In Summe sehr schön: Pultec Style Equalizer und VCA-Kompressor
Den Crème der Tegeler Audio Manufaktur hatten wir bereits im Jahr 2016 getestet und Chefautor Tyrell und Autor Axel Ritt waren vom Klang, Konzeption und Verarbeitung des kombinierten Bus-Compressors und Mastering-Equalizers sehr überzeugt. 2020 legte die Berliner Firma noch mal eine erweiterte Version nach, den Tegeler Audio Manufaktur Crème RC, der via Ethernet mit Plugin Control und Motorpotis einen Total-Recall bietet und somit einen nahezu perfekten Spagat zwischen den Vorzügen von Analog und Digital macht. Grund genug, uns diesem schönen Summenveredler noch einmal mit einigen Klangbeispielen zu widmen.
Features des Crème RC
Der Haupteinsatzzweck des Crème RC ist die Veredlung von Stereomixen, im Mastering-Prozess oder auch als Bus-Compressor im Mixdown. Der Tegeler Audio Manufaktur Crème RC soll dem Mix zu mehr energetischer Dichte, Durchsetzungsvermögen und Kompaktheit verhelfen und das mittels einem übersichtlich und einfach zu bedienenden Frontpanel.
Der Tegeler Audio Manufaktur Crème RC Signalprozessor besteht aus zwei wesentlichen Funktionseinheiten: Equalizer und Kompressor. Im oberen Bereich des 2 HE Rackgeräts befindet sich die EQ-Sektion, die dem legendären Pultec-EQ nachempfunden ist. Hier wurde diese klassische Baxandall-Schaltung aber in Konzeption und Bedienung ein wenig reduziert und modernisiert. Anders als beim Originalvorbild befindet sich beim Crème RC keine Möglichkeit der Absenkung.
Aufgebaut ist der Crème RC als ein passiver Breitband-Equalizer. Das bedeutet, dass bei maximaler Anhebung der Effekt des Equalizers in den Mittenfrequenzbereich hineinreicht. Die maximale Anhebung des Frequenzbandes oberhalb bzw. unterhalb der Grenzfrequenz des High- und Low-Shelf-Filters beträgt 5 dB.
In diesem Zusammenhang seien auch schon mal die drei wesentlichen Unterschiede zum erfolgreichen Bruder, dem Crème, erwähnt:
1. Beim Crème lassen sich in den EQ-Bändern jeweils 6 fixe Frequenzen per Drehschalter auswählen. Der Crème RC bietet im selben Frequenzbereich mehr als 250 wählbare Zwischenstufen, die mit einem Motorpoti realisiert werden.
2. Das Sidechain-Filter des Crème RC kann neben den gewöhnlichen 60 Hz und 120 Hz als dritte Option auch bei 200 Hz einsetzen.
3. Neben dem Auto-Release-Modus des Cremes verfügt der Crème RC auch über den Cream-Modus, eine etwas aggressivere Auto-Release-Schaltung.
Unter dem Equalizer findet sich eine klassische VCA-Kompressorschaltung, die sich traditionell wunderbar dazu eignet, um Stereomixen zu mehr Dichte zu verhelfen und diese zusammenzuschweißen. Der Kompressor besitzt einen Sidechain-Lowcut; das umschaltbare Highpass-Filter im Schaltkreis des Kompressors verhindert ein Pumpen bei stark basslastigem Klangmaterial. Dass das Sidechain-Filter nun auch bei 200 Hz ansetzen kann, halte ich für eine sinnvolle Erweiterung gegenüber dem Crème, denn so kann der Tiefmittenbereich noch subtiler komprimiert werden, was sich wiederum in einem wärmeren Klangbild äußert.
Das Highpass-Filter geht mit 6 dB pro Oktave zu Werke.
Die Rasterung der Parameter orientiert sich dabei an den typischen Werten, die man von Herstellern bekannter VCA-Kompressoren wie API oder SSL gewohnt ist: Attack bietet 6 Optionen, von 0,1, 0,3, 1, 3, 10 und 30 ms, Release bietet 5 Optionen: 100, 300, 600, 1,2 und die beiden Auto-Release-Modi Auto und Cream – Letzterer geht etwas schneller zu Werke und schafft so ein dynamisch aktiveres Release-Verhalten.
Die Einstellungen bieten somit schnellen Zugriff auf praktisch alle Anwendungen, mit denen man ein Gerät wie den Crème RC in der Praxis konfrontiert. Auch die Kompressionsraten sind hier gut eingeteilt: mit 1,5:1, 2:1, 4:1 und 10:1 hat man ein breites Spektrum an Möglichkeiten, von leichter Verdichtung bis hin zu Limiting-artigen und pumpenden Einsätzen.
Interessant ist die Möglichkeit, die Reihenfolge von EQ und Kompressor im Signalweg per Schalter vertauschen zu können. Dies bietet teilweise deutliche Unterschiede im Ergebnis, je nach Klangmaterial.
Total Recall – die Software des Crème RC
Der Crème RC lässt sich mittels drei verschiedenen Wegen steuern: mit dem Frontpanel, der internen Website des Geräts oder durch die Benutzung des DAW-Plug-ins.
Der Crème RC besitzt eine eigene IP-Adresse, die im Browser aufgerufen wird. Im Gegensatz zum Crème, der mit Kippschaltern für Bypass, SC-Lowcut und Reihenfolge Kompressor/EQ ausgestattet ist, finden sich an dem Crème RC nun beleuchtete Taster.
Die Benutzung der Remote-Control verläuft in der Praxis ohne Probleme und bietet einen echten Vorteil gegenüber gewohnter Hardware, die keinen Total-Recall bieten kann. Per Ethernet verbunden, schafft die Schnittstelle zum Computer noch mal eine ganz neue Ebene für den Crème RC. Was gibt es besseres, als die Vereinigung der Vorzüge aus digitalen und analogen Mix- und Masteringtools? Total Recall war immer das Argument, das den Einsatz von analoger Hardware unflexibeler gegenüber einer rein digitalen Arbeitsweise erscheinen ließ, aber der Crème RC schlägt hier eine wirkliche Brücke und vereint die beiden Welten – analoger Sound und digitale Steuerung – zu einer perfekten Symbiose.
Die Motorfader laufen sehr rund und leise und fahren beim Öffnen der Session direkt in die richtige Position. Plugin Control erwies sich im Test als gleichermaßen unkompliziert, wie auch die Steuerung über die Website. Einzelne Parameter lassen sich mit Plugin Control zudem im Projekt automatisieren, auch das gefällt mir richtig gut.
Tegeler Audio Manufaktur Crème RC in der Praxis
Der Crème RC erweist sich in der Praxis als sehr flexibles und effektives Werkzeug, das auf unterschiedlichstes Audiomaterial angewendet immer eine gute Figur macht und dank seiner sehr übersichtlichen Gestaltung immer schnell und fokussiert zu Ergebnissen führt. Die Arbeit mit dem Gerät macht großen Spaß, die Kombination aus EQ und Kompressor in einem Gerät ist wirklich sinnvoll, auch klanglich hat mich der Crème RC überzeugt.
Der Equalizer liefert sehr gute Ergebnisse und ist insbesondere für Stereomixe ganz wunderbar in seiner Anwendung. Die breiten Filter sind ausgesprochen musikalisch und verhalten sich sehr organisch; deren Eingreifen ist auch bei drastischen Gain-Werten nicht unangenehm oder als Effekt hörbar. Sie verhelfen dem Audiomaterial in kurzer Zeit zu mehr Transparenz und Druck. Leicht dumpfe Mixe werden im oberen Frequenzbereich schön geöffnet und es werden Details zutage gebracht, die zuvor noch undeutlich waren. Dies klingt sehr erfrischend und natürlich. Auch der Bassbereich profitiert von einer breitbandingen Anhebung, die das Signal druckvoller und dabei immer klar definiert erscheinen lässt. Die Neuerung im Crème RC, die Eckfrequenz der Filter nun nahezu stufenlos einstellen zu können, erweist sich als sehr praktisch. So lässt sich der Equalizer noch gezielter einsetzen, wenn auch der Fokus der Anwendung nicht primär auf Präzision liegt; hierfür greifen die High- und Low-Shelves einfach zu breitbandig an. Die festen Werte beim Crème waren zwar sinnvoll gesetzt, aber die frei wählbare Parametrisierung am Crème RC hat auf jeden Fall seine Vorteile hinsichtlich verschiedenstem Audiomaterial.
In diesem Zusammenhang sei übrigens erwähnt, dass die sehr hoch bzw. sehr niedrig einstellbaren Eckfrequenzen durchaus Sinn ergeben. Bei der höchsten Position des High-Shelves etwa, also 24 kHz, geht es etwa weniger darum, eine jenseits des Hörspektrums gelegene Brillanz herauszukitzeln. Vielmehr greift die superflache Kurve des Baxandall-EQs so früh ein, dass man eine ganz sanfte Rampe nach oben erhält. Um die Kurve dann ausreichend weit oben im Frequenzspektrum beginnen zu lassen, muss die Filtergrenzfrequenz dementsprechend hoch kalkuliert werden.
Der Equalizer erscheint zunächst nicht sehr flexibel, aber darin liegt wiederum auch seine Stärke, da er sich im Kontext immer ausgesprochen musikalisch und sehr angenehm verhält. Man spart somit Zeit bei der Einstellung und kann das Klangbild schnell und effektiv formen, ohne die Frequenzkurve im Mix zu sehr zu verbiegen. Er klingt in den allermeisten Fällen gut und lässt sich schwer wirklich übertreiben. Allerdings glättet er auch nicht übermäßig. Dies zeigt sich besonders im Höhenbereich: Wenn das Ausgangsmaterial schon zu einem spitzen oder harschen Charakter neigt, so bringt der Crème RC dies auch hervor und beschönigt nichts. Der Bassbereich hingegen bleibt immer akzentuiert und behält eine klare Kontur.
Der Kompressor arbeitet mit seiner VCA-Schaltung sehr sauber, mit viel Punch und dabei immer knackig. Dieser analytische, direkte Klangcharakter ist in den meisten Fällen präsent. Der Vorteil hierbei ist auch wieder in der Flexibilität hinsichtlich verschiedenstem Klangmaterial zu sehen, denn der Kompressor des Crème RC liefert immer stabile Ergebnisse, die nie die klare Kontur vermissen lassen. Das Audiomaterial wird wunderbar verdichtet, klingt sehr lebendig und akzentuiert. Der oft erfahrbare Höhenverlust bei Summenkompression ist hier nicht merklich spürbar, eher wirkt das komprimierte Material noch klarer und ein wenig brillanter.
Man kann mit den wählbaren Parametern wirklich alles abdecken, von Quasi-Limiting über musikalisches Pumpen bis hin zu warmem Bass-Punch. Auch hier zeigt sich wieder, dass der Crème RC fast nie verbogen oder zu extrem eingestellt werden kann – eine Eigenschaft, die man häufig bei hochwertig verarbeiteten analogen Geräten dieser Klasse findet, was dann auch in einer schnelleren Arbeitsweise resultieren kann. Selbst ein hörbares Pumpen klingt immer noch irgendwie angenehm, solange es der musikalische Kontext denn erlaubt. Die Einstellung mittels der großen Drehregler macht in der Praxis großen Spaß und erleichtert dank der sehr guten Ablesbarkeit ein schnelles Ausprobieren von verschiedenen Kombinationen.
Ein Sidechain-Filter erweist sich bei VCA-Kompressoren zudem immer als sinnvoll. Sehr schön, dass beim Crème RC nun auch 200 Hz angewählt werden kann. Somit können nun auch mehr der unteren Tiefmitten bewahrt werden, was oftmals in einem wärmeren Klangbild resultieren kann.
Die umschaltbare Reihenfolge von Kompressor und Equalizer kommt ebenfalls sehr hilfreich und unterstreicht die Flexibilität des Crème RC.
Das Klangbild des Tegeler Audio Manufaktur Crème RC
Insgesamt hat mir das Klangbild, das mit dem Crème RC erzeugt werden kann, sehr gefallen, nicht zuletzt auch deshalb, weil er durch die nicht zu starke Färbung und sein eher modern abgestimmtes Verhalten einfach total flexibel ist. Er klingt unverkennbar analog und auch wenn gute Plug-ins heutzutage schon sehr nahe kommen, das Verhalten von dem Zusammenspiel aus Spulen und Transistoren kann natürlich nicht komplett emuliert werden. Dadurch gewinnt das Audiosignal eine subtile zusätzliche räumliche Tiefe. Manchmal hätte ich mir vielleicht ein etwas gefälligeres, das Klangmaterial abrundendes Verhalten des Crème gewünscht … etwas cremiger sozusagen. Dennoch gefällt mir der Punch und die Transparenz sowie die musikalische Frequenzbearbeitung des Tegeler Signalprozessors sehr.
Klangbeispiel 1:
Track 1: Original trocken
Track 2: Ratio 4:1, Attack 0,3, CREAM Release, kein EQ
Track 3: Ratio 4:1, Attack 0,3, Release 0,8, kein EQ
Track 4: Ratio 4:1, Attack 0,3, Release AUTO, kein EQ
Track 5: Ratio 4:1, Attack 0,3, CREAM Release, 60 Hz +5, 14 kHz +5
Klangbeispiel 2:
Track 1: Original trocken
Track 2: Ratio 1.5:1, Attack 0,3, Release 0,3, 50 Hz +6, 17 kHz +6, EQ>COMP
Klangbeispiel 3:
Track 1: Original trocken
Track 2: Ratio 4:1, Attack 1, Release 0,6, No Sidechain
Track 3: Ratio 4:1, Attack 1, Release 0,6, Sidechain 60 Hz
Track 4: Ratio 4:1, Attack 1, Release 0,6, Sidechain 200 Hz
Klangbeispiel 4:
Track 1: Original trocken
Track 2: Ratio 10:1, Attack 0,3, Release 1, No Sidechain
Track 3: Ratio 3:1, Attack 0,3, Release 0.5, No Sidechain
Klangbeispiel 5:
Track 1: Original trocken
Track 2: Ratio 5:1, Cream, Attack 1; 10 kHz +8, 100 Hz +7
Track 3: Ratio 2:1; AUTO, Attack 1; 14 kHz +8; 80 Hz +5
Ich mag Tegeler eigentlich, besonders die Einsicht, dass sich ein Ton erst entwickeln muss, bevor er bearbeitet werden kann. dennoch enthalte ich mich einer Wertung. Ich kann mit den Audiobeispielen nichts anfangen. Sie klingen, als ob der Hörer von leicht erhobener Position aus zuhört, zudem vercremt mir die ‚Mucke‘ zu sehr, was auch an der Mischung liegen kann. Danke für die Mühe, aber mir fehlt ein Zugang.
Achtung, das folgende schreibt jemand, der mit Kompressoren im Allgemeinen und Outboard-Kompressoren im Speziellen keine Ahnung hat, den das Thema aber brennend interessiert. Vor allem auch, um dem Sound einen gewisse Färbung zu geben.
Warum ich es dann überhaupt wage, hier etwas zu kommentieren? Weil für mich so ein Test auch immer – gerade bei Kompressoren – »dazu lernen« ist. Ich will einfach auch hören, was an den ganzen (teuren) Kompressoren immer so geil sein soll.
Klangbeispiel 2
Wenn meine Ohren mich nicht täuschen, dann vermeine ich hier mit dem »Crème« ein gewisses – angenehmes! – Pumpen beim Akkordeon vernehmen zu können … was im Kontext der Musik echt witzig heraus gearbeitet wurde.
Klangbeispiel 3
Hier vernehme ich in Track 2 – no Sidechain – ein, ich nenne es mal so, »Anzerren« des Basses im Hintergrund. Kann das sein? Der ist irgendwie angenehm präsenter. In allen Beispielen wird der Bass deutlicher heraus gearbeitet. Aber dieses »Anzerren« des selbigen … das hat schon was … wenn ich es mit nicht einbilde.
Klangbeispiel 5
In Track 3 ist etwas fiese schief gegangen: Hier laufen zwei Stücke übereinander. Und kann es sein, dass Track 1 und Track 2 die selben sind? Unterschiede sind da für mich eher esoterisch.
@Flowwater Hallo Henrik,
danke für deinen Kommentar und die Eindrücke.
Ja das stimmt, der Bass wird deutlicher, da eine gewisse Sättigung eintritt. Durch die entstandenen Obertöne gewinnt der Bass dadurch etwas an Deutlichkeit.
Danke auch für deinen Hinweis bezüglich Klangbeispiel 5, da hat sich ein Fehler eingeschlichen, habe die Datei ausgetauscht.
Viele Grüße
Timm
Hab den normalen Creme aber den werde ich auch nie wieder her geben einfach klasse ich liebe den Sound 😁