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Blue Box: Crumar DS-2, Analogsynthesizer

Unteschätzter Vintage-Klassiker

9. Mai 2009

Der Crumar DS-2 Synthesizer von 1978

Crumar ist ein Akronym aus dem bürgerlichen Namen des Firmengründers MARio CRUcianelli. Crucianellis Bruder Piero gründete ELKA und ließ unter seinem Label den römischen Ingenieur Mario Maggi den Synthex entwickeln, dessen ökonomischer Misserfolg dazu beitrug, dass er ELKA 1988 an GEM verkaufen musste, das Jahr, in dem auch Crumar Insolvenz anmelden musste.

Alle drei Firmen stammen aus der Gegend um das Städtchen Castelfidardo an der italienischen Adria, wie übrigens auch Farfisa, Orla, Pari, Bontempi oder S.I.E.L.. Das ortsansässige Akkordeonmuseum informiert über Aufstieg und Fall der regionalen Orgelindustrie. Korg Italia ist noch heute im nahen Montelupone aktiv und auch der Tastaturspezialist Fatar residiert leicht südlich davon in Recanati.

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Den Firmen des Clans ist gemein, dass sie teils sehr gute Synthesizer gebaut haben, die jedoch zum Zeitpunkt ihres Auftauchens in den Musikgeschäften unter dem bereits total verorgelten Image zu leiden hatten.

Und wo wir schon bei Vorurteilen sind: Der von 1978 bis 1980 gebaute DS2 gilt gemein hin als weniger zuverlässig als ein Fiat 127; für viele ist er der „Yugo“ unter den Synthesizern oder gar das schlechteste Instrument seit der Erfindung der Knochenflöte. Auch erfahrene Klang-Gourmets haben oft kein klares Bild von diesem Instrument und dies vor allem deshalb, weil es bei seiner Erprobung schlicht nicht oder nur unvollständig funktionierte.

Ich habe meinen DS2 mit der Seriennummer 359 vor einigen Jahren in „gnadenlos verrocktem“ Zustand übernommen, mittlerweile ist daraus aber wieder ein funktionsfähiges und recht ansehnliches Instrument geworden.

Outside Crumar DS-2

Obwohl das Gastspiel von Bob Moog bei Crumar erst einige Jahre später stattgefunden hat, sind technisches Konzept und Gestalt des DS2 zweifellos durch den Minimoog beeinflußt. Aber welcher Synthesizer war das damals nicht?

Womöglich täuschen die Fotos. Ein Minimoog hat zwar ebenfalls ein geneigtes Bedienpult, ist  jedoch handlich und eine Design-Ikone. Ein DS2 wiegt fast einen halben Zentner, kommt in einem riesigen, PVC-überzogenen Case mit oft verbogenen, leicht rostigen Metallecken und einigen hervorstehenden Tapeziernägeln daher und sieht auch nach dem Auspacken weder italienisch noch orgelig aus, sondern eher wie ein Leather Moog auf SM-Klassenfahrt.

Gut so! Hat der DS2 also das Zeug, heute unser Meister zu sein?

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Die nicht anschlagsdynamische Tastatur von Fatar bietet dreieinhalb Oktaven und wertet keine Anschlagstärke aus, ist aber gut spielbar. Kontaktprobleme kann man mit ein paar Tropfen Hagerty Silver Bathund einem Wattestäbchen beseitigen, zu erwerben in Drogeriemärkten und bei Thomann für etwa 10 Euro. Eine andere mögliche Fehlerursache für nicht funktionierende Tasten sind fehlende Kontaktstege, deren Verklebung sich gelöst hat. Man findet sie idealerweise irgendwo im Geräteinneren wieder. Ersatz gibt es mit sehr viel Glück in den Wühlkisten des nächsten Orgelshops, aber nicht mehr bei Fatar. Ich selbst habe mir von fehlenden Tastaturteile Abgüsse anfertigen lassen.

Am rechten Tastaturrand gibt es einen in zwei Zeitbereichen zuschaltbaren Glide-Slider. Leider ist auch schon die kürzeste Zeit reichlich lang.

In zwei Bereichen einstellbar: die Portamento-Geschwindigkeit

Am linken Rand ist der solide Pitch-Hebel angebracht. Oberhalb davon lässt sich die Poly-Sektion transponieren und stimmen.

Die Polysektion ist nicht pitchbar, wird jedoch nahe des Pitch-Hebels der Mono-Sektion gestimmt

Weitere Einstellvorgänge sind direkt an dem angenehm großflächigen Bedienfeld mit insgesamt 50 Schaltern und Reglern vorzunehmen, die nach Funktionsgruppen geordnet sind – dennoch wirkt die Bedienoberfläche etwas unübersichtlich. Am Rande: Es gibt den DS2 auch mit grüner Beschriftung. Nach meiner Kenntnis handelt es sich dabei um die technisch erweiterten späteren Modelle.

Sämtliche Potentiometer und Umschalter sind langlebige Standardbauteile, haben Metallachsen und sind am Blech verschraubt. Die Bedienknöpfe selber sind mit Feststellschrauben fixiert und neigen zum Festgammeln. Der Drehwinkel stimmt in einigen Fällen nicht mit der auf dem Bedienfeld aufgedruckten Skala überein. Sämtliche Schieberegler arbeiten bei meinem DS2 ganz ohne Krachen, die ungünstige lineare Skalierung erfordert aber an jeweils einem Ende des Regelweges Fingerspitzengefühl. Die ebenfalls sehr langlebigen Kippschalter gibt es noch heute im Elektronikladen um die Ecke. Die Klinkenbuchsen auf der Rückseite sind mechanisch solide. Bei Nichtbenutzung entsteht eine hartnäckige Oxidschicht, die eine erste Barriere für das erfolgreiche Antesten des Instruments darstellen kann.

Ohne Anschlüsse für Sustain- und Volumenpedal: die erste Version des DS-2

Vorsicht mit der Kopfhörerbuchse! Sie ist offenbar in der Lage, auch historische 600 Öhmer mit mehr als ausreichender Spannung zu versorgen. Schaltet man bei voll aufgezogenem Main Volume unbedacht von „Main“ auf „Head.“ um, fallen einem mit einem modernen, niederohmigen Kopfhörer die Lauschlappen ab.

Das Bedienfeld ist an drei Kunststoffbügeln verschraubt, die ihrerseits mit Schrauben auf dem Tastaturrahmen befestigt sind. Diese Bügel verspröden und können die Last des Paneels speziell bei einem Über Kopf-Transport irgendwann nicht mehr aufnehmen. Die Abbildung zeigt eine mögliche Lösung des Problems: Die Steckgewinde gibt es im Baumarkt. Auch die Brettchen an den beiden Tastaturseiten neigen zum Ausbrechen. Sekundenkleber und selbstgebaute Stege und Verstärkungen können helfen.

Für eine solche Deckelverriegelung müssen auch die Funierholzwangen durchbohrt werden

Die herzerfrischende Beschriftung des Synthesizers zeugt von lückenhaften Englischkenntnissen der Erzeuger, die nur vierseitige, reich bebilderte Anleitung in italienischer Sprache ist auch ohne Italienischkenntnisse hilfreich. Viel ausführlicher ist die mir vorliegende englischsprachige Anleitung, die Anregungen zum Erstellen eigener Klangkreationen liefert, die vor allem dem damaligen Zeitgeschmack entsprechen.

Der DS2 war nach heutigem Empfinden ein spektakulär preiswerter Synthesizer: Der empfohlene Verkaufspreis (… damals gab es nur Preisempfehlungen, Daten-Highways waren noch nicht erfunden, und eBay-Gründer Pierre Omidyar war noch in der Grundschule) lag bei DM 1.690 DM, umgerechnet sind das weniger als 38 Euro für das Kilogramm Synthesizer. Der Kilopreis des selteneren kleinen Bruders DS-1 war sogar noch günstiger, der „Preis per Tönchen“ fällt  jedoch auf Grund genau der 44 fehlenden Polystimmen deutlich schlechter aus.

Crumar DS 2: Mono?

DS steht für Digital Synthesizer. Das wirkt aus heutiger Sicht etwas anmaßend und deutet auf den bereits aufkeimenden „Digital ist besser“-Spirit der Achtziger Jahre hin. Tatsächlich besaß der DS2 als mutmaßlich erster Synthesizer der Geschichte zwei analoge Oszillatoren, deren Frequenz von einer digitalen Regelschaltung überwacht wird. Tatsächlich variiert auch der Pitch-Steller die Frequenz mit hörbaren Schritten, der eingangs erwähnte Pitch-Hebel scheint jedoch kontinuierlich zu arbeiten. Prima.

Die Signale beider Oszillatoren können tatsächlich vollkommen schwebungsfrei addiert werden, so genau arbeitet die digitale Regelung. Etwaige Vorbehalte gegenüber dieser Art der Stabilisierung sind beim DS2 unberechtigt: Der Grundsound der Schaltung ist ausgesprochen organisch und warm, vor allem aber enorm direkt, mitunter fast gewalttätig druckvoll und stets mit einer gewissen Portion Dreck.

Oszillatoren und LFOs mit zuschaltbarem Delay

Geboten werden Dreieck, Rechteck und Rampe, die Pulsweite von Oszillator 1 ist über die beiden LFOs modulierbar, die ihrerseits bis hinauf in den Audiobereich vibrieren können. Der erste LFO bietet übliche Standardwellenformen, der zweite dagegen auch „Sample&Hold“ und „Treppenstufe abwärts“. Die harte Synchronisation oder Kreuzmodulation der VCOs ist nicht möglich. Ein regelbarer Rauschgenerator in Weiß und Rosa ist ebenfalls an Bord, der bei Bearbeitung mit dem Filter angenehm zu gurgeln beginnen kann.

Die beiden Hüllkurven für VCA und VCF sind im Bedarfsfall sehr schnell unterwegs, die VCA-Hüllkurve lässt sich auch abschalten. Die Hüllkurve des Filters übernimmt dann beide Funktionen.

Beschränkt in den Möglichkeiten, aber straight forward: der LFO-Mischer

Anstelle einer Modulationsmatrix bietet der DS2 einen so genannten „LFO’s Mixer“, mit dem man die Modulationsziele VCO-Frequenz, VCF, VCA und Pulsweite von VCO1 den beiden Modulationsquellen LFO1  und LFO2 zuordnen kann. Für jedes Ziel gibt es einen Fader, der die Intensität der Modulation einstellt. Das ist einfach und komfortabel, und man kommt schnell zum gewünschten Klang.

Insgesamt lassen sich mit der Mono-Sektion zügig wahrlich „hervorragende“ Lead-, Bass- , Percussion- und Effektsounds generieren. Ab und an wäre noch ein Suboszillator wünschenswert. Für experimentelle, komplexere geräuschhafte oder gar metallische Sounds ist der DS2 ungeeignet, dennoch ist er ein guter Lieferant von Standardsounds für alle Spielarten aktueller elektronischer Musik, bei denen es heftig, laut und dreckig zur Sache zu gehen soll.

Crumar DS-2: Poly?

Wie bereits angedeutet, besitzt das Instrument eine vollpolyphone String-Sektion auf Basis einer Frequenzteilerschaltung mit einfachster Klangregelung und ohne jegliche digitale Extravaganzen,  aber mit ebenfalls guter Stimmstabilität. Sie lässt sich der monophonen Abteilung nach Belieben zumischen und durchläuft auf Wunsch sämtliche subtraktiven Klangformungsmöglichkeiten der Monosektion bis zum  Summenausgang.  Auf Hebeldruck wird die Polysektion auch unbearbeitet über einen Einzelausgang ausgespielt, liegt dann aber  auch nicht am Kopfhörerausgang an.

Je nach Filterung können die DS2-Streicher schrill und cheesy, aber auch druckvoll mittig  und angenehm erwärmend klingen. Ich verweise auf die Klangbeispiele. Prädestiniert sind die Streicher zwar für aktuellen Elektro-Girlie-Pop, spacige Queerdisco-Tunes oder die häusliche Retroporno-Nachvertonung, geschmackvolles Begleiten und „beidhändiges Flächenlegen“ ist aber auch drin.

Dabei wurmt die fehlende Anschlagsdynamik. Das Schrauben am aktuellen Flächenklang während des Tastenspiels ist unmöglich, da wir ja nun keine Hand mehr frei haben. Auch nicht temporär, denn auch einen Sustainpedal-Anschluß sucht man vergebens. Erst spätere DS2 boten wenigstens die Möglichkeit, ein handelsübliches Volumen-Pedal zur Steuerung der Filtereckfrequenz zu verwenden.

Rauschgenerator und Polysektion mit simpler Klangregelung

Ein kleines Trostpflaster: Auch ohne Durchlaufen der Synthesizerabteilung kann die Tonhöhe der Polysektion über die LFOs moduliert werden und damit auch auf diesem Wege etwas lebendiger klingen. Wer dafür  jedoch keinen LFO opfern mag und den ungeschliffenen Klang der Polysektion auf die Spitze treiben will, nutze deren Einzelausgang und moduliere den Klang z.B. mit einem ausgedienten Multi-Effektgerät, dessen Eingang man am besten leicht übersteuert. Sehr gut geeignet sind z.B. das Ensoniq DP/4, ältere PCMs von Lexicon, aber auch diverse Gitarrentreter. Das Ergebnis klingt garantiert anders als jede Keyboard-Workstation!

Mono/Poly

Die Monosektion arbeitet mit fester High Note Priority. Dadurch lässt sich mit der jeweils höchsten gedrückten Taste gespielte Melodie mit Akkorden aus der Polysektion unterlegen. Für Soli wäre eine Last Note-Priority dagegen besser, die dieser Synthesizer aber nicht bietet.

Der Pitch-Hebel verändert die Frequenz der digitalen Oszillatoren nach unten um einen Ganzton, also 200 Cent, nach oben um eine kleine Terz, also 300 Cent. Die Polysektion ist damit dummerweise nicht pitchbar. Aus dieser Not wird eine Tugend, wenn in der obersten Stimme ein wild gepitchtes Solo erklingt und die begleitenden Akkorde der Polysektion davon unberührt bleiben.

Das Filter des Crumar DS-2

Der DS2 besitzt ein Tiefpassfilter vierter Ordnung. Es packt aber relativ schlecht zu. Mit dem Resonanzsteller kann man es in die Selbstoszillation treiben. Ab „12 Uhr“ wird der Klang leider spürbar ausgedünnt. In Verbindung mit der ADSR-Filterhüllkurve ist zwar eine durchaus zufrieden stellende Klangformung möglich, schlußendlich wirkt das Filter aber eher wie das Zuckerbrot zur neunschwänzigen Brechstangenpeitschenkatze der Oszillatoren.

Gemäß der mir vorliegenden italienischen Anleitung besaßen spätere DS2 nicht nur die bereits erwähnte Filtersteuerung via Schwellerpedal, sondern auch einen Audioeingang zur Filterung externer Monosignale. Der mit „LFO’s Delay“ beschriftete Knopf diente bei diesen Modellen der Regelung des Eingangspegels.

Die Anschlüsse des Crumar DS-2

Der DS2 hat rückseitig einen „Gate“ Ein- und Ausgang gemäß dem weit verbreiteten Voltage Trigger Standard. Aber: Da die Oszillatoren intern „digital“ und nicht nach dem gängigen Volt/Oktave oder Volt/Hz-Prinzip angesteuert werden, ist der DS2 nicht mit gängigen MIDI/CV-Konvertern an ein MIDI-Setup anzubinden. Die Firma Kenton hat zwar Anregungen zur MIDIfizierung eines DS2, diese wurden jedoch bislang nie an einem realen Objekt erprobt.

Die generelle Krux scheint zu sein: Mit dem Aufkommen von MIDI konnten digital gesteuerte Oszillatoren (etwa die Roland-Gerät der frühen Achtziger) quasi direkt digital adressiert werden. Der DS2 kam aber fünf Jahre zu früh, so dass auf dem Planeten noch keine entsprechenden digitalen Schnittstellen entwickelt worden waren. So bleibt als Vorteil allein die Stimmstabilität, die in den späten Siebzigern gemeinsam mit der Polyphonie veritable Vorteile bei der Anpreisung des Gerätes versprach.

Inside Crumar DS 2

Das Innere des DS2 fasziniert durch einen dezentralen Aufbau und eine offenbar „gewachsene“ Infrastruktur, die jedem Fertigungstechniker wie ein Schlag ins Gesicht vorkommen muss. Ich zähle insgesamt 27 Leiterplatten, die entweder durch verschiedene Multipin-Steckverbinder oder endlose, teils recht grobschlächtig verlötete Kabelbäume miteinander verbunden sind. Weite Teile der Steuerung sind in 74er Logik und damit digital ausgeführt. So gibt es in der linken Gerätehälfte eine Reihe von Steckkarten, die in einer Art Bus-Topologie organisiert sind. Diese werden von einem hellblauen Bügel aus billigem „Yps mit Gimmick-Plastik“ vor dem Herausfallen gesichert. Der Bügel ist selbst bruchgefährdet und bietet daher keinen wirklichen Schutz.

Sag mal Aaaah: das bunte Innenleben des Crumar DS-2

Steuerung und Klangerzeugung des DS2 sind bereits räumlich getrennt, das Bedienpult dient allein als Träger für Schalter und Regler, der eigentliche Signalfluss erfolgt auf den zahlreichen Audioplatinen im Geräteinneren. Die dadurch entstehende Möglichkeit, zusammengehörende Schalter und Regler enger beieinander zu platzieren, wurde aber leider nicht genutzt.

Konzept und Realisierung des DS2 sind zwar ihrer Zeit in einigen Aspekten voraus und prinzipiell sogar servicefreundlich, zugleich aber auch die Hauptursache für die mangelhafte Zuverlässigkeit des Instrumentes.

Häufigste Ursache für eine Fehlfunktion sind sicher ein oder gleich mehrere Wackelkontakte. Kontaktsprayorgien helfen bei der Fehlerbehebung nicht oder nur temporär. Statt dessen sollte man mit Maß und Ziel vorgehen, Module behutsam entnehmen oder kreuzweise austauschen, immer wieder vorsichtig die Kontakte reinigen und bei konkreten Verdachtsmomenten auch die größtenteils gesockelten ICs näher unter die Lupe nehmen. Diese kosten heute größtenteils nur wenige Cent. Vorsicht: Die simplen Steckverbinder können nicht verhindern, dass man beim Einstecken der Karten mal um einen Pin daneben liegt.

Hier mit hochgeklappter Tastatur

Mit angewandten Elektronikkenntnissen oder einem in den frühen Achtziger Jahren absolvierten Elektrotechnik-Studium kommt man der Funktion der einzelnen Baugruppen in der Regel schnell auf die Spur; deren Einzelprüfung ist dann oft leichter als im „großen Ganzen“ des DS2.  Im Zuge meiner Recherchen stieß ich sogar auf Schaltplanunterlagen für das Gerät, die, wie das Gerät, nach Baugruppen organisiert sind.

Special Interest

In der jeweils untersten Halboktave generieren beide Oszillatoren deutlich hörbare hochfrequente Störtönchen. Auch in höheren Lagen gelangt allerlei knackselndes und spratzelndes Störgeräusch aus den Hüllkurvengeneratoren und LFO’s auf den Audioausgang. Dreht man die Volume-Regler beider Klangerzeugungen auf Null und reißt danach den Main Volume-Knopf voll auf, gibt der DS2 jede Menge spacigen Klangmüll von sich. Aufzeichnen, normalisieren, ein virtuelles Tape Echo drauf, vorwärts, rückwärts, fertig ist die Chillout-Maxi!

Kurzweilige Programmiervorschläge aus dem englischsprachigen Manual.

Im Inneren des DS2 lauert eine finstere Oszillatoren-Rockerbande, die jedoch leider mit den rosa berüschten Bewohnerinnen eines Filter-Mädchenpensionats zwangsverheiratet wurde. Circuit Bender lösen diese Ehe, bauen sich ein schweinisches Ladder-Filter ein und machen aus dem DS2 einen gigatonnenschweren Kabelschmelzer-Ampverdampfer-Basschassispulverisator.

Brillant, sauber, „teuer“ oder gar „hifi-mässig“ klingt ein DS2 nie: Zum Testzeitpunkt habe ich gerade einen Roland JX-3P repariert, der zwei Jahre nach dem Ausverkauf des DS2 in den Musikgeschäften erschien und einer der frühen, mit DCOs bestückten Synthesizer von Roland war. Das ist aber auch schon die einzige Gemeinsamkeit mit dem DS2: Optisch, herstellungsseitig und klanglich könnte der Gegensatz kaum größer sein!

Der Crumar DS-2 Synthesizer on YouTube

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Fazit

Mit einem Crumar DS-2 erwirbt man ein imposantes, recht spezielles und zu seiner Zeit innovatives Instrument, welches in keinerlei Hinsicht Merkmale eines preiswerten Einstiegsmodells trägt. Die verwendeteten Bauteile sind überwiegend hochwertig, allein die erforderliche Handarbeit bei der Montage der zahlreichen Baugruppen wäre heute schlicht unbezahlbar. Auch die in dem Gerät steckende Entwicklungsleistung gebührt Respekt!

Auf Grund mechanischer Schwachstellen und des hohen Eigengewichtes ist ein DS2 ohne ergänzende  Sicherungsmaßnahmen als nur bedingt transport- oder versandfähig anzusehen. Es gilt: Harte Schale, weicher Kern. Das ist in Anbetracht seines besonderen Rock’n’roll-Appeals besonders schade.

Dem Gebrauchtkauf eines DS2 sollte unbedingt eine eingehende Prüfung des Instrumentes und der Tastatur vorausgehen. Das Gerät sollte in jedem Falle geöffnet werden, nachdem es vom Stromnetz getrennt wurde. Im Inneren meines DS2 fanden sich einige kleinere Basteleien und Hinweise der zahlreichen Vorbesitzer, darunter auch ein am Trafo angeschraubter Brückengleichrichter mit fehlender Abisolierung der Lötkontakte in bedrohlicher Nähe des Bedienbleches. Jäh hereinbrechender Tod des wackeren Orgelmannes auf offener Kleinkunstbühne?

In jedem Falle empfiehlt es sich, vor dem großen Auftritt eine gewisse Zeit für die Prüfung und – hüstel – Instandsetzung  des Instrumentes einzuplanen.

Beim Spielen schmerzt das Fehlen expressiver Hilfsmittel vor allem beim beidhändigen Einsatz der Polysektion: Schön gewesen wären Pedalanschlüsse oder eine Anschlagsdynamik. Als Monosynth deckt der DS2 einen breiten Bereich von Standardsounds ab, setzt sich auf der Bühne gut durch und lädt zum Schrauben und Herumbratzeln ein.

Plus

  • fulminanter Auftritt aus dem eigenen Case mit brachialem Gesamteindruck
  • eigenständiges, innovatives Konzept
  • gute Tastatur, einfache Bedienung an hochwertigen Schaltern und Reglern
  • brachialer, sehr moderner Klang der Oszillatoren
  • erfrischend geschmacklose Polysektion für alle Fälle
  • This is nothing for kids!

Minus

  • mechanische Schwachstellen an Gehäuse und Tastatur
  • Wackelkontakte an inneren Steckverbindern können Fehlfunktion verursachen
  • schwer und unhandlich
  • nicht anschlagsdynamisch, keine Anschlüsse für Sustain- oder Volumenpedale
  • etwas schlappes Filter, insgesamt eher eingeschränkte Möglichkeiten der Klangformung
  • derzeit nur durch eine Hardware-Eigenentwicklung MIDIfizierbar
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    Bloderer AHU

    Schöner Bericht mit ausgezeichneten Bildern und wichtigen, praktischen Infos & Tipps zum Crumar DS-2 Synthesizer. Vielen Dank !!!

  2. Profilbild
    GMdbE

    Zum Satz „Tatsächlich besaß der DS2 als mutmaßlich erster Synthesizer der Geschichte zwei analoge Oszillatoren, deren Frequenz von einer digitalen Regelschaltung überwacht wird“ möchte ich Folgendes hinzufügen: Die Frequenzerzeugung des DS-2 deckt sich exakt mit der Technik vom WELSON SYNTEX von 1976. Es werden leicht variable (Tune und Vibrato) Masteroszillatoren (74LS221) mit an sich starrer Frequenz eingesetzt. Diesen sind Teiler nachgeschaltet, die mit gewisser Feinstufigkeit (12Bit) auch das Glide erzeugen. Die POLY-Sektion verwendet die übliche Klangerzeugung italienischer Combo-Orgeln.

  3. Profilbild
    The Fuze

    Ich habe meinen DS2 mit einer Doepfer MTC64
    (Midi To Contact) Platine midifiziert! Funktioniert tadellos.

    • Profilbild
      falconi RED

      @The Fuze Hallo,
      danke für den Hinweis. Ich vermute, dabei werden direkt die Tastaturkontakte geschlossen (also keine Übertragung von Pitchbend)?.
      Wie auch immer: Wenn Du magst, kannst Du mir kurz den Einbau beschreiben, vielleicht ein Foto schießen, und ich stelle beides einfach als Ergänzung auf unsere Seite.

      Danke,
      Falk.

  4. Profilbild
    studiodragon

    “ Und wo wir schon bei Vorurteilen sind: Der von 1978 bis 1980 gebaute DS2 gilt gemein hin als weniger zuverlässig als ein Fiat 127;“

    He, dann behaupte ich gerne mal hier das Gegenteil !
    Ich hatte zwar keine Fiat 127 aber früher mal einen Fiat Tempra, und war da öfters in der Garage mit dem als mit meinem funktionierenden Crumar DS 2.
    Ich mag wirklich diese alten schweren Spaghetti Synthesizer.
    Da hat man wirklich noch was unter der Hand …

    • Profilbild
      falconi RED

      @studiodragon Prima, um so besser.
      Dann weiterhin soviel Vergnügen und Glück mit dem Instrument!
      (War das damals eine Gebraucht- oder Neuanschaffung?)

  5. Profilbild
    studiodragon

    Vielen Dank !
    Nein, keine Neuanschaffung, ich hatte da wohl auch einbisschen Glück gehabt !
    Sonst, man könnte vielleicht auch kurz andeuten das es auch eine grüne Version des Crumar DS2 gibt !
    Aufjedenfall sehr guter Bericht hier …

    • Profilbild
      falconi RED

      @studiodragon Das ist richtig:
      Die erwähnten, späteren DS2 mit Audioeingang und Filtersteuerung per Schwellerpedal sind grün. Auch besitzen sie eine Reihe von Detailverbesserungen im Inneren, z.B. am Netzteil.

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