaufnahmen mit starkem Lüftergeräusch zunächst unbearbeitet, dann mit Dialogue Isolate bearbeitet, dann mit dem De-Humer und Spectral Denoise:
Sprachaufnahme mit Straßengeräuschen, danach befreit von den Nebengeräuschen mit Dialogue Isolate:
Sprachaufnahme mit viel Raumhall, bearbeitet mit Dialogue De-Reverb und dem regulären De-Reverb
Ich bin immer noch „sauer“, dass Izotope Ozone 8 nicht für Catalina bereitgestellt hat, weswegen ich mit dem upgrade auf MPB4 noch warte und RX8 brauche ich persönlich auch nicht, obwohl es in MPB4 dabei wäre.
Aber ungeachtet dessen muss ich sagen, dass ich Qualität und Stil des Artikels sehr, sehr gut finde, das ist mal UK Niveau. Professionell geschrieben, kein unnötiges Blabla, sondern maximale Information, dabei aber total unanstrengend, flüssig zu lesen – da hat jetzt wirklich die Lektüre Vergnügen bereitet und man weiß über das Produkt nach dem Lesen schon mal gut Bescheid. Danke dafür!
Ich werde ganz rot! ;-)
DANKE!
LG
F
Danke für den sehr übersichtlichen und informativen Artikel!
Als Nutzer von RX 8 (vorher RX7) finde ich die Ergebnisse von Music Rebalance für das Isolieren von Instrument-Arten in RX 8 (für meinen Bedarf) mit Abstand besser als in RX 7 und würde nie tauschen oder bei der alten Version bleiben wollen. in RX 7 war ich so unzufrieden, dass ich stattdessen eine andere Software benutzt habe, bei der das Audio-Material erst per Upload auf einen leistungsfähigen Rechner geschickt werden musste und die Ergebnis-Stems anschließend wieder herundergladen werden mussten: umständlich und mit erheblichem Zeitaufwand, aber mit deutlich besserem Ergebnis als von RX7. Jetzt bekomme ich mindestens dieselbe Qualität der Ergebnisse wie von der Online-Software von RX8 in kürzerer Zeit geliefert: iZotopes maschine learning Ansatz hat m.E. hier deutlichen Fortschritt gebracht.
Auch sonst bin ich begeistert von RX8. Allerdings finde ich den finanziellen Sprung von der Standard-Version zur Advanced Version (übrigens ohne jede auf der Homepage ausgewiesene Upgrade-Möglichkeit) VIEL zu groß: er bedeutet aus meiner Sicht, dass Home-Studio User praktisch von wichtigen Funktionen ausgeschlossen sind. Eine bezahlbare Upgrade-Möglichkeit für einzelne Funktionen (statt eines Wahsinns-Sprungs zwischen den beiden oberen Verionen im jeweiligen Komplettumfang) wäre m.E. eine bessere Lösung.
Auf eine Email-Anfrage bei iZotope bezüglich der unklaren Möglichkeit eines Upgrades von Standard zu Advanced habe ich auch nach Wochen keinerlei Antwort erhalten.
Da kommt es sicher auch auf das Ausgangsmaterial an. Ich hatte einzelne Beispiele, die mit RX7 etwas besser funktionierten. Aber um ehrlich zu sein: Es geht hier um Nuancen.
LG
F
Danke für diesen Bericht! Mich würde noch interessieren, wie sich RX8 / Music Rebalance im Vergleich zum entsprechenden Algorithmus von SpectraLayers 7 (Stems entmischen) schlägt.
Ich schau mal, sollten wir uU nachreichen können!
LG
F
Danke ebenfalls für den informativen Test. Besonders das Modul Music Rebalance interessiert mich nach den Audiobeispielen sehr. Die Qualität scheint im Vergleich zu Online-Beispielen anderer Anbieter sehr gut bis deutlich besser. Allerdings ist der Preis für die Standard-Edition recht hoch, wenn man als Amateur-Musiker genau nur diese eine Funktion sucht. Frage an alle inkl. Autor: Gibt es Alternativen zur Erzeugung von ähnlich guten Stems zu günstigeren Konditionen? Wie sind Eure Erfahrungen? Habe mir bereits Beispiele von LakeAudio, Spleeter, Stem Creator u.a. online angehört und war von den Ergebnissen nur mittelmäßig begeistert.