Praxis
Schon allein durch den Mahagoni-Body war nicht zu erwarten, dass die Jet King ein Federgewicht sein würde. Aber trotz der noch angenehmen Handhabung ist sie leider vom Gewicht her nicht ganz ausgewogen und neigt im Sitzen zu einer leichten Kopflastigkeit, was sich aber stehend am Gurt kaum bemerkbar macht. Trocken angespielt fällt mir die vom Werk aus eingestellte relativ hohe Saitenlage etwas negativ auf – wobei man auch darüber streiten könnte. Für den einen oder anderen ist das vielleicht genau das Richtige.
Trotz dieser kleinen Startschwierigkeiten bemerke ich nach dem Anspielen der ersten offenen Akkorde, wie meine Stimmung wieder zum Positiven tendiert. Sehr ausgewogen, rund und vor allem lebendig und eigen ist der Sound, der mir unverstärkt entgegen klingt.
Da macht sich der Mix der verschiedenen Komponenten doch bezahlt, soll man meinen. Und mal ehrlich, wer braucht denn heute noch Neuauflagen von Les-Paul– oder Stratocaster-Kopien. Allein durch den Schritt zur Originalität bzw. Eigenständigkeit erhält die Jet King und natürlich Ibanez von mir einen Pluspunkt.
Bei dem obligatorischen Intonationstest musste ich leider feststellen, dass der Hals am zwölften Bund, tiefe E-Saite, einen kleinen „Schlag“ hat. Dies hat zur Folge, dass das E dort gegriffen nicht sauber klingt, sondern vielmehr klirrt. Die Idee, die Saitenlage etwas nach unten zu schrauben sollte man somit wohl ausfallen lassen, denn das würde den Ton komplett ruinieren. Schade eigentlich, den Bund müsste man abrichten, und somit bezweifle ich auch den mit Datum abgestempelten „Quality Inspection, approved by ...“-Aufkleber, der auf dem Schlagbrett klebt. Nach Rücksprache mit Ibanez wurde aber versichert, dass dieses Problem nur am Testinstrument aufgetreten sein sollte. Alle weiteren Instrument der Serie seien in diesem Punkt fehlerfrei verarbeitet, was bei der Ibanez-typischen hohen Verarbeitungsqualität auch zu erwarten ist.
Höhen und Tiefen – es wird sich zeigen, wie die JTK30 sich im Test weiter schlägt. Vom Sound her sind es erst einmal viel mehr die Mitten, die mich überzeugen. Schön kräftig und sehr durchsetzungsstark klingt die Kombination von Single-Coil-Pickup und Mahagoni-Body. Die Single-Coils bringen genug Druck und tranportieren gut den Bass des dichten Holzes– vor allem „matschen“ sie nicht, wie manche zu hochohmigen Humbucker. Und das alles wie bereits erwähnt humfree, also ohne lästiges Single-Coil-Brummen.
Obwohl man die Gitarre vom ersten Eindruck her doch eher dem Britpop-Bereich oder der Hamburger Schule zuordnet, funktioniert sie erstaunlich gut auch in anderen Stilistiken. Ob das jetzt in die Blues-Richtung geht oder in den High-Gain-Bereich, es funktioniert. All das natürlich mit der bereits weiter oben erwähnten eigenen Note.
Auch das Sustain-Verhalten ist positiv zu erwähnen, der Ton klingt sahnig und recht lange. Natürlich kann der geschraubte Maple-Neck diesbezüglich nicht mit einem geleimten Mahagoni-Hals konkurrieren, aber das will er ja auch nicht.