Neumanns Klassiker
Wer kennt sie nicht? Die Neumann KM 184 benötigen eigentlich keine Vorstellung mehr. Seit der Einführung 1993 sind die Kleinmembraner der Berliner Edelschmiede zu einer fixen Größe in vielen Studios oder bei Live-Events geworden. Umso verwunderlicher, dass wir bei AMAZONA.de diese “Volks-Stäbchen” noch nicht zum Test vorliegen hatten. Das müssen wir zügig ändern!
Der Vorfahre: Neumann KM 84
Nimmt man die 1 aus dem Namen, landen wir direkt beim legendären Vorgänger – dem Neumann KM 84. Wie das so ist, müssen sich Nachfolger immer am Vorgänger messen und gerade im Bereich der Studiotechnik haben die Nachfolger oft einen schweren Stand. Jahrzehntelang haben sich Toningenieure, Produzenten und Musiker an den Klang und die Arbeitsweise eines Mikrofons oder Kompressors, Preamps etc. gewöhnt und dann bringt der Hersteller plötzlich und zu allem Überdruss eine neue Version auf den Markt. Diese klingt dann natürlich nicht mehr so gut und der Run auf die alten Originale kann beginnen. So geschehen auch beim KM 84, das mittlerweile zu Preisen jenseits der 1000,- Euro Marke gehandelt wird. Auch Carsten Lohmann vom Berliner Mikrofonverleih Echoschall hat uns bestätigt, dass das KM 84 einer der Dauerbrenner seines Portfolios ist und die vier Exemplare regelmäßig verliehen sind. Umso erfreulicher ist es, dass wir ein Exemplar als Vergleichsmikrofon für den Praxisteil ergattern konnten. Vielen Dank an dieser Stelle.
Weiterführende Informationen zum KM 84, das für knapp 30 Jahre hergestellt wurde (zwischen 1966 und 1992) finden sich in der Link-Box am Ende des Artikels. Auch beim Test des Warm Audio WA-84 habe ich noch ein paar Infos zu diesem Mikrofon-Modell eingefügt.
Das Neumann KM 184
Das zum Test vorliegende Neumann KM 184 gibt es in verschiedenen Versionen und Ausführungen. Farblich kann man sich zwischen Silber (vernickelt) oder unauffälligem Schwarz entscheiden. Die Stäbchen lassen sich einzeln, als Stereo-Paar oder auch als in achtfacher Ausführung als “Octo-Set” erwerben. Preislich ist das Stereo-Set am interessantesten und ein solches wurde mir auch in der vernickelten Version für den Test zugeschickt.
Wenn der Postbote klingelt und Pakete der Firma Neumann liefert, so verspricht das meist, ein guter Tag zu werden, wie etwa beim Neumann U67 oder beim Neumann V402 Mikrofonvorverstärker. Nach dem Auspacken fällt natürlich zuerst die ansprechende und gut verarbeitete Holzbox der KM 184 ins Auge. Keine Selbstverständlichkeit bei Neumann, denn selbst einige höherpreisige Kondensatormikros wie das TLM 49 oder das BCM 104 liefert Neumann nur in einer Kartonverpackung. In dem edlen Etui befinden sich die beiden Mikrofone, zwei Windschütze aus Schaumstoff und zwei Mikrofonklemmen. Auch eine informative Bedienungsanleitung liegt bei.
Die Verarbeitung der Mikros ist absolut tadellos, die Vernickelung und alle Metallarbeiten wurden perfekt ausgeführt. Der Durchmesser des KM 184 beträgt Neumann-typische 22 mm und mit jeweils nur 80 g liegen die rund 10 cm langen Stäbchen sehr leicht in der Hand. Die Stativhalter Neumann SG21, die sich mit einem Metallgewinde arretieren lassen, machen ebenfalls einen durch und durch professionellen Eindruck und bieten einen sicheren Halt. Würde man sie einzeln kaufen, würde das mit 96,- Euro zu Buche schlagen. Ein etwas happiger Preis, aber erfreulicherweise sind sie ja bereits Bestandteil des Sets.
Der Windschutz WNS100 ist von einfacher Bauart und für einfache Ansprüche ausreichend. Professionelle Anwender, die das KM 184 häufig für Außenaufnahmen verwenden wollen, werden vermutlich ohnehin zu einem hochwertigeren felligen Exemplar greifen.

Die Mikrofonklemme SG-21 lässt sich mit einer Metallschraube arretieren und kostet im Handel 48,- Euro
Technische Daten des KM 184 Kondensatormikros
Als Kleinmembran-Kondensatormikrofon benötigt das Neumann KM 184 für den Betrieb natürlich 48 Volt Phantomspeisung (+/-4 V). Die Richtcharakteristik des Druckgradientempfängers ist Niere, es gibt aber noch weitere Varianten wie das Neumann KM 183 (Kugel) bzw. das KM 185 (Superniere). Laut Polardiagramm ist die Niere sehr stabil und weitgehend frequenzunabhängig. Erst bei sehr hohen Frequenzen wie 16 kHz verjüngt sich der Radius und seitlich bei 90 Grad eintreffende Schallinformationen werden um rund 10 dB abgesenkt.
Der Frequenzgang verläuft recht linear, ab ca. 200 Hz senkt sich die Kurve leicht nach unten, vermutlich um den Nahbesprechungseffekt etwas Einhalt zu gebieten. In den Höhen zeigt sich ein umgekehrtes Bild, ab 5 kHz steigt die Kurve leicht an, findet bei 8 kHz mit +2 dB ihren Höhepunkt und fällt dann wieder zur 0 dB Linie ab. Zum Vergleich: Der Frequenzgang des KM 84 senkte sich erst bei 100 Hz im Bassbereich leicht nach unten, bei den Höhen gab es keine Anhebung.
Mit 15 mV/Pa liegt der Output des KM 184 im für Kleinmembranmikrofone mittlerweile üblichen Bereich, das Rauschen fällt mit 13 dB (A) sehr gering aus. Hier ist Neumann noch immer ein Maßstab für die Konkurrenz. Der Grenzschalldruckpegel liegt bei 138 dB, ebenfalls ein sehr guter Wert, zumal der Klirrfaktor selbst bei diesem hohen Schalldruck bei nur 0,5 % liegt. Viele andere Hersteller messen mit 1 %, was den Wert um rund 6 dB nach oben katapultiert. Die Nennimpedanz des KM 184 liegt bei 50 Ohm, die Lastimpedanz gibt Neumann mit 1 kOhm an. Für den mobilen Einsatz dürfte auch die Stromversorgung interessant sein, diese liegt beim KM 184 mit 3,2 mA weit unter der Normgrenze von 10 mA.
Nachgefragt bei Neumann
Im Vergleich zum KM 84 wird deutlich, dass der Aufbau der Kapsel identisch zu sein scheint. Um auf Nummer sicher zu gehen, habe ich bei Neumann nachgefragt, ob im KM 184 nur die Elektronik verändert wurde oder sich auch das Design der Kapsel verändert hat. Hier die Antwort von Akustik Entwickler Martin Schneider (der übrigens Mikrofon mit ph schreibt, was verdeutlichen sollte, wie lange er schon mit dabei ist):
Die Innenkonstruktion der Kapseln von KM84 und KM184 sind identisch, das heißt alle Wandlerteile wie die Deckgaze, Deckplatte, Membran und Elektrode (die sogenannte „Kreuzschlitzelektrode“ damals patentiert). Sie gehen auf das KM64 (1964) mit AC701 Röhre zurück, dem Vorgänger des KM84. Das KM84 ist auch ein schönes Mikrophon. Man sollte es allerdings nicht übersteuern. Der Grenzschalldruck das KM84 lag bei 120dB SPL, die Schaltung des KM184 kann 138dB SPL bei 0,5% Klirrfaktor. Vor Trompeten, im Innenraum eines Flügels, am Schlagzeug z. B. können die 120 dB SPL überschritten werden.
Die Elektronik hat sich im Laufe der Zeit entwickelt, von Röhrentechnik (KM64) zu Transistor + Übertrager (KM84) zu hoch aussteuerbarer transformatorloser Schaltungstechnik (KM140, und dann KM184). Das Mikrophongehäuse und damit die hinteren Schalleinlässe wurden für KM140 und damit auch KM184 leicht modifiziert, wie man an den schmaleren Schlitzen sieht.
Ansonsten gilt: „never change a good cardioid”. Auch die KK84 für KM84 bauen wir ja noch, in kleinen Stückzahlen für Servicezwecke.
Dass das KM 84 auch 54 Jahre nach der Markteinführung und 27 Jahre nach der Einstellung noch geservicet wird, finde ich sehr beeindruckend.
Das Neumann KM 184 im Studio
Während des Testzeitraums konnte ich das KM 184 an verschiedensten Instrumenten einsetzen und eines vorweg: Dem KM 184 kann man guten Gewissens Allrounder-Qualitäten bescheinigen. Es gibt kaum eine Quelle wo es nicht erstklassige Ergebnisse liefern kann. Zugegeben, für Stimme habe ich persönlich andere Favoriten, aber dafür hat Neumann auch mehr als genug Großmembraner im Programm. Ein weiterer Vorteil ist, dass die „kleinen Mikrofone“ (woher sich das KM ableitet) wirklich sehr einfach im Handling sind. Es gibt keine Einstellmöglichkeiten, man muss sie nicht zusammenschrauben – man legt einfach los.
Als Vergleichsmikros greife ich in die Vollen und teste das KM 184 an meinen Referenzmikrofonen dem Schoeps MK 4 mit CMC1, das wir hier im Test hatten, sowie das brandneue Sanken CUX-100K Mikrofon, das durch herausragende Transparenz besticht. Die folgenden Samples wurden mit dem RME UFX bei 192 kHz aufgenommen, den Anfang macht die Akustikgitarre im Abstand von 30 cm am 15. Bund:
Das Neumann KM 184 schlägt sich hier wahrlich nicht schlecht! Durch den leichten Höhenboost und der sanften Bassabsenkung kommt das KM 184 etwas frischer daher als die hochpreisige Konkurrenz. Gerade bei Akustikgitarre kann das sehr nützlich sein. In Kauf nehmen muss man dafür einen leicht vorgefertigten Klang. Aber der muss nicht schlecht sein, denn viele Quellen sind mit dem KM 184 sozusagen „Mix-Ready“, für Puristen kann dieser klangliche Stempel aber schon etwas zu viel des Guten sein.
Hier ein Beispiel an der Ukulele:
Um den Unterschied zwischen dem KM 84 und dem KM 184 zu hören, mache ich mich auf ins Studio von Echoschall. In den nächsten Beispielen kommt also eine andere Akustikgitarre in einem anderen Aufnahmeraum zum Einsatz. Als Interface dient auch hier das RME UFX:
Auch hier ist der Unterschied in der Frequenzabstimmung ähnlich zu den Audiobeispielen davor. Eine Messung mit Sinuswellen ergab folgenden Unterschied:

Hier eine eigene Messung für den Vergleich zwischen KM 184 (gelbe Linie) und KM 84 (0 dB Linie als Referenz)
Die 0 dB Linie ist das KM 84, die gelbe Linie beschreibt den Frequenzverlauf des Neumann KM 184.
Hier ein Beispiel am Kontrabass (das leichte Knarzen bei Sekunde 4 kommt vom Instrument):
Zum Abschluss noch ein Klangbeispiel an den Drums, denn auch für diesen Anwendungsbereich erfreut sich das KM 184 großer Beliebtheit. Wieder im Vergleich mit den Mikros von Sanken und Schoeps, aber auch ein Oktava Mk 012 ist diesmal mit von der Partie. Die Mikros wurden in einem kleinen Proberaum im Abstand von rund einen Meter zum Snaredrum-Fell mittig über dem Set positioniert. Als Interface kam der Sound Devices MixPre II zum Einsatz:
Technisch sind die urpruenglichen KM184 vereinfachte KM140 gewesen; irgendwann wurde aufgrund von zuviel RF einstreuung die bessere KM140 elektronik wieder in die KM184 integriert.
Ich glaube auf Gearslutz gibt es einen sehr langen thread wo einige (inoffizielle) messungen schlussendlich herausgestellt haben, dass wahrscheinlich nur die physikalische bauform fuer den klang unterschied der 140 und 184 verantwortlich ist.
Wer für 1/4 des Preises eine gute Alternative haben möchte:
„Rode NT5 „. Absolut auf Augenhöhe mit dem Neumann KM 184.
Grüße von Vati
@Vati Ich bin auch ganz der meinung. Nt5 ist unschlagbar was Preis-Leistung betrifft und sehr hohes niveau was Leistung betrifft und zwar unabhängig von Preisklassen .
@Vati Mir haben die überhaupt nicht gefallen. Nichtmal in Anbetracht des Preises, weil sie irgendwie klein und pappig und resonant waren. Allerdings habe ich im Berufsalltag auch viel mit Neumann und Schoeps zu tun, wobei letztere dann am Ende des Tages meist weit vor liegen. Man muss aber eben auch die Preise sehen, ja. Da liegt Schoeps ja auch nochmal deutlich oberhalb von Neumann. Absolut zurecht, aber das muss mensch eben auch erstmal stemmen.
Mikrofone sind ein Werkzeug für den Tonschaffenden. Kein Mikrofon kann die reale Situation abbilden. Es gilt eine musikalische Illusion über Lautsprecher oder Kopfhöhrer zu schaffen. Das gelingt in der heutigen Zeit auch mit Mikrofonen, die weder von Neumann noch Schoeps produziert werden. Die Schoeps sind mir übrigens zu vegan.
ok ich nimm es zurück. Sie klingen schrecklich und pappig. Wie meine ohren :-) Rode ist einfach das letzte . Lustiger weise arbeite ich auch im Berufsaltag mit high end mikrofonen bloß im blindtest können dann doch erstaunlich wenige menschen tatsächlich unterscheiden was was ist. Und das überrascht mich immer wieder so sehr das ich immer wieder schmunzeln muss
Die Neumanns klingen gut – bis man die Schoeps gehört hat. Gerade bei dem Gitarrenbeispiel ist der Unterschied doch recht deutlich.
@BA6 Ja, das sind nochmal Welten. Manch einem mag die Ehrlichkeit von Schoeps nicht direkt gefallen, weil eben Unzulänglichkeiten von Talent, Instrument/Quelle und vor allem auch dem Aufnahmeraum sofort herausgestellt werden. WENN das aber alles auf dem Niveau von Schoeps ist, dann erhält man meist grandiose Ergebnisse.
Man hört bei den Schoeps eben Anteile im Klang, der bei den Neumännern einfach fehlt. Meiner Meinung nach klingen die Schoeps deswegen nicht nur „ehrlicher“, sondern auch unangestrengter und schöner. Auch dann, wenn Instrument und Instrumentalfähigkeiten mittelmäßig sein mögen. Wenn ein hervorragender Musiker mit einem hervorragenden Instrument/Stimme, ein hervorragender Toningenieur und Schoeps zusammenkommen, ist das zweifellos die Krönung.
»Schoeps« ist bei mir immer die erste Wahl.
Wer nicht soviel Geld ausgeben mag, sollte mal ein Paar
»Sennheiser MKH 4080« ausprobieren.
@Franz Walsch Wohl MKH 8040 ,oder ?
@markamazon Vielen Dank für den Hinweis.
Ja, gemeint war das »Sennheiser MKH 8040« was es auch gepaart zu kaufen gibt.
@Franz Walsch Hallo Franz,
Sorry, ist das nicht die gleiche Preisgruppe ?
@Vati Sicher, das kann man so sehen.
Ich finde 385 Euro Preisunterschied zwischen einem Paar »Sennheiser MKH 8040« zu einem Paar
»Schoeps CMC64« beachtenswert.