Multieffekt mit Schwächen
Zu den Neuheiten des Jahres 2014 bei BOSS zählt auch das BOSS GT-001, das der japanische Hersteller zusammen mit einer Reihe weiterer neuer Geräte auf der Frankfurter Musikmesse der Öffentlichkeit präsentierte. Das GT-001 schließt die Lücke zwischen den Fußbodentretern der ME/GT-Reihe und den JS-Workstations und erscheint im kompakten Desktop-Format, natürlich inklusive der BOSS „COSM“ Klangerzeugung, die ja bekanntlich zu den besten am Markt zählt. Was das Gerät im Einzelnen zu bieten hat und für was man es verwenden kann oder besser nicht, soll der folgende Artikel zeigen.
Facts & Features des Boss GT-001
Mit den Maßen von 211 x 135 x 58 mm und einem Gewicht von rund 500 Gramm findet das BOSS GT-001 auf jedem noch so kleinen Tisch seinen Platz. Das Gehäuse besteht zum einen Teil (Oberseite) aus gebürstetem und schwarz lackiertem Aluminium, die eigentlichen Innereien des Gerätes befinden sich in einem rot gefärbten Kunststoffgehäuse, in das auch sämtliche Anschlüsse eingesetzt wurden. Und davon gibt es reichlich an dem kleinen Kistchen! Neben dem eigentlichen Guitar-Input sind da ein AUX IN zum Anschluss externer Soundquellen, ein Stereo-Ausgang, eine Kopfhörerbuchse im 3,5 mm Klinkenformat, eine Buchse zum Anschluss eines Control/Expression-Pedals sowie ein Mikrofoneingang samt bei Bedarf zuschaltbarer Phantomspeisung.
Dies sind die Buchsen an der rechten bzw. linken Seite des BOSS GT-001, zwei weitere befinden sich an der Stirnseite des Gerätes – der Anschluss für das mitgelieferte Netzteil und nicht zuletzt auch ein USB-Anschluss, mit dem sich das Teilchen auch an den Mac/PC andocken und mit der erhältlichen Software „BOSS Tone Studio“ editieren lässt. Natürlich kann man diese USB-Connection auch für die Aufnahme weiterer analoger Signale nutzen, denn das BOSS GT-001 versteht sich auch als ein studiotaugliches Recording-Interface und die eingebaute Mikrofonbuchse eröffnet dabei zusätzliche Möglichkeiten. Auch die Stromversorgung übernimmt dieser Port bei Bedarf, leider gehört aber ein USB-Kabel nicht zum Lieferumfang des Gerätes.
Zentral mittig angeordnet sitzt das gut beleuchtete und grafikfähige Display, über das man, wie erwartet sämtliche Bedienschritte ausführt. Ein Endlos-Poti dient zum Scrollen durch die Menüs, die im typischen „BOSS Bedien-Layout“ gehalten sind. Logisch strukturiert und jederzeit beherrschbar, genau so, wie man es von den Geräten der ME- oder GT-Reihe kennt. Apropos GT-Reihe: Aus dem Topmodell GT-100 soll unser Testgerät ja die Ampmodelle und Effekte eingepflanzt bekommen haben – die Erwartungshaltung ist also dem entsprechend angehoben!
Die vier großen Taster mit dem Aufdruck „A-B-C-D“ dienen zum schnellen Zugriff auf die vier meistgebrauchten Sounds. Weitere, kleinere Taster für die Eingabe (Enter), Verlassen (Exit), Schreiben (Write) oder für den direkten Zugriff auf das Stimmgerät (Tuner) befinden sich ebenfalls an Bord. Mit der Tuner Taste lässt sich auch das integrierte Metronom auswählen, dessen Geschwindigkeit wird stets im Display angezeigt. Die vier aus silbernem Kunststoff bestehenden (und leider auch etwas fragilen) Potis oberhalb der vier Favorite-Tasten erlauben einen direkten Zugriff auf die wichtigsten Parameter des angewählten Patches, diese Voreinstellungen können aber auch durch eigene ersetzt werden. Ein Mastervolume-Poti regelt die Gesamtlautstärke, erweckt wird die kleine Konsole mithilfe eines Power-Schalters.
Zweihundert User- und ebenso viele Werkspresets befinden sich im Speicher des BOSS GT-001. Wie immer lassen sich die Werkspresets zwar editieren, aber nicht auf Dauer abspeichern. Sie dienen jedoch oft als gute Ausgangsbasis für selbst geschraubte Kreationen und bieten dabei natürlich einen guten Ersteindruck über die Möglichkeiten des Gerätes. Wie erwartet schlummern im Innern eine Unmenge an Effekten und Preamp-Emulationen. Den Grundsound liefern Emulationen von VOX, Mesa/Boogie, Marshall und Konsorten, garniert wird das Ganze dann mit dem vorhandenen Arsenal an Effektalgorithmen. Alles hier im Detail aufzuzählen, würde den Rahmen des Tests sicher sprengen, zumal die angebotene Klangarchitektur und die Benutzerführung nahezu identisch mit den von uns bereits in einigen Artikeln besprochenen BOSS-Geräten ist. Erwähnenswert allerdings ist die neu implementierte MIDI-Triggerfunktion, mit der sich via USB beispielsweise auch Softsynths in der DAW antriggern lassen. Wenn auch nur monophon.
Die erste (größere) Inspektion hat das Gerät somit überstanden, Kritikpunkte bleiben dabei leider nicht ganz aus. So sind die Anschlussbuchsen in ihrer Lage an den Gehäuseseiten nicht nur aus Platzgründen unglücklich gewählt, auch wackeln die Buchsen ganz ordentlich. Speziell dann, wenn man richtig dicke 6,3 mm Klinkenstecker in die Ein- und Ausgangsbuchsen einführt. Dieses fragile Bild geben auch die Potis ab, auch sie wackeln deutlich spürbar auf ihren Achsen. Aber gut, eine Bühne oder einen Proberaum wird dieses Gerät vermutlich nie sehen, der Einsatzbereich ist logischerweise ein ganz anderer. Trotzdem hat man von BOSS auch schon bessere Hardware gesehen – und damit ab zum Soundcheck!
Sound & Praxis
Das BOSS GT-001 lässt sich auf verschiedene Arten in das vorhandene Umfeld einbinden. Primäres Einsatzgebiet des Gerätes dürfte wohl der Schreibtisch sein und somit sollte im entsprechenden Menü die Funktion „Line“ ausgewählt werden, was die interne Speakersimulation auf den Plan ruft. Der erste Eindruck ist allerdings eher ernüchternd, denn der Grundsound des GT-001 klingt zwar schon irgendwie nach „COSM“, allerdings auch ziemlich verwaschen, um nicht zu sagen leblos. OK, könnte ja auch an den unglücklich gewählten Presets liegen, könnte man meinen. Doch auch beim Aufbau eines eigenen Patches und mit nur einem Preamp-Modell am Start bestätigt sich der Ersteindruck – irgendwie ist zwar alles da und auch irgendwie klingt das, was aus den Speakern kommt nach BOSS. Allerdings so, als läge eine Art Schleier über den Speakern.
Zum gleichen Ergebnis kommt man auch beim Benutzen eines Kopfhörers an der Phones-Buchse, auch dort ist der Sound verwaschen und undifferenziert. Besonders bemerkbar macht sich das bei den verzerrten Sounds, was ja eigentlich die Domäne der COSM-Algorithmen darstellt und bei den Geräten der ME/GT-Reihe zum Beispiel glänzend funktioniert. Grund hierfür dürften vermutlich die minderwertigen AD/DA Wandler im Innern sein, die das Signal nur unzureichend abtasten und in seiner Dynamik daher empfindlich einschränken. Schade eigentlich, denn von der Idee und dem Konzept her betrachtet macht das Produkt schon Sinn und ergänzt die BOSS Palette sinnvoll.
Die Anbindung des Gerätes an den Rechner funktionierte im Test mit Mac OSX und Logic Audio via USB problemlos, das GT-001 meldet sich im Hardware-Menü des Sequencers als Aufnahmegerät an und kann direkt genutzt werden. Schade ist nur, dass man den Guitar- und den Mic-Input nicht gleichzeitig benutzen kann, dafür wurde aber eine Reamping-Funktion mit eingebaut – für alle unentschlossenen Soundtüftler.