Modular-Drums akustisch klingen lassen
Diesmal geht es darum, möglichst echt Naturinstrumente nachzuahmen. Der Dave Rossum Morpheus bietet sich förmlich dazu an, besitzen die komplexen Filter z. T. doch ebenso komplexe nachschwingende Resonanzen, die hervorragend dazu geeignet sind, Kesseln von Drums und Percussion oder andere Resonanzkörper nachzubilden. Als erstes wollen wir uns mal eine Handdrum vornehmen. Dazu müssen wir das Signal erst mal analysieren, was auf zwei Arten geschehen kann. Erstens, man nimmt sich ein WAV des Zielsounds und versucht, daraus entsprechende Erkenntnisse zu ziehen. Und zweitens, man denkt einfach über die Erzeugung des Klanges nach. Selbstverständlich lässt ich beides auch kombinieren.
Eine Trommel besteht im Wesentlichen aus dem Fell und dem Resonanzkörper. Je nach Material, Bauform und Fellspannung werden dabei eben unterschiedliche Trommelklänge erzeugt. Es gilt also erstens: den Klang der auf das Fell auftreffenden Hand zu modellieren und zweitens die Anregung des Resonanzkörpers durch diesen Schlag (= Energiezufuhr).
Der Kessel
Kümmern wir uns zunächst um die Energiezufuhr für unseren Trommelkessel (Morpheus). Eine Möglichkeit wäre, ein kurzes weißes Rauschen oder eine sonstige Kombination von Oszillatoren hindurchzuschicken. Sicherlich wird dadurch das Filter angeregt. Aber um ein Filter maximal anzuregen, benötigt es am besten einen Dirac-Impuls. Dieser auch Nadelimpuls genannte Impuls enthält nämlich alle Frequenzen – und damit immer mehr Energie als jede andere Kombination von Rauschen oder Oszillatoren. Solche Nadelimpulse werden auch genutzt, um Impulsantworten von linearen, zeitinvarianten Audiosystemen (wie z. B. Räumen, Hallgeräten oder Gitarrenboxen) zu erhalten. Detaillierte Informationen dazu auch hier im Workshop über Faltungshall.
Punkt ist, mit einem solchen Impuls wird das Filter eben maximal zur Schwingung angeregt (natürlich gilt das nur für IR-Filter, was der Morpheus nun mal ist) und wir bekommen die maximale „Klangausbeute“. Ok – aber wie nun einen solchen generieren? Es ist eigentlich ganz einfach. Anstatt ein Audiosignal in den Eingang zu geben, wird stattdessen einfach der CV-Ausgang des ADSR-Moduls gepatcht. Nun muss man noch eine möglichst kurze Decay-Zeit einstellen (beim A-140 also in den L-Modus gehen) und schon hat man eine veritable Näherung eines Dirac-Impulses. Dass das Filter nun ordentlich schwingt, kann man deutlich hören.
Das Fell
Nun zum zweiten Teil – dem Schlaggeräusch des Felles. Glücklicherweise handelt es sich dabei ebenfalls um ein sehr kurzes Ereignis, so dass wir den ADSR-Ausgang einfach ein zweites Mal abnehmen und einem der A-132-1 VCAs zuführen. Durch die Beschaffenheit des Fells (hier: Tierhaut) und der Hand (hier: Menschenhaut) kommt es zu einem eher rauschartigen Charakter des Fellklangs. Allerdings wäre einfaches weißes Rauschen zu aufdringlich. Man nimmt also entweder gefärbtes Rauschen und/oder nutzt ein LP-Filter zur Höhenbändigung. Da ich auch bei maximal geöffnetem Filter kein weißes Rauschen brauche, entnehme ich dem A-118-Modul also farbiges Rauschen und führe dies dem REM Evolution zu, wobei ich eine 3-polige Variante wähle, damit das Rauschen noch „offen“ klingt. Das hat den Vorteil, dass der Grundcharakter des Rauschens beeinflusst werden kann. Mehr rotes Rauschen ergibt einen basslastigen Fellklang, weniger blaues Rauschen verringert den Höhenanteil.
Das so gepatchte Ergebnis gäbe immer nur ein und denselben Klang von sich – wir wollen aber Variation. Erste Maßname dafür ist die Zuführung des Random Output des A-118 Noise-Moduls zum FREQ CV2-Eingang des Evolution. Dann wird der CV-Ausgang für die Velocity am MIDI-Modul A-190-4 zunächst in ein Multiple gegeben und von da aus einmal den CV3-Eingang (zuständig für die Steuerung des Cutoff) des Evolution gepatcht, damit die Variation des Fellgeräuschs eben über die Intensität des Tastendrucks bestimmt wird. Um gleichzeitig in ihrer Lautstärke gesteuert werden zu können, geht, wenn man möchte, ein zweites Velocity-CV dann über einen weiteren VCA, dem die Mischung aus dem Mixer zugeführt wird. So ist es auch beim Naturinstrument – je leiser der Trommelschlag, desto weniger hohe Frequenzen werden erzeugt.
Um die Trommel dann noch tonal spielbar zu machen, wird der Full-Level-Frequency-Eingang des Morpheus nun auf den MIDI Pitch (CV1 beim A-190-4) gepatcht. Die Wahl des Filtermodells ist natürlich entscheidend für den Klang des Kessels. Am besten, man begibt sich dafür in die Abteilung „Complex!“ und „Complex! 2“und hört sich mal gründlich um.
Je nach gewähltem Filtermodell kann man dann die Trommel mehr oder weniger tonal spielen. Weiterhin entscheidend für die Synthese ist hier die Einstellung des Envelopes. Da gehen nicht nur Percussionklänge, es kann mal auch eine richtig dicke Bassdrum dabei rauskommen. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass die Presets des Morpheus von außen ausgewählt werden können …
In diesem Sinne – happy Drumming!
Danke für den Workshop. Ist schön erklärt.
Nur so ein Tipp für die Leute, die sich mit dem Thema ausgiebiger befassen wollen: Was hier „hochwissenschaftlich“ als Dirac-Impuls in Verbindung mit Filtern bezeichnet wird, wird in englischsprachigen Foren und Blogs allgemein als Filter Ping(ing) bezeichnet. Wenn man nach „dirac filter“ googelt, wird man kaum was finden, was sich auf Synthesizer bezieht. Da ist eine Google-Suche nach „filter ping“ wesentlich ergiebiger. :-)
Bei muffwiggler gibt es einige Threads zu dem Thema…
Meine Erfahrungen: Anstatt ADSR kann man für den kurzen Impuls jedes Modul nehmen, das einen ausreichend kurzen Trigger-Impuls ausgibt. Also z.B. auch ein (modifiziertes) A-162 (Dual Trigger Delay), oder einen Step-Sequenzer, bei dem man die Pulsbreite entsprechend kurz einstellen kann.
All meine Filter, die ich bislang habe, lassen sich über Audio-IN „pingen“: A-120, A-124, A-121-2
Es gibt auch Filter, die sich über einen kurzes Trigger-Impuls am CV-IN pingen lassen. Aber das ist eher die Ausnahme. Ülicherweise wird unter „Filter Pinging“ die Variante über Audio-IN verstanden.
Sorry, jetzt erst den WS gesehen. Prinzipiell inhaltlich sehr interessant. Allerdings erschliesst sich mir der Sinn (=Use Case) nicht modulare Drums klingen zu lassen wie echte. Hier ist die technische Herausforderung im Vordergrund. Sonst würde ich nämlich Karl von nebenan fragen ob er mir kurz was einspielt oder die Klopfgeister bemühen die darauf optimiert sein sollen das gut zu können.
Einfach echte drums nutzen wenn‘s so klingen soll und der Sampler nicht reicht. Wozu das?
Ich habe lange ein altes Tama Schlagzeug hier stehen gehabt als Nicht-Schlagzeuger. Wenn echte drums gebraucht werden, ob nur Toms oder hihats oder Snare, es gibt nix besseres. Natürlich rückst du im editor Schläge gerade. Aber das Endresultat ist mit Material aus Sampler, Rechner oder sonstwas nicht vergleichbar!