Recording Channel Superheld
Erst kürzlich hat die Tegeler Audio Manufaktur aus Berlin/Tegel ihrem röhrenbasierten Recording Channel ein Update verpasst. (Den Test zum Vorgänger mit allen Messungen, finden Sie HIER) Neben einer farblich neu gestalteten Frontplatte hat sich natürlich auch im Inneren etwas getan. So wurden einige Bauteile optimiert, um einen noch besseren Rauschabstand zu erreichen. Ebenso wurden die Einsatzfrequenzen des Equalizers teilweise neu angepasst. Natürlich wird auch der neue VTRC V2 in Handarbeit in Berlin gefertigt. Genug der Vorworte, ab zum Test des Tegeler Audio Manufaktur Vari Tube Recording Channel.
Warten auf den VTRC V2
Die Jungs aus Berlin haben in der Branche ja einen sehr guten Ruf und so ist es nicht verwunderlich, dass ich, nachdem ich mit dem Test des Channelstrips beauftragt war, schon ein wenig sehnsüchtig auf die Ankunft wartete. Allein, es zog sich. Die Erklärung kam dann mit der Lieferung. Der neue VTRC V2 wird nun in einer schicken Holzschatulle geliefert, die Produktion hierfür hatte sich etwas verzögert.
Die neue Verpackung hat natürlich keinen Einfluss auf den Klang des Preamps, zeigt aber doch, welche Detailverliebtheit die Berliner ihren Produkten angedeihen lassen.
Unboxing Tegeler Audio VTRC V2
Nun ist er also da und schon das Auspacken macht Spaß. Die Holzkiste ist schön verarbeitet, nicht unähnlich einer edlen Weinkiste. Der VTRC V2 ist darin in passgenauem Formschaum gebettet. Mit an Bord ist ein Netzkabel und eine ausführliche 16-seitige Bedienungsanleitung in Englisch.
Nachdem das 3HE-Gerät heraus gehievt ist, fällt zunächst die angeheftete Prüfkarte ins Auge, auf der für acht Positionen der Endkontrolle der jeweils zuständige Mitarbeiter seine Unterschrift geleistet hat.
Anschlüsse und Regler des VTRC V2
Der VTRC verfügt über drei Inputs. Auf der Rückseite sitzen zwei XLR-Buchsen für Mic und Line. Auf der Frontplatte ist eine Kombobuchse verbaut, deren symmetrischer XLR-Anschluss parallel zum Mic auf der Rückseite verdrahtet ist. Der Klinkenteil ist für unsymmetrische Instrumente wie Gitarre und Bass zuständig. Ein Kippschalter aktiviert jeweils Mic oder Line.
Der Ausgang ist auf der Rückseite ebenfalls als XLR vorhanden. Daneben sitzt noch eine Klinkenbuchse, mit der zwei VRTCs stereo betrieben werden können. Die Kompressoren der beiden Geräte sind dann gekoppelt. Inputs und Output sind jeweils über Transformatoren geführt.
Alle Potis auf der übersichtlichen Frontplatte sind gerastert und mit den übergroßen Chickenhead-Knöpfen super zu bedienen. Die Kippschalter rasten sauber ein und sind, wie auch die Potis, fest mit der Frontplatte verschraubt. Für den Powerschalter ist ein extragroßes Exemplar verbaut, das mit lautem „Klack“ schaltet. Ebenso dimensioniert ist die rote Power-LED, die angenehm gedimmt leuchtet.
Ausstattung des Recording-Channels
Schon bei der Eingangssektion wird deutlich, dass der VTRC V2 kein 08/15 Channelstrip ist. Für die Aussteuerung des Inputsignals sind zwei Regler zuständig, Input und Gain. Die pegeln gemeinsam das Signal über eine ECC803S-Röhre. Auch der Ausgang wird übrigens über eine Röhre geführt, hier kommt eine E88CC zum Einsatz. Gain ganz zurück erzeugt einen lineareren, modernen Sound, Gain ganz auf färbt mehr und führt zu einem Klang, der mehr in Richtung Vintage geht. Ein Schalter für die 48V Phantomspeisung ist hier natürlich auch vorhanden.
Auf den Preamp folgt ein dreibändiger Equalizer, der im Tief- und Höhenbereich mit einer Frequenzanhebung arbeitet und im Mittenbereich eine Absenkung bietet. Der Wertebereich reicht dabei jeweils von 0-15 dB. Da es sich hier um einen passiven Equalizer handelt, arbeitet er mit Festfrequenzen. Low bietet sieben Frequenzen von 80 Hz-1 kHz, Mid kommt auf 11 Frequenzen von 200 Hz-7 kHz, High ist mit ebenfalls 11 Frequenzen vertreten, die von 1,5-24 kHz reichen. Ein zweistufiger LowCut bei 80 oder 160 Hz vervollständigt die Einheit.
Zu guter Letzt durchläuft das Signal einen einfachen One-Knob-Kompressor, bei dem der Kompressionsgrad eingestellt wird. Aber Achtung, so ganz einfach arbeitet der Compressor dann doch nicht. Hinter der unkomplizierten Aufmachung steckt ein Schaltungsdesign, das weltweit seinesgleichen sucht. Es sind im VTRC V2 zwei Kompressoren verbaut, ein Optocompressor, der mit einem Photowiderstand arbeitet und ein Vari Tube Kompressor, der seine Funktionsweise einer Röhre verdankt. Der Clou ist hier nun, dass beide Kompressionsverfahren einzeln, aber auch gemeinsam verwendet werden können, das schafft ungeahnte Variationsmöglichkeiten mit einfachster Einstellung. Dazu verhilft auch der 3-fach Switch zur Steuerung von Attack und Release. Auf Auto reagiert der Kompressor signalabhängig, mit Fast und Slow spricht er aber auch auf Wunsch schnell oder langsam an.
Die Bearbeitungsreihenfolge EQ -> Comp lässt sich über einen Switch auch umdrehen. Hier gilt es noch eine Besonderheit zu beachten. Wird in der Stellung EQ -> Comp der EQ auf Bypass geschaltet, so fungiert er als frequenzabhängige Steuerung des Kompressors, Stichwort De-Essing. Für eine komplette Herausnahme des EQs aus dem Weg hat der EQ-Schalter auf Bypass zu stehen und der nachfolgende auf Comp -> EQ.
Womit wir die Schalter fast durch haben. Zu erwähnen wäre noch das Vorhandensein eines Phasendrehers, beschriftet mit 0 und 180 Grad. Ein Output Regler ist natürlich auch vorhanden, um den Pegel nach Bearbeitung wieder an die Aufnahme anzugleichen.
Die Aussteuerung des Boliden erfolgt über ein großes, analoges VU-Meter. Mittels eines Drehpotis kann es wahlweise den Ein- oder Ausgang, den Pegel des EQs oder die Stärke der Kompression anzeigen.
Soundcheck und Klangbeispiele zum Tegeler VTRC V2
Sieht so aus, als gäbe es hier klangtechnisch so einiges zu erforschen, legen wir also los.
Zuerst will ich die Eingangsstufe testen. Dafür werden die nachgerichteten Klangformer ausgeschaltet. Schon mit Gain auf 0 zeigt sich, dass der VTRC kein neutraler Geselle ist, Übertrager und Röhre sind im Klanggefüge gut zu hören und sorgen für einen durchsetzungsfähigen Sound mit schön gezeichneten, seidigen Höhen und prägnanten Mitten. Mit Gain auf Rechtsanschlag wird die Röhre höher angefahren, die Obertöne treten deutlich zutage und puschen das Signal nach vorn.
VTRC V2_Vox_Gain 0
VTRC V2_Vox_Gain 10
Die Zuschaltung des EQs bringt, schon bei keinerlei Bearbeitung, eine weitere Auffrischung des Gesamtklangs. Was dann folgt ist eine typische Eigenart eines passiven EQs. Normalerweise erzeugt Herumschrauben an der Stimme schnell einen unnatürlichen Klang, hier bleibt alles stimmig und musikalisch. Um meine Leser nicht weiter mit meinen Gesangsversuchen zu belästigen, greife ich für die Klangbeispiele auf eine Aufnahme von Patrick aus unserem Live-Mikro-Test zurück, zum Einsatz kam das AKG C535. Dabei wird das Signal über den Line-Eingang zugespielt, also auch über den dafür abgestimmten Übertrager geführt, die Ergebnisse sind aber vergleichbar. Zuerst das File ohne EQ, das Gain habe ich nun auf 5 gesetzt.
VTRC V2_Vox
Dann die Bearbeitung mit dem Equalizer. Die Einstellung ist in Foto 7 zu sehen.
VTRC V2_Vox_EQ
Der EQ des Channel Strips ist ein großartiges Werkzeug, das zum Experimentieren einlädt. Wichtig ist zu wissen, dass sich hier bei gleicher Frequenz angehobene und abgesenkte Frequenzen nicht aufheben, sondern gegenseitig beeinflussen, hier ein Beispiel mit rosa Rauschen, erst neutral, dann 1 kHz in den Lows um 15 dB angehoben und in den Mids in der gleichen Frequenz abgesenkt, danach dasselbe Spiel mit Mids und Highs bei 7 kHz.
VTRC V2_Rosa Rauschen
Kommen wir nun zu den Kompressoren. Zuerst setze ich den Optocompressor ein und lasse ihn ca. 3 dB komprimieren. Dieser arbeitet recht unauffällig, die Aufnahme wird etwas verdichtet, der Höhenbereich wird etwas sahniger.
Griffiger ist der Vari Tube Compressor. Er drückt die Stimme noch etwas mehr nach vorn, puscht dabei aber auch den Mittenbereich.
Sehr überraschend wirkt der Doppeleinsatz der beiden Kompressor-Stufen, hier wird wirklich das Beste der beiden Welten übernommen, bei geringen Kompressionsraten mein Favorit.
Für die Klangbeispiele habe ich die Kompressionsrate auf max. 10 dB erhöht, um das Ergebnis deutlicher zu machen.
VTRC V2_Vox_Opto
VTRC V2_Vox_VariTube
VTRC V2_Vox_Both Comp
Mein nächster Check ist der Instrumenteneingang auf der Vorderseite. Hier lasse ich das Gain auf 0. Schon ohne jegliche Bearbeitung erscheint das Signal frisch und plastisch. Der EQ kann da noch sehr schön klangformend eingreifen. Für die akustische Dokumentation habe ich wieder auf fertiges Material zurück gegriffen, das über Line zugespielt wird.
Zuerst das unbearbeitete File.
VTRC V2_Akku
Und hier die EQ-Bearbeitung, Anhebung bei 300 Hz um 4,5 dB und bei 20 kHz um 9 dB bei gleichzeitiger Absenkung bei 700 Hz um 12 dB.
VTRC V2_Akku_EQ
Nun kommt der Kompressor hinzu. Ich wähle eine Kompressionsrate von 6 dB und starte mit dem Opto. Der arbeitet hier fast unhörbar, lässt das Signal nur etwas geschmeidiger und sahniger erscheinen. Gefällt mir gut.
VTRC V2_Akku_EQ_Opto
Kräftiger packt der Vari Tube zu, der die Spitzen schneller abbügelt und die Aufnahme ein wenig andickt.
VTRC V2_Akku_EQ_VariTube
Beide Varianten haben ihre Stärken. Für eine Kompression, die den Klang am wenigsten beeinflusst, gefällt mir der Opto hier besser.
Zum Schluss nehme ich noch einen Drumbeat, den ich mit dem Kompressor bearbeite. Hier ist die Regelzeit auf Fast, da lassen sich schöne Sounds erzielen. Zuerst der nackte Beat:
VTRC V2_Drums
Nun der Optocompressor mit ca. 6 dB Pegelreduktion.
VTRC V2_Drums_Opto
Und die Variante mit dem Vari Tube
VTRC V2_Drums_VariTube
Sehr schön ist zu hören, wie hier der Optocompressor die lauten Snareschläge bearbeitet und damit das Klangbild verändert. Der Vari Tube Compressor macht hier das gesamte Geschehen fetter.
Nun haben wir ja noch die Möglichkeit der frequenzabhängigen Kompression, die soll auch noch ausprobiert werden. Also stelle ich wieder auf den Opto Compressor und selektiere bei 120 Hz mit vollem Boost. Schön ist zu hören, wie ich damit die Kickdrum abschwäche und schlanker gestalte.
VTRC V2_Drums_Opto_Freq
So, das war meine angenehme Testzeit mit dem Tegeler Vari Tube Recording Channel. Mit einem weinenden Auge muss er nun leider mein Studio wieder verlassen.
Den Preis hättest Du ruhig ausdrücklich als „Plus“ erwähnen können. Ich hätte persönlich erwartet, dass das Gerät an der 3000€-Grenze kratzt.
Was macht man eigentlich nach dem Kauf mit dieser tollen Holzkiste? :-)
@Markus Galla Holzkiste: Weinflaschen „UV-dicht“ lagern :-)
Die Herstellerseite finde ich auch tadellos. Schön auch die dort gelisteten „Starteinstellungen“.
Und die Holzkiste …. Sehr funky! ;)
Erste Sahne, intéressantes Gerät und Bericht hier, merci…