Der wiedergeborene Klassiker mit Goldtop
Zugegeben: Würde ich jemals in die Versuchung geraten, mir eine Gibson Les Paul legen zu wollen, dann müsste sie schon ein Gold-Top haben! Diese Meinung ist natürlich sehr subjektiv, vielen gefällt etwa ein Sunburst-Finish oder eine pechschwarze Lackierung besser, mir persönlich sagt diese schlichte und doch irgendwie sehr edel wirkende Optik an einer Paula jedoch am meisten zu. Seit den 50er Jahren des vergangenen Jahrtausends lackiert Gibson seinen ewigen Dauerbrenner mit diesem Lack und genau auf Basis dieser Epoche entspringt die Gibson Les Paul Standard 50s GT E-Gitarre, wie der Name unschwer erkennen lässt. Aktuell fällt der US-Hersteller ja mit seinen Rechtsstreitigkeiten eher negativ in der Szene auf, umso interessanter ist es daher, ob sie das Gitarrenbauen nicht verlernt haben und was man aktuell von einer US-Paula zu einem stattlichen Preis von immerhin über 2000,- Euro erwarten darf. Machen wir den Test!
Gibson Les Paul Standard 50s GT – Facts & Features
Die Zutaten sind unverändert – auf einen Mahagoniblock wurde eine Ahorndecke aufgesetzt und dann mit einem Hochglanz-Nitrolack versiegelt. In den 50er Jahren war ein mit Kammern versehener Korpus noch kein Thema und so ist es auch mit dieser Replika, was ein dementsprechendes Gewicht mit sich bringt. Sackschwer ist sie also, die neue Gibson Les Paul Standard 50s GT, das bemerkt man bereits beim Anheben des Luxuskoffers, in dem die Gitarre ausgeliefert wird. Der Lack wurde rundherum sauber aufgetragen, das betrifft auch die Rückseite des Halses, jedoch kann hier bezüglich des gefürchteten Anklebens Entwarnung gegeben werden: auch bei feuchter Greifhand ist kein nennenswerter Widerstand beim Bespielen spürbar.
Palisandergriffbrett mit sauberer Bundierung
Das cremefarbene Binding am Rand der Decke setzt zusammen mit den ebenfalls in Creme gehaltenen Kunststoffteilen, wie etwa dem Pickguard und den Rahmen der Pickups, einen schönen Akzent. Und natürlich finden wir am Rand des Griffbretts eine Fortsetzung in Creme, hier umschließt ein Bindig wie gewohnt die Kanten der Medium-Jumbo-Bünde, die allesamt sauber und akkurat in ein Griffbrett aus stark gemasertem Palisander eingesetzt wurden. Die Oberflächen der Bundstäbchen wurden ebenso sorgfältig poliert, nichts schabt oder reibt in irgendeiner Form auffällig.
Typisch für die klassische Paula sind auch die fetten Perlmutt-Inlays anstelle von schmächtigen Dots, sie machen sich gut auf dem intensiv gemaserten Palisander. Ebenfalls nichts zu bemängeln gibt es beim Sattel, der von Graph Tech stammt. An dieser Stelle gab es bei Gibson selbst in dieser Preisklasse ja schon öfter mal einen Ausrutscher in Form von nicht ganz bündig eingesetzten Sätteln. Hier ist aber alles in bester Ordnung.
Hardware & Elektronik der 50s GT Paula
In guter Verfassung präsentiert sich die Hardware der Gibson Les Paul Standard 50s GT. Dazu zählt die ABR-1 Tune-o-Matic Bridge, das obligatorische Tailpiece sowie die Mechaniken an der Kopfplatte. Alle Parts haben eine fette Chromschicht abbekommen, selbst der aggressivste Typ Handschweiß dürfte für auf der Brücke und dem Tailpiece für eine sehr lange Zeit keine bleibenden Spuren hinterlassen. Die Tuner wiederum überzeugen mit einem sehr präzisen Lauf ohne jegliches Spiel, was das Stimmen somit schnell und problemlos geschehen lässt. Auch das Halten der Stimmung fällt ihnen nicht schwer, während der Testphase musste ich das Instrument nur sehr selten nachstimmen und wenn überhaupt, dann ging es nur um wenige Cent auf dem Stimmgerät.
Ein ähnlich gutes Bild hinterlässt der Pickup-Wahlschalter, er rastet satt in seinen drei Positionen ein und besitzt kein fühlbares Spiel auf seiner Achse. Ganz wichtig für ein Stück Hardware, das ja als meistbenutztes Teil einer E-Gitarre praktisch unter Dauerstress steht. Dagegen hinterlassen die vier Potis keinen ganz so positiven Eindruck, denn sie wackeln spürbar. Da die beiden verbauten Burstbucker Tonabnehmer keine Singlecoil-Option bieten, so etwas war eben in den 50ern noch nicht angesagt, kann man auch hier nichts anheben oder drücken, obwohl man es aufgrund des besagten Wackelns der Regler zunächst vermuten könnte.
Aufgesetzt wurden Knöpfe aus goldgefärbtem Kunststoff – griffig ist zwar etwas anderes, aber was toleriert man nicht alles für eine stimmige Optik. Die Schaltung ist die altbewährte, beide Tonabnehmer besitzen je einen Regler für Volume und Tone, das war es dann aber auch schon mit den Möglichkeiten.
In der Praxis
Akustischer Grundsound und Handling
Einer der Gründe, warum ich mich noch nie für eine Les Paul entscheiden konnte, ist sicherlich das hohe Gewicht. Auch die Gibson Les Paul Standard 50s GT macht da keine Ausnahme, durch den nicht gekammerten Korpus drückt die Gitarre schon ordentlich auf den Schoß bzw. an den Schultern des Spielers. Dafür aber erwartet uns der typische Grundsound einer Paula mit ihrem fetten Sustain und – trotz des vielen Mahagonis – zudem mit einem ausgesprochen guten Attack. Angepickte Saiten werden sofort und ohne Umschweife in einen dicken Ton umgesetzt, dem so schnell nicht die Puste ausgeht und der bereits trocken angespielt mit einem mittenbetonten Klang zu überzeugen weiß.
Gibson hielt sich mit der Dicke des Halsprofils schon in den 50ern ganz offensichtlich sehr zurück, denn das „Vintage 50s Neck Profile“ zeigt sich angenehm flach, was zusammen mit der gut eingestellten Saitenlage eine optimale Bespielbarkeit direkt aus dem mitgelieferten Luxuskoffer ergibt. Gut eingestellt war bei unserem Testinstrument auch die Oktavreinheit, selbst vierstimmige Akkorde und Voicings klangen auf der gesamten Länge des Halses stets sauber und rein, von Deadspots gab es weit und breit nichts zu sehen bzw. zu hören.
Elektrischer Sound
Die beiden Burstbucker können diesen Grundsound gut verarbeiten und fügen dem Klang einen drahtigen und bissigen Sound hinzu. Im Low-Gain-Bereich spielen sie eindeutig ihre Stärken aus, also dort, wo sich Blueser und Freunde des Classic-Rocks wohlfühlen. Sie besitzen weiterhin eine ausgesprochen gute Dynamik und zeigen sich weitgehend unbeeindruckt, wenn man das Volume senkt: Frequenzbild und Spielgefühl bleiben auch bei zurückgeregelter Lautstärke stets erhalten, was eine gute Interaktion mit dem angeschlossenen Verstärker verspricht. Dieses gute Bild wandelt sich jedoch leider mit zunehmender Verzerrung ins Negative, denn dann treten Nebengeräusche in Form von Brummen auf. Klingt ja irgendwie auch logisch, denn in den 50ern wusste man noch nichts von verzerrten Amps. Aus diesem Grund sollten Spieler, die es gerne etwas heftiger haben, besser nach einer anderen Paula umschauen. Im sanften Overdrive-Bereich ist der Klang aber wunderbar cremig, schmatzig und genau so, wie man es von einer Les Paul aus dem Hause Gibson erwarten kann. Vor allem für diesen doch recht hohen Preis einer lackierte Standard-Paula.
Klangbeispiele
Für die Klangbeispiele habe ich die Gibson Les Paul Standard 50s GT E-Gitarre an meinen Referenz-Amp Orange Micro Dark angeschlossen. Der war verbunden mit einer 1×12″ Celestion V-30-Box, ehe das Signal mit einem AKG C3000 Mikrofon ohne Hinzunahme von Effekten in Logic aufgenommen wurde. Im Beispiel Gibson Les Paul Standard 50s Leadsound Bridge Pickup.mp3 habe ich bewusst das File am Ende nicht abgeschnitten, um zu demonstrieren, wie stark doch das Brummen bei höheren Gain-Settings auftritt.
Ich weiß, man kann es nicht vergleich etc. etc., aber trotzdem die Frage: Du müsstest doch zeitgleich die Harley Benton SC-550 zuhause gehabt haben. Hält die Harley Benton einigermaßen mit oder sind das Lichtjahre von der einen zur anderen Gitarre?
@dr noetigenfallz Nun, es ist schon noch ein ganz schönes Stück zu ner USA Gibson … aber zu den Epiphones nicht, da würde ich eher bei ner HB zuschlagen.
Die beiden Korpusteile sind überhaupt nicht parallel zur Faser geschnitten. Das schwächt die Klebefuge und wiegt sich garantiert negativ auf das Schwingungsverhalten aus.
Zumindest auf der Rückseite ist auch nix mit „edler Optik“. sieht grausam aus.
Das ist ein offizielles Produktfoto, bei meinem Testmodell sah es ungleich besser aus.
@Stephan Güte Das erklärt natürlich, warum du mit dem Sound so zufrieden warst. Ich bezweifele, dass die Gurke auf dem Produktfoto soundmäßig ebenso gut angekommen wäre.
Merkwürdiges Marketing…
Merkwürdiges Marketing? wie meinst Du das? Etwa, dass wir von Gibson Kohle bekommen, um deren Kram zu promoten?
@Stephan Güte ….ruhig Blut, meint der bestimmt nicht so…..
Aber den Klang einer Gitarre anhand von Fotos zu Beurteilen….Hut ab….Chapeau…..nicht schlecht……Applaus….
@Stephan Güte Ich denke auch, dass er sagen wollte, dass es seltsames Marketing ist, eine offensichtlich schlecht gemachte Gitarre als offizielles Fotomodell zu nutzen. Und dass, wenn du diese zum Test gehabt hättest, es in der Preisklasse bestimmt bemängelt hättest.
@Stephan Güte TheTick123 liegt richtig. Üblichweise sollen Produktfotos ja den allerbesten Eindruck machen, ein gutes Beispiel dafür sind die sehr preiswerten Ibanz-Gitarren. Erstklassige Katalogbilder, mit den realen Klampfen haben die Bilder dann häufig nicht so viel zu tun…
Hier ist es genau umgekehrt, die getestete Gitarre scheint ja soundmäßig mehr als in Ordnung zu sein.
Im Übrigen bin ich mit Verschwörungstheorien bis zum Anschlag verfeindet und ging und gehe überhaupt nicht davon ais, dass hier irgendein Redakteur mit „Kohle von Gibson“ zu wohlwollenden Reviews animiert werden soll. Wir sind doch nicht beim Focus („unschlagbares Wein-Angebot!“).
Bei Gibson haben sie doch gerade sowieso kein Geld, geht alles für oberwichtige Prozesse drauf…
@Hessenlöwe Den Klang kann man natürlich nicht an einem Bild ablesen. Wenn man den Verarbeitungsfehler aber auf die Spitze getrieben hätte, wäre im Werk Hirnholz and Hirnholz geleimt worden, das könnte man auf jeden Fall hören. Hier sind die Fasern immerhin soweit angeschnitten, dass ich eine Beeinträchtigung vermuten würde.
Wie schwer ist sie denn nun, diese Paula, gemessen in kg?
Das hätte mich schon interessiert, denn ich hab mir auch eine zugelegt, und brauchte fünf (!) Anläufe, bis ich die Richtige fand.
Die erste war zu schwer (4,8 kg!), die zweite hatte einen Kratzer (direkt auf der Decke unter dem durchsichtigen Lack), die dritte hatte ein unschön gemasertes Griffbrett und klang matt, und bei der vierten schnarrte die A-Saite trotz genügend hoher Saitenlage.
Bei der fünften hat dann letztendlich alles gepasst – Gewicht 4,5 kg (ja, die 300g Unterschied zu den oben genannten 4,8kg sind enorm spürbar).
Fazit: Nie eine Gibson blind kaufen. Immer mehrere Modelle des gleichen Typs liefern lassen und entsprechend retournieren. Oder gleich ins Geschäft gehen.