Zeit für etwas ganz Neues!
Beim Lewitt Ray handelt es sich um ein Kondensatormikrofon für das Tonstudio mit einer besonderen Technologie. Klar ist: Das Lewitt RAY ist etwas Neues. Also, nicht irgendwie ein bisschen überarbeitet, mit neuen Materialien oder einem grandiosen Marketingversprechen. Nein, das hier ist wirklich neu. Wie wäre es, bei einem Mikrofon so gut wie keinen Nahbesprechnungseffekt zu haben? Oder ein entfernungsabhängiges Muting des Mikrofons? Na klar – tolle Features, aber sicher unbezahlbar. Das ist bestimmt mal wieder High-End-Technik. Auch hier: Nein. Das klingt nach einer Revolution in Sachen Aufnahmetechnik – oder? Eines ist klar: Das ist etwas ganz Neues.
Inhaltsverzeichnis
Worum geht es beim Lewitt RAY?
Lewitt ist ein österreichischer Hersteller von Mikrofonen, der zum Teil aus der ehrwürdigen Firma AKG entstanden ist. Ebenso wie die Damen und Herren von Austrian Audio hat sich in Wien ein Team von Spezialisten gefunden, das sich der bestmöglichen Aufnahme von Audiosignalen verschrieben hat. Dabei konnte man bei Lewitt eine sehr ausgewogene Balance zwischen Qualität, Preis und einem eigenständigen Design finden. Nicht nur deshalb begleitet mich das LCT 640 TS Stereo Kondensator Mikrofon seit einiger Zeit im Tonstudio und ermöglicht mit seinen interessanten Funktionen spannende Testberichte.
Das Lewitt RAY basiert technisch auf dem LCT 440 PURE – allerdings mit einer sehr feinen Neuerung: Der AURA Technologie. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um einen integrierten Abstandssensor. Dessen Wirkweise wird durch eine Balkengrafik auf der Front des Mikrofons optisch dargestellt: Sechs Balken zeigen die Entfernung der Schallquelle zum Mikrofon an. Aktiviert man mit der linken Taste die AURA Funktion, so misst das Mikrofon stetig den Abstand beispielsweise zum Mund und durch die Technik im Inneren des Mikrofons können Lautstärkeunterschiede ausgeglichen werden, aber dazu auch der Nahbesprechnungseffekt kompensiert werden.
Wäre dies nicht schon genug Sensation, so haben wir noch eine weitere Funktion: „Mute by Distance“. Sie definieren eine gewünschte maximale Distanz, innerhalb derer das Mikrofon die Schallquelle aufnimmt. Entfernt man sich aus dem festgelegten Radius heraus, wird sofort gemutet, also stummgeschaltet. Diese Funktion weckt sofort die Kreativität in mir! Kann ich trotz laufenden Radio eine Sprachaufnahme machen, ohne dass das Radio hörbar wird? Das Telefon oder Haustür klingelt während einer Aufnahme – ist dies unhörbar? Wie ist es generell mit Hintergrundgeräuschen – werden diese herausgefiltert? Dies schauen und hören wir uns gerne im Praxisteil an!
Ergänzend dazu haben wir noch eine „normale“ Mute-Funktion – und mal gleich die Frage an die Community: Wie viele Kondensatormikrofone kennt ihr, die eine Mute-Funktion per Taster haben? Tatsächlich gibt es das kaum am Markt und der Grund dafür ist, dass man eine Menge Knowhow benötigt, um diese – eigentlich einfache – Funktion ohne Plopp, Klick oder ein anderes Störgeräusch zu realisieren. Im Detail wird dies bei Lewitt durch ein extrem schnelles Fade-in/Fade-out realisiert.
Die Ausstattung des Mikrofons Lewitt RAY
Wie das LCT 440 PURE ist das RAY mit einer 1“ Kapsel ausgestattet und ermöglicht ausschließlich die Aufnahmecharakteristik der Niere.
Auch ein Pad zur Pegelabsenkung (genau genommen wird das Mikrofon unempfindlicher) sucht man vergebens. Dafür verfügt das sehr robuste Mikrofon mit seinem Metallgehäuse über den AURA Sensor, die erwähnte Balkengrafik und zwei Taster beschriftet mit AURA und MUTE. Ja, ein Sensor – nämlich das linke Element. Das rechte Element ist nur aus optischen Gründen vorhanden und kann gerne mit den Fingern abgedeckt werden – ohne weiteren Effekt.
Der Korb ist für Lewitt typisch ein schwarzer Quader mit hexagonal gelochtem Gitter, in dem die mittig abgenommene Kapsel befestigt ist.
Auf der Rückseite, also dem Publikum zugewandten Seite, haben wir das Lewitt Logo in Form eines Rotationsellipsoid.
Unten der XLR-Anschluss und am Mikrofon weitere Bedruckungen, die dem RAY einen sehr edlen Touch geben. Insgesamt scheint es bei Mikrofonen das Qualitätssiegel „Made in XYZ“ nicht mehr zu geben. Lewitt lässt in Fernost fertigen und auch unter der Lupe lässt sich kein Verarbeitungsmangel finden – auch nicht an meinem sehr frühen Produktionsmodell. Respekt.
Das Mikrofon kommt in einem schwarz bedruckten Karton, der sich auch als Behelfs-Mikrofonständer nutzen lässt. Durch entsprechende Aussparungen kann man das Lewitt RAY in der Verpackung quer oder hochkant nutzen. Das mag zwar akustisch nicht der optimale Weg sein, aber als kleines Gimmick finde ich das sehr charmant.
In der Verpackung finden wir dazu eine Mikrofonspinne aus Kunststoff mit beweglichem Aufnahmegewinde, eine Kunstledertasche, den bekannten magnetisch fixierbaren Poppschutz , ein Reduziergewinde und einen Windfilter, der völlig geruchsfrei ist – sehr gut!
Neugierige werden schon lange nach unten gescrollt haben und nach dem Preis gesehen haben. Ja – der Preis stimmt. Das ist kein Druckfehler. Ausstattung und Qualität sind außergewöhnlich gut.
Lewitt RAY: Die Technik hinter AURA
Das Element im RAY ist ein sogenannter „Time of Flight“ Sensor mit einer 8×8 Pixelmatrix: Dieser schickt optische Signale heraus und empfängt sie wieder. Diese Technologie mit Multipixel ist relativ neu und wird sonst (so ähnlich) bei Apples FaceID-Technologie verwendet. Bisher war es nicht möglich, dies mit extrem geringem Leistungsverbrauch zu realisieren. Denn: Neben der 48 V Phantomspeisung benötigt das RAY keine weitere Stromversorgung. Ein Mikrocontroller interpretiert diese Daten und beeinflusst dadurch den ansonsten rein analogen Datenfluss im Mikrofon und gleicht die Einflüsse vom Abstand aus und regelt das entfernungsdynamische Muting.
Der Klangausgleich beim Nahbesprechnungseffekt findet durch eine mathematische Kalkulation der Frequenzantwort bei unterschiedlichen Distanzen statt. Referenziert auf 1 m Messdistanz macht man Messungen bei unterschiedlichen Entfernungen und kann so den Klang gemäß der Daten aus dem AURA Sensor korrigieren.
Interessant: Man hat ein klein wenig Nahbesprechnungseffekt belassen, um ein natürliches Klangbild zu erhalten. Würde man alle Entfernungseffekte ausgleichen, so wäre eine zu künstliche Abbildung die Folge. Die Jungs und Mädels von Lewitt haben hier wirklich abgeliefert. Wow!
Das gleiche Maß an R&D wurde in die Muting-Funktion gesteckt. Zum einen hat man einen Knopf am Mikrofon, der es ohne Nebengeräusche stummschaltet und wieder aktiviert und zum anderen kann man dies auf kreativste Art und Weise nutzen. Ein Beispiel sind Radiomoderatoren, die gerne den Mikrofonarm zur Seite schieben, wenn die Musik beginnt – dies kann durch die Mute-Funktion unterstützt werden. Looping-Artists könnten in den Radius gehen und mit dem Performen beginnen und am Ende des Loops wieder heraustreten.
Auch Feedback-Schleifen können so unterdrückt werden. Während der Entwicklung des RAY sind in Österreich sehr viele Side-Effects entstanden und so kann ich mir noch viele weitere Anwendungsszenarien vorstellen.
Wie lässt sich das Lewitt RAY im Tonstudio einsetzen?
Zunächst die Basics: Alle Funktionen ausschalten und eine einfache Sprachaufnahme gleichzeitig in das Lewitt RAY und mein LCT 640 TS, das ebenfalls in Mono und auf Nierencharakteristik eingestellt ist:
Man hört, dass es sich beim RAY um das sehr gute und bewährte LCT 440 Pure in der 300,- Euro Preisklasse handelt (aktuell für 255,- Euro zu haben, Stand 04, 2024). Das 640er zeichnet feiner und transparenter – kein Wunder, denn es liegt in der 900,- bis 1.000,- Euro Preisklasse (aktuell 839,- Euro).
Also dann: AURA einschalten und ich verändere meinen Sprachabstand von 1 m bis 15 cm vor die Membran. Klar – das 640er wird jetzt deutlich lauter und die Bässe nehmen deutlich zu. Beim RAY ist nur ein sehr geringer Unterschied zu hören: Minimal mehr Bass und nur wenig lauter:
Das leise Klappern ist übrigens der Zollstock, denn ich zur Kontrolle in der Hand hielt.
Bewegt man den Kopf während des Sprechens um ca. 10 bis 20 cm vor und zurück (wie es manchmal Hampelmänner vor dem Mikrofon machen), dann ist hier kaum eine Veränderung wahrnehmbar:
Klangbeispiele zum Muting: Ich kalibriere das Mikrofon auf einen Abstand von 50 cm. Innerhalb dieses Radius bleibt meine Stimme selbst bei Bewegung des Kopfes überwiegend konstant. Verlasse ich den definierten Bereich, blendet es blitzschnell aus:
Anwendungsbeispiel akustische Gitarre: Bei Gitarrenaufnahmen positioniert man das Mikrofon ca. 15 bis 20 cm vor dem 12. Bund. Idealerweise bewegten sich dann nicht mehr – das nennt man im Fachjargon „Mikrofondisziplin“. Gerade unerfahrene Künstler können nicht anders und bewegen sich und die Gitarre oft unbewusst im Rhythmus mit – was natürlich auf der Aufnahme hörbar wird und nur durch technische Geräte ausgeglichen werden kann.
Der Unterschied wird bei folgendem Klangbeispiel deutlich, bei dem ich während des Spiels in einem ca. 30 cm Radius fröhlich mitgeschwungen bin. Beim LCT 640TS ist das insbesondere mit Kopfhörer deutlich hörbar, während das Klangbild beim RAY überwiegend ruhig und stabil bleibt:
Kurz zu den Fragen aus der Einleitung:
Wie sieht es mit entfernten Geräuschen aus? Werden diese ausgeblendet? Dazu benötigt es etwas mehr Details und Verständnis der AURA Technologie:
Man muss sich AURA wie einen Autofokus bei einer Kamera vorstellen: Das System erkennt nicht zwei oder mehrere Personen vor dem Mikrofon. Es wird auf das Objekt reagiert, das im RAY (Strahl) steht und von der Matrix erfasst wird. Übrigens deswegen auch die Laserhinweise auf der Verpackung.
Somit wird das Mikrofon un-muted, sobald sich jemand im Radius befindet und dann hört man auch alle weiteren Geräusche im Raum. Kinderlärm, Regenprasseln oder Baustellenlärm können prinzipbedingt nicht ausgeblendet werden. Mit etwas technischem Verständnis wird aber auch klar, dass dies nur mit erheblichem Aufwand zu realisieren wäre (Multimikrofonie, ausgleichende Algorithmen etc.).
Auch ein Pairen/Zusammenschalten von zwei Mikros ist aktuell (noch?) nicht möglich.
Auch wichtig: Das Mikrofon produzierte keine Artefakte. Vielmehr agiert es wie ein sanft operierender Soundingeneur an den Reglern und passt Pegel und EQ an die Entfernung an. Der Klang an sich wird nicht (wie z. B. bei einem Kompressor) verändert.
Übrigens konnte ich auch bei größeren Entfernungen kein erhöhtes Rauschen wahrnehmen. Das sehr niedrige Eigenrauschen von 7 dB des „Organspenders“ LCT 440 PURE macht sich hier bezahlt.
Ist das Lewitt Ray ein Gamechanger?
Der Begriff „Gamechanger“ wird heutzutage gerne inflationär verwendet. Laut übertriebenem Marketing verändert jeder normale Synthesizer, jedes Pedal und jedes Effektgerät ab sofort die Art und Weise, wie wir alle mit Musik umgehen. Wirklich? Nein, natürlich nicht.
Aber es gibt immer noch echte Neuheiten. Durch KI hat sich unser Verständnis für Kunst verändert und mit den Stichwörtern „Modeling“ und „Profiling“ hat sich der Aufwand für viele Gitarristen erheblich reduziert. Auch nur noch ein Mikrofon zu besitzen, das wie viele andere klingt: Das sind schon Dinge, die das Spiel verändern.
Und das RAY? Wir nehmen ein sehr gutes, preisgünstiges Studiomikrofon und erweitern es um die Fähigkeit, den Abstand zur Schallquelle zu messen und sich darauf anzupassen. Selbst, wenn das kein Gamechanger ist – die Idee ist genial und von Lewitt sehr gut umgesetzt.
Dazu haben wir einen Listenpreis von 349,- Euro für das RAY – dieser liegt nur 60,- Euro über dem LCT 440 PURE: Das ist mehr als fair für das Gebotene.
Denn: Die Möglichkeiten für Anwendungen, Erweiterungen und insbesondere für zukünftige Produkte sind unbegrenzt: Wie wäre es mit einem „Static Mode“, bei dem der Abstand Schallquelle zu Mikrofon wie festgenagelt ist? Oder ein optionales AURA-Modul, das mechanisch auf alle Lewitt Studio-Mikrofone passt und um die AURA Funktion erweitert?
Meine Meinung: AURA ist vielleicht kein Gamechanger, aber für der Anfang von etwas ganz Großem.
Ui… das heißt dann ja wohl dass die mit den ganz arg doll teueren Mikrofonen jetzt alle pleite gehen werden, weil die ja das alles nicht können. Übel, übel. 😮
Ehrlicher Test und super Micro !
Seit zwei Wochen im Einsatz, und ich teile die Meinung des Autors: ein super Mikrofon für kleines Geld!
Pfiffige Sache ganz ohne plattformabhängiges Plugin oder App, die nach ein paar Jahren nicht mehr funktioniert.