Die Legende lebt!
Inhaltsverzeichnis
Der Universal Audio 6176 ist eine Legende! Kaum hatten wir die Chance, solch ein Gerät (endlich) zu organisieren, so haben wir von AMAZONA.de diesen Traum von einem Channel-Strip schnell geschnappt und nun steht dieses feine Gerät vor mir in meinem Homestudio. Es ist immer ein bisschen seltsam, von dieser Studio-Koryphäe zu lesen und Bilder zu betrachten und es dann selber im „in Persona“ vor sich stehen zu haben. Diese einzigartige Mischung aus einem UA 610B Preamp mit 2-Band-Equalizer und dem weltberühmten Kompressor 1176LN in einem 2 HE Rack-Gehäuse – mit leicht zitternden Händen nehme ich das Gerät in Betrieb und teile euch, liebe Leser, mit, wie sich so etwas anfühlt. Seid ihr dabei?
History-Time
Ein Mann namens Bill Putnam, geboren am 20.02.1920 in Danville Illinois, war Musikproduzent, Inhaber eines unabhängigen Tonstudios, Erfinder, Konstrukteur und Designer, so zu finden bei Wikipedia. 1946 hat er in Evaston bei Chicago die Universal Recording Corporation gegründet und seitdem sind unzählige – ja, wieder das Wort: legendäre – Alben, Aufnahmetechniken und Studiogeräte erstellt, erfunden und entwickelt worden. Das 8-Spur-Aufnahmeverfahren, Stereophones-Recording, Equalizer und Echokammer: Wir haben dem lieben Bill die Grundlagen der Studiotechnik zu verdanken, so wie sie heute noch im Einsatz sind – wenn auch leicht modernisiert.
Universal Audio als Hersteller von Audiogeräten für Studioeinsätze wurde im Jahre 1958 gegründet. Im Obergeschoss des Firmengebäudes in Hollywood hatte die von Putnam gegründete United Recording Electronics Industries (UREI) ihren Sitz und dort wurde neben dem Röhrenkompressor LA-2A auch der 1176LN Peak Limiter (unter dem Label Teletronix) entwickelt. Hier wurde auch der Mikrofonvorverstärker UA 610B geboren – ebenfalls mit gelblich glühenden Glaskolben.
Ein herzliches Dankeschön senden wir an die Söhne des 1989 verstorbenen Bill hinaus: Bill Jr. und Jim Putman führen die Firma bis heute sehr erfolgreich weiter und so bietet man eine am Markt bis heute unvergleichbare Mischung aus Vintage-Geräten, High-End-Studiotechnik, Einsteigergeräten und jede Menge Software: von einer kompletten DAW (LUNA) bis hin zu unzähligen Plug-ins als Lizenz oder im Abo-Modell (Universal Audio Spark). Die Apollo Audiointerfaces sind immer noch der Standard in vielen bekannten Studios. Das alles in an sich sehr beeindruckend und nicht nur deshalb bekommen die Produkte des US-Herstellers bei AMAZONA.de durchgehend Bestnoten. Wohl verdient.
Die Ausstattung des UA 6176
Wie bereits beschrieben, besteht der 6176 aus zwei Modulen: dem Preamp 610B und dem Kompressor 1176LN. Beide Geräte können komplett getrennt voneinander betrieben werden, wobei man sich nur die Stromversorgung und das Gehäuse teilt. Auf der Rückseite befinden sich für jede Sektion die Ein- und Ausgänge im XLR-Format. So hat der 610B einen Mic-Input, einen Line-Input und einen Line-Output. Der 1176LN verfügt einen Line-Input, einen Line-Output, eine Impedanz-Anpassung (15 kOhm oder 600 Ohm für Hi-Z) und eine Buchse für die Verbindung zu einem zweiten 1176LN Kompressor im Stereobetrieb. Dazu müssen beide 1176er mit einem 1176SA Stereoadapter verbunden werden. Dieser ist auch heute noch für ca. 100,- Euro erhältlich. Dann noch die Kaltgerätebuchse für das Stromkabel und das war es dann auch schon mit den Anschlüssen – zumindest auf der Rückseite.
Denn auf der Front befindet sich beim 610er noch der HI-Z-Input im 6,3 mm Klinkenformat für den Betrieb einer E-Gitarre oder Basses. Aber der Reihe nach:
Zentral leuchtet in Lila das geschliffene Glas der Betriebsleuchte und darunter haben wir den On/Off-Schalter, die Aktivierung der 48 V Phantomspeisung und der JOIN/SPLIT-Schalter, mit dem man definiert, ob man mit zwei getrennten Geräten arbeiten möchte oder mit einem Channel-Strip. Auf Stufe Join werden die beiden Geräte intern verbunden und der 610er Line-Output und der 1176er Line-Input werden deaktiviert. Es geht also direkt vom HI-Z/Line/Mic-Input des 610B zum 1176LN und an dessen Line-Output wieder raus.
Wie schon im Test des Universal Audio Solo 610 von Axel Ritt beschrieben, haben wir hier die bekannten Bedienelemente des Preamps:
- Gain-Drehschalter von -10 db bis +10 dB
- Impedanz-Anpassung mit Mic (500 Ohm/2,0 kOhm), Line und Hi-Z (47 kOhm oder 2,2 MegaOhm)
- PAD-Schalter mit 15 dB Absenkung
- Phaseninvertierung
- ein großes Level-Meter
- einen 2-Band-Equalizer mit schaltbaren Frequenzen: High (4,5 kHz, 7 kHz und 10 kHz) und Low (70, 100 oder 200 Hz)
Die Drehregler des Kompressors fühlen sich aufgrund seiner Bekanntheit sehr vertraut an: Attack und Release sind beim 6176er mit „Slow“ und „Fast“ gekennzeichnet, denn üblicherweise werden die Kompressorzeiten im Uhrzeigersinn langsamer. Als Fachmann weiß man dies natürlich! Darunter befinden sich die Regler für Ein- und Ausganspegel und die Ratio wird nicht mit Druckschaltern, sondern mit einem Drehschalter eingestellt. Von 1:1 (keine Kompression) bis 20: 1 (Limiter) ist alles möglich und auch der berühmte All-Button-Mode ist auszuwählen.
Und nicht zuletzt kann man noch das VU-Meter zwischen Eingangspegel, Gain-Reduction und Ausgangspegel umschalten. Weder beim 610B, noch beim 1176LN, fehlt ein Element im Vergleich zu den Einzelgeräten. Nur nochmal zur Vollständigkeit: Der UA 6176 ist ein Mono-Channelstrip.
Der UA 6176 in der Tonstudio-Praxis
Vorab: Ich habe alle meine Tests im „JOIN“-Modus gemacht, also mit verbundenem Preamp und Kompressor. Und falls einer fragt: Nein, die Reihenfolge kann man nicht ändern. Nach alter Schule nutzt man immer zuerst den Equalizer und danach den Kompressor, damit nicht Frequenzen den 1176 „besetzen“, die nachher sowieso weggeregelt werden.
Die Bedienung ist, wie anders kaum zu erwarten, eine Freude. Das metallische Klackern der Drehregler, der sämige Lauf des Pegelreglers, das gelblich leuchtende VU-Meter und nicht zuletzt die lila Betriebsleuchte mit dem geschliffenen Glas. Auch die Wirkweise der Elemente ist erfreulich. Klar, 5 dB Schritte im Gain sind schon sehr grob, aber durch den Pegelregler kann man das System sehr gut feintunen und genau in die Sättigung fahren, die man sich erhofft.
Der EQ und auch der Kompressor fügen neben der eigentlich gewünschten Funktion immer ein bisschen mehr hinzu, was mit Worten kaum auszudrücken ist. Das stabile Gehäuse und die fest verschraubten Buchsen unterstreichen den High-End-Anspruch des UAD 6176.
Klangbeispiele zum Universal Audio 6176 Channelstrip
Als erstes habe ich die Wirkweise der beiden HI-Z Impedanzen ausprobiert und an meiner Gibson Les Paul sind die Unterschiede gravierend. Ist das Klangbild bei 2,2 MOhm hell und transparent, so wird es bei 47 kOhm geradezu dunkel und jazzig.
Dann ein Vergleich zwischen dem UA610-B und dem SSL Pure Drive Quad. Letzteren habe ich in den Classic-Mode (Drive auf Farbe grün) gestellt und den HI-Z-Eingang recht heiß, also mit viel Pegel belastet. Danach die gleiche Akkordfolge auf der Les Paul mit dem 610-B Preamp im 6176.
Sehr interessant: Obwohl der 610 mit einer Röhre bestückt ist, klingt der SSL Preamp dunkler und obertonreicher und der 610er transparenter.
Nun zur Gretchenfrage: Hardware gegen Plug-in! Ich habe im Apollo X6 als Unison Preamp das Universal Audio Plug-in des UA 610-B geholt und in den Insert von Universal Audio LUNA den 1176LN Legacy, der dem 1176LN im 6176 am ahnlichsten ist, geladen. Die Regler sind immer vergleichbar eingestellt. Beide Male ein Paar Akkorde über den HI-Z Input.
Vergleicht man die Audiotracks optisch, so sieht man, dass bei identischer Einstellung der 6176 mehr verdichtet und das Plug-in hier noch Luft nach oben hat. Klanglich wirkt sich das zwar nicht so drastisch aus, aber die Hardware wirkt immer einen Hauch organischer und dichter als die Plug-ins.
Conclusio
Mit aktuell knapp 2.800,- Euro Kaufpreis (Stand 12/2023) ist der 6176 weiß Gott kein günstiges Gerät. Aber neben jeder Menge Mojo und Vintage-Vibes bietet er auch viel Praktikabilität und Flexibilität.
Klanglich ist er über jeden Zweifel erhaben, denn er fügt jeder Quelle genau diese Kleinigkeit hinzu, die aus einer guten Aufnahme eine „Hey – hörst du das? Das ist genau das, was ich wollte-Aufnahme“ macht. Ja, es gibt gute moderne Alternativen, wie der SSL Pure Drive zeigt und auch die (leider sehr teure) Neve Hardware. Aber den 6176 wieder zu verpacken und zurückzusenden, das fiel mir am Ende doch sehr schwer. Eigentlich gibt man so ein Gerät nicht mehr her.
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Laut dem Testbericht wurde dieser High End Channel Strip nur mit einer E-Gitarre am Di-Eingang getestet??? Ich meine, das ist ja schön, dass das funktioniert, aber so ein Teil kaufe ich doch in erster Linie für Mikrofone! Dazu habe ich weder Worte, noch Audiobeispiele gefunden. Das fand ich für mich enttäuschend.
@dr noetigenfallz Hallo, danke für den Kommentar. Einen solchen legendären Channelstrip zu testen ist immer eine Herausforderung, denn der Leser hat naturgemäß hohe Erwartungen.
Ich wählte hier die E-Gitarre, weil dieses Instrument viele Vorteile für für Beurteilung von klanglichen Unterscheiden hat. Die klare Trennung von Attack und Sustain, ein reiches Oberwellenspektrum und eine breite Frequenzabdeckung. So können – trotz meines sehr mittelmäßigen Spiels – die Unterschiede sehr gut herausgehört werden. Tests mit Mikrofonen haben immer den Nachteil, dass sie sehr vom verwendeten Modell abhängt. Impedanz, Typ, Klangsignatur. Meist sind die Unterschiede bei Mikros deutlich größer als beim Amp oder EQ. Wenn Du Dich für eine High End Gerät wie den 6176 interessierst, dann empfehle ich sowieso immer den persönlichen Test. Gruß Jörg
@Jörg Hoffmann Bei mir ist es immer genau umgekehrt, bei ganz vielen Tests finde ich Gitarren als total nichtssagend, zumindest wenn es keinen A-B Vergleich gibt. Hier gibt es den ja zum Glück. Ich persönlich hätte jedenfalls Drummachine Loops durchgeschickt, das ist für mich immer am aussagekräftigsten. Dann hört man auch raus, was untenrum passiert, was bei einer Gitarre eher nicht der Fall ist.
Aber ich bin ehh nicht das Zielpublikum solcher Geräte.
@Jörg Hoffmann ich sehe es leider ebenso wie ollo. für mich sind gitarren-beispiele immer ziemlich nichtssagend… ähnliches hab ich ja auch schon beim quad drive test angemerkt (auch wenn es da zumindest mikrofon-beispiele gab).
klar gibt es beim mikrofon deutlich mehr variablen und man sollte so ein gerät selbstverständlich auch selber testen, aber für einen ersten eindruck mit einem gängigen mikro sollte es doch reichen.
@dr noetigenfallz Ich sehe die Beispiele auch kritisch.
Vergleiche mit anderen Geräten finde ich vor allem dann hilfreich, wenn das andere Gerät bekannt ist. Der Pure Drive Quad ist aber in Deutschland noch gar nicht erhältlich, d. h. die allmeisten Leser haben von dem noch gar keine Vorstellung.
Und das Gitarrenbeispiel, nun ja. Es wäre dann doch schön, wenn die Gitarre wenigsten gestimmt wäre und dann ein bisschen war realistisches gespielt würde, ein Riff, Strumming, Picking. Es muss ja nicht kunstvoll sein, aber ein bisschen musikalisch würde schon helfen, den Charakter des Geräts zu verstehen. Die Klangbeispiele sind schon sehr lieblos.
I own one UA 6176 and I love to use it with my Neumann M147 or my U 87 Ai. The split option is very useful in case of sending to an other unit like saturator or eq… Love it !