Happy Birthday M88!
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Das Beyerdynamic M88 TG darf man ohne Übertreibung als Mikrofonlegende bezeichnen. Unzählige Hits wurden mit diesem Mikrofon aufgenommen und auch unzähligen Live-Konzerte hätten anders geklungen, wäre das M88 nicht mit von der Partie gewesen. Dabei ist das Mikrofon äußerlich recht unscheinbar, aber manche Künstler können oder wollen nicht mehr auf diesen Klassiker verzichten.
Kaum zu glauben: In diesem Jahr feiert das Mikrofon seinen 60. Geburtstag! Grund genug, endlich einen Test auf AMAZONA.de beizusteuern.
Das M88 TG – 60 Jahre alt und top aktuell
Erst vor Kurzem hatte ich das Vergnügen, ein paar Podcast-Mikrofone im Vergleich antreten zu lassen. Dabei hatte ich auch das M88 gerade Studio herumliegen und in den Vergleich mit aufgenommen. Zu meiner Überraschung entpuppte sich das M88 TG im Anschluss als persönlicher Favorit, es schnitt hervorragend ab – und das, obwohl 1962 das Wort “Podcast” noch gar nicht erfunden war.
Im Laufe der Zeit hat das M88 nur kleine, hauptsächlich optische Updates erhalten. Der ursprünglich feinmaschige, silberne Mikrofonkorb wurde robuster und ist in der TG-Version schwarz lackiert. TG steht hierbei für “Touring Gear” und bezeichnet eine Reihe von Beyerdynamic Mikrofonen, die äußerst widerstandsfähig sind. Auch das nicht weniger legendäre Beyerdynamic 201 TG gehört zu dieser Mikrofonfamilie. Unter der Haube hat sich wenig getan, frei nach dem Motto: „Never Change A Winning Team“.
Innere Werte des M88 TG Mikrofons
Das Beyerdynamic M88 TG ist ein dynamisches Tauchpsulenmikrofon mit Hypernieren-Charakteristik. Es benötigt daher keine Phantomspeisung. Trotzdem bietet das M88 einen enormen Pegel und benötigt im Vergleich mit anderen dynamischen Mikros nur wenig Vorverstärkung. Während etwa das SM7B eines der unempfindlichsten dynamischen Mikrofone ist, so hat man es beim M88 von Beyerdynamic mit dem Gegenteil zu tun. Es gibt kaum ein anderes passives dynamisches Mikrofon, das eine derart hohe Empfindlichkeit hat. Betreibt man beispielsweise das SM7B mit einem handelsüblichen Preamp wie jenen des RME UFX, benötigt man beim M88 10-14 dB weniger Vorverstärkung, um den gleichen Pegel zu erreichen
Gerade für Podcaster, die oft auf Interface-Preamps angewiesen sind, ist das ein wichtiger Faktor. Wenn der Mikrofonpreamp nur wenig Gain beisteuern muss, dann hält sich auch das Rauschen im Hintergrund.
Akademisch ausgedrückt liegt der Feldleerlaufübertragungsfaktor beim M88 TG bei 2,9 mV/Pa (-51 dbV). Den Übertragungsbereich gibt Beyerdynamic mit 30 Hz – 20 kHz an, wobei die Frequenzkurve zwischen 1,5 kHz und 15 kHz weitläufig um bis zu 4 dB ansteigt. Das kommt besonders der Sprachverständlichkeit zugute. Auch der Nahbesprechungseffekt ist ausgeprägt und je nach Abstand lässt sich der Bassbereich um bis zu 12 dB anheben. Kein Wunder, dass das Mikrofon gerne an der Kick oder an Toms eingesetzt wird.
Mit einem Gewicht von 320 g liegt das Mikrofon gut in der Hand und stellt keine besonderen Ansprüche an den Mikrofonständer. Die Länge des M88 TG beträgt 181 mm, der Mikrofonschaft besitzt einen Durchmesser von 25,5 mm, der Korb einen Durchmesser von 48,5 mm.
Ein Blick auf das aussagekräftige Polardiagramm zeigt eine hervorragende Hyperniere mit einer maximalen Dämpfung von über 23 dB, gemessen bei 120 Grad von der Mikrofonachse. Bei 180 Grad beträgt die Reduktion rund 15 dB. Damit ist das M88 sehr rückkopplungsarm, was es für jegliche Art von Live-Performances prädestiniert.
Unboxing des M88 TG Mikrofons
Während die Konkurrenz wie das Shure SM7B mittlerweile in China hergestellt wird und auch die neue Einsteiger-Serie von Beyerdynamic aus Fernost kommt, wird das M88 noch immer in Deutschland hergestellt. Das sieht man dem Mikrofon auch an, denn die Verarbeitung ist tadellos. Alle Metall- und Lackierungsarbeiten sind perfekt ausgeführt. Jedem Mikrofon liegt sogar ein individueller Messbericht bei, das ist heutzutage schon fast ein Novum, aber zeugt von der Professionalität des Herstellers. Zusätzlich findet sich in der Verpackung eine gepolsterte Tasche und eine Mikrofonklemme. Letztere hält stabil, aber im Vergleich zu den erstklassigen Mikrofonklemmen, die Beyer bis vor wenigen Jahren seinen Mikrofonen beilegte, scheint es sich doch um ein günstigeres Modell zu handeln. Am Mikrofon selbst wurde erfreulicherweise nicht gespart, es ist ein Musterbeispiel hochwertiger Ingenieurskunst.
Messungen des Beyerdynamic M88 TG
Bei Vergleichsmessungen zwischen dem Testmodell mit einer aktuellen 5xxxx Seriennummer mit einem Modell aus meinem Studio mit Seriennummer 3xxxx wird deutlich, dass Beyerdynamic eine hohe Konsistenz in der Fertigung an den Tag legt. Man könnte beide Modelle guten Gewissens als Stereopaar verwenden. Bis 8 kHz sind beide Kurven absolut identisch! Erst danach steigt die Kurve des neuen Modells leicht an und findet mit +2 dB bei 14 kHz ihren Höhepunkt. Damit liegen beide Exemplare innerhalb der Sollfrequenzkurve des Herstellers (+/-2,5 dB).
Das M88 TG Mikrofon im Einsatz
Kaum ein anderes dynamisches Mikrofon hat einen derart breit gefächerten Einsatzbereich wie das M88. Im Studio wie auf der Bühne ist es als Gesangsmikrofon prädestiniert. Aber auch für Kick, Tom, Snare, Blechblasinstrumenten, E-Bass, Kontrabass, E-Gitarre, Akustikgitarre und viele anderen Quellen bietet sich das M88 mit seinem natürlichen, aber gleichzeitig druckvollem Klang an. Zu den Fans dieses Mikrofons gehören allen voran Phil Collins, der es für Stimme wie auch als Schlagzeugmikrofon benutzt, aber auch Steve Albini, Elvis Costello oder David Bowie. Das M88 scheint sich also nicht nur an verschiedenen Klangquellen, sondern auch in verschiedenen Musikstilen wohl zu fühlen. Auch in meinem Studio gehört das M88 zu einem der meistgenutzten dynamischen Mikrofone.
Beim Einsatz als modernes Podcast-Mikrofon muss sich das M88 ebenfalls nicht hinter der Konkurrenz verstecken. Hier hört ihr das M88 im hausinternenen Vergleich zum Beyerdynamic M70 Pro X sowie dem Shure SM7B (Mexico) und dem SM58 (Mexico). Ich füge das Herstellungsland bei Shure deswegen an, da das SM7B aus China im Vergleich zur mexikanischen Version eine deutliche Überbetonung um bis zu 7dB im Bereich um 5,5 kHz besitzt. Die Mikrofone wurden auf engstem Raum positioniert, der Abstand zur Kapsel betrug rund 5 cm. Als Preamp kam das RME UFX zum Einsatz:
Um den Nahbesprechungseffekt und die damit einhergehende Reduktion des Bassbereichs zu testen, hier ein weiteres Beispiel, aufgenommen im Abstand von 20 cm:
Während der Klang des Beyerdynamic M88 bei dieser Entfernung recht ausgewogen erscheint, ist für mich persönlich jener des M 70 Pro X schon zu dünn. Während das SM7B noch linearer, aber damit auch etwas matter klingt, boostet das Shure SM58 die Höhen noch etwas mehr als das M88. Das kann je nach Stimme gefallen oder auch nicht.
Hier noch ein weiterer Test bei 40 cm Entfernung:
Hier klingen das Beyerdynamic M88 TG und das Shure SM7 noch immer sehr natürlich, während sich die oben genannten Tendenzen von zu wenig Bass und zu vielen Höhen beim M 70 Pro X weiter verstärken. Interessant ist hier die bereits hörbare Hypernieren-Charakteristik des M88 TG. Der Raumklang ist beim M88 reduzierter als bei der Konkurrenz, der Fokus liegt mehr auf der Stimme und weniger auf dem rückseitig eintreffenden Schall. Gerade in nicht-optimierten Aufnahmeräumen kann das von großem Vorteil sein, wenn es darum geht, Nebengeräusche oder Raumhall auszublenden.
Hier also direkt weiter zum Test der Rückschalldämpfung. Zwar hat ein Mikrofon mit Hypernieren-Charakteristik seine deutlichste Schallreduktion bei 120 Grad links und rechts von der Mikrofonachse, in folgendem Beispiel positioniere ich mich aber 180 Grad hinter dem Mikrofon.
Hier hört ihr zunächst ein Tambourin im Abstand von 1 m zur Kapsel, die einzelnen Pegel sind so gut es geht angeglichen:
Im Anschluss hört ihr Aufnahmen 180 Grad hinter dem Mikrofon. Die Pegel belasse ich auf dem Niveau der Aufnahme davor, damit deutlich wird, wie sehr die einzelnen Mikros den Schall reduzieren bzw. den Klang verändern.
Ich finde es sehr beeindruckend, wie unterschiedlich die Mikrofone reagieren. Das Beyerdynamic M88 TG reduziert den Schall am stärksten und reduziert die Höhen im Vergleich zu den anderen Mikrofonen recht deutlich.
Hier noch ein Beispiel an der Akustikgitarre, aufgenommen im Abstand von 20 cm:
Auch hier ist interessant, wie unterschiedlich die vier Mikrofone performen. Es könnte sich tatsächlich um vier verschiedene Akustikgitarren handeln, so deutlich setzt sich ein Mikrofon vom anderen ab. Nicht viel anders verhält es sich, wenn man die Gitarre mit etwas mehr Attack spielt und die Entfernung ein wenig vergrößert. Hier die Akustikgitarre im Abstand von 30 cm:
Dieses Beispiel verdeutlicht, dass dem SM7B und dem Beyerdynamic M88 TG ein gänzlich anderer Klangcharakter, ja Klangphilosophie innewohnt. Das SM58 fällt für mich im Vergleich etwas ab, das M 70 Pro finde ich an der Akustikgitarre nicht überzeugend.
Hatte als Travel-Vocal-Mic schon SM7B und MD441 nebst Fethead im Koffer… Das M88 und ein Funkberater SM2030L sind dauerhaft eingezogen!
Hi Freudenthaler,
bitte hier keine Mikros erwähnen und loben, die ich noch nicht besitze.
Habe von Funkberater ein halbes Dutzend MD-30 II, das älteste noch in Hammerschlag Lackierung.
Wenn das SM2030L mit dem M88 mithalten kann, muss ich mir mal eins besorgen.
Grüße Armin
@Armin Bauer Moin Armin,
SM2030L
SM2030L
SM2030L
…
Spielt auf jeden mit in der Liga, schwer unempfindlich was Handgeräusche angeht und das braucht es auch, lässt sich super befummeln = Ost-Porn
Noch gibt’s die hin und wieder günstig in den Kleinanzeigen (meins für´n 60er), in der Bucht geht der Preis allmählich nach oben und zu recht!
Schnell Schnell, über 7 Brücken mußt Du gehen😉
P.s. 30-2er vor´m AC30 macht Laune!
„P.s. 30-2er vor´m AC30 macht Laune!“
Dafür nehme ich es auch meist, vor dem Röhrenamp bei nicht zu lauten Bühne.
Ansonsten wenn es etwas Raum sein darf und keine Tiefmitten gebraucht werden.
Und die Optik ist einfach allerliebst…
@Armin Bauer Jungs, Jungs, Jungs…….
Vielen Dank für das Schliessen dieser Wissenslücke. Bei Jauch hätte ich jetzt geweint….. Funkberater Max Herrmann habe ich noch nie gehört, musste es aber sogleich im Netz aufstöbern. Interessanter Fund bei der Suche eben: http://www.mikrosammler.de
Watt es nicht alles gibt
Ich merke jedenfalls, ich mikrofoniere deutlich zu wenig………..
Hab von den Thiele wahre Lobeshymnen gehört wenn’s Netzteil ausgebaut und die Röhre (gegen welche weiß ich grad nicht) getauscht wurde… Gibt’s glaube ich auch gerade in den Kleinanzeigen, ein Wetzel ist auch dabei!
Interessanter Test, danke. Ich hatte dieses Mikrofon Mal vor Jahren mit in der Auswahl. Erst als ich die Bewertungen bei Thomann gelesen hatte, viel mir wieder ein, daß ich es wegen den Griffgeräuschen nicht gekauft hatte. Ich brauchte eins für Moderation und Gesang in der Hand. Da war das Sennheiser besser.
Hi Raphael,
eine schöne Würdigung eines meiner Lieblingsmikros.
Braucht nicht viel Pegel, ist deutlich günstiger und besser zu platzieren wie z.B. ein MD-441.
Ich habe immer ein Paar im Koffer, nehme ich sehr gern für HiHat, Gitarrenamp und Flöten.
Geht auch gut mit Poppschutz für BD-Drum, wenn es Richtung 60er gehen soll, deutlich präsenter als z.B. ein D 112.
Es geht einfach fast alles mit dem Teil, Gesang, Violine, Cajon, Bodhran, absolute Universalwaffe.
Grüße Armin
Hi Raphael,
Herzlichen Dank für dein interessanten Artikel. Der M88 hört sich ja recht gut an, vor allem bei der Tamburin finde ich dem am besten klingen. Schade nur das es ein Hypernieren Charakteristik ist und keine normale.
Du darfst ruhig noch mehr Mikrophone testen, ich mag deinen Test hier, gut & informativ! Ciao, Garfield.
@Garfield Modular Hi Garfield, vielen Dank dafür! :) Werd ich machen ;)