Nicht günstig – preiswert!
Focusrite hat einen exzellenten Ruf, wenn es um Audiointerfaces geht. Der Hersteller hat in diesem Segment viele verschiedene Produkte für alle Aufgabenbereiche im Programm. Mit dem Focusrite Clarett+ 8Pre bietet Focusrite ein interessantes und leistungsfähiges USB 2.0 Interface an, das sich gleichermaßen für das Homerecording wie auch die professionelle Studioarbeit eignet. Wir haben uns das Interface näher angeschaut.
Focusrite
Focusrite schaut auf eine lange und ruhmreiche Historie zurück. Die Marke ist dabei nur eine von vielen Marken der Focusrite Group, zu der unter anderem Adam Audio, Focusrite Pro, Sequential, Martin Audio und Novation gehören. Gegründet wurde Focusrite im Jahr 1985 von keinem geringeren als Rupert Neve. Outboard-Equipment wie Vorverstärker, Equalizer, aber auch Mischpulte gehörten zu den Produkten von Focusrite. Im Jahr 1989 wurde die Firma liquidiert und der Name sowie die Produkte aufgekauft. Bis heute weht allerdings der Geist der legendären Focusrite-Produkte der Neve-Ära.
Als Beispiel sei der Focusrite ISA 110 Vorverstärker genannt, der für die Neve-Konsole von keinem Geringeren als Sir George Martin entworfen wurde. So genießen die auf diesem Design beruhenden ISA-Vorverstärker auch heute einen sehr guten Ruf. Neben diesen Produkten und den Red Studio Interfaces, die unter dem Focusrite Pro Label vertrieben werden, wendet man sich unter dem Focusrite Label mit zwei Audiointerface-Serien an Musiker und Musikproduzenten: Saffire und Clarett+. Die Clarett+ Serie richtet sich an alle, denen erstklassige Audiowerte und eine professionelle Ausstattung wichtig sind.
Was bietet die Focusrite Clarett+ Serie?
Clarett+ baut auf den Interfaces der Vorgängerreihe Clarett USB auf. Mit Clarett+ konnte Focusrite die Audiowerte der schon erstklassigen Ur-Clarett Interfaces noch einmal deutlich verbessern. Die Focusrite Clarett+ Audiointerfaces sind erstklassig verarbeitet und besitzen eine Ausstattung, die sie auch für professionell arbeitende Projektstudios interessant machen. So verfügt selbst das kleinste Interface Clarett+ 2Pre über die gleichen hochwertigen Wandler wie das größte Modell der Reihe und lässt sich über den ADAT-Eingang um acht weitere Eingänge auf insgesamt zehn Eingänge erweitern.
Das mittlere Interface Focusrite Clarett+ 4Pre bringt es insgesamt sogar auf 14 Ein- und acht Ausgänge. Das größte Interface der Reihe ist das Focusrite Clarett+ 8Pre, das im Vollausbau über 18 Ein- und 20 Ausgänge verfügt. Natürlich dürfen bei allen Clarett+ Interfaces auch MIDI Ein- und Ausgänge nicht fehlen. Alle Interfaces werden per USB-C Buchse angeschlossen. Das kleinste Modell lässt sich sogar über den USB-Bus mit Strom versorgen.
Alle Modelle besitzen individuelle A/D- und D/A-Wandler und außerdem die neue Air-Regelung für mehr Transparenz.
Focusrite Clarett+ 8Pre
Das Focusrite Clarett+ 8Pre Audiointerface besitzt eine sehr umfangreiche Ausstattung mit acht Mikrofonvorverstärkern (Combo Mic/Line Anschlüsse). Alle Mikrofonvorverstärker sind mit einer Air-Schaltung ausgestattet, die den Klang des legendären ISA110 Mic-Preamp simulieren soll. Diese Air-Schaltung wird durch eine Impedanzanpassung auf 2,2 Kiloohm und eine Höhenanhebung um bis zu 4 dB erreicht. Die Schaltung ist durch ein Relais gesteuert und sorgt für sehr klare und detailgetreue Aufnahmen. Die Air-Schaltung kann pro Kanal einzeln geschaltet werden.
Die Kanäle 1 und 2 besitzen außerdem Instrumenteneingänge für Akustikgitarre, E-Bass oder E-Gitarre. Die Phantomspeisung (+48 Volt) ist in zwei Gruppen (1-4/5-8) schaltbar.
Jeder Eingangskanal ist mit Gain-Reglern ausgestattet, die maximale Verstärkung liegt bei +57 dB. Die Dynamik für Mikrofon- und Line-Pegel wird von Focusrite mit 118 dB. Der Pegel wird über 10 jeweils sechsgliedrige LED-Ketten angezeigt. Ein Monitorregler ist für den Pegel angeschlossener Studiomonitore zuständig, während zwei weitere Regler die beiden Kopfhöreranschlüsse bedienen. Besonders freut mich der hohe Pegel, den die Kopfhörerverstärker ermöglichen und der auch den Betrieb meines Beyerdynamic DT770 Pro mit 250 Ohm gestattet. Das ist bei Audiointerfaces nicht selbstverständlich. Für die Monitore stehen außerdem eine Mute- und Dim-Funktion zur Verfügung, die auch per Software fernsteuerbar sind.
Ein Blick auf die Rückseite offenbart nicht nur die Combo-Anschlüsse für die Eingänge 3-8, sondern auch 10 Line-Ausgänge, von denen die Ausgänge 1-2 für die Monitore bestimmt sind. Ein Wordclock-Ausgang gestattet die Synchronisation weiterer Digitalgeräte. Möchte man das Focusrite Clarett+ 8Pre um weitere Ein- und Ausgänge erweitern, geschieht dies über die ADAT I/Os auf der Rückseite. Zwei weitere Ein- und Ausgänge finden wir in Form der S/PDIF-Schnittstelle. MIDI-Keyboards finden über zwei MIDI DIN-Buchsen Anschluss (MIDI IN/MIDI OUT).
Den professionellen Anspruch des Focusrite Clarett+ 8Pre signalisiert auch das integrierte Netzteil. Anschluss an den Computer findet das Interface per USB-C-Anschluss. Passende Kabel für USB-C und USB-A liegen bei.
Noch ein Wort zur Verarbeitung: Das recht große Metallgehäuse sorgt für ein ordentliches Gewicht von knapp 4 kg. Das schicke rote Design ist ein Blickfang im Studio. Alles ist super verarbeitet, nichts wackelt und alle Regler laufen sauber. Die Druckschalter haben einen ordentlichen Druckpunkt und rasten sauber und knackfrei ein.
Focusrite Control Software
Möchte man das Interface sinnvoll im Studio nutzen, gehört die Software Focusrite Control auf den Computer. Diese liegt neuerdings auch für Apple Silicon Macs nativ vor. Mit Hilfe dieser Software lässt sich das Interface konfigurieren und auf das integrierte Mischpult zugreifen.
Acht analoge Eingänge, die acht digitalen ADAT-Eingänge, der Stereo S/PDIF-Eingang sowie die per USB ankommenden DAW-Spuren werden auf virtuellen Mix-Bussen zusammengeführt und einerseits per USB an die DAW gesendet, andererseits auf die Monitor-Ausgänge, Line-Ausgänge, ADAT-Ausgänge sowie den S/PDIF-Ausgang. Das integrierte Mischpult ist bei 176,4 und 192 kHz deaktiviert.
Die Software stellt alle Ein- und Ausgänge übersichtlich dar. Alle Ausgänge sind auf der linken Bildschirmseite vertikal aufgeführt. Die Hardware-Eingänge nehmen den oberen rechten Teil des Fensters ein, während sich darunter die Software-Playback-Kanäle befinden. Das Mischpult lässt sich recht frei konfigurieren, Ein- und Ausgänge können hinzugefügt oder entfernt werden. Auch das Direct-Monitoring wird über Focusrite Control gesteuert. Alle Ein- und Ausgänge lassen sich benennen.
Ein Dropdown-Menü für jeden Hardware-Ausgang ermöglicht die Auswahl des Eingangs: Playback, Hardware Input, Custom Mix. Wählt man hier Custom Mix, ist das integrierte Mischpult aktiv und ein dort erstellter Mix aus allen verfügbaren Eingängen (Software wie Hardware) kann über einen Ausgang nach außen geleitet werden. Für jeden Hardware-Ausgang lässt sich zudem festlegen, ob zwei Ausgänge gemeinsam zu einem Stereokanal gekoppelt werden oder als Monoausgänge arbeiten sollen. Außerdem besitzen alle Hardware-Ausgänge eine eigene Mute-Funktion.
Mit dem Mischpult auf der rechten Seite können nun für jeden einzelnen Ausgang separate Mischungen erstellt werden. Das ist besonders dann sinnvoll, wenn mehrere Musiker gleichzeitig aufgenommen werden sollen und jeweils eigene Kopfhörermischungen benötigen.
Zu beachten ist dabei, dass maximal 18 Eingänge geroutet werden können, obwohl prinzipiell 18 physikalische Eingänge plus 20 Software-Eingänge zur Auswahl stehen. Aus diesen Kanälen lässt sich also maximal ein Mischpult mit 18 Eingangskanälen zusammenstellen. Weiterhin stellt die eingestellte Sampling-Rate eine Limitierung dar, wenn sie 48 kHz überschreitet. Bei 88,2 bis 96 kHz werden die ADAT-Eingänge auf vier reduziert, bei 176,4 bis 192 kHz fallen sie ganz weg.
Focusrite Control verfügt über einige nützliche Presets, die häufig genutzte Konfiguration voreinstellen. So wird beim Direct-Routing zum Beispiel eine Direktverbindung zwischen den Software-Eingängen und den physikalischen Ausgängen des Focusrite Clarett+ 8Pre hergestellt. Das ist zum Beispiel dann sinnvoll, wenn entweder Ausgänge analog summiert (siehe Workshop) oder aber im Live-Einsatz Software-Instrumente auf Einzelausgängen ausgegeben werden sollen.
Die Mischpulteinstellungen bleiben auch nach dem Ausschalten des Mischpults erhalten. So kann man das Interface sogar ohne Computer nutzen, zum Beispiel als Keyboard-Mischer auf der Bühne.
Interessant ist auch die Snapshot-Funktion, mit dem sich die aktuelle Mischpult-Einstellung auf dem Computer speichern lässt.
Über die Input-Setting-Seite lassen sich die Kanäle 1 und 2 zwischen Line- und Instrumentenpegel umschalten. Außerdem findet man dort für jeden physikalischen Eingangskanal die bereits angesprochene Air-Schaltung. Aktiviert man hier einen der Schalter, spiegelt das Focusrite Clarett+ 8Pre dies über eine leuchtende LED für die jeweilige Funktion und den zugehörigen Kanal wider.
Interessant ist noch, dass man dem Monitorregler auf der Front (inkl. DIM und MUTE) weitere physikalische Ausgänge zuweisen kann (zusätzlich zu den Ausgängen 1 und 2). Das ist insbesondere dann sinnvoll, wenn mit einem Surround-Setup gearbeitet wird.
Wird die Focusrite Control App aus dem Apple App Store geladen, kann eine auf dem Computer geöffnete Focusrite Control über das iPad ferngesteuert werden. Dazu sucht das iPad nach einer geöffneten Focusrite Control mit angeschlossenem Interface im lokalen Netzwerk.
Messungen
Die Messungen belegen die durchweg hervorragenden Audiowerte des Focusrite Clarett+ 8Pre. Der Frequenzgang ist bei jeder Abtastrate hervorragend linear mit minimalsten Abweichungen von der Ideallinie. Dies gilt für den Mic-, Line- und Instrumenten-Eingang gleichermaßen. Hervorragend sind auch die Werte für Verzerrungen und die maximale Dynamik. Der Hersteller Focusrite wird hier also seinem Anspruch gerecht, ein für die Preisklasse hochwertiges Interface mit exzellenten Wandlern anzubieten.
Sehr gut sind auch die minimalen Latenzwerte, die sich mit dem Interface erreichen lassen: Ableton nennt bei 48 kHz eine Eingangslatenz von 3,82 ms, eine Ausgangslatenz von 4,35 ms und eine Roundtrip-Latenz von 8,27 ms bei einer Puffergröße von 32 Samples. Bei 128 Samples liegt die Roundtrip-Latenz bei immer noch guten 11,6 ms. Bei 192 kHz sinkt die Roundtrip-Latenz bei einem minimalen Puffer von 64 Samples auf 6,92 ms. Das sind allesamt sehr gute Werte, die beste Voraussetzungen für das Spiel von Software-Instrumenten bieten.
Software-Paket Hitmaker Expansion
Mehr als eine der üblichen Freeware-Beigaben ist die Hitmaker Expansion, die sich Neukunden kostenlos von der Focusrite-Seite herunterladen können. Das Paket erhält alles, was man für das Produzieren benötigt: Software-Instrumente wie Addictive Keys und Addictive Drums 2 von XLN-Audio, den bx-oberhausen Polysynth von Brainworx, die Marshall Amp-Simulation eines JCM800 von Softube, den Relab LX480 Reverb, Antares Auto-Tune Access, bx_console Focusrite SC, die Red 2 & 3 Plug-in Suite und für das abschließende Mastering bx_masterdesk.
Praxis
Das Focusrite Clarett+ 8Pre macht Spaß. Die sehr rauschfreien Preamps und die Air-Schaltung sorgen für sehr gute Aufnahmen und heben sich deutlich von vielen günstigeren Interfaces ab. Ich habe für euch mal eine kleine Vergleichsaufnahme mit einem Neumann KMS104 Plus Mikrofon gemacht. Ihr hört dabei zunächst den Mic-Preamp des Focusrite Clarett+ 8Pre knapp unter Vollaussteuerung ohne Air-Schaltung, dann mit Air-Schaltung. Im Anschluss hört ihr den Mic Preamp vom Behringer X32, ebenfalls kurz vor Vollaussteuerung. Obwohl weder das Meter am Behringer X32 noch das in Ableton Live Übersteuerungen signalisieren, hört man beim X32 ein sehr leichtes Clipping. Das Signal wirkt außerdem etwas undurchsichtiger. Eine ähnliche Erfahrung habe ich mit vielen anderen Interfaces der Preisklasse bis 500,- Euro gemacht. Doch urteilt selbst und schreibt eure Meinung gerne in die Kommentare.
Danke für den Test. Ich interessieren mich schon eine Weile für das »Clarette«-Interface von Focusrite (jetzt halt als Plus-Version). Spannend wäre für mich noch die Info, wo denn eigentlich der genaue Unterschied zwischen dem günstigeren »Scarlett 18i20 3rd Gen« und dem hier vorgestellten Interface liegt. Vergleicht man die technischen Werte, findet man nicht viele Unterschiede.
Ich persönlich benötige eigentlich gar nicht so viele Mikrofon-Vorverstärker. Maximal zwei würden für mich ausreichen. Deswegen habe ich meinen Blick auch streng auf das »Ferrofish Pulse 16« gerichtet, welches gar keine Mikrofon-Vorverstärker bietet, dafür aber gleich 16 Ein- und 16 Ausgänge. Das zusammen mit dem RME ADAT-Adapter »Digiface USB« wäre es eigentlich (wenn auch ein wenig teurer) … nur ist das RME-Interface auf absehbare Zeit nicht lieferbar.
Also wird es bei mir vermutlich dann doch das »Clarette+ 8Pre« und dann später noch einmal ein gebrauchtes »Octo Pre«, auch von Focusrite, um dann 16 I/Os zu haben (an dieser Stelle ein fettes Lächeln an Ricky Tinez – auch wenn er das hier nicht lesen wird – der das genau so in seinem Setup hat und mich auf die Idee brachte). Das alles dann einer Patchbay … ja, doch, das wäre es!
@Flowwater Die Lösung von Ricky gefällt mir. Sowieso ein angenehm smarter Zeitgenosse im Gegensatz zu einigen echten Nervensägen auf diesem Gebiet. Und Focusrite macht seit längerem wieder richtig gute Sachen.
Danke für den schönen Test Markus. Was die Qualität betrifft, deckt sich das mit meinen Erwartungen :-)
Ich habe noch ein Focusrite Saffire Pro 40 (quasi der Vor-vorgänger mit Thunderbolt statt USB-C) im Einsatz, allerdings nur als Mischer/Abhörmodul (selbst mit Adaptern läuft das alte Interface nicht am M1 MacMini).
Ich schwanke bei der Neuanschaffung noch zwischen Focusrite und Audient.
@Ralph Schloter Das Pro40 ist spitze und läuft unter Windows 11 mit Firewire oder Thunderbolt+Adapter. Es kann auch Standalone oder als ADAT-Erweiterung konfiguriert werden und die Einstellungen sind dann fix im Gerät speicherbar. M1 Macs können leider nix mehr damit anfangen, umso besser für die zahlreichen anderen User. ;)
Das witzige daran ist ja, daß man zwei Pro40er miteinander verbinden kann, wodurch sich alle Eingänge verdoppeln.
Deswegen habe ich vier von den Dingern.
Kriegt man heute für 120€.
@Ralph Schloter „Saffire Pro 40…selbst mit Adaptern läuft das alte Interface nicht am M1 MacMini“
das ist aber schon dünn. Habe mehreren Usern sogar bei Firewire Interfaces (noch ein Adapter mehr) zu funktionierenden Lösungen an M1 geholfen. Das Problem liegt eindeutig am Focusrite Treiber.
Danke für den Test.
Mich hätte auch eine kurze Einschätzung zum Qualitätsunterschied zur Scarlett Serie interessiert.
Die sehen ja äußerlich nahezu identisch aus.
@0gravity Dazu müsste man aber beide zum Vergleich vorliegen haben. Es hat schon sehr lange gedauert, dieses Interface zu bekommen.
Hallo. Kann man das Gerät auch standalone verwenden also als reine Preamp-ADAT Erweiterung? Oder muss das Gerät an den Computer angeschlossen sein?