Der Gain-Stage-King
Der API 3122V ist ein 2-Kanal-Rackmount-Mikrofonvorverstärker, der im Lineup der Amerikaner eher ein Nischendasein fristet, obwohl er einige sehr interessante Funktionen beinhaltet und – natürlich – auch den „punchy“ API-Sound abliefern soll. Woran liegt es, dass ich bei YouTube kaum Informationen zu diesem API Preamp bekomme, obwohl er schon seit 2022 lieferbar ist? Finden wir es heraus!
Inhaltsverzeichnis
Was ist der API 3122V?
Der API 3122V ist ein 1 HE Rackmount-Preamp mit 2 Kanälen, die vollständig getrennt aufgebaut sind und nur die interne Stromversorgung teilen. Jeder Kanal kann wahlweise ein Mikrofon-, ein Line-Level-Gerät oder einen HI-Z Input aufnehmen. Im Grunde also „Stangenware“ in Sachen Inputs, denn das kann heutzutage jeder gängige Vorverstärker.
Der Grund, weswegen man sich den 3122V trotzdem genauer ansehen sollte – besser gesagt die zwei Gründe – sind nur zu erkennen, wenn man sich das Gerät genauer ansieht und sich über die verbaute Technik informiert – denn hier passiert die „Magie“.
1. Grund: das 4-stufige Gain-Staging
Wir haben hier neben einem ungerasterten Gain-Regler auch einen feingerasterten Level-Regler, einen PAD-Schalter (-20 dB) und den 3:1-Schalter, der am Ausgangsübertrager eine zweite Wicklung abgreift und bei Aktivierung den Output-Gain von 1:1 zu 3:1 erhöht, was ungefähr 10 dB entspricht.
2. Grund: Der Operationsverstärker
Das umfangreiche Gain-Staging aus dem oben genannten Grund ist dem diskret aufgebauten Operationsverstärker API 2520 zu verdanken, der ebenfalls im legendären API 312 zu finden ist und dem man den „punchy“ Sound der APIs verdankt.
Exkurs: Was ist Gain-Staging?
Vorab: Gain-Staging ist ein komplexer Prozess, der sehr viel Erfahrung benötigt, damit das Ergebnis hörbar besser wird, als beispielsweise einem kombinierten Gain/Level.Regler, wie ihn viele preiswerte Preamps bieten.
Für einige ist Gain-Staging einfachste Mathematik, um einen zu wählenden Pegel im Mix zu erreichen, damit der Mastering-Engineer genug Headroom hat, um mit Kompressoren und EQs das optimale Endergebnis zu erzielen.
Tatsächlich muss man sein Equipment sehr gut kennen, um das Gain-Staging optimal auszuführen: Je nach Preamp bewirkt die Anhebung des Gains eine Sättigung des Signals, während der Level-Regler dieses saturierte Signal einfach nur lauter macht. Hat man aber sehr laute Eingangsquellen wie Drums, dann fährt der Preamp zu früh in die Sättigung und so kann man mittels PAD die Eingänge unempfindlicher und (im Falle des API 3122V) um 20 dB leiser machen.
Bei unserem Testgerät haben wir dann noch den 3:1-Schalter, um zwei verschiedene Wicklungen im Ausgangsübertrager anzuwählen und so nicht nur den Pegel, sondern auch eine weitere Verdichtung des Signals zu erreichen. Dieses geschieht nach dem Level-Regler und bietet somit eine weitere Variante, den Klang des Signals zu beeinflussen.
Nun ist es wichtig im Prozess zu verstehen, dass die Bedienung eines „Stages“ immer auch die drei anderen Stufen verändert. Meine Empfehlung wäre folgende:
- Je nach Eingangsquelle den PAD aktivieren oder deaktivieren
- Am Gain-Regler zunächst den Pegel des Eingangssignals nach dem VU-Meter und der Clipping LED in den Bereich zwischen -7 und -3 dB bringen.
- Am Level-Regler den Gesamtpegel auf die gewünschte Lautheit in der DAW bringen
- Nun unter Beobachtung der Lautheit in der DAW mit Gain und Level spielen, um die finale Sättigung des Eingangssignals bei optimaler Lautheit zu erreichen.
- Nun mit dem 3:1-Schalter und dem Level-Regler die Veränderung durch die alternative Wicklung des Ausgangsübertragers abhören.
Je öfter man diese Prozedur angewendet hat, desto schneller versteht man die jeweilige Klangveränderung durch die veränderten Gain-Stufen. Einem ungeübten Ohr mögen die klanglichen Veränderungen marginal erscheinen, aber mit zunehmender Gehörbildung fühlt sich das wie das Spiel mit Blende, Verschlusszeit und Zoom bei einer guten Kamera an. Das Endergebnis ist entweder ein Schnappschuss oder eine Fotografie.
Die Ausstattung des API 3122V Preamp
Abgesehen vom komplexen Prozess des Gain-Stagings gibt die Bedienung des API keine Rätsel auf. Auf der Front bietet er eine Kombibuchse XLR/TRS für Mikrofone und HI-Z/Line. Auf der Rückseite befindet sich eine „pure“ XLR-Buchse. Mit dem „FRONT“ beschrifteten Schalter wird der gewünschte Eingang ausgewählt und mit „MIC“ wird die Eingangsimpedanz zwischen 1.500 Ohm für Mikrofone und 470 kOhm für HI-Z umgeschaltet.
Neben dem Gain-Regler mit darüberliegender roten Peak-LED haben wir die Aktivierung der 48 V Phantomspeisung und eine Polaritätsumkehr für Mikrofone. Daneben der PAD Schalter (-20 dB) und der Level-Regler. Ein Hochpassfilter unterdrückt die Frequenzen unter 50 Hz und schließlich gibt es noch den bereits erwähnten 3:1-Schalter für den optionalen Abgriff des Ausgangsübertragers. Ein kleines, vintage gelblich schimmerndes VU-Meter zeigt den Eingangspegel vor dem 3:1-Abgriff. Erfreulicherweise haben wir auf der Front einen echten Netzschalter.
Die Rückseite ist sehr spartanisch ausgestattet: je ein XLR-Ein- und Ausgang pro Kanal und die Kaltgerätebuchse für die Stromversorgung.
Verarbeitung und Bedienung des API 3122V
Die Verarbeitung ist über jeden Zweifel erhaben. Gehäuse, Buchsen, Schalter – alles ist von hervorragender Qualität. Das API Logo ist sauber gedruckt und insgesamt lassen sich alle Funktionen gut ablesen. Wenn nicht die zu kleinen Regler wären. Hier merkt man, dass es sich bei den beiden Kanälen um umgebaute und gedrehte API500 Einheiten handelt. Die Frontplatte hätte genügend freien Platz zum Verbauen von großen Drehreglern. Schade, denn gerade die Feinabstimmung von Gain und Level gehört zu den Top-Funktionen des 3122V und mit größeren Händen fühlt sich das schon sehr klein an.
Leider ist der Gain-Regler nicht gerastert und so fällt auch ein Recall oder der exakte Abgleich der Kanäle etwas schwer.
Die kleinen VU-Meter haben den prinzipbedingten Nachteil kleiner Zeiger, die bei entsprechendem Material eine hohe Winkelgeschwindigkeit haben. Lange Zeiger sind für das Auge besser abzulesen und können einfacher den Bezug von (sehr kurzer) Zeigerstellung und Beschriftung ablesen. Die VU-Meter meines Drawmer 1978 Kompressor können das deutlich besser. Allerdings sind Pegelmeter generell „hektischer“ unterwegs als Kompressionsraten. Bei diesem Format habe ich mit LED-Ketten bessere Erfahrungen gemacht. Allerdings darf man es sich bei API leisten, dass das Messgerät für perfekten Klang idealerweise das Ohr sein soll – und nicht eine Zeigerstellung.
Die Messwerte des Gerätes sind allesamt sehr gut – insbesondere die Gain-Range von maximal 68 dB ist sehr gut und ein Zeichen für die Rauscharmut des API:
Input Impedance:
Mic: 1.500 Ohms
Hi-Z: 470 kOhms unbalanced
Output Impedance:
Less than 75 Ohms, transformer balanced
Nominal Levels:
XLR channel output: +4 dBu
Frequency Response:
+/- 0,5 dB, 20 Hz to 40 kHz
Signal Noise Ratio:
Mic: -128 dB
Hi-Z actual: -106 dB
Gain Range:
Mic input: 14 dB min., 68 dB max (inkl. Pad)
Hi-Z: -6 dB min., 48 dB max (inkl. Pad)
Power Consumption:
8 Watts
Gewicht:
4 kg
Der Klang des API 3122V
Aus meiner bescheidenen Sicht gibt es vier Hersteller, die man im Zusammenhang mit Vorverstärkern als legendär bezeichnen kann. Diese vier Hersteller haben unsere Art Musik zu konsumieren maßgeblich mitbestimmt und jeder von ihnen hat einen eigenen – unverwechselbaren – Signature-Sound. Das sind AMS Neve, SSL, Universal Audio und API. Alle haben eine lange und erfolgreiche Historie und man findet deren Preamps in allen großen und berühmten Tonstudios.
Und wer es dynamisch mag, mit schneller Transientenwiedergabe und präsenten oberen Mitten, der gehört zur API Fraktion. In meinem Test habe ich einige Klangbeispiele mit dem API 3122V, dem SSL Pure Drive Quad und dem API Plug-in von Universal Audio erstellt. Mangels dreier identischer Mikrofone habe ich die Aufnahmen jeweils drei Mal gemacht – sie sind also nicht identisch. Trotzdem kann man die tonalen Unterschiede sehr gut wahrnehmen. Alle Klangbeispiele sind völlig unbearbeitet.
Beispiel 1: E-Gitarre am HI-Z Eingang
Ich spiele einzelne Töne und Strumming an einer PRS Zach Myers E-Gitarre jeweils im Hi-Z-Eingang des API, des SSL und des Apollo X6 mit API Vision Channel Strip, bei dem nur die Verstärkersektion aktiv ist – EQ und Kompressor sind deaktiviert, wie bei allen anderen Beispielen:
Bei der E-Gitarre hört man sehr gut, wie der API dazu neigt, die oberen Mitten zu verdichten, insbesondere wenn laut angefahren. Die Töne kommen sehr dynamisch aus den Lautsprechern und das Klangbild hat einen sehr eigenen Charakter:
Der SSL ist ein bisschen weniger dynamisch, dafür in den oberen Mitten klarer. Ohne Aktivierung der „Drive“-Modi beim SSL ist das Ergebnis sehr neutral. Das Plug-in macht meines Erachtens nach ein bisschen zu wenig aus dem HI-Z-Signal. Im Vergleich zu den Hardware-Kontrahenten wirkt der Klang tendenziell lustlos.
Beispiel 2: Synthesizer am Line-In
Ich habe einen einfachen Beat am MC-707 mit der 808 programmiert und dazu ein paar Akkorde auf dem Roland Juno-X („Percussion Organ“) gespielt. Dies habe ich direkt in die Line-Inputs der drei Kontrahenten geschickt.
Hier geht es um Line-Level Signale, die alle drei Systeme sehr gut wiedergeben. Hier sind die wenigsten Unterschiede wahrnehmbar, wenngleich die „punchyness“ des API weiter auffällt und der SSL die einzelnen Klangereignisse besser trennt.
Beispiel 3: Stimme über Mikrofon
Hier habe ich einen Text von API zum 3122V gelesen – jeweils am Mikrofoneingang des API, des SSL und des Apollo X6, bei dem das API Vision Plug-in aktiviert war. Alle Beispiele sind mit dem Lewitt LCT640TS Kondensator-Mikrofon mit Nierencharakteristik in Mono aufgenommen.
Hier sind die Unterschiede wieder sehr deutlich zu vernehmen: Durch die Verdichtung in den oberen Mitten wirkt meine Stimme einen Hauch metallisch und nasal, aber dadurch auch lauter und präsenter. Trotzdem ist die Sprachverständlichkeit beim SSL nach meinem Empfinden besser und kaum weniger dynamisch. Das Plug-in macht hier wiederum etwas zu viel: Fast schon grell klingt es über den API Vision Channel-Strip, der diesmal als Unison-Preamp eingesetzt wurde.
Es ist klar: Wer den charakteristischen API-Klang sucht, der wird mit dem API 3122V sicher glücklich. Dazu bietet es eine fantastische Spielwiese für granulares Gain-Staging und überzeugt mit guter Ausstattung und feiner Verarbeitung. Alleine die zu kleinen Drehregler für Gain und Level sind zu kritisieren und leider auch der aufgerufene Preis. Ganze 2.599,- Euro kostet der 2-Kanal-Preamp aktuell und liegt damit etwa gleichauf mit dem Neve 1073 DPA Stereo (2.359,- Euro), der allerdings etwas schlechter ausgestattet ist.
Da erscheinen die SSL Pure Drive Preamps mit 1.149,- Euro für vier Kanäle und 2.079,- Euro für acht Kanäle geradezu als Schnäppchen. Hier schlagen sich zwei Faktoren nieder: Zum einen lässt SSL mittlerweile in Fernost fertigen und außerdem verlangen Neve und API sicherlich einen höheren Preisaufschlag für den klangvollen Markennamen.
Toller Bericht und super Erläuterungen!!!
@DasIch&DerEr Vielen Dank! Ein guter Start in die Woche mit einem Lob!