Cheesy String & Brass Machine
Schon pfeifen es die Spatzen vom Dach: “Wie bitte? Der Performer? Was hat dieses Gerät hier zu suchen?”
Crumar ist ja ganz allgemein nicht DER klingendste Name eines Synthesizer-Herstellers…
Obwohl: In den 70er und sehr frühen 80er Jahren zählte das italienisch-amerikanische Unternehmen zu den größten Keyboard-Produzenten weltweit! Kaum eine andere Firma hatte einen derart hohen “Output” vorzuweisen und das bei einer immensen Bandbreite an Instrumenten: Orgeln, Electric Pianos (klingende Namen wie Crumar “Roadrunner” kommen ins Spiel), Drum Computer, monophone Synthesizer (Crumar Spirit) und polyphone MIDI-Synthesizer (Bit-ONE/99/01), ja sogar ein eigenes Masterkeyboard gab es im Programm.
Vor allem 1979-1982 waren zudem jene modischen “Multi-Keyboards” im Angebot, die den Markt um eine interessante Facette erweiterten: Crumar Composer, Multiman, Trilogy, Stratus und natürlich der (äußerst erfolgreiche) Performer stellten frühe Formen von multitimbralen Synthesizern dar, die den Bandscheiben-geplagten Roadies das Leben deutlich erleichtern sollten.
1979 auf den Markt gekommen, entwickelte sich der Crumar Performer zu einem der erfolgreichsten Produkte des Unternehmens. So erfolgreich, dass 1982 ein Performer-2 herausgebracht und so die Erfolgserie (zumindest für kurze Zeit) fortgesetzt wurde. Vor allem in den USA war der Crumar Performer – bis weit in die 90er Jahre – ein beliebtes Solo-Keyboard geblieben. Es sind vor allem die Brass-Sounds, die erstaunlich gut – eventuell ein klein wenig ARP-like – klingen können. Für aktuelle 100-150 Euro Anschaffungspreis hat es der Performer sicher verdient, äußerlich und auch akustisch näher unter die Lupe genommen zu werden.
Crumar Performer
Der Crumar Performer leitet sich, man kann es leicht vermuten, von Performance ab. So steht die direkte Klangumsetzung und Musikpraxis im Mittelpunkt, denn genau genommen hat der Performer ja auch nicht mehr als nur das zu bieten. Für Klangtüftler ist ein Ende der Fahnenstange sehr schnell erreicht (eher ein Fähnchen im bunten Eisbecher denn eine Fahne im Kasernenhof), und so dürfte mancher Musiker vorschnell die Sache für “erledigt” betrachten. Doch ein bißchen Neugierde ist manchmal keineswegs verkehrt (nicht wenige Künstler hat genau diese Hartnäckigkeit in vielen Fällen sicherlich zu einem guten Ziel geführt), und so darf der Crumar Performer seine klanglichen Möglichkeiten natürlich gerne präsentieren.
Das Instrument unterteilt sich in zwei Klangeinheiten: Brass und Strings. Beim Performer-2 ist noch ein Orgel-Preset hinzugekommen (dem allgemein der Betriebszustand “Off” nahegelegt wird, da es weder besonders gut klingt, noch in seiner Lautstärke geregelt werden kann).
Brass
Die “berühmte” Brass-Sektion des Crumar Performer besteht im Kern aus einem Oszillator mit Pulswelle und einem Low-Pass VCF. Das Instrument bietet verschiedene Kontollmöglichkeiten des Filters: Attack, Decay, Range (= Frequency) und Resonance. Mit diesen wenigen Parametern ist es möglich, dem Synthesizer erstaunlich vielseitige Klänge zu entlocken. Von angesagten Brass-Solo-Sounds bis knackige Bass-Sounds (bei verkürzter Envelope und erhöhter Resonanz, hier dürfte der Moog-like-Aspekt ins Spiel kommen) ist das Angebot sehr weit. Über die gut spielbare 4-Oktaven-Tastatur ist der Crumar Performer denn auch wirklich ein schönes Instrument für musikalische Live-Kreationen, für spontane Soli, für spacige “Einwürfe” im Mix. Via ON/OFF lässt sich die Brass-Sektion auf einfache Weise aktivieren/deaktivieren, und über VOLUME kann die Lautstärke individuell zur Gesamtlautstärke des Instruments geregelt werden.
Ein kurzer Blick zu www.vintagesynth.comzeigt übrigens, wie unterschiedlich die Einschätzungen sind. Hier wird die Brass-Sektion des Performer als “dünn” und kaum interessant definiert.
Nun, vielleicht liegt die Realität auch irgendwo in der Mitte.
Strings
Es gibt in der englischen Sprache diesen schönen Ausdruck “cheesy”. Schon kurz nach seinem Erscheinen im Jahre 1978 wurde z.B. der Roland Jupiter-4 “cheesy” genannt (Hinweis: Es ist kein Kompliment). Wenngleich sich der Status dieses ersten Roland Jupiters gerade in jüngster Zeit enorm gesteigert hat (2008 haben meherer Jupiter-4 auf eBay für über 1000 Euro den Besitzer gewechselt, das wäre noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen!), bleiben viele Crumar Instrumente – und hier vor allem die Crumar Strings – weiterhin nur “cheesy”, wenn sie überhaupt einer Erwähnung wert sind. Vielleicht ist es auch ein Kindheitstrauma, das sich mit dem Klang der Crumar Streicher verbindet. Noch allzu gut sind so manche Magier und Möchtegern-Zauberer im Fernsehen gegenwärtig, die mit Frack und Zylinder kleine Kunststücke vollführten (Spannung: geringfügig über Null) – zu GENAU diesem String-Sound. Doch um am Boden zu bleiben und dem Performer keine Schuld am schlechten Kinderprogramm der frühen 80er Jahre zu geben, wäre ein kurzer Blick in die String-Sektion des Performer nun wohl die richtige Entscheidung.
Die Streicher bilden sich aus zwei Oszillatoren pro Stimme, die deutlich gegen einander verstimmt sind. So kommt es zu jenem “Chorus” Effekt, der sehr charakteristisch für die eigenartig bombastischen (und nicht unbedingt hübschen) Streicher-Klänge von Crumar ist. Natürlich ist dies eine sehr persönliche Einschätzung, und nicht wenige Musiker sind genau wegen den Strings vom Performer so begeistert. (Wiederum ein kurzer Abstecher zu vintagesynth.com: “The Performer is best remembered for its Strings.” Da haben wir’s.)
Streichinstrumente nehmen im Orchestergraben den größten Teil des Raumes ein, und so ist es auch beim Performer. Diese Sektion umfasst beinahe die Hälfte des Panels. Via einem Equalizer kann der globale String-Sound in den Bereichen LOW – MID – HIGH geregelt werden. 16’’ und 8’’ Streicher lassen sich beliebig an/abschalten, und natürlich ist wie in der Brass-Abteilung eine kleine Hüllkurve zur zeitlichen Gestaltung des Klanges ebenso vorhanden wie der individuelle Volume-Regler.
Das überladenen Chorus-Verhalten der Strings dürfte übrigens mittels eines internen Trim-Potis zur Regulierung der Oszillator-Frequenz einfach zu beheben sein (so wurde es zumindest von einem Leser beschrieben). Ein exakteres Stimmen beider Oszillatoren zueinander dürfte einen Versuch auf alle Fälle wert sein.
Modulation
Diese Abteilung fällt sicherlich unter das, was Crumar als “Performance” verstand. Nachdem es weder Pitch- noch Modulationsrad (geschweige denn ein anschlagdynamisches Verhalten der Tastatur) gibt, muss man sich mit einem LFO zur Dynamisierung des Klanges schon mal sehr zufrieden geben.
In der Tat ist die Modulation der Oszillatoren (FM) bzw. des Filters (VCF) klanglich teils exzellent. Jene leicht modulierten Brass-Soli, die man z.B. mühelos auf einem ARP-2600 umsetzen kann, sind beim Crumar Performer ansatzweise ebenso möglich. Interessant ist, wie “lebendig” sich der Italo-Amerikaner mit seinem unauffälligen Aussehen klanglich präsentieren kann.
Anschlüsse
MAIN, BRASS und SIGNAL sind die drei verfügbaren Ausgänge. Der Unterschied zwischen MAIN und SIGNAL besteht wohl darin, dass SIGNAL für eine externe Klangverarbeitung/-veredelung gedacht ist. Die vierte Buchse ist eine GATE (in) Buchse. Entgegen vieler Informationen im Netz gibt es beim Performer KEIN CV (in), und das hat einen ganz einfachen Grund: Der Crumar Performer ist …
Vollpolyphon
Das Beste kommt meist zum Schluss! Ja, der Crumar lässt auf Wunsch alle 49 Tasten gleichzeitig erklingen. Wie das nun technisch geht, ist eine Frage für sich (wohl über Frequenzteiler), jedenfalls ist eine maximale Stimmenanzahl in der genannten Höhe doch sehr angenehm. Dennoch spießt sich die Sache ein wenig, denn für alle (maximal) 49 Töne gibt es pro Klangsektion nur EIN Filter. Dies ist ein altbekanntes Problem vieler Multi-Keyboards. Mit etwas Geduld kann man jedoch aus der Not eine Tugend machen und gerade das sehr eigenartige Klangverhalten eines polyphon gespielten (und nur mit EINEM Filter versehenen) Synthesizers für gezielte Spieleffekte nutzen.
Hier sei auf das Klangbeispiel “SingleFilter” (Hör-Bsp. Nr. 7) hingewiesen: Bei mehreren gleichzeitig gedrückten Tasten (Polyphonie) nimmt der Filterklang immer weiter ab (dem Verlauf der Hüllkurve folgend), doch mit zwischenzeitlich gezieltem Loslassen mehrerer Tasten bzw. dem Einsatz von monophonen “Spitzentönen” wird die Hüllkurve des Filters neu getriggert und das Filter erhält wieder volle Frequenz. Auch im Klangbeispiel “Phaser” (Hör-Bsp. Nr. 3) ist dieses Phänomen deutlich zu hören.
Der Crumar Performer on YouTube
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