Peavey's Powerhouse für Zuhause
Die so genannten Amps der „Lunchbox-Klasse“ haben sich von einem Trend zum festen Bestandteil der Verstärkerszene gemausert. Kein Wunder, besitzen die kleinen Amps doch mittlerweile alles, was man braucht, um vom Wohn- oder Schlafzimmer über den Proberaum bis hinauf auf die Bühne bestehen zu können. Genügend Leistung, zwei oder noch mehr Kanäle, FX-Loop und oft dazu die Möglichkeit, mittels Speaker-Simulation den Sound ohne angeschlossene Box direkt aufzunehmen, sind überzeugende Gründe, sich für einen dieser Giftzwerge zu entscheiden. Der US-Traditionshersteller Peavey schickt nun ein solches Mini-Top ins Rennen, sozusagen der kleine Bruder des von meinem geschätzten Kollegen Axel Ritt vor einiger Zeit für uns getesteten Invective 120 Head. Der Peavey Invective MH bietet zwar nur 20 Watt an Leistung aus seiner Endstufe mit zwei EL84 Röhren, aber selbst das dürfte für viele Anwendungen vollkommen ausreichen. Vor allem dann, wenn man mit der passenden Box an den Start geht. Die hat Peavey uns in Form der Invective 212 gleich für den Test mitgeliefert und ich habe mir das furiose Duo mal genauer angeschaut bzw. angehört.
Peavey Invective MH – Facts Features
Bei unserem Test-Amp handelt es sich faktisch um den kleinen Bruder des Invective 120 Head, das in Zusammenarbeit mit dem Periphery-Gitarristen Misha Mansoor entstand. Im Gegensatz zu dessen fast schon monströsen Maßen und dem stolzen Gewicht von deutlich über 20 kg kann man den Peavey Invective MH ruhigen Gewissens als Zwerg bezeichnen, der mit der Konfektionsgröße von 185 x 356 x 197 mm und gerade einmal 8 kg sollte das kleine Top fast in jeder Studentenbude seinen Platz finden. Da haut die mitgelieferte Invective 2×12″ Box schon in eine ganz andere Kerbe, satte 26 kg gilt es hier zu stemmen, was zu einem Großteil auf die Konstruktion aus massiver Pinie zurückzuführen ist. Da wäre Peavey sicher gut beraten gewesen, dem Gehäuse seitliche Griffmulden zu spendieren, um die Last beim Transport auf einen der Bandkollegen zu verteilen. So aber muss der Griff auf der Oberseite ausreichen und diese Tragehilfe scheint der hohen Last durchaus gewachsen.
Im Innern verrichten zwei 12″ Celestion Speaker ihren Dienst, jedoch zwei unterschiedliche Modelle: zum einen der klassische Vintage 30 und zum anderen ein Creamback G12H75, die einzeln oder auch im Stereo-Modus betrieben werden können. So weit erst einmal ein paar Worte zur mitgelieferten Box, schauen wir uns aber nun den Invective MH im Detail genauer an.
Vollröhre mit umfangreicher Ausstattung
Die Basis des kleinen Topteils basiert auf einer zweikanaligen Schaltung, die von drei 12AX7 Vorstufen- und zwei EL84 für die Endstufe befeuert wird. Damit die entstehende Wärme gut abgeführt werden kann, besitzt der Invective MH an Vorder- und Rückseite schwarz lackierte Lochgitter, durch die man den Glaskolben bei der Arbeit zuschauen kann. Und das sogar mit blauer Beleuchtung, denn das Auge spielt ja bekanntlich auch immer mit. Ein ausreichend dimensionierter Griff auf der Oberseite sorgt für einen sicheren Transport, während die Kantenschoner das Gehäuse gegen Stöße absichern. Auf der Unterseite sorgen vier Gummifüße für einen stabilen Stand, obwohl man bemerken muss, dass die Füße ruhig etwas größer hätten ausfallen können, denn so lässt sich das Top nicht ganz sauber über dem Griff der Invective-Box abstellen. Aber gut, es muss ja auch nicht zwangsläufig eine Box von Peavey sein, mit der man den kleinen Giftzwerg betreibt. Der Speaker-Out nimmt natürlich auch Boxen anderer Hersteller gerne auf, die eine Impedanz von 8 oder 16 Ohm aufweisen. Der Anschluss für den Lautsprecher sitzt logischerweise auf der Rückseite und die schauen wir uns nun genauer an.
Ein Schalter aus Metall sorgt für die Auswahl des Widerstands der angeschlossenen Box, im Gegensatz zum großen Bruder Invective 120 Head existiert aber nur ein Lautsprecherausgang. Trotz der eher bescheidenen Ausgangsleistung von nur 20 Watt finden wir an dieser Stelle auch die Möglichkeit, die Endstufenleistung von 20 über 5 bis hinunter auf 1 Watt zu reduzieren, um so die Endstufenröhren bei gemäßigterer Lautstärke in die Sättigung zu treiben. Weiter geht es in der Ausgangssektion mit einem Kopfhöreranschluss sowie einem symmetrischen XLR-Ausgang, der das Signal zusammen mit einer Speaker-Emulation ausgibt und somit für das Direct-Recording vorbereitet. Diesen Job kann aber auch der USB-Port übernehmen, der ganz außen rechts sitzt und eine Direktverbindung ohne Umwege über ein Interface oder einen Mixer in den USB-Anschluss des Computers ermöglicht.
Ein FX-Loop befindet sich ebenfalls mit an Bord, komplettiert werden die Anschlüsse durch zwei Klinkenbuchsen, die ein Umschalten der beiden Kanäle ermöglichen und darüber hinaus das Schalten des Noisegates, der Tight-Funktion, des Effektwegs sowie des Boost-Effekts übernehmen. Diese vier Funktionen korrespondieren mit entsprechenden Minischaltern auf dem Bedienpanel, einen Teil davon kann auch ein Fußschalter übernehmen, der mit zum Lieferumfang gehört.
Peavey Invective MH Bedienpanel
Dank der weißen Pulverbeschichtung und dem schwarzen Aufdruck sind die Regler, die Schalter und deren Funktion auf dem Bedienpanel auch in ungünstigen Lichtverhältnissen stets gut zu erkennen. Im Gegensatz zum Lead-Channel ist der unverzerrte Kanal mit Gain und der Zweiband-Klangregelung für Bässe und Höhen geradezu spartanisch ausgestattet. Aber Hand aufs Herz: Wer holt sich schon einen solchen Amp, um mit ihm Cleansounds zu spielen? Etwas Support gibt es dann aber dennoch zusätzlich, denn die Endstufensektion besitzt mit den Reglern Resonance und Presence weitere Werkzeuge der Klangbearbeitung, die auch dem Clean-Channel zugutekommen. Laut Hersteller dienen diese beiden Potis dafür, die Membranbewegung des angeschlossenen Lautsprechers zu beeinflussen. Gefühlt sorgt Resonance für einen Schub im Bassbereich, während Presence den Höhenbereich hervorhebt.
Das Herzstück stellt natürlich der verzerrte Kanal dar, hier gibt es mit Pre-Gain (regelt den Grad der Verzerrung), einem Dreiband-EQ sowie Post-Gain als Master-Volume deutlich mehr zu schrauben als beim unverzerrten Kanal. Einen zusätzlichen Kick verschafft der Druck auf den Boost-Schalter und mit dem Schalter „Tight“ erhält man einen zusätzlichen Crunch-Sound, der dem dritten Kanal des großen Bruders Invective 120 ähnlich sein soll. Damit man in Spielpausen den Bandkollegen oder dem Mann am Mischpult nicht mit übermäßigem Rauschen auf die Nerven fällt, wurde ein Noisegate integriert, das ebenfalls über einen Minischalter aktiviert wird, aber sonst keine Möglichkeiten der detaillierten Bearbeitung erlaubt.
Ganz rechts außen auf dem Panel finden wir über den Schaltern für Power und Standby zwei LEDs, die im Standby-Modus rot aufleuchten und bei Betrieb des Amps ihre Farbe zu grün wechseln. Sollte mal etwas nicht in Ordnung mit den beiden EL84 in der Endstufe sein, wechselt deren Farbe wieder auf rot und signalisiert so dem Benutzer, sich die Glaskolben bzw. deren Funktion doch besser mal genauer anzuschauen.
Und so klingt der Peavey Invective MH
Für die Klangbeispiele wurde vor der Invective-Box ein AKG C3000 Mikro positioniert, eingespielt wurden die Tracks mit einer Music Man Silhouette Special. Beginnen wir mit dem Clean-Channel, der ein warmes und organisches Klangbild abgibt. Trotz seiner Beschränkung auf nur zwei Bänder liefert der EQ eine gute Performance und verbiegt das Signal auf Wunsch von einem mittigen und nasalen Sound bis hin zu einem warmen Klang, der sich mit vielen Obertönen präsentiert. Die Settings im folgenden Klangbeispiel sind Bässe 12 Uhr und angehobene Höhen bei 3 Uhr.
Ebenfalls erfrischend zeigt sich der Crunch-Sound. Der Gain-Regler befindet sich im zweiten Beispiel auf ca. 11 Uhr, der Dreiband-EQ des benutzten Overdrive-Channels befindet sich in der 12-Uhr-Position. Nebengeräusche sind hier noch kein Problem.
Wir erhöhen den Pulsschlag bzw. die Verzerrung und drehen den Gain-Regler voll auf. Unangenehme Nebengeräusche treten auf, verwaschen den Sound an sich aber zum Glück nicht. Bemerkt sei jedoch, dass das integrierte Noisegate keine besondere Linderung hinsichtlich Rauschminderung verspricht. Wie mein Kollege Axel Ritt schon beim Test des großen Bruders diagnostizierte, befindet sich das Gate auch hier erneut etwas unglücklich im Signalweg platziert. Meinem Empfinden nach sitzt es noch vor der Vorstufe, sodass zwar die Nebengeräusche der Pickups eliminiert werden, die Nebengeräusche der Vor- und der Endstufe von der Bearbeitung des Gates jedoch ausgenommen werden. Das kann in Spielpausen und bei hohen Gain-Settings für böse Blicke der Bandkollegen oder des Tontechnikers führen. Da hilft auf Dauer nur ein zusätzliches Noisegate im Effektweg. Aber weiter im Text, die Mitten wurden im folgenden Beispiel auf 9 Uhr abgesenkt, Bässe und Höhen verharren in ihrer Mittelposition.
Im nächsten Beispiel wurde am Setting gegenüber Nummer 3 nichts verändert, nun spiele ich jedoch ein paar Licks anstelle einer Riff-Figur. Wie man hören kann, sind die vorhandenen Gain-Reserven schlichtweg barbarisch.
Zum Abschluss ein Scoop-Sound mit komplett herausgenommenen Mitten und angehobenen Bässen.