Stereo-Mikrofon-Set mit Wechselkapseln
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Kleinmembran-Kondensatormikrofone sind sowohl auf der Live-Bühne als auch im Tonstudio der Standard, wenn es um die Aufnahme von Instrumenten geht, die ein ausgeprägtes High-End besitzen: Akustikgitarre, Becken, Shaker, Piano, Flügel, Violine, Bratsche, Cello. Auch als Hauptmikrofon für die stereophone Aufnahme von Orchestern werden sie gerne eingesetzt. Das Telefunken M60 FET Kleinmembran-Kondensatormikrofon verspricht durch sein Wechselkapselsystem ein erweitertes Anwendungsfeld. Wir haben gleich zwei davon als Telefunken M60 FEWT Master Stereo Set zum Test erhalten.
Telefunken Elektroakustik
Der Name Telefunken dürfte vor allem älteren Semestern noch in guter Erinnerung sein. Das 1903 als Telefunken Gesellschaft für drahtlose Telegraphie m.b.H. gegründete Unternehmen ging aus einem Joint-Venture von Siemens & Halske und AEG hervor. Zunächst war das Unternehmen auf Funk- und Nachrichtentechnik spezialisiert. Einige bedeutende Entwicklungen gingen auf Telefunken zurück: Die Entwicklung des Radars, das PAL-Farbfernsehen sowie 20.000 weitere Patente. Die Anfänge lagen in der Entwicklung von Funkanlagen für die zivile Schifffahrt und das Millitär. Das für das Fernsehen wichtige Zeilensprungverfahren wurde von einem Telefunken-Mitarbeiter erfunden. Die Verbindung zur Musik entstand 1932 mit der Telefunken-Platte G.m.b.H., die 1950 zur Teldec wurde. Telefunken war einer der größten deutschen Plattenproduzenten. Doch auch Musikinstrumente waren dem Konzern nicht fremd. 1933 entstand in Zusammenarbeit mit Oskar Sala zum Beispiel das legendäre Trautonium.
Mit dem Krieg stand natürlich die militärische Entwicklung im Vordergrund: Radar, Zielfluggeräte, Peilsender und mehr standen im Fokus des Unternehmens. Das änderte sich nach dem Krieg mit der Fusion mit AEG. Fernseher, Phonogeräte, Rundfunkgeräte, Radargeräte, Computer und Tonstudiotechnik standen nun im Mittelpunkt des Unternehmens. Für die Entwicklung der Tonstudiotechnik war Telefunken ebenfalls wichtig, denn die Magnetband-Technologie geht maßgeblich auf Telefunken zurück. Telefunken Mikrofone waren vor allem OEM-Produkte von Neumann, AKG, Schoeps oder Sennheiser. So gab es das legendäre Neumann U47 auch mit einem Logo von Telefunken. Die Beziehungen zu den traditionellen Mikrofonherstellern kamen über die Zulieferung von Bauteilen zustande, wie zum Beispiel von Telefunken Elektronenröhren. Heute wird der Name Telefunken wieder für Mikrofone genutzt. Diese sind größtenteils Neuauflagen der alten unter dem Telefunken-Label vertriebenen historischen OEM-Produkte und werden in den USA gefertigt. So auch das Telefunken M60 FET Kleinmembran-Kondensatormikrofon.
Das Telefunken M60 FET Kleinmembranmikrofon
Das Telefunken M60 FET besteht aus dem M60 Vorverstärker und der TK60 Nieren-, TK61 Kugel- oder TK62 Hypernieren-Mikrofonkapsel. Die goldbedampfte Membran der Kapsel ist nur 6 µm dick und hat einen Durchmesser von 15 mm. Alle Kapseln zeichnen sich durch ein schnelles Ansprechverhalten auf Transienten aus, wie es für Kleinmembran-Kondensatormikrofone aufgrund der dünnen und kleinen Membran üblich ist. Dadurch geben Kleinmembran-Kondensatormikrofone auch feinste Nuancen der aufzunehmenden Instrumente wieder.
Der Übertragungsbereich aller Kapseln wird mit 20 Hz bis 20 kHz (±3 dB) angegeben. Der maximale Schalldruckpegel beträgt mehr als 130 dB. Die Empfindlichkeit der Kapseln liegt bei 8,6 mV/Pa (± 1dB). Der Signal-Rausch-Abstand beträgt 89 dBA. Die Spannungsversorgung geschieht über +48 V Phantomspeisung. Das Mikrofon wiegt 110 g.
Unterschiedlich ist bei den drei Kapseln selbstverständlich der Frequenzgang. Den linearsten Frequenzgang weist die TK61-Kapsel mit Kugelcharakteristik auf:
Eine dezente Anhebung der Höhen ist auszumachen, außerdem eine ebenso dezente Bassanhebung unterhalb von 100 Hz.
Der Frequenzgang der beiden Nieren-Kapseln TK60 (Niere) und TK62 (Hyperniere) ist sich recht ähnlich: eine leichte Anhebung zwischen 100 und 600 Hz sowie eine etwas stärkere Anhebung oberhalb von 2 kHz mit einem Peak bei 8 bis 9 kHz. Bei der Hypernieren-Kapsel fällt die Anhebung der Höhen jedoch deutlich moderater aus und ist etwas mehr nach oben hin verschoben. Die leichte Höhenanhebung sorgt für einen „luftigeren“ und offeneren Klang, hat aber nichts mit den schrillen Höhen zu tun, die so manchem „China-Stäbchen“ zugeschrieben werden.
Kommen wir noch einmal zurück zum Gehäuse des Telefunken M60 FET: Das robuste Gehäuse besitzt eine schwarze Pulverbeschichtung, die leicht strukturiert ist. Am Ende des Gehäuses sitzt eine dreipolige XLR-Buchse mit eingravierter Seriennummer. Am oberen Ende wird die Mikrofonkapsel aufgeschraubt. Selbstverständlich ist das Mikrofon mit dem bekannten Telefunken-Logo versehen.
Telefunken M60 FET Master Stereo Set
Das Stereo-Set enthält zwei Telefunken M60 Vorverstärker und sechs Mikrofonkapseln: je zwei Nieren-Kapseln, zwei Kapseln mit Kugel- und zwei mit Hypernieren-Charakteristik. Alle Kapseln sind in kleinen Dosen verstaut, die jeweils mit der Bezeichnung, der Richtcharakteristik und einer Seriennummer versehen sind.
Alle Kapselpaare sind aufeinander abgestimmt – es handelt sich um „matched pairs“. Das ist von Bedeutung für die Stereomikrofonie, da hier kleinste Abweichungen schon für eine Verschiebung der Schallquellen im Stereopanorama sorgen können.
Jeweils zweimal enthalten ist außerdem ein Schaumstoff-Windschutz, ein 5 m langes XLR-Kabel mit Winkelstecker sowie eine elastische Halterung. Letztere sorgt für eine bessere Körperschalldämpfung und ist zu vergleichen mit der Spinne eines Großmembranmikrofons. Alles zusammen befindet sich in einem schicken schwarzen Transportkoffer.
Das Stereo Set des M60 FET bietet sich natürlich vor allem für Stereo-Mikrofonverfahren an, aber auch für die Nutzung als Overhead-Mikrofon am Schlagzeug oder für die Abnahme von Instrumenten mit zwei Mikrofonen. Für letzteren Anwendungsfall dürfen dann durchaus auch für beide Mikrofone verschiedene Kapseln gewählt werden, während für die Stereomikrofonie selbstverständlich die aufeinander abgestimmten Kapselpaare mit gleicher Richtcharakteristik aufgesetzt werden.
Die Nierenkapseln bieten sich zum Beispiel für die XY-Stereophonie an. Außerdem werden sie auch für das ORTF-Mikrofonieverfahren eingesetzt. Die Kapseln mit Kugelcharakteristik sind gut geeignet für die AB-Stereophonie. Außerdem kann man ein Telefunken M60 mit Kugelcharakteristik gut mit einem weiteren Mikrofon mit Achtercharakteristik für das MS-Verfahren kombinieren. Das M60 mit Kugel liefert dann das monofone Mittensignal, während das Mikrofon mit Achtercharakteristik den Seitenanteil beisteuert.
Doch auch für die monofone Instrumentenabnahme eignen sich die verschiedenen Richtcharakteristiken prima: Ein Telefunken M60 mit TK60 oder TK62 Kapsel auf den Übergang vom Gitarrenhals zum Korpus einer Akustikgitarre kombiniert mit einem zweiten Telefunken M60 mit TK 61 Kapsel ausgerichtet auf das Schallloch liefern einen wunderbar vollen und zugleich seidig klingenden Akustikgitarrenklang. Das Mikrofon mit Kugelcharakteristik repräsentiert durch den starken Basseinteil den „Bauch“ der Gitarre, während das stärker richtende Modell die seidigen Höhen beisteuert. So lassen sich später auch ohne EQ-Einsatz schön Akustikgitarren in den Mix einbetten und je nach Musikrichtung oder Funktion im Song im Klang anpassen (siehe Praxis).
Weitere Ideen für den Einsatz der verschiedenen Mikrofonkapseln: Möchte man zwei Telefunken M60 FET Kleinmembran-Kondensatormikrofone als Overhead-Mikrofone für das Schlagzeug einsetzen, greift man zum Beispiel zur Nieren-Kapsel. Eine schöne Alternative ist die Positionierung zweier Mikrofone mit Kugel-Charakteristik im Klein-AB-Mikrofonverfahren über den Schultern des Schlagzeugers. So erhält man einen wunderbar natürlichen Schlagzeug-Sound. Für Live-Anwendungen, bei denen Übersprechen ein Thema ist, werden gerne auch Mikrofone unterhalb der Becken montiert. In diesem Fall bietet sich die Hypernieren-Kapsel an, die eine noch stärkere Richtwirkung besitzt als die Nierenkapsel. Auch der Mikrofonierung des Snare-Teppichs oder der HiHat mit einem Telefunken M60 FET Kleinmembran-Kondensatormikrofon steht nichts entgegen.
Zwar sind Kleinmembran-Kondensatormikrofone nicht die erste Wahl für die Mikrofonierung einer Bass-Drum, doch sollte das M60 mit Kugelcharakteristik gerne einmal innerhalb der Bass-Drum ausprobiert werden. Telefunken schlägt das Mikrofon außerdem aufgrund der sehr guten Bassübertragung für die Mikrofonierung eines Kontrabasses vor.
Praxiseinsatz der Kleinmembranmikrofons
Ausprobiert habe ich das Telefunken M60 FET Master Stereo Set mit meiner Taylor Akustikgitarre und diversen Mikrofonkapseln. Die Ergebnisse sind durchaus auch ohne EQ ansprechend und die Mikrofone laden geradezu zum Experimentieren ein.
Ihr hört zunächst eine Aufnahme mit zwei Nierenkapseln. Ein Mikrofon war auf den Übergang vom Hals zum Korpus ausgerichtet, das zweite Mikrofon auf das Schallloch. Für die zweite Aufnahme wurde die Nieren-Kapsel des auf das Schallloch ausgerichteten Mikrofons durch eine Kapsel mit Kugelcharakteristik ersetzt. Für die dritte Aufnahme habe ich zwei Nieren-Kapseln verwendet und das XY-Stereomikrofonverfahren.
Auch mit einem Shaker und Schellenkranz habe ich die Mikrofone ausprobiert. Hier kam ebenfalls das XY-Stereomikrofonverfahren mit zwei Nieren-Kapseln zum Einsatz.
Was mir sehr gut gefällt, ist der schnelle Wechsel der Mikrofonkapseln. Mit einigen wenigen Drehungen ist das erledigt. Die hohe Verarbeitungsqualität der Mikrofone dürfte auch noch in einigen Jahren für viel Freude am Produkt sorgen. Demgegenüber fällt die Verarbeitung der beiden Klemmen etwas ab. Der Kunststoff fühlt sich billig an und die Gummibänder wirken nicht sehr vertrauenerweckend. Ich habe deshalb für die Aufnahmen die Klemmen meiner günstigen Beyerdynamic-Stäbchen verwendet, die perfekt passen. Natürlich erfüllen die Telefunken-Klemmen ihren Zweck, aber eine etwas hochwertigere Klemme hätte es schon sein dürfen. Außerdem fehlen die Reduziergewinde, die eigentlich zu jeder Mikrofonklemme gehören.
Gleiches gilt für die Qualität der beiliegenden Mikrofonkabel. Beide Kabel weisen bereits erste Dellen und Knötchen unterhalb der Gummi-Ummantelung auf, was dafür spricht, dass dort bereits der Kabelschirm beschädigt wurde. Das mir zum Test zugesandte Stereo-Set war zwar schon einmal im Gebrauch, die Kabel also nicht fabrikneu. Jedoch sollten bei pfleglichem Gebrauch guter Kabel solche Abnutzungserscheinungen nicht auftreten.
Was mir ebenfalls fehlt ist eine Stereoschiene. So eine Schiene liegt selbst deutlich günstigeren Stereo-Sets in der Regel bei.
Das folgende Produktvideo von Telefunken zeigt sehr schön den Einsatzbereich der Mikrofone an verschiedenen Instrumenten:
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Es ist vielleicht interessant zu wissen, dass TELEFUNKEN ELEKTROAKUSTIK keine Nachfolgefirma ist, sondern eine US-amerikanische Firma. Toni Fishman, CEO von Vintagetones LLC , übernahm im Jahr 2000 die Namensrechte und gründete die in Conneticut ansässige neue Firma Telefunken Elektroakustik.
Bei LinkedIn gibt`s verwirrenderweise mehrere Einträge von Toni Fishman 🤔 – wenn George Massenburg ein Kontakt ist, dann wird`s schon seriös sein 😉
@Ralph Schloter Steht ja oben auch beschrieben: „Heute wird der Name Telefunken wieder für Mikrofone genutzt.“
Also so wie früher auch. Telefunken selbst hat ja nicht gefertigt, sondern Produkte von Schoeps, Neumann und AKG unter dem eigenen Label vertrieben. Die eigentlichen Errungenschaften von Telefunken liegen nicht bei den Mikrofonen.
Also mich verwirrt der Artikel.
Also es wurde hier Telefunken M60 FET Cardioid getestet?
So gut und schön.
Was ist aber das Stereo-Set in der Abbildung mit den 3 Kapseln?
Zumindest wenn ich bei Thomann nachsehe, hat das Stereo Set für 1449; — € nur die Nieren Kapsel.
Es bleibt somit die Frage offen, was kostet das? (nicht das ich das kaufen würde, aber so als Frage)
Ansonsten ja, diese Firma hat nichts mit der historischen Firma Telefunken zu tun.
Da wurde gut drauf hingewiesen.
Es sind nur die gekauften Namensrechte, wie z.B. auch bei Grundig, wo der Namen heute auf allerlei Produkte geklebt wird.
Möge man das auf der anderen Seite des Atlantiks toll finden, für ich mich ist das Copy Cat Fasade ohne Wert.
Ich ziehe da entweder etablierte Marken wie Neumann, Schoeps, Sennheiser, DPA oder auch neue wie Austrian Audio, Lewitt, SE Electronics oder Rode (wobei die gibt es schon länger) vor.
Warum muss hier mit Telefunken einer auf bekannte Marke gemacht werden?
Nicht vom eigenen Produkt überzeugt?
Das ist zumindest mir extrem unsympathisch.
Vielleicht auch nur mit der US Markenhörigkeit wie wir es von McDonald über Hilton hin zu Hilfiger, etc. kennen zu erklären.
Kein bekannter Markennamen, also kann es nicht sein.🤦♂️
Mit Markenname gleich 20- 50% mehr Wert.
@TomH Hi,
Thomann bietet das hier getestete Set derzeit nicht an (nur das Stereo Set).
Zum Test stand uns aber das Master Set zur Verfügung, also im Prinzip ein Stereo Set mit allen verfügbaren Kapseln. Der Test ist also allgemeingültig für alle derzeit verfügbaren M60 FET Varianten.
Zu Telefunken selbst: DIE historische Firma Telefunken gab es sowieso nie wirklich. Auch vorher gab es schon etliche Fusionen und andere Eigentümer beziehungsweise ganz unterschiedliche Gesellschaften. Alles sehr unübersichtlich. Telefunken hat ja auch Mikrofone gar nicht selbst hergestellt, nur vertrieben. Die Mics kamen von Schoeps, Neumann und AKG.
Nähere Infos über Telefunken USA im Allgemeinen und dem M60 im Besonderen gibt es auch unter
http://recordinghacks.com/microphones/Telefunken-USA
Danke für den guten und informativen Test.
Auch die Audiobeispiele sind sehr gut gelungen.👍
Mit einer Akustikgitarre hört man relativ schnell ob die Mikros einen ausgewogenen Klang haben.
Bei WIKIPEDIA findet man viele Informationen zu AEG Telefunken – wen’s interessiert. https://de.wikipedia.org/wiki/Telefunken