Schweizer Audio-Messer für Musik- und Event-Beschallung
Vorhang auf – der Electro-Voice Everse 12 Fullrange Aktivlautsprecher mit Akkubetrieb. Es war eine Frage der Zeit, dass die amerikanischen Audio-Spezialisten mit Hauptsitz in Burnsville/Minnesota mit einem derartigen Produkt den Schwung rund um die erfolgreiche Everse 8 Aktivbox nutzen würden. Die Vorgaben sind klar: Möglichst viel aus dem Erfolgsrezept übernehmen und trotzdem mehr bieten. Beispielsweise durch die Verwendung eines 12“ Lautsprechers zur Übertragung des erweiterten Bass-Mittenbereichs. Einher geht mit dem Neuzugang ein Zuwachs bezüglich der Gehäusegröße, des Gewichts und natürlich des Preises. Der liegt mit 1.099,- Euro etwa 300,- Euro über dem der Everse 8. Passt das?
Inhaltsverzeichnis
Ausstattung
Die grundlegende Ausstattungsliste liest sich bei der Electro-Voice Everse 12 wie bei der Everse 8. Statt „ja-nein-aber-doch“ gibt es Vollbedienung inklusive Remote-Steuerung, internem Akku, Effekte, konfigurierbarem Equalizer, Kompressor und DSP-Presets, Feedback-Unterdrückung als auch einer Ducking-Funktion. Um Lesern und Leserinnen ein „copy & paste“ zu ersparen, verweise ich für weitere Details hinsichtlich der Funktionen und der Bedienung auf die Lektüre des „8er-Tests“.
Deutlich sichtbare Unterschiede rein äußerlich bringt das zusammen mit dem 12“ Speaker „gewachsene“ Gehäuse mit sich. Dessen Abmessungen betragen 345 x 597 x 347 mm, das Gewicht entspricht jetzt 14,2 kg (7,6 kg Everse 8). Genau, aus dem Fliegengewicht ist eine ausgewachsene Box geworden, ausgestattet mit zusätzlichen Tragegriffen (einer seitlich, einer oben). Alleine auf das Lautsprecherstativ wuchten? Funktioniert.
In den technischen Daten werden wie bei der Everse 8 400 Watt Systemleistung, aber 126 dB SPL max. angegeben (121 dB SPL Everse 8). Hervorhebenswert: Electro-Voice gibt nicht nur den Abstand zwischen Messmikrofon und Lautsprecher an, bei dem die Daten erhoben wurden, sondern auch das Testsignal (Rosa Rauschen). Der Daumen bleibt oben, denn in der auch deutschsprachig zum Download stehenden Bedienungsanleitung finden sich die Frequenzverläufe der vier unterschiedlichen DSP-Presets: MUSIC (Standard), LIVE, SPEECH und CLUB. Die sogenannten Modes können als schnelle Voreinstellung genutzt werden, individuelle Anpassungen für die Eingangskanäle oder auch die Summe sind über das DSP-Menü möglich.
Apropos DSP: Beim ersten Verbinden mit der EV QuickSmart Mobile App wird die Firmware-Version geprüft und falls notwendig aktualisiert. Das kann bis zu 60 Minuten dauern, je nachdem welche Übertragungsgeschwindigkeit Hardware und Internet-Verbindung bieten (so die Angabe im Handbuch). Mit dem hier eingesetzten iPad 11 Pro war die Aktualisierung nach 20 Minuten erledigt.
Electro-Voice Everse 12 in der Praxis
Beim Electro-Voice Everse 12 Fullrange Aktivlautsprecher mit Akkubetrieb, der wahlweise netzunabhängig betrieben werden kann, eröffnet sich ein ganzer Reigen möglicher Anwendungen. Natürlich geht der Gedanke in Richtung Singer/Songwriter, ob nun in Clubs oder in Form von Straßenmusik.
Oder als Gastro-Inventar für kleinere Live-Veranstaltungen – im normalen Beschallungsalltag mit Party- oder Hintergrundmusik als Pärchen mit True Wireless Stereo. Für den Fall, dass zwei Everse 12 eingesetzt werden, kann eine mit dem DSP-Preset SPEECH als aktiver Monitor genutzt werden. Für das Verleihgeschäft dürfte die Electro-Voice Everse 12 sowas wie das Schweizer Klappmesser darstellen, denn ob Hochzeit, Trauung, Geburtstagsparty, Firmen-Event, Ausstellung oder Messe – durch die einfach gehaltene Bedienung im Easy-Modus kann auf Anwenderseite wenig schiefgehen. Ein weiterer Bonus im Verleihgeschäft dürfte der wechselbare Akku sein. Der ist kompatibel und komplett tauschbar mit dem in der Everse 8. Mit je einem Paar 8er und 12er sind also vier Akkus einsatzbereit. Falls also mal die Everse 12 für eine Veranstaltung ausgeliehen werden, können die Akkus der beiden 8er als Reserve mitgegeben werden.
Grenzenlos?
Electro-Voice gibt im Vergleich zur Everse 8 einen erweiterten Frequenzgang von 55 Hz – 20 kHz an (+/-3 dB, MUSIC als DSP-Preset) für die Everse 12 an, die Übergangsfrequenz zum Hochtöner liegt bei 2 kHz. Messungen, dies visuell darzustellen, sind zweifellos hilfreich, aber was sind schon Messungen gegenüber einem echten „Jugend forscht“-Szenario. Diesem Ansatz verpflichtet, lasse ich die Everse 12 zum Drum-Monitor mutieren. Sowohl am akustischen Drumset, als auch bei der Verstärkung von Sounds für ein E-Drum-System. Das macht schon Laune, denn die Bestückung passt gut zur mit 18“ Durchmesser vergleichsweise kompakten Pearl Bassdrum, abgenommen über ein AKG D 112 MkII Mikrofon. Ohne hier weiter auf Details einzugehen, die nur Schlagzeuger unter der Leserschaft interessieren (die Schnittmenge wird gering sein), markiert diese Anwendung einen klaren, wahrscheinlich den entscheidenden Unterschied zur Everse 8. Wenn das kleinere Pedant aus der Everse-Familie durch ihre Transportabilität ganz vorne mitspielt, gleicht der 12“ Bruder dies durch erweiterte Fullrange-Fähigkeit aus. Will heißen: Während die Everse 8 bei Bass(drum)-Impulsen straff den eigentlichen Impuls (Attack) wiedergibt, liefert der 12“ mehr Volumen (Sustain, in Anlehnung an die ADSR-Hüllkurve).
Was geht nicht mit dem Electro-Voice Everse 12 Fullrange Aktivlautsprecher mit Akkubetrieb? Er muss passen, wenn pumpende Bässe für das Elektrobeben gefragt sind, denn bei aller Finesse, die Gesetze der Physik kann selbst Electro-Voice nicht außer Kraft setzen: Ein 12“ ist eben kein 18“. Für solche Fälle muss ein Subwoofer die Dancefloor-Eignung pushen.
Hörtest
Die bereits bei der Everse 8 durchgeführten Praxistests fanden – möglichst identisch – bei diesem Test ihre Wiederholung. Das the t.bone MB 85 Beta Mikrofon ging kabelgebunden in Kanal 1. Dort stehen im Eingangskanal Presets wie „Low Cut 80“, „Vocal“, „Voice Filter“ oder „E-Gitarre“ bereit. Wer sich lieber auf seine Intuition verlässt, der wählt „Flat“ und kann sämtliche Parameter individuell anpassen. Neben dem 3-Band-EQ wartet der interne Einfach-Kompressor, die Effekt-Intensität, die Positionierung des Signals im Stereo-Panorama und die Ducking-Funktion. Für die Männerstimme entschlacke ich die Mitten bei 2 kHz (anders als bei der Everse 8), ergänze etwas Höhenglanz, flankiert von dezenter Kompression sowie anteilig FX-Preset 1 (Hall & Delay).
Kanal 2 belegt eine Fender Telecaster, direkt verbunden mit dem von mir gerne eingesetzten Mustang Micro Headphone Amp. Über den Kopfhörerausgang des Mustang Micro geht es per Adapter auf 6,3 mm Klinke in die Kombobuchse von Kanal 2, Voreinstellung Line-Signal. Effekte bedarf es keiner, der Sound kommt optimal aus dem Mustang Micro. Das für Kanal 1 gewählte FX-Preset könnte auch in Kanal 2 als Effektbasis genutzt werden. Wichtig dabei: Unterschiedliche FX-Presets für Kanal 1 und 2 sind nicht möglich. Ein Punkt, der bereits bei der Everse 8 zum finalen Sahnehäubchen der Audioausstattung gut gepasst hätte und aufgrund des technisch identischen Aufbaus auch bei der Everse 12 leider nicht verändert wurde.
Mir gefiel die Everse 12 in der genannten Songwriter-Anwendung gut, den klanglichen Unterschied zur Everse 8 würde ich als Geschmackssache bewerten, denn bei diesem Beispiel kommt, anders als beim erwähnten Ausflug in die Drum-Mikrofonierung, das zusätzliche Volumen der Everse 12 nicht so deutlich zum Tragen. Höchstens die erweiterte Maximalleistung, die aber erfahrungsgemäß in derartigen Setups nur selten abgerufen wird. Das gestaltet sich beim Hören von unterschiedlichem Audiomaterial für die Party-Beschallung anders. Gut eingehört habe ich mich auf die Produktionen von Steven Wilson, bekannt durch seine exzellent abgemischten Solo-Projekte, wie auch seiner Arbeit mit Porcupine Tree („In Absentia“ und „Deadwing“). Hier glänzt der Electro-Voice Everse 12 Fullrange Aktivlautsprecher mit Akkubetrieb und bringt auch bei höheren Lautstärken die Eignung als Fullrange-Lautsprecher voll zur Geltung.
Wie laut ist laut?
Die Angaben zum Electro-Voice Everse 12 Fullrange Aktivlautsprecher mit Akkubetrieb bezüglich des maximal möglichen SPL habe ich mit dem NTi Audio XL2 Analyser als Messgerät und Rosa Rauschen (über den NTi Audio MR-PRO) als Testsignal überprüft. Der Abstand vom Messmikrofon zur Everse 12 entsprach einem Meter, ausgerichtet auf den Bereich zwischen 12er und Hochtöner, als Preset war die Voreinstellung MUSIC, als Aufstellung TRIPOD gewählt. Ganz konnte ich im Freifeld (direkt im Anschluss zum Haus des Autors steht eine große Grünfläche für derartige „Audio-Experimente“ bereit) die von Electro-Voice angebeben 126 dB SPL nicht erreichen, aber 123 dB SPL waren drin. Wenn damit nicht gerockt oder Party gefeiert werden kann, liegt es definitiv nicht an der Everse 12.
Abschließend: Wie schon bei der Everse 8 kam im Rahmen dieses Tests ein Mackie SRS 1500 Subwoofer mit 15“ Speaker zum Einsatz, die Hochpassfrequenz im DSP-Menü des Everse 12 war auf 120 Hz eingestellt. So ein Ergänzungs-Setup ist zweifellos Band- und ebenso Party-tauglich. Wird statt des 15er Subwoofers ein 18er eingesetzt, sind Elektro-Bass-Gewitter inklusive.
Electro-Voice Everse 12: Kabellose Performance
Da der im Singer/Songwriter-Setup genannte Mustang Micro durch den internen Akku versorgt wird, handelt es sich zusammen mit dem Electro-Voice Everse 12 Fullrange Aktivlautsprecher mit Akkubetrieb um ein von kabelgebundener 230-Volt-Versorgung unabhängiges System. Sicherlich nicht nur interessant für Straßenmusiker, sondern für spontane Performances jeglicher Art. Kleiner Exkurs: Im Berliner Mauerpark sind immer wieder Künstler und Künstlerinnen zu sehen, deren Performance komplett mithilfe akkubetriebener Aktivboxen oder Instrumente absolviert wird. Dort kommen auch sogenannte Powerstations zum Einsatz, dabei handelt es sich um tragbare und wiederaufladbare Stromquellen/Batterien, die speziell für Outdoor-Aktivitäten entwickelt wurde. Warum das auch für kleinere PA-Anwendungen interessant sein kann, lässt sich hier nachlesen.
Schöner Test, Rainer.
da mir schon die 8″ Version sehr gut gefallen hat, kann ich mir fast denken, was aus der 12″ kommt.
@Jörg Kirsch StageAID Rainer also … 😇
In dieser All-inclusive-Klasse wird es schwer, den beiden Everse das Audio-Wasser zu reichen. Schon clever gemacht. Erst hat EV das Feedback zur Everse 8 abgewartet. Als die Popularität den wirtschaftlichen Erwartungen entsprach, wurde das Erfolgsrezept einfach 1 zu 1 auf die 12er übertragen. Deswegen sind auch die Effekte wie bei der Everse 8 nicht getrennt den Inputs zuzuweisen.
Ich nutze seit Ihrem Erscheinen die Everse8, habe meine Bose S1 nicht verkauft, aber die ist dagegen eher was für sehr kleine Räume oder wenige Personen. Die Fernsteuerung nutze ich schon bei meiner Yamaha Stagpas 1K sehr häufig, sehr praktisch, die EV geht da noch ein ganzes Stück weiter. Ich denke wer Gitarre an den 2 Eingang anschliesst, hat eh den ein oder anderen Effekt oder ein Pedal-Board, da reicht es mit den On board Effekten wirklich.
Was oft etwas vergessen wird: Das Verhältnis von Gewicht/Klang/Leistung ist bei der Everse8 schon extrem gut. Ich habe sie mit dem EV ELX200-12SP Subwoofer kombiniert, das ist fast schon perfekt. die 2. Everse werde ich mir als 12″ kaufen, dann habe ich auf einer Seite 8″ & Sub, in Bluetooth Reichweite die 12″ mit Akku, kein Kabel, nur ein Stativ. Besser geht es kaum. Gerade bei alten Burgen, Restaurants mit Türen im Weg oder ähnlichem entfällt so das lästige Kabel ziehen…
Übrigens: In Weiss ist die Everse 8 auch eine absoluter Hit, z.B. für Gesang Inder Kirche oder in hellen Räumen… mit einem Weissen Stativ fällt die Box kaum mehr auf. Die Zusammenarbeit der Everse mit dem Subwoofer, gerade auch mit der App ist vorbildlich, ist stehe mit dem Handy auf der Tanzfläche und kann den Sound einstellen, perfekt. Dazu noch der Aufbau in Minuten… Das wird schwer für Bose, Yamaha usw. da mit zuhalten.
@Georg Herzog Prima Ergänzung aus der Everse-Praxis. Der Electro-Voice-Ansatz, ALLES an Ausstattung zu geben, was machbar und möglich ist, wird sicherlich nicht für alle Anwender der „richtige Weg“ 😇 sein (wenn es den überhaupt gibt). Aber, falls das Optimum an Flexibilität, Transportfähigkeit und Leistung gesucht wird, führt kaum ein Weg an der einen oder anderen Everse vorbei.