Neulich im Mittelalter
Die Sample Library ERA II Vocal Codex von Eduardo Tarilonte ist eine Erweiterung der bereits erhältlichen Library „ERA II Medieval Legends“ von 2015 und erweitert diese um 4 weitere mittelalterliche Stimmen. Als Crossgrade sind dafür 99,- Euro, als Vollversion 159,- Euro aufgerufen.
ERA II Vocal Codex besteht aus 4 Solostimmen in verschiedenen Patches u.a. mit Atemgeräuschen (Breaths) und Phrasen. Dazu gesellen sich 30 „Klanglandschaften“, z.T. Drohen, z.T. Flächen mit anderen Instrumenten in bestimmten Oktavbereichen. Dazu wurden 8,5 GB Material aufgenommen in ca. 14000 einzelnen Samples. Als Mikrofon kam ein U87 und ein Kahayan 4k7 zum Einsatz, die über einen API-Preamp und einen API-Summierer in den DA-Wandler (unbekannt) gingen. Es gibt ausschließlich Close-Mike Aufnahmen, um eine große Flexibilität bei den Hallräumen zu haben.
Erhältlich ist ERA II Vocal Codex für Mac OsX (10.8 bis 10.11) als Standalone, VST oder AU ausschließlich als 64 Bit Version. Auch eine Beta für AAX (Pro Tools 11+) ist vorhanden. PC-User haben die Auswahl zwischen 32/64 Bit ab Windows 7, als Standalone, VST oder ebenfalls AAX im Beta-Stadium.
Sample Engine
Als Player wurde dabei Engine gewählt, die auf Magix/YellowTools Independence basiert. Diese wird mitgeliefert und man benötigt keine Vollversion von Independence. Laut Best Service soll die Library kompatibel sein mit der Vollversion von Independence, aber es gelang mir nicht, das ans Laufen zu kriegen. Weder mit dem Independence von MAGIX, noch dem von Best Service, zu denen ich beides Mal eine Vollversion besitze. Egal welche aktuelle Version, es kommt ständig die Fehlermeldung „Layer is not compatible with your version…“ – schade.
Um die Library bedienen zu können, muss man sich nicht unbedingt mit Engine oder Independence auskennen. Es genügen die Einstellungen auf der Übersichtsseite „Quick Edit“. Hier kann man auch über einen Info-Button eine detaillierte Übersicht über die Keyswitches der aktiven Stimme bekommen. Das erspart einem dann den Blick in die deutsche PDF-Anleitung, in der alle Funktionen erklärt sind. Auf der Quick-Edit Seite können den Reglern auch ganz einfach MIDI-CC zugeordnet werden (Rechtsklick), eine Voreinstellung wurde auch bereits vorgenommen. Wer möchte, kann aber auch über „Pro Edit“ in die Manipulation und Erstellung von eigenen Layern eintauchen. Engine bietet dazu Dutzende Audioeffekte wie Kompressor und Modifier wie ADSR-Hüllkurven an.
Hard Core
Kern dieser Library sind die vier Stimmen, eingesungen von Celica Soldream (Celtia, Heroica), Víctor Sordo (Medieval Tenor) und Iván López (Bard). Jede der Stimmen hat ihre eigene Charakteristik und Färbung. Unterschiedlich ausgestattet mit Keyswitches und verschiedenen eingesungenen Wörtern ist jede Stimme als eigenes Instrument aufzufassen – es ist also nicht so einfach möglich, mit der einen Stimme eine Gesangslinie zu erstellen, die mit einer anderen Stimme genauso gestaltet ist.
Allen gemeinsam ist jedoch ein True-Legato für die fünf Hauptvokale (A, E, I, O, U). Das True-Legato umfasst jeweils eine Oktave vom Ausgangston, von D2 auf D#3 ist also z.B. keines vorhanden.
Keyswitches
Alle Solostimmen sind im Interface mit gut sichtbaren Keyswitches versehen, die farbig auf der Tastatur dargestellt werden. Jede Note wurde dabei einmal eingesungen. Bei den Frauenstimmen wurde ein bisschen geschummelt und es wurden die tiefen Noten einfach gepitcht und nicht eingesungen (zu hören an der unnatürlichen Formantverschiebung). Auffallend ist, dass es auf einer Note nur eine Variation eines Tones gibt, es fehlen also mehrere Versionen von einem „U“ auf C3 z.B. Das ist wichtig, da eine leichte Variation bereits Natürlichkeit bringt. Ebenso wenig gibt es verschieden laut eingesungene Noten. Über einen Expression-Regler kann man zwar etwas einstellen, jedoch bewirkt das nur dasselbe wie die Volume-Einstellung.
Bei der Solo-Voice „Celtia“ trifft man noch auf Keyswitches „LA LE LI LO LU“, „NA NE NI NO NU“ und „SA SE SI SO SU“. Welche der Silben gespielt wird, hängt vom eingestellten Vokal ab. Ist es ein „A“, wären die entsprechenden Silben dann „LA, NA“ und „SA“. Bei der anderen Frauenstimme sind es dann wieder „FA DE DI GO LU“ und auch z.B. „KA FE NI MO NU“ – es besteht hier keine Einheitlichkeit.
Noch mehr Variationen
Weiterhin gibt es noch ganze eingesungene Wörter in zwei unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Welche Silbe des Wortes gespielt wird, hängt dann von der Anschlagsstärke ab. „Jede Silbe eines Wortes wird durch Anschlagstärke ausgelöst. Zum Beispiel Cordum: Niedrige Anschlagstärke: COR. Mittlere Anschlagstärke: DUM. Hohe Anschlagstärke: CORDUM (ganzes Wort)“. Problematisch hierbei ist das Treffen der „mittleren“ Stärke beim live Spielen, da dieser Bereich sehr eng gefasst ist. Zusätzlich dazu gibt es noch Ornamente, wie kleine Träller oder Crescendo, die jeder Stimme eigen sind. Welche Möglichkeiten die einzelnen Stimmen haben, ist der Anleitung im Detail zu entnehmen.
Was noch auffiel
Beim Test fielen mir aber bis auf das o.g. einige Sachen mehr auf. Bei „Medieval Tenor“ gibt es die Einstellung des Legatos von slow auf fast. Zum einen ist der Unterschied nur marginal, zum anderen krankt das Legato, wie das aller Stimmen an seiner Unnatürlichkeit. Schnelle Abfolgen klingen einfach künstlich (auch zu hören in den vom Hersteller produzierten Demos, die meist von einem ganzen Orchester übersättigt sind). Da liegt nicht nur am berüchtigten am MG-Effekt, ich glaube zudem kaum, dass die Legatos tatsächlich „True“ sind, also von Note zu Note und das jeweils bis zu einer Oktave hoch und runter eingesungen worden sind.
Auch sind mir einige Verzerrungen, vornehmlich bei Zischlauten aufgefallen, die schwer zu unterdrücken sind. Hinzu gesellen sich dann noch manche eingesungene Töne, bei denen der Interpret keine ganz saubere Kehle gehabt hat und man deutlichen „Belag“ auf den Stimmbändern hört. Gerade für eine SOLO-Voice Library ein Manko.
Gut gefallen haben mir allerdings die ganzen Soundscapes, obwohl auch hier manchmal mit nur einen Sample auf acht Oktaven gearbeitet wird.