Entschleunigung im Pedalformat
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Es begab sich aber zu der Zeit, dass uns der Kollege Axel Ritt am Heiligen Abend im Jahre des Algorithmus 2019 einen Testbericht zu lesen vorgab, dessen Inhalt, dem Licht eines Sternes gleich, aus den Tiefen des Himmels zu uns zu kommen schien, um uns in Verzückung ob des engelsgleichen Klanges jenes blauen Kästchens zu versetzen, dessen Fähigkeit Raum und Zeit zu durchkreuzen er uns zu demonstrieren vermochte. Jedoch fehlte ihm damals, und damit kehre ich zurück ins Diesseits, die Möglichkeit, mehrere Presets zu speichern. Klanglich überzeugte das Walrus Audio Slö schon damals. Anscheinend hat im Hause Walrus jemand heimlich mitgelesen, denn das Update ist da: das Walrus Audio Slöer Ambient Reverb Pedal.
Walrus Audio Slöer Reverb – das ist neu
Was ist also neu am Walrus Audio Slöer Pedal? Slöer ist die Steigerung von Slö, also muss es auch etwas Neues zu vermelden geben. Und tatsächlich ist das Slöer Pedal umfassend überarbeitet und erweitert worden. Auch wenn ich nicht glaube, dass sich die Algorithmen grundlegend geändert haben, werde ich dieses Pedal als neu betrachten, zu groß sind die Unterschiede. Die wichtigsten Neuerungen zum Slöer Pedal fasse ich aber kurz zusammen:
Das Walrus Audio Slöer Reverb Pedal ist, im Gegensatz zum Vorgänger, deutlich gewachsen, was auch an der nun möglichen Stereonutzung liegen dürfte, bei der zwei Buchsen mehr unterzubringen sind. Richtig gelesen, das Pedal kann jetzt auch True-Stereo! Natürlich ist es auch Mono weiter nutzbar, kann aber ebenso in Mono angesteuert werden und Stereo ausgeben. Zwei neue Hall-Algorithmen sind ebenfalls an Bord, zusätzlich erweitert ein Kippschalter die Breite des Stereosignals in drei Schritten. Die Anzahl der Modulationen wurde ebenfalls von drei auf nun fünf neue Schwingungsformen erhöht.
Die wohl spektakulärste und anwenderfreundlichste Neuerung ist die Speicherbarkeit von insgesamt drei Presets, die man durch gleichzeitiges Drücken bzw. Treten der beiden Fußtaster der Reihe nach aufrufen kann. Dazu später mehr.
Der Aufbau des Walrus Audio Slöer Hall-Pedals
Das deutlich gewachsene Gehäuse, das im stabilen Gussform-Design daher kommt, bekommt man wahlweise in klassischem Schwarz oder, wie hier im Test, in Blau. Technisch sind beide Pedale identisch. Mit den Abmessungen von ca. 11,6 x 9,2 x 5,8 cm ist das Pedal noch kein Riese. Alle Anschlussbuchsen befinden sich dankenswerterweise an der Stirnseite des Pedals, dazu gehört, neben den vier Audioein- und -ausgängen im Klinkenformat, noch die Netzteilbuchse, die nach einem 9 V Netzteil mit mindestens 100 mA verlangt.
Auf der Oberfläche des Walrus Audio Slöer finden wir fünf Drehregler, von denen drei jeweils eine Doppelfunktion haben. Ist das beim Drehschalter für die fünf Modes noch optisch deutlich gemacht, indem in Klammern hinter dem jeweiligen Mode eine Schwingungsform aufgedruckt ist, muss man bei den beiden anderen Reglern raten. Oder man liest die Bedienungsanleitung, die im Falle eines solch komplexen Pedals sowieso anzuraten und zudem äußerst informativ ist. Die beiden Regler für Decay (Länge des Halls) und Filter (Klangcharakteristik des Hallfahne) sind Einzelkämpfer, der Regler Depth, der die Stärke der Modulation des Hallsignals regelt („… from no modulation to nightmare“ ^^), wartet mit einer Doppelfunktion auf. Bei gedrücktem Bypass-Schalter fungiert er als Rate-Regler, regelt also die Geschwindigkeit der Modulation. Der Mix-Regler, der als eigentliche Aufgabe den Mix aus Original- und Effektsignal herstellt, darf im Zweitjob die Position des Effektes im Stereobild bestimmen.
Bleiben noch die beiden Slider zu erklären. Der schlicht mit „x“ bezeichnete obere der beiden Schieberegler hat, je nach gewähltem Hall-Algorithmus, eine andere Funktion. Die Erklärung folgt gleich, wenn ich auf die einzelnen Algorithmen eingehe. Der Stretch-Slider verringert die Sample-Rate des Prozessors und erzeugt damit einen längeren Hall, der an Brillanz verliert und Artefakte erzeugt, was das Klangbild organischer werden lässt.
Die beiden Fußtaster dienen dem Ein- und Ausschalten des Walrus Audio Slöer (Bypass) und der Sustain-Funktion, die, ähnlich wie das Sustain-Pedal am Keyboard, das Effektsignal auf gleichem Level hält und einen Klangteppich erzeugt. Eine helle, weiße LED gibt Auskunft über den Bypass-Zustand, die LED am Sustain-Taster leuchtet lila, wenn Parameter verstellt wurden. Tritt man beide Taster gleichzeitig, was aufgrund des recht großen Abstandes schon mal ins Auge gehen kann, ruft man der Reihe nach die drei frei programmierbaren Presets auf. Die LED ändert ihre Farbe dann von grün, über blau zu rot. Ab Werk sind folgende Sounds programmiert:
ROT – Dream Mode // Sine Wave
GRÜN – Rain Mode // Sine Wave
BLAU – Light Mode // Sine Wave
Das Speichern eines Presets ist einfach. Hat man beispielsweise das rote Preset bearbeitet, leuchtet die LED nun lila. Durch langanhaltenden Druck auf beide Taster bis zum Blinken beider LEDs speichert man die Änderungen am Preset, die LED ist wieder rot. Prima.
Die Hall-Algorithmen des Walrus Ambient Reverb-Pedals
Fünf Hall-Algorithmen bringt das Walrus Audio Slöer Pedal mit. Die Beschreibung der Eigenschaften und die Funktion des X-Reglers sollen einen Einblick in die Fähigkeiten des Pedals geben.
- DREAM – Ein fettes Hallsignal mit der Möglichkeit, mittels des Sustain-Tasters ein Pad zu erzeugen. Der x-Regler fügt dem Effektsignal ein Vibrato hinzu. Der Sustain-Taster fungiert hier im „Latch Mode“, das heißt, beim ersten Antippen aktiviert man die Hold-Funktion, beim erneuten Antippen erlischt das Effektsignal. Super geeignet, wenn man sich selbst ein Akkord-Pad bastelt, um darüber zu spielen.
- LIGHT – Ein Hall mit viel Brightness, per x-Fader kann ein Shimmer eine Oktave über dem Originalsignal hinzugefügt werden. Ein sphärischer Sound.
- RAIN – Mir fällt kein besserer Begriff ein, als die Beschreibung von der Homepage: „Tappy and trippy“. Ein Echoeffekt, der durch Verzögerung und dichten Hall erzeugt wird. Mit dem x-Fader kann die Verzögerung eingestellt werden.
- DARK – Analog zum „Light“-Algorithmus kommt hier die tiefere Oktave zum Einsatz. Ergebnis ist dann eher Alptraum statt Sphäre. Auch hier dient der x-Fader zur Zumischung der Oktave.
- RISE – Ein Swell-Effekt, dessen Anstiegszeit mit dem x-Fader eingestellt wird. Das wohl entspannendste Soundgebilde, hier kann man im Zen-Land schlummern und einfach verdammt viel Zeit verbringen. Da spreche ich jetzt schon mal aus meiner (noch sehr kurzen) Erfahrung. Der Hersteller empfiehlt, diesen Algorithmus VOR dem Amp zu platzieren. Das ergibt auch Sinn, denn so kann die Einschwingphase so richtig ausgemolken werden.
Die Modulationen des Walrus Hall-Pedals
Um die Modulation des Effektes einzustellen, kommt die 2nd-Funktion des Mode-Drehschalters zum Zuge. Die Bypass-LED blinkt in der Geschwindigkeit der Modulation, diese kann per Depth-Regler angepasst werden. Auch hier stehen fünf verschiedene Schwingungsformen zur Verfügung, im Einzelnen sind das:
- SINE – Der klassische Modulationseffekt, bekannt aus Funk, Fernsehen und dem Chorus-Pedal
- WARP – Nix Enterprise, auch keine Kurvensimulation von Counselor Deanna Troi. Das klingt eher wie eine verbogene Schallplatte, die Tonhöhe wird dabei unsymmetrisch leicht nach oben moduliert.
- SINK – Wie Warp, nur andersrum. Am ehesten vergleichbar mit einem Bigsby-Schimmern
- SQUARE – Diesmal komplett symmetrisch, knallharte Rechteckschwingung.
- RANDOM – Macht, was es will. Chaos pur, macht vor allem mit dem Sustain-Taster Spaß.
Sonstige Features des Walrus Audio Slöer Pedals
Die Frage aller Fragen lautet: Was passiert mit dem Sound, wenn ich den Bypass-Treter benutze? Ab Werk erstmal nichts, der klingt schön aus und man kann in Ruhe die Gitarre stimmen und sich ’nen Kaffee holen. Wer einen harten Bypass möchte, also das komplette sofortige Verstummen des Effektsignals, muss während des Einschaltens der Netzversorgung den Bypass-Taster eine Sekunde lang halten, das war’s. Rückgängig gemacht wird der Vorgang auf die gleiche Weise. Nutzen die drei Presets den gleichen Algorithmus, ist sogar ein Spillover beim Preset-Wechsel vorgesehen, das heißt, der Effekt klingt ins neue Preset über.
Ein kleines Gimmick haben sich die Entwickler noch ausgedacht. Der Bypass-Taster schaltet beim einfachen Treten den Effekt hinzu oder aus. Hält man aber den Taster gedrückt, ist der Effekt nur für die Dauer des Drucks aktiv und verschwindet mit dem Loslassen. Das nennt sich „Smart Bypass“ und ist wunderbar geeignet, wenn man nur mal kurz eine kleine Textur erzeugen möchte.
Bei all den Features, die das Walrus Audio Slöer bietet, hätte ich mir manchmal einen Editor für den Rechner oder das Smartphone gewünscht. Eventide zum Beispiel bietet einen Editor an, die Pedale von TC Electronics können per Toneprint mit dem Smartphone kommunizieren. Das erleichtert die Arbeit ungemein. Ob die Architektur des Pedals so etwas zulässt, kann ich nicht beurteilen, ein Loch für ein USB-Kabel wäre aber schnell gedengelt.
So klingt das Walrus Audio Slöer Ambient Reverb-Pedal
Genug der technischen Schweinereien. Was uns am meisten interessiert, ist doch, ob so eine Kiste klingt. Und wenn ja, warum nicht. Und umgekehrt. Also hören wir mal rein, ihr hört zunächst die drei Werks-Presets, die ich nach nächtelangem Spielen mit dem Pedal per Factory-Reset wiederhergestellt habe. Basis des Sounds ist der Kemper mit dem Profile eines Morgan AC20, die Gitarre ist meine Charvel Marco Sfogli Signature. Tut euch selbst eine Gefallen und hört diese Files nicht über einen Smartphone-Speaker.
Wow, oder? Das sind Sphären und meine Gänsehaut tut schon fast weh. Jetzt schraube ich mir ein paar Sounds zusammen und verliere mich etwas in Spielereien. Schon mal ein dickes Sorry dafür. Die Namen der Klangbeispiele geben Auskunft über den verwendeten Algorithmus und die Schwingungsform. Gleich das erste Beispiel verwendet zusätzlich ein Delay aus dem Kemper und nutzt die Sustain-Funktion des Dream-Modes. Um sicherzugehen, dass innerhalb der Effektkette keine Verzerrungen entstehen, wenn sich das Signal aufschaukelt, ist ein Kompressor im Signalweg ganz vorn eine gute Idee.
Zum guten Schluss noch ein bisschen Kontext. Ein Drum- und ein Synthbass-Loop aus Logic und ab geht die Luzie und sticht ihrem Bräutigam das Hattori Hanzo-Schwert in die Rippen …
Sehr gute Klangbeispiele, die erneut verdeutlichen, wie aufgeräumt und doch räumlich und involvierend die Algorithmen vom Walrus Slöer klingen. Wie oft bei der Firma für mich „echter“, „griffiger“ als andere.
Allerdings wieder nur Gitarren Demos, noch keine Standard Files zum Vergleichen (ist das geplant?) und – auch wenn dies ja ein „Ambient Pedal‘ ist und Test ja oft eher plakative Soundbeispiele haben – wieder nur lange Decay Zeiten. Eigentlich könnten sich die Firmen heutzutage einen Decay Regler sparen, ein Schalter mit 80%, 100% und DroneForever würde es auch tun ,)
Von 220€ für das Slö zu 399€ für das Slöer ist auch eine Ansage, aber Preise für Pedale heutzutage… naja….
Ja, da kann ich nur beipflichten: Klangbeispiele abseits von Gitarren wären gerade bei solchen Pedalen (Stereo…) angebracht.
Ich hänge gerne irgendwelche Pedaleffekte an meine alten Synths und Drumcomputer und hätte gerne ein paar Beispiele aus dieser Sparte. Die Idee mit den Standardfiles wäre aus meiner Sicht unbedingt eine Chance zu geben.
@Cavestudioschweiz Ich kenne das mit Standardfiles von https://www.zenproaudio.com/clipalator
und es wäre eine echte Bereicherung, wenn es sowas auch für Pedale gäbe. Deswegen könnten ja immer noch individuelle Files auch dabei sein.
Ich nehme den Zaun auf, mit dem hier gewunken wird 😅
Ich hab das Teil für die Gitarrenredaktion bekommen und deshalb natürlich primär an die Gitarristen gedacht. Aber ja, ein paar Sounds, die ich standardmäßig nutzen könnte, hab ich auch da 😃👌🏼
@Jan Steiger Pedale werden ja heute Instrumenten-übergreifend eingesetzt, ich probiere ein neues auch erstmal mit allem möglichen aus, machen sicher die meisten so. Und es wäre natürlich super, wenn die Standardfiles dann von allen Redakteuren für alle Pedal-Tests benutzt werden. Martin Stimming hatte ja neulich auch angeboten, welche aus dem Synth Bereich zur Verfügung zu stellen. Drum und Vokal Spuren habt ihr sicher auch. Sinn macht es nur so richtig, wenn man damit auch alle getesteten Pedale vergleichen kann – aber es wäre ein Alleinstellungsmerkmal für amazona, so eine Demo-bank zu haben. Abgesehen davon: das Slöer ist echt toll und deine Demos auch!
Danköööö ☺️
Ich geb das mal weiter!
Ist bekannt, ob das Pedal wie so viele Boutique-Reverbpedale auch um den Spin Semiconductor FV1-Chip aufgebaut ist?
@OscSync Slö ist es lt google: https://www.premierguitar.com/gear/reviews/walrus-audio-slotva
Danke Dir! Die Tatsache, dass einige Firmen durchaus essentielle Anteile ihres Portfolios um diesen gar nicht mehr so jungen Chip aufbauen, weckt irgendwie Interesse sich mal genauer mit dem FV-1 zu beschäftigen…..