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Jeff Beck Erinnerung: Back To Beck, Niedersachsenhalle, September 1972

11. Februar 2023

BACK TO BECK

Hot Rock Night – Hannover – Niedersachsenhalle – 29.September1972

Angekündigt sind: Wind / Karthago / Livin‘ Blues / Kraan / Beggars Opera und als headliner die neue Jeff Beck Group, seitdem besser bekannt als Beck, Bogert, Appice. Kartenpreis: 10.- DM. (Kaufkraftbereinigt wären das 2022 läppische 19 €! Kann man mittels der heutigen Ticketpreise erkennen, wie sich in den letzten 50 Jahren die Margen der einzelnen Beteiligten in der Eventindustrie verschoben haben?)

Zwei 3-Meter lange Sternenbanner rechts und links und ein Union-Jack in der Mitte. Punkt 24 Uhr soll Jeff Beck loslegen. Dennoch dauert es noch etwa eine halbe Stunde bis Tim Bogert (bass) sowie Carmine Appice (drums) und Jeff Beck die Bühne der Niedersachsenhalle betreten.

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Das Konzert beginnt durchaus vielversprechend und verlangt nach mehr. Doch nach einer Viertelstunde – die drei haben gerade ihr zweites Stück beendet – pfeifen einige und da fragt Jeff: „Don‘t You Want Me To Play Here?“ Es kann sich nur um eine rhetorische Frage handeln oder meint er tatsächlich, die Leute wären nur hier weil die nächste Straßenbahn erst in einer Stunde fährt?

Weitere Pfiffe. Und dann geschieht das Unfassbare: Jeff schnallt sich die weiße Stratocaster ab und stößt, schuppst diese auf ihrem Boden liegend Richtung Publikum und verläßt mit Tim und Carmine die Bühne.

Das einsetzende Pfeifkonzert dauert etwa 5 Minuten, dann fliegt die erste Flasche. Ein Hagel aus leeren und vollen Flaschen auf das Bühnenequipment setzt ein, Glasscherben ragen Lautsprecherboxen. Jemand wagt sich mutig auf die Bühne und wirft die Boxen um, während andere die Flaggen runterreißen. Nach und nach geht auch das gesamte Schlagzeug und ein Teil der restliche Anlage zu Bruch. Geschätzter Schaden: 80.000.-DM.

Im Herbst 1972 war ich 19 Jahre alt und besuchte erst im zweiten Jahr Konzerte von Künstlern der jugendlichen Subkultur. Meine bis dato besuchten Events (wie‘s heute heißt) ließen sich noch an zwei Händen abzählen: Ihre Kinder, Frumpy, Abacus, Dull Knife, Jethro Tull, Uriah Heep, If, Man, Scorpions, Deep Purple. Jeff Beck sollte an diesem Abend ein neues highlight meiner Konzertbesuche werden, was er auch tat, allerdings mit negativem Vorzeichen.

Frustriert und verärgert rollte ich also meine Decke ein (die Niedersachsenhalle war i.d.R.unbestuhlt sodaß eine bequeme Unterlage mitzunehmen Usus war) und bewegte mich näher Richtung Bühne. Links davon führte eine Tür in den Backstagebereich und wurde entweder durch Personal gesichert oder war verschlossen. In dem Tohuwabohu das nun seit 20 Minuten herrschte allerdings nicht mehr. Ein reger Personenverkehr durch die Tür war eingetreten und niemand achtete auf mich als ich durch diese schritt und rechts in den schmalen Gang hinter der Bühne abbog. Carmine Appice war eben an mir vorbei gegangen als ich den Gitarristen von WIND (ich erinnere mich nicht mehr an seinen Namen) auf mich zukommen sah. Im Gespräch mit ihm äußerte ich mein Unverständnis über Jeffs Entscheidung zum Abruch (Abruch in des Wortes doppelter Bedeutung). Er verteidigte Jeff, ohne jedoch näher den Grund, was überhaupt der Auslöser gewesen sein könnte, der zu dieser Eskalation führte, benennen zu können.

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Hatte Jeff provoziert oder wurde er provoziert? Meine These damals war (wie auch noch heute), daß die beiden im Bühnenhintergrund aufgehängten Sternenbanner als Ursache einer verbalen Kontroverse zwischen Akteuren in den vordersten Reihen mit Jeff Beck anzusehen seien, weil das ostentative „Hinhängen“ des „Star spangled banner“ den Leuten ein Gräuel war gegen das sie aufbegehren mußten.

Diejenigen, die 1968 noch zu jung waren, „politisierten“ sich allmählich durch den ständigen Strom der Nachrichten aus Vietnam (Ab Mitte 1972 Flächenbombardierungen Nordvietnams) und USA (Nixon im Wahlkampf). Der „Watergate“-Einbruch hatte im Juni 1972 schon stattgefunden, war der Öffentlichkeit aber noch nicht bekannt. Wohl aber „Tricky Dickie“ als ebensolcher.

Diese Kontext hatte Jeff Beck offenbar nicht auf dem Schirm mit seiner „Flaggenparade“.

„Backstage“ im jener Septembernacht 1972 wandte ich mich um und strebte wieder zu der Tür durch die ich kurz zuvor geschlüpft war um nun dort stehen zu bleiben und abwechselnd ins Auditorium sowie die verwüstete Bühne zu blicken, als ich ein Geräusch von eingeschlagenem Glas vernahm. Ich drehte mich um und sah, wie jemand eine rückwärtige Glastür zertrümmerte. Augenblicke später erschien ER, der in dieser Nacht verhinderte Virtuose: Jeff Beck!

„What‘s about the money we paid to hear you?“ brach es aus mir heraus. Ich weiß nicht mehr genau was mir Jeff entgegenschleuderte: War es ein „bloody motherfucker“ verbunden mit einem „piss off“ sowie weiteren unter der Gürtellinie liegenden Sentenzen? Schwer zu sagen. Lieblich klang nicht. Jedenfalls war ich Jeff Beck in diesem einzigartigen Moment nicht zu einem Freund geworden!

Die zertrümmerte Tür war offenbar die einzige Möglichkeit für Jeff zu entkommen: Er zwängte sich hindurch und wart von mir real nie wieder gesehen oder gehört.

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Fazit
Real bedeutet, er stand nie wieder vor mir, aber begeistert hat er mich mit seinem Spiel in den 50 Jahren danach bis zuletzt. Nach abfallendem Interesse während seiner Jazzrockphase nahm ab „Guitar Shop“ die Lust Jeff Beck zu hören wieder stetig zu um sich schließlich mit reinem Erstaunen zu paaren, wie dieser Mann die Gitarre beherrschte. Seine verbalen Unflätigkeiten damals: verzeihliche Reminiszenzen. Nur in Hannover hat sich Jeff Beck nie wieder blicken lassen.
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