How to – Erstellen einer Klanginstallation mit 31 Lautsprecher und Lichtshow.
Seit Jahren leite ich einen Pop-/Gospelchor mit Laien. Zusätzlich haben wir auch Musicals im Repertoire. Als Ende September 2020 abzusehen war, dass eine normale Chorarbeit über den Winter nicht möglich sein würde, dachte ich über ein virtuelle Chorkonzert nach. 1 Lautsprecher pro Sänger – dies war der Ursprungsgedanke des Stücks „Der gute Hirte – ein spirituelles Klangerlebnis“.
Was dabei herauskam, ist ein ca. 15-minütiges Werk, das wochenlang von morgens bis abends in einer Kirche zu hören ist. Kirche auch deshalb, weil „offene Kirche“ die ganze Corona-Zeit über möglich war und „von morgens bis abends“ – damit nicht zu viele Personen gleichzeitig in der Kirche anwesend sind. Der Musikstil der einzelnen Teile ist zwischen eher klassisch über moderne„Wise Guys-ähnliche“ acapella-Musik bis zu Stücken, die eher nach Filmmusik klingen. Dazu gibt es auch noch gesprochene Worte und Geräusche. Insgesamt stellten wir am Schluss 31 Lautsprecher und Lichttechnik auch.
In diesem Artikel möchte ich vor allem über die technische Umsetzung schreiben. Vielleicht inspiriert es ja einige Leser.
Da es sich um einen Laienchor einer Dorfkirche handelt, war auch klar, dass alles so preisgünstig wie möglich zu kalkulieren wäre. Ich bin froh, dass wir einen Weg gefunden haben, ein kulturelles Angebot zu machen und trotzdem die Corona-Regeln (Abstand, Mundschutz etc.) einzuhalten.
Die Aufnahmen
Zuerst schrieb ich 6 zusammenhängende Musikstücke mit Textpassagen und Sounds und nahm die Instrumente auf. Dann kamen zuerst unsere besten Chorsänger ins Studio. Mit ihnen nahm ich Demos auf, die digital an den Rest des Chores weitergegeben wurden. Die einzelnen Sänger hörten also jeweils ihre Stimme (z.B. Tenor) ganz laut und den Rest (die anderen Chorstimmen bzw. die restlichen Instrumente) leiser im Hintergrund. Auf diese Weise konnte jeder zuhause seine Stimme üben.
Danach kam jedes Chormitglied einzeln – oder manchmal zu zweit oder zu dritt, zu mir ins Projektstudio. Mehr ging nicht, damit wir nicht gegen die Corona-Verordnung verstießen.
Wenn mehrere Sänger kamen, trennte ich mit Akustikvorhängen die einzelnen Sänger voneinander.
Ich benutzte für alle Chorstimmen dieselben (Weissklang V17) Mikros, um einen homogeneren Gesamtklang zu erreichen. Ein Problem bei Laiensängern ist, dass sie logischerweise nicht so exakt intonieren wie Profis, deshalb musste ich danach fast alle Spuren mit Melodyne nachbearbeiten. In einem Stereomix eines Chores geht die einzelne Stimme unter, aber wenn jeweils nur eine oder zwei Stimmen aus einem Lautsprecher zu hören sind, ist das schon schwieriger. Deshalb war die Tonhöhenkorrektur wichtig. Außerdem musste ich vor allem die Endungen von Gesangspassagen anpassen. Ohne einen gemeinsamen Dirigenten, war es nicht möglich die Endungen exakt zu singen. Nach einiger Zeit führte das dazu, dass ich mir einen neuen Musik-PC zulegen musste, weil schon alleine die Bearbeitung von dutzenden Spuren mit Melodyne einen Kraftakt für die CPU darstellt.
Die Technik, Audio & Licht
Da, wie gesagt, das Geld relativ knapp war, nahmen wir was wir hatten oder versuchten möglichst kostengünstig einzukaufen.
– Ich arbeite mit Presonus Studio One, eine DAW, die leider nicht surroundfähig ist. Aber aus Bequemlichkeits- & Budgetgründen, war Studio One trotzdem das Mittel der Wahl.
– Herzstück ist ein Windows 10 HP Elitebook mit i5-Pozessor, 6. Generation.
– Daran hängt ein RME Digiface USB an, eine Interface mit 4 ADAT Ein- & 4 ADAT-Ausgängen.
– Per ADAT ist dann das Digiface mit 4x Behringer ADA 8200 verbunden.
Das ADA 8200 beherbergt neben 8 Eingängen auch 8 Ausgänge.
– An die ADAT-Ausgänge klemmen wir wiederum 3 Audio-Multicores, die wir in die verschiedenen Ecken der Kirche legten.
– Als Boxen benutzen wir 14 x Presonus Eris 3.5 Boxen. Diese sind mit ca. 90€ Paarpreis recht günstig und, soweit sei schon von verraten, klingen für diesen Zweck sehr gut.
– Dazu stellen wir noch eine PA auf die Empore, um im ganzen Raum unterstützend noch den Gesamtmix hörbar zu machen. Diese besteht aus 2x RCF ART 715 Boxen und einem passenden RCF Subwoofer.
– Für die Lichtsteuerung nutzen wir ein Enttec DMXIS. Das ist eine Software, mit der man eine Midi-Spur programmiert, die wiederum in der DAW synchron zum Sound abläuft. Dazu bekommt noch einen kleinen Hardware-Kasten, der DMX-Signale ausgibt und per USB mit dem Computer verbunden wird. Eine wirkliche praktische Sache für unsere Zwecke, dass man das Licht aus einer normalen Audio-DAW heraus steuern kann.
Für das Licht benutzen wir verschiedene schon vorhandene Strahler – leider kann ich dazu nicht mehr sagen, da dies von jemand anderem verantwortet wurde.
– Die ganzen Kabel löteten wir selbst. Insgesamt kamen wir auf über 700 Meter verschiedenste Kabel. (Audio, DMX, Lautsprecherkabel)
– Wir haben Zeitschaltuhren eingesetzt, die die Lautsprecher und das Licht nachts ausschalten. Da viele Leute sich nicht trauen würden, die Installation zu starten oder zu stoppen, ist das für uns die beste Lösung. Allerdings läuft dadurch der Laptop rund um die Uhr.
Der Mix
Als erstes erstellte ich einen Stereomix für eine CD. Dadurch bekam ich auch ein besseres Gefühl für das Endprodukt.
Danach zeichnete ich einen Boxenplan und legte fest, welche Stimmen aus welchen Lautsprechern kommen sollten. Manchmal mischte ich alle 4 Chorstimmen, aber vor allem bei „Wise Guys-ähnlichen“ Passagen stellte ich z.B. den Sopran links hinten, den Alt rechts hinten und die Männerstimmen entsprechend nach vorne. Dazu gab es auch noch Instrumente, die sich im Kreis bewegen sollten oder einzelne Stimmen, die von vorne nach hinten wanderten und ähnliches.
Ich erstellte also 15 Stereo-Auxwege und 1 Mono-Auxweg für den Subwoofer. Für mich war es einfacher, in Stereopaaren zu denken, vor allem, da die Solostimmen und die Sprecher aus mindestens 2 Boxen erklingen sollten – einfach wegen der zu erzielenden Lautstärke.
Sounds, die sich im Raum bewegen sollten, schnitt ich auseinander und legte die verschiedenen Abschnitte auf verschiedene Spuren. Dazu automatisierte ich noch die Panner der einzelnen Stereo-Spuren, sodass die Bewegung im Raum möglichst realistisch wurde.
Sounds mit Bassanteil, wie E-Bass, Piano oder Kick Drums legte ich zusätzlich zur normalen Augabe auf den Subwoofer.
Feinarbeiten
Jedes Lied besteht aus ca. 40-90 Spuren. Insgesamt laufen jetzt über 400 Spuren ab. Nachdem ich alles im Studio vorbereitet hatte, mischte ich danach einige Tage in der Kirche. Das Meiste meiner Ideen gingen ganz gut auf.
Die Solostimmen hatte ich alle auf Hochglanz getrimmt, sprich mit EQ´s, Kompressoren, Delays u.ä. Aber ohne Hall.
Die einzelnen Chorstimmen bekamen nur ein wenig Kompression pro Stimme. Das war alles. Dadurch sollten sich die Solostimmen besser abheben und die einzelnen Chorstimmen authentisch anhören. Wenn ich nur eine Chor-CD in Stereo mischen würde, würde ich die einzelnen Chorstimmen und Instrumente wesentlich mehr bearbeiten, um sie hörbar zu machen. Aber wenn die einzelnen Stimmen und Instrumente aus allen Himmelsrichtungen kommen, sind sie viel besser zu orten und es hört sich besser an, wenn sie sehr natürlich klingen.
In großen Kirchen ist es auch kontraproduktiv, Hall auf die Stimmen zu legen, da der Raum ja schon genügend davon hergibt. Da diese speziellen Kirche allerdings nicht so hallig ist, wie andere Kirche, legte ichallerdings auf die meisten Auxkanäle noch etwas vom Studio One-eigenen Hall. Nicht, weil dieser so toll klingt, aber er verbraucht wenig Ressourcen. In anderen Locations kann ich so den Hall einfach auf den Raum anpassen.
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Probleme
Probleme hatte ich bei lauten Schallereignissen (Rufen) oder Instrumenten mit höherem Bassanteil. Dort musste ich einen Lowcut bei ca. 95Hz setzen, damit die Boxen nicht überlasten. Schließlich sollen diese ja wochenlang am Stück laufen. Der Rest des Basssignals kommt ja dann aus dem Subwoofer. Am Anfang hatten wir öfter mal ein krasses lautes Störgeräusch. Dies lag an der Autosave-Funktion von Studio One. Nachdem wir diese abgeschaltet hatten, war es okay.
In der Beleuchtung hatten wir einige herkömmliche Halogenlampen im Einsatz. Keine gute Idee. Diese haben laut Beschreibung nur eine Lebensdauer von ca. 130 Stunden gingen nach und nach kaputt. Jetzt nutzen wir ausschließlich LEDs.
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Dein Artikel hat mir sehr gefallen und nach dem Anschauen des Trailers viele Erinnerungen und Assoziationen geweckt.
Wenn es denn wieder möglich ist, solltest Du mal in der Bremer Kunsthalle die Klanginstallation von John Cage hören, „nur“
Spoken Word ohne Musik, aber mit viel mehr Lautsprechern. Der Standort innerhalb des Raumes sorgt wie in deinem Projekt für neue akustische Eindrücke.
Beim Trailer kam sofort die Erinnerung an das fantastische Konzert von Jan Gabarek und dem Hilliard Ensemble im Bremer Dom auf. Chorgesang in sakraler Akustik berührt mich zutiefst, unabhängig vom persönlichen Glauben an eine wie auch immer höhere Instanz.
Allergrößten Respekt für deine Leistung und dein Engagement! So zeigt sich künstlerische Gestaltungskraft auch in dieser Ausnahmezeit und dass die Installation auf Tour geht bringt Dir hoffentlich viel positives Feedback.
Ein super Artikel über eine noch tollere Umsetzung einer richtig guten Idee. Ein Leserartikel und was für einer ! Danke Dir !
Wow, das ist ja eine tolle Sache. Kannst Du uns updaten wo denn die Installation noch zu erleben ist? Eine kleine Reise könnte ja jetzt wieder möglich sein, Süddeutscher Raum oder gar Schweiz und ich rausche an 👍
@liquid orange Danke allen fürs positive Feedback. Die Bremer Kunsthalle schreibe ich mir mal auf die „To Do-Liste“. Wegen Tour: zur Zeit habe ich nur Anfragen aus Sachsen, wo ich wohne. Aber als gebürtiger Schwabe würde ich die Klanginstallation gerne auch im süddeutschen Raum (oder genauso gerne auch sonst wo auf der Welt :-) )aufbauen. Vielleicht will mich ja ein Amazona-User einladen :-)
@dr noetigenfallz Ein Kollege von mir ist Pfarrer einer reformierten Kirche. Den könnte ich ja mal fragen ob die Kirchgemeinde Interesse hat. Was müsste man da für Kosten einplanenen?
@liquid orange Schick mir doch einfach eine PM an meinen Amazona-Account