Im Tiefenrausch
Und wieder einmal erreicht uns ein interessantes Modul aus Riga. Erica Synths beglückt uns mit einem Rauschgenerator der Sonderklasse, dem Erica Synths Black Code Source, der auch als Zufallsgenerator, BitCrusher fungiert und sogar tonales Spiel ermöglicht.
Auf den ersten Blick
Das klassische und zeitlose Design suggeriert analoge Technik, doch trifft dies nicht wirklich zu: Der Erica Synths Black Code Source ist digital aufgebaut und bietet natürlich dennoch einige analoge Schnittstellen über Control Voltages. Auffallend sind zudem die beiden Ausgänge: Der Code Source ist in Stereo ausgelegt. Die Bedienung erfolgt über vier große Potis, einen Schalter und drei kleinere Potis, die die Empfindlichkeit der CV-Eingänge regulieren. Das sieht alles sehr übersichtlich aus und dennoch macht sich zu Beginn eine gewisse Ratlosigkeit breit: Was hat es mit den Potis X, Y und S auf sich? Und wo versteckt sich denn der Bitcrusher? Hier hilft nur ein Blick in die Bedienungsanleitung, die in gedruckter Form dem Modul beiliegt. Zwar nur auf Englisch, aber das soll uns nicht weiter stören.
Der technische Überblick
Der Erica Synths Black Code Source basiert auf „complicated calculations of polynomials of various configurations“. Da ich kein Mathematiker bin, hilft mir dies nur begrenzt weiter. Aber soviel können wir daraus ablesen: Im Gegensatz zu einem analogen Rauschgenerator ist dieses Rauschen nur scheinbar zufällig, sondern letzten Endes das Ergebnis komplexer Berechnungen. Werden Letztere variiert, ändert sich der numerische Output, der wiederum für den Klang verantwortlich ist.
Links oben steuert man die Rate, gemeint ist die Sampling Rate. Tiefe Werte sind als einzelne Klicks wahrnehmbar, bei hohen Werten erklingt ein Rauschen. Die Rate kann auch über eine Steuerspannung oder ein Audiosignal gesteuert werden. Die beiden Parameter X und Y definieren je einen von „16 polynomial feedback configuration aspects“. Man kann sich das auch als Fläche mit 256 Punkten vorstellen, deren Koordinaten durch X und Y festgelegt werden. Natürlich auch über CV steuerbar.
Bleibt noch der Parameter S: dieser legt den Startpunkt einer Polynom-Sequenz fest, was insbesondere bei langsamen Rate-Werten relevant sein kann. Wie schon erwähnt, sind alle Parameter spannungssteuerbar, drei davon mit eigenem Abschwächer. Ferner findet sich ein Clock Input zwecks Synchronisation zu einem externen Taktgeber. Schließt man ein Audiosignal an, erhält man eine Art gestimmtes Rauschen.
Die nächste Stufe: Der Code Source Expander
Wem das alles noch nicht komplex genug ist, bekommt in Form des Expanders ein paar interessante Zusatzfunktionen geboten: allen voran ein mit „Autobend“ bezeichneter Glide Effekt, der durch eine eigene Mini-Hüllkurve mit regelbarer Attack gesteuert wird. Im Normalbetrieb wird Autobend bei jeder neuen Zufallsspannung aktiviert. Steht die Rate auf langsamen Werten – sagen wir mal unter 5 Hertz – bekommt man eine Reihe Zufallsspannungen mit Glide. Zusätzlich kann die Hüllkurve auch manuell oder per Steuerspannung getriggert werden.
Praxis und Klang des Erica Synths Black Code Source
Alles schön und gut, doch was lässt sich denn nun wirklich mit diesem Modul anstellen? Der Grundklang des Code Source wirkt sehr digital. Kalt. Und ein bisschen harsch. Die drei DAC-Grundmodi klingen zwar alle ähnlich, aber unterscheiden sich stark genug, um diesen Schalter zu rechtfertigen. Die beiden Parameter X und Y bieten einen großen Fundus an Klängen; an gewissen Positionen ändert sich das Rauschen schlagartig zu einem tonalen Klang.
Über den Rate-Eingang lässt sich das Modul auch tonal spielen, indes in einer etwas eigenwilligen Skala. Statt 1 Volt pro Oktave gilt hier 1 Volt pro Duodecime (Oktave plus Quarte), was auch seinen Reiz hat:
Der Erica Synths Black Code Source lässt sich auch als eine Art Bitcrusher nutzen. Beim nächsten Klangbeispiel habe ich den Ausgang eines monophonen Analog-Synthesizers mit dem S-Trig-Eingang des Code Source verbunden, ehe das Signal durch einen VCA geleitet wird.
Zufälle aller Art sind das Hauptmetier des Code Source. Im folgenden Beispiel steuert der linke Ausgang des Erica Synths Black Code Source die Pulsbreite eines Pittsburgh Oszillators und der rechte die Filter Cutoff, während der AutoBend Ausgang mit der Tonhöhe gekoppelt ist. Manuelle Modulation der Rate, Oszillator-Frequenz und Filter Cutoff.
Der Erica Synths Black Code Source eignet sich auch, um zufällige Sequenzen zu generieren, beispielsweise um die Tonhöhe und Cutoff eines monophonen Synthesizers zu steuern. Das Filter ist selbstoszillierend.
Faszinierendes Modul. Auch wenn die Sound-Demos mich jetzt nicht grade ästhetisch ansprechen, kann ich mir dadurch von den Möglichkeiten ein ganz gutes Bild machen. Es animiert mich direkt, mehr mit meinem Doepfer A-117 Digital Noise zu experimentieren (das natürlich längst nicht so üppig ausgestattet ist)…
mir haben die soundbeispiele gut gefallen. schöner test herr andersson.
Ich finde es wichtig und ungemein inspirierend, auch als fortgeschrittener Benutzer eine Art Zaubermodul im Rack zu haben, wo man eigentlich gar nicht so recht weiss, was da eigentlich abgeht. Beste Vorraussetzungen für Happy Accidents. Erica Synths beweist mal wieder Mut zur Lücke (wie eigentlich alle 18er Module).
@swellkoerper Zeitmaschine voraus: Interessanterweise lässt sich heute, Anfang 2025, das Modul-Duo seit etwa zwei Jahren quasi kostenlos erwerben. Es sind die beiden Module, die noch im Rahmen der Erica Synths-Action „Music for Peace“ verkauft werden. Heißt: kauft man es direkt bei Hersteller, leitet dieser den gezahlten Preis (abzüglich VAT) vollständig und direkt an die humanitäre Hilfen für die russisch überfallene Ukraine weiter. D.h. Girt und Konsorten verdienten an eben diesen Modulen nichts, zumal diese Module sowieso schon reduziert angeboten wurden. Alles transparent und nachprüfbar. Anfangs war die Palette der für diese Aktion ausgewiesenen Module noch recht breit, aber eben „solange der Vorrat reicht“. Ich habe mich auf diese Weise mit einigen Erica-Modulen versorgt, dabei ganz nebenbei Gutes getan. Auch nicht verkehrt.