Power-Strat für schlanke Geldbeutel
Wenn man sich mal die Mühe macht und unsere Testberichte der letzten Jahre nach den Gitarren und Bässen der Musikhaus Thomann Hausmarke Harley Benton durchforstet, dann kann man nur zu einem Ergebnis kommen: Die Qualität hat sich über die letzte Dekade enorm verbessert. Nicht etwa, dass uns bis dato ausnahmslos Feuerholz zum Testen geliefert wurde, das Preis-Leistungs-Verhältnis war stets sehr solide, insgesamt aber konnte man das Sortiment im Großen und Ganzen aber eher unter die Rubrik „Für Einsteiger“ abheften. Das hat sich aber spürbar geändert, denn schon die letzten Reviews, etwa das der ST-62DLX oder der SC-Custom Active zeigten zwei Gitarren, die es in Sachen Sound und Bespielbarkeit locker mit doppelt so teuren Kandidaten aufnehmen können. Harley Benton mischt den Low-Budget-Markt also kräftig auf und liefert uns heute ein Instrument, das nicht nur erneut jeden Preisrahmen sprengt, sondern zudem auch sehr luxuriös ausgestattet wurde.
Harley Benton Dynamic-HSH FMT – Facts & Features
Verblüffend echt ist die Täuschung einer massiven Ahorndecke auf dem Mahagonikorpus der Harley Benton Dynamic-HSH FMT gelungen. Fast könnte man glauben, es handelt sich um eine massive Riegelahorndecke, denn auch an den Rändern des Korpus setzt sich die Maserung des Holzes unvermindert fort. Illusion gelungen und dazu noch perfekt ausgeführt! Überzeugend wirkt die Verarbeitung der Decke, des Mahagonikorpus und vor allem des Hals-Korpus-Übergangs, der einen wunderbar ergonomischen Schliff abbekommen hat und somit der Greifhand ein müheloses Erreichen aller 24 Bünde des Griffbretts ermöglicht. Unser Testmodell besitzt das dunkelgraue Finish „Charcoal“, erhältlich ist die Gitarre darüber hinaus noch in zwei weiteren Farben: in Bernstein und in schlichtem Naturlook.
Schnell noch ein Blick auf die Rückseite – auch hier zeigt sich alles in bester Ordnung, eine schwarze, sauber aufgetragene Lackschicht schützt den Korpus. Schade nur, dass die Abdeckplatte für das Vibratofach nicht versenkt eingesetzt wurde, ab und an könnte es also hier vermutlich ein wenig klemmen.
Hals und Griffbrett
Obwohl in der Produktbezeichnung der Harley Benton Dynamic-HSH FMT von einem Griffbrett aus Ebenholz die Rede ist, ist das bei unserem Testmodell verwendete Holz definitiv ein anderes. Eine solche Farbe und Zeichnung wie bei dem hier verwendeten Tonholz lässt Rückschlüsse auf den Gebrauch einer dem Palisander nahestehende Art zu, zumal sich Harley Benton bzw. Thomann (als Hersteller) streng an die Vorgaben des Artenschutzabkommens CITES hält. Verblüffend gut wurden die 24 Bünde eingesetzt, abgerichtet und auf ihren Oberflächen ausreichend poliert – da kratzt es weder an den Seiten, noch treten beim Ziehen der Drähte im jetzigen Neuzustand irgendwelche Schabgeräusche auf.
Was bei der Decke noch eine Illusion ist, wird beim Hals im wahrsten Sinne des Wortes „greifbar“. Er ist nämlich massiv aus einem Stück gefertigt, dessen Maserung gar nicht mal so unattraktiv erscheint. Das Profil der Rückseite bezeichnet der Hersteller als „Moden C“, was die Sache schon ganz gut trifft und vor allem Freunde anspruchsvollerer Spieltechniken gefallen dürfte. Aber keine Sorge, bis zum berühmt-berüchtigten Profil der Ibanez Wizard-Hälse ist es doch noch ein gutes Stück, hier gibt es deutlich mehr „Fleisch“ zum Greifen. Die linke Hand findet also einen sehr angenehmen Arbeitsplatz vor, unterstützt durch die satinierte Lackschicht der Halsrückseite, die jedes Ankleben schon im Ansatz erstickt.
Sollte es mal Handlungsbedarf beim Justieren des Halses geben, dann kann das Problem innerhalb von Sekunden erledigt werden. Auch Harley Benton nutzt das ausgelaufene Patent von Music Man und setzt die Halseinstellschraube in Form einer Lochschraube an den Halsfuß der Dynamic-HSH FMT. Somit reicht ein Schraubendreher aus, um hier in kürzester Zeit den Halswinkel zu korrigieren bzw. auf die persönlichen Bedürfnisse anzupassen!
Harley Benton Dynamic-HSH FMT – die Hardware
Vorbei sind anscheinend auch bei Harley Benton die Zeiten, in denen ein Vibratoblock ganz lapidar mit sechs Schrauben auf die Decke geflanscht wurde, denn damit waren Verstimmungen quasi schon vorprogrammiert. Aus diesem Grund hat man sich bei der Dynamic-HSH FMT für ein System mit zwei Bolzen entschieden, was die ganze Sache schon erheblich entspannter gestaltet. Nicht nur, dass sich der Block wesentlich geschmeidiger betätigen lässt, zusammen mit den sechs Klemmmechaniken an der Kopfplatte entsteht auch eine überraschend gute Stimmstabilität. Hinzu kommt der nur eingesteckte Vibratohebel, der sowohl ohne Spiel in seinem Schaft versinkt, als auch aus dem Aktionsradius der rechten Hand verschwindet, sobald seine Performance beendet ist.
Das System unseres Testinstruments war freischwebend eingestellt und ermöglichte Upbendings von ca. einem Halbton. Das ist zwar nicht viel, Stichwort „Dive-Bombs“, reicht aber für viele Einsatzgebiete vollkommen aus. Die Federspannung dazu wurde ideal gewählt, es geht, wie bereits erwähnt, sehr geschmeidig zur Sache!
Harley Benton Dynamic-HSH FMT – die Elektrik
Volles Programm heißt es bei der Pickup-Bestückung der Harley Benton Dynamic-HSH FMT! An Hals und Steg bzw. Vibrato sitzt jeweils ein Humbucker, dazwischen hat ein Singlecoil auf dem schwarzen Pickguard Platz genommen. Die Tonabnehmer stammen von Roswell, einem noch recht jungen asiatischen Hersteller, der als Ausrüster vieler preisgünstiger Gitarren und Bässe gilt. Angewählt wird ganz unkompliziert bzw. klassisch über einen Fünfwegeschalter, je ein Regler für Volume und Tone komplettieren die elektrische Schaltung. Der Schalter kann von seiner Qualität her nicht so ganz überzeugen, die beiden Potis hingegen schon – sie laufen vollkommen frei von Spiel auf ihren Achsen und lassen sich dank der griffigen Knöpfe stets zuverlässig greifen.
Ein Zwischenfazit
So weit unsere genaue Betrachtung der Harley Benton Dynamic-HSH FMT, die mich ehrlich gesagt regelrecht verblüfft hat. Bis hier hin gibt es abgesehen vom fragilen Fünfwegeschalter überhaupt nichts auszusetzen und ich könnte wetten, dass jeder, der diese Gitarre in die Hand nimmt und ein paar Minuten mit ihr verbringt, garantiert auf einen mindestens doppelt so hohen Preis tippen würde. Wie klingen also 249,- Euro? Ab der nächsten Seite erfahren wir es!
249€ sind für eine Harley das preislich höchste was die Thömänner im Prögramm haben. Dafür erwartet man natürlich auch, dass alle sonst üblichen Billigheimer Schwächen ausgebügelt wurden, und das ist wohl hier der Fall. Wer sich also nicht schämt mit einer Harley auf einer Bühne zu erscheinen der kann hier getrost zuschlagen. Ich sag ja immer bevor ich mir was extrem geiles kaufe besorge lerne ich erst mal zu spielen, und das kostet bekanntlich Zeit. Bis man das Level dieser Gitarre überstiegen hat, das kann also dauern. Hätte ich jetzt Bedarf, käme die Harley sicher in die engere Wahl.
Word! Zumal sie optisch wirklich was hergibt – was für Einsteiger durchaus relevant sein kann…
@jeffvienna Zu den Einsteigern zählen sehr viele Menschen im Jugendlichen Alter, und da ist das Aussehen bekanntlich oft mal zuerst das wichtigste.
@jeffvienna Also für so ne Klampfe hätte ich damals zu Beginn meiner Zeit (vorm Krieg …) 2 Wochen aufs Mittagessen verzichtet. Schwachpunkt sind wie gesagt die Pickups, aber bei der guten Substanz lohnt sich ein Austausch 100%!
Ich hab die Gitarre bestellt und am selben Nachmittag zurückgesendet, so schockiert war ich, wie schlecht sie klang. Und ich finde, dass du diesen Umstand bei dieser und auch der „Fusion“ Gitarre nicht richtig einordnest. Ja, das Finish, der Hals, die Einstellung etc ist gut. Aber das eine entscheidende Kriterium muss doch bleiben: Ist das ein schön klingendes Musikinstrument, oder nicht? Den Hinweis darauf, dass man ja neue Tonabnehmer einbauen könne, finde ich nicht so hilfreich, denn was denn genau für welche? Soll man da endlos probieren? So, wie du diese Gitarre bewertest, ist der Umstand, dass sie ganz grauenhaft klingt, nur eine Beobachtung unter vielen – dabei ist es die eine, auf die es ankommt. Es gibt von HB Gitarren, die viel billiger sind und sparsam ausgestattet; ich besitze z.B. die T70- und die Cabronita-Tele, und die klingen saugut, trotz Wilkinson Pickups. Aber diese neuen Luxus-HBs sind klanglich eine Enttäuschung, und ich finde, das muss in einer Rezension, die dem potentiellen Käufer helfen soll, auch balkendick rauskommen.
@chr1stoph Hi chr1stoph,
bei den Bewertungen der Testinstrumente muss man immer auch das Preis-Leistungs-Verhältnis sehen. Ich finde, dass die Gitarre da gut abschneidet, ein wirklich „schön klingendes Instrument“ wirst Du in dieser Preisklasse niemals finden. Und ich bleibe dabei – die Substanz ist gut und hier kann es sich lohnen, mit Pickups zu experimentieren, halt mit den üblichen Verdächtigen von SD und DiMarzio, die es auf dem Gebrauchtmarkt immer sehr günstig gibt.
Gruß :)