Praxistest: Native Instruments Komplete Kontrol MK3
„Du und ich, ich hasse dich, ich liebe dich!“ Dieser Songtext aus dem Lied „Hass & Liebe“ der Band ECO aus den 90er Jahren trifft wohl am besten meine Beziehung zum neuen Native Instruments Kontrol 3 S61, welches ich seit einigen Wochen mein Eigen nenne. Es ersetzt mein Komplete Kontrol MK2 als Einspielkeyboard und Controller-Interface für Cubase und Ableton Live auf dem PC (Windows 11).
Die Hardware
Nach dem Auspacken freute ich mich zunächst über die gute neue Hardware. Die Tastatur, die jetzt Polyaftertouch hat, fühlt sich sehr hochwertig an und auch die Knöpfe und Taster wirken sehr solide.
Bei den Knöpfen hätte ich mir einen ähnlichen Abstand und Durchmesser wie bei der Maschine Plus gewünscht, die sich griffiger anfühlt und auch mit Wurstfingern gut zu bedienen ist.
Die recht eng beieinander liegenden Regler sind wohl der Größe des neuen Displays geschuldet, das als erstes ins Auge fällt und alle Parameter auf einem großen Bildschirm darstellt, statt wie bisher auf zwei getrennten.
Zum Glück ist der Touch Strip über die ebenfalls hochwertigen Pitch- und MOD-Wheels aus Metall gewandert, denn bei der MK 2 habe ich den Touch Strip oft versehentlich mit dem Handballen bedient.
Auch der dezentere Lightguide über den Tasten gefällt mir jetzt besser, leider funktioniert er nur für NI-Plugins.
Klasse ist die Stromversorgung über USB-C, man spart sich ein nerviges Netzkabel.
Geblieben ist leider das recht kratzanfällige Kunststoffgehäuse, das schon beim MK 2 Keyboard teilweise zu einem abgenutzten Zustand geführt hat. Wer öfter mal etwas auf den großzügigen Freiflächen links und rechts ablegt, wird dort schnell hässliche Kratzer im Gehäuse haben.
Sehr gut gefällt mir, dass die Regler auf Berührung reagieren. Weniger gut gefällt mir das recht grob gerasterte Vier-Wege-Rad, das relativ laut und schwergängig zu bedienen ist. Es macht kaum Spaß, damit die Funktionen und Spuren in der DAW oder in der Native Instruments eigenen Software zu bedienen.
Schön ist, dass das Display aus relativ spitzen Winkeln gut ablesbar ist und hochwertig wirkt.
Dass es nicht berührungsempfindlich ist, finde ich im Jahr 2024 nicht mehr zeitgemäß, aber vernünftige reaktionsschnelle Touchscreens schaffen nicht einmal einige moderne und teure Workstation-Keyboards, wohl aber der Konkurrent AKAI.NI Kontrol 3 im Studioeinsatz Die Hardware reagiert schnell und flüssig auf Eingaben.
Die Software
Die mitgelieferte Software Komplete Kontrol hat ein Update auf Version 3 bekommen und ist gelinde gesagt eine mittlere Katastrophe. Etwa 100 Projekte auf meiner Festplatte, die mit der Vorgängerversion 2 erstellt wurden, lassen sich mit der neuen Version nicht mehr öffnen, da keine VST2-Version mitgeliefert wird. Die Kompatibilität zur Vorgängerversion ist also nicht gegeben.
Somit Achtung an alle, die in ihren bisherigen Projekten die VST2-Version Komplete Kontrol 2 verwendet haben!
Außerdem beträgt die Startzeit des Plugins im Gegensatz zur Vorgängerversion fast 1 Minute, während V2 nur wenige Sekunden benötigte. Geduld ist also gefragt! Die Standalone-Version scannt beim Programmstart nach jedem Update den kompletten PlugIn-Ordner, was inklusive eventueller Fehlermeldungen (regelmäßig bei z.B. Softube Plugins) ebenfalls gerne mal eine halbe Stunde in Anspruch nimmt. Andere Hersteller machen das unauffällig im Hintergrund während des laufenden Betriebs. Das alles ist nicht praxistauglich und führt dazu, dass ich die mitgelieferte Software zur Zeit nur ungern verwende. Die Hardware arbeitet nun auch direkt mit dem Sampler Kontakt 7 zusammen, was etwas flüssiger läuft.
Angepriesene Features wie z.B. der in die Hardware integrierte Arpeggiator oder der Scale Editor wurden bisher nicht nachgeliefert und stehen nur über die Host Software zur Verfügung.
Auch die NKS2-Unterstützung von Drittanbieter-Plugins direkt über die Hardware lässt auf sich warten, was aber natürlich an den Drittanbietern liegt. Bei den NI-eigenen Plugins funktioniert NKS2 recht gut und macht Lust auf mehr: Die Zusammenfassung der Funktionsgruppen der Synths in diskrete Gruppen und Tabs ist ein Fortschritt. Dadurch fühlen sich die Softsynths fast wie eine Hardware-Workstation an.
Insgesamt gab es in den mehreren Wochen seit dem Kauf noch keine Firmware-Updates und nur vereinzelte Software-Updates zur Stabilisierung ohne Funktionszuwachs. Man hat den Eindruck, dass bei Native Instruments 100 Leute in der Marketingabteilung arbeiten, aber nur eine Person in der Softwareentwicklung. Wenn man etwas ankündigt, muss man auch zeitnah liefern!
Nun ja, es bleibt die von mir am häufigsten genutzte Funktion als DAW-Controller für Cubase und Ableton Live.
Aber was ist das? Ich kann nicht mehr mit den Tasten über dem Display die Spuren in der DAW anwählen?!
Der MIDI-Button zum Umschalten in den Midi-Controller-Modus ist verschwunden und die Funktion muss über einen Klammergriff „Shift+Settings“ ausgeführt werden! Wie oft wählt man die Einstellungen des Keyboards (LED-Helligkeit, etc..) und wie oft wechselt man zwischen DAW- und Midi-Controller-Modus? Findet den Fehler! Völlig praxisfern!
Aber egal, ich möchte wenigstens die Midi CC Controller editieren können, um meine Soft- und Hardware -Synths damit steuern zu können: Pustekuchen! Es gibt keinen Midi CC Editor! Soll kommen, nur wann? Einige Monate sind bereits seit dem Erscheinen des Kontrol 3 vergangen!
Leider erkennen Komplete Kontrol 3 und Kontakt 7 als Plugin das angeschlossene Keyboard nicht automatisch, wenn ich vom DAW-Modus in den Plugin-Modus wechsle.
Ich muss das kleine Tastaturlogo in den Plugins mit der Maus aktivieren. Wenn ich mehrere Instanzen des Plugins verwende, schaltet das Keyboard nicht automatisch auf die aktive Instanz der angewählten Spur um. Da dreht man schnell mal den Filter des falschen Tracks/Synths auf…
Die Maschine Integration ist komplett weggefallen. Schade!
Das unterschreibe ich komplett, sehr guter Praxistest! Hoffen wir mal, dass NI softwareseitig noch die Kurve bekommt, denn die Tastatur ist wirklich klasse
Viel Geld für ein unpraktisches Teil. Da bleibe ich lieber bei meinem alten workflow.
Super Test! Das muss man echt auch mal sagen. 🙂👍
Ich für meinen Teil habe mit NI bereits recht schlechte Erfahrungen gemacht, so dass ich gar nicht mehr auf die achte. Die haben mich echt zu sehr enttäuscht. Aber vielleicht kriegen sie ja noch mal die Kurve. Bräuchte ich ein dickes Master-Keyboard, dann würde ich auf Arturia schauen (ein originales kleines »Keystep« hilft mir bereits bei Kräften), auf Akai, Kawai, Korg, Roland, Yamaha und evtl. Nexus.
Sehr interessant und danke für den authentischen Bericht. Ich war auch daran es zu kaufen, aber warte mal noch ab.
@Filterpad Ich habe ein S61 MK2 und bin super zufrieden damit.
Die Hardware ist für mich top. Und ja, ich stelle tatsächlich auch links und rechts mal was drauf (Asche auf mein Haupt), aber Kratzer sehe ich seit 2018 zum Glück keinen Einzigen.
Und meins hatte ich 2018 gebraucht gekauft… 😉
Aber dieser Test lässt mich ebenfalls abwarten.
Wir haben ja keine Eile, nicht wahr…? 😁
Ich benutze ziemlich zufrieden den Vorgänger S88 Mk 2 und würde – abgesehen von den schockierenden Software-Schwächen aus dem Praxistest – die neue Version aus einem ganz anderen Grund „nicht mal mit der Kneifzange anfassen wollen“: das ist so ziemlich die armseligste UI eines Oberklasse-Masterkeyboards, die mir je unter die Augen gekommen ist. Sie reduziert die Funktionalität des Keyboards auf NI-Plugins und weitere komptible, die sich dann zwar komfortabel, aber eben leider auch mit allen Verzögerungen und Risiken nur mit zwischengeschalteter Software, abrufen und bedienen lassen.
Für Direktzugriff über genügend frei belegbare Knöpfe und Slider (letztere fehlen leider auch beim Mk2) ist dieser Arme-Leute-Controller zum Apothekerpreis ein Totalausfall.
Verheerendes Fazit für meinen Gebrauch:
– starke Einengung auf eine Software, die fast genauso sehr Stolperstein wie übersichtliche NI- und NI-kompatible Organisationshilfe ist. Zudem Baustelle, auf der nicht (oder nicht genug) gearbeitet wird.
– als Controller für DAW und Plugins ungeeignet wegen der armselig wenigen Controller
– als Live-Keyboard völlig untauglich aus denselben Gründen: was soll man denn bitte mit diesen lausig wenigen Controllern ansteuern?
Unterm Strich wäre das Mk3 eine massive Verschlechterung gegenüber dem, was ich mit meiner Mk2 Version jetzt immerhin noch machen kann, auch wenn mir hier schon Fader fehlen.
Das ganze sieht aus wie das misslungene Konzept einer durchblicklosen Markteing-Abteilung, statt von Musikern für praktischen Alltags-Einsatz konzipiert.
Ich danke Dir für den informativen Praxistest und freue mich ein weiteres Mal, mein gutes, altes Roland A70 nie verkauft zu haben.
Dass die Hardware von guter Qualität ist, glaube ich als langjähriger zufriedener Nutzer eines Kontroll S61 Mk1 gerne. Aber im Vergleich zu den Features aktueller Konkurrenzprodukte – allen voran das großartige Novation SL mk3 – kann das neue NI Keyboard meiner Meinung nach nicht einmal ansatzweise mithalten.
Schade eigentlich, NI war wirklich einmal ein Unternehmen mit vielen innovativen Produkten, die ich immer noch gerne nutze. Aber in den letzten Jahren kam außer der Maschine+ von denen nichts mehr, was mich begeistert.
@gs06 Stimmt, Novation gibt es ja auch noch: Oben in meiner Aufzählung ganz vergessen.
In der Tat sehr guter und hilfreicher Test. Ich bin auch zunehmend genervt von den „künstlichen Einengungen“ durch NI und wenn es dann auch mit den hauseigenen Plugins nicht gut funktioniert – traurig. Es hatte ja auch Jahre gedauert um native Kompatibilität zu den Mx-CPU von Apple bereitzustellen. Ich war auch versucht auf Mk3-Generation umzusteigen, nun warte ich ab.
Warum nicht eine nvme einbauen und die Software, so dass man seine NI Bibliothek mit auf die Bühne nehmen kann… Das wäre mal ein Fortschritt… Nur um die Instrumente aufzurufen ist es mir irgendwie zu wenig… Bei Maschine+ hat es ja auch funktioniert, allerdings ist mir die auch schon zu teuer… Was würde diese Tastatur wohl dann kosten…
Reichen 61 Tasten eigentlich? Bei manchen plugins sind die steuerkeys selbst bei 88 Tasten außerhalb der Klaviatur… Warum nicht ein paar pads, die man seperaten erreichen und ansteuern kann, vielleicht mit kleinen Displays … Ach, da wäre noch so vieles machbar…
Seit Weihnachten besitze ich die S88-Version und kann viele der aufgeführten Punkte nur bestätigen: Die Hardware ist wirklich sehr in Ordnung und vor allem die vollgewichteten Tasten bieten ein tolles Spielgefühl. Der einzige wirkliche Kritikpunkt bei der Hardware ist (zumindest bei der S88-Version), dass sie nicht verwindungssteif ist. Vermutlich durch die grosse Breite ohne interne Verstrebungen biegen sich Display und Regler leicht nach unten durch, wenn man mit etwas Druck von oben mit den Bedienelementen interagiert. Finde ich schon krass bei dem Preis.
NI hat aber jetzt wirklich schon seit Jahren ein Problem mit seiner Software-Qualität, und ich ärgere mich schon ein wenig, dass ich wieder auf den Zug aufgesprungen bin. Zwar lädt Komplete Kontrol bei mir recht flott, aber wirklich „snappy“ ist das System nicht. Eine unglaubliche Frechheit war ganz am Anfang, dass das für den Start obligatorische Firmware-Update nicht von Windows-PCs ausgeführt werden konnte. Man musste den Support anschreiben, um dann Tage später einen Hack für das System zu erhalten. Und seitdem: Kein einziges Update mehr. Bin gespannt, wie das weitergeht.
Eine versöhnliche Note: Da ich vor allem mit VSTIs von Arturia, NI und VSL arbeite – alle mit NKS-Unterstützung -, kann man mit dem System genial komfortabel Musik machen und Sounds modifizieren. Aber ich würde auch sagen: 10 neue Stellen in der IT-Abteilung würden NI wirklich gut tun.
Ich habe immerhin eine Lösung für das Autofokus Problem in Cubase gefunden:
„To fix the Komplete Kontrol “Autofocus” problem in Cubase, proceed as follows:
Open the VSTI Komplete Kontrol plug-in window, right-click at the top of this window and select “Remote Control Editor”. Then in this window, click on the small arrow at the top right to select “Use the default configuration…“
Das Problem mit den Abstürzen beim Scan der Plugins von Komplete Kontrol Standalone konnte ich umgehen, indem ich alle VST2 Plugins, vor Allem die von Softube gelöscht habe. Dann läuft der Scan durch.