Die singende Traditional
Das Design von T-Style-Gitarren eröffnet immer wieder Raum für neue Interpretationen, von denen auch die AZS2209H aus der AZ-Baureihe der Japaner eine Menge im Gepäck hat. Hier treffen traditionelle Formen auf moderne Features, wie etwa einen Roasted-Maple-Neck oder eine alternative Schaltung, die von Seymour Duncan Pickups befeuert wird und das Instrument damit noch ein gutes Stück flexibler macht. Alles gut verpackt und unter dem Prestige-Label, was eine hohe Qualität sowohl im Klang als auch bei der Bespielbarkeit verspricht. Schauen wir uns an, wie viel Gene einer klassischen T-Style-Gitarre bei der Ibanez AZS2209H noch übrig geblieben sind und natürlich auch, ob und wie die Japanerin das traditionelle Design neu interpretiert.
Ibanez AZS2209H – Facts & Specs
Meiner Meinung nach ist das Design auf Basis eines der wohl größten Klassikers der Gitarrengeschichte voll gelungen. Die traditionelle Optik wird jedoch durch einige sinnvolle Features ergänzt, dazu gehören vor allem die Fräsungen des aus Esche hergestellten Korpus, die man auf den ersten Blick vielleicht nicht gleich erkennt, aber bei Instrumenten von Ibanez ja auch schon irgendwie gewohnt ist und mehr oder weniger auch erwartet. Genauer gesagt sind das die Bearbeitungen auf der Rückseite rund um den Hals-Korpus-Übergang und der Innenseite des Cutaways, welche die Greifhand beim Spielen in den oberen Lagen bestmöglich unterstützen. Hinzu kommt auch hier wieder die obligatorische „Bierbauchfräsung“ am oberen Rand, mit der sich das Instrument wunderbar an den Körper anschmiegt.
Obwohl das Tonholz Esche eher zu den Leichtgewichten im Instrumentenbau zählt, drückt die Ibanez AZS2209H ein beachtliches Gewicht auf die Waage, was sie zu einem ziemlichen Klotz macht. Klar, es gibt ja auch noch eine Menge Hardware oben drauf, aber das überrascht mich dann doch sehr. Dafür aber balanciert sie ausgewogen auf dem Schoß oder am Gurt und zeigt keinerlei Anzeichen einer Kopflastigkeit.
Die Qualität der Oberfläche des Korpus entspricht vollkommen den Erwartungen, die man an ein Instrument dieser Preisklasse stellen darf. Das Tri-Fade-Burst-Finish verläuft gleichmäßig auf der Vorder- und Rückseite und oben drauf sorgt eine Hochglanzlackschicht sowohl für den Schutz des Holzes als auch für eine strahlende Optik mit Eyecatcher-Effekt.
Roasted Maple Neck und Super All Access Neck Joint
Standard bei den Instrumenten aus der AZ-Serie sind Hälse aus geröstetem Ahorn, auch die Ibanez AZS2209H besitzt einen solchen, der mit vier Schrauben fest im Korpus verankert wurde. Die Wärmebehandlung des Holzes soll nicht nur Stabilität bringen, sondern auch Vorteile beim Klang des Instruments bewirken. Ob das alles so stimmt, sei mal dahingestellt, auf jeden Fall aber wirkt die kaffeebraune Färbung sehr lecker und ergänzt die Optik der Gitarre damit um eine weitere interessante Facette, wie ich finde. Abgesehen von dieser optischen Feinheit wurde sowohl beim Halsprofil als auch beim Radius des aufgeleimten Griffbretts kräftig Hand angelegt, beides variiert auf dem Weg vom ersten Bund bis zur Oktavlage und ermöglicht damit eine noch bequemere Bespielbarkeit.
Dennoch ist das Halsprofil recht kräftig ausgefallen, Spieler klassischer T-Modelle dürften sich an dieser Stelle ganz sicher wundern. Aufgrund der nur mit einer hauchdünnen Satinlackschicht versehenen Halsrückseite bietet sich der Greifhand dennoch ein sehr natürliches Spielgefühl – ohne lästiges Ankleben. Bestnoten verdient auch die Bundierung, alle 22 Edelstahl-Bünde wurden sauber eingesetzt, auf Hochglanz poliert und mit der „Prestige Bundkantenbehandlung“ bearbeitet. Das Ergebnis kann sich wahrlich sehen bzw. fühlen lassen!
Hardware, Tonabnehmer und Schaltung
Sowohl bei der Hardware als auch bei den Tonabnehmern verlässt man sich auf die Erfahrung zweier US-Hersteller. Während Gotoh den Steg und die Klemmmechaniken an der Kopfplatte beisteuert, sorgen Tonabnehmer von Seymour Duncan für die Abnahme des Klangs. Auf einer griffgünstig platzierten, schwungvoll designten Chromblende sitzen die Bedienelemente, die aus einem Volume-Regler, einem Tone-Poti, einem Dreiwegeschalter sowie einem kleinen Minischalter zwischen den Reglern bestehen. Die Schaltung verfügt neben den zu erwartenden Kombinationen aus Hals- und Steg-Pickup eine alternative Schaltung, die durch Umlegen eben dieses Minischalters aktiviert wird. Das folgende Bild zeigt die möglichen Kombinationen des Seymour Duncan Magic Touch Humbuckers am Hals im Zusammenspiel mit dem Alnico II Pro Custom Singlecoil aus gleichem Hause.
Dazu im Original die Beschreibung des Herstellers:
„When the alter switch tilts downward, two hum tap mode is off. When the alter switch tilts upward, two hum tap mode is on. With two hum tap mode disabled: When the pickup selector switch is in neck position, the neck pickup is active. When the switch is in center position, the neck and bridge pickups are active, and the bridge pickup is in parallel. When the switch is in bridge position, the bridge side of the neck and bridge pickups are active. With two hum tap mode enabled: When the pickup selector switch is in neck position, the neck pickup is active. When the switch is in center position, the bridge side of the neck and bridge pickups are active in parallel. When the switch is in bridge position, the bridge pickup is active.“
Eine Menge Möglichkeiten also, die wir jetzt im Praxisteil ausloten werden. Kann sie „Twang“ oder kann sie nicht?
Ibanez AZS2209H – Praxis-Check
Akustischer Grundklang / Handling
Die String-through-Body Saitenführung der Gotoh F1803 Brücke beschert der Ibanez AZS2209H einen kernigen und knackigen Grundklang, der mit einem ebenso gesunden Sustain punkten kann. Das Problem mit dem hohen Gewicht tritt schnell in den Hintergrund, nachdem man die ersten Minuten mit ihr verbracht hat – der fette Sound ist da mehr als ein Trost! Etwas mehr Mühe hätte man sich ab Werk mit dem Setting geben können, denn die Saitenlage ist doch unangenehm hoch, was zusammen mit dem kräftigen Halsprofil für manchen verwöhnten Spieler eine echte Herausforderung darstellen könnte: Das hier ist schlicht und ergreifend das komplette Gegenteil zu den berüchtigten „Flachbrettern“ der RG-Serie aus dem Hause Ibanez. Spieler mit Vorlieben für traditionelle Halsprofile hingegen werden hier bestens bedient.
Elektrischer Sound
Die beiden Seymour Duncans haben keine Mühe, den kräftigen und resonanten Grundklang der Gitarre aufzunehmen und sie mit weiteren Finessen bestückt an den Amp zu liefern. Beeindruckend klingen sie in allen Bereichen, seien es nun glasklare und glockig-warme Cleansounds, mit wunderbarer Dynamik gespickte Crunch-Sounds oder gerne auch Lead-Sounds mit höherer Verzerrung, die beide Pickups mit einem kräftigem Headroom und nahezu frei von Nebengeräuschen abliefern. Und ja, auch den „Twang“ beherrscht die Ibanez AZS2209H und der klingt dank dyna-MIX5 Switching-System sogar noch um einiges fetter als beim Original. Diese zweite Ebene pusht das Instrument auf eine ganz besondere Weise und macht damit einen noch flexibleren Einsatz möglich. Und das ganz ohne Batterie.
Ibanez AZS2209H – Klangbeispiele
Für die folgenden Klangbeispiele habe ich die Ibanez AZS2209H zusammen mit einem Orange Micro Dark Amp betrieben. Der Verstärker wurde verbunden mit einer 1×12″ Celestion Vintage 30 Box, für die Abnahme des Signals wurde ein AKG C3000 Mikro verwendet. Aufgenommen wurden die Tracks in Logic Audio, Effekte wurden keine benutzt.
Danke für diesen schönen und ausführlichen Bericht! Als langjährig begeisterter Tele-Spieler kann auch ich diesem Ibanez-Modell innovative Klangerweiterungen anerkennen (die ich in noch größerer, HSS-bedingter Extraswitch-Vielfalt bereits an meiner Ibanez AZ226 Premium Superstrat kenne und liebe). Auch der elegante Hals-Korpus-Übergang der AZ-Modelle ist großartig.
Ein No-go wäre für mich an obigem Modell jedoch – neben dem sterbenslangweiligen Sunburst-Finish, das aber natürlich Geschmackssache ist – das erwähnte hohe Gewicht. Mir ist meine Fender Standard Tele schon schwer genug. Der Klobigkeit des klassischen Telekorpus konnte ich noch nie viel abgewinnen, eine gute Tele schätze ich jedoch jederzeit für ihren Klang und ihre (für mich) unübertreffliche simple Haptik und Bespielbarkeit.
Zuletzt stieße mir zusätzlich die auffällig unausgewogene Krümmung dieser „schwungvoll“ gestalteten Chromblende auf. Die so tut, als zeichne sie den Korpusrand parallel nach, was sie aber prompt verfehlt: halbe Sache. Schön gedacht, aber kläglich gemacht. (Wie eine schwungvolle Melodie einen Viertelton daneben gesungen im Outro oder Intro, hihi.) Einen solchen Minimurks sähe ich einer billigen Harley Benton nach (und die plump-gerade hingeklatschte Blende klassischer Teles erhebt solche Designansprüche erst gar nicht). Nur eine Kleinigkeit? Klar, aber ein Preis von 2K ist keine solche. ;-) Da erwarte ich Vollendung. Bussi. :-)