Überfällig oder überflüssig: Das Rode NT1 Signature
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Das Rode NT1 Signature Series ist der neueste Spross der NT1-Familie der Großmembran-Kondensator-Mikrofone des australischen Herstellers. Anders als der Name vielleicht vermuten lässt, handelt es sich bei der Signature-Variante nicht um eine besonders edle Version des NT1, sondern eine im Vergleich zum Standardmodell (5th Generation) abgespeckte Variante ausschließlich mit XLR-Buchse. Somit stellt sich die Frage: Ist das NT Signature überflüssig oder lange überfällig? Finden wir es heraus!
Die verschiedenen NT1 Modelle von Rode
Auch wenn man sich regelmäßig mit den Mikrofonen der australischen Audioschmiede Rode auseinandersetzt, so kann der gutgemeinte Rat „Kauf dir doch einfach ein NT1 – das ist super!“ in einer Menge Verzweiflung enden. Folgende Modelle spielen seit der Einführung 1990 eine relevante Rolle:
Dazu gibt es alle möglichen Varianten als Kit, mit oder ohne Spinne und in Editionen in unterschiedlichen Farben – meist in Silber oder Schwarz.
Rode NT1 Signature: Die Ausstattung im Vergleich
Das neue Rode NT1 Signature ist im Wesentlichen identisch mit dem NT1 Gen5, nur ohne den USB-Anschluss und ohne den internen DSP (und die damit verbundenen Effekte). Außerdem: Es kann in Schwarz oder in fünf weiteren Farben geordert werden: rot, grün, lila, pink und blau.
Ebenso wie das NTG1 5th Gen, besitzt das Signature die bekannte goldbedampfte HF6-Kondensatorkapsel mit 1 inch (2,54 cm) Durchmesser. Das geringe Eigenrauschen von nur 4 dBA ist ein herausragender Wert. Hier die technischen Daten im Vergleich:
Wie Sie sehen, sehen Sie nix: Die Werte beider Mikrofone sind identisch. Auch der Lieferumfang ist gleich: Im bedruckten Karton sind mehrere Elemente enthalten: Mikrofon, Spinne, Poppschutz und ein immerhin 6 m langes XLR-Kabel.
Die Spinne und der Poppschutz sind definitiv eine Erwähnung wert, denn der Schutz gegen Plosivlaute wird direkt an ein bewegliches Gewinde an der Spinne verschraubt und so ist das Element bei senkrechter Position ca. 3 inch (ca. 7,5 cm) von der Mikrofonkapsel entfernt. Durch das zusätzliche Gelenk lässt sich der Schutz auch anwinkeln. Im Vergleich mit einem oft etwas labberigem Schwanenhals-Poppschutz ist das eine sehr durchdachte Lösung.
Auch die Spinne kann sich sehen lassen: stabil, hochwertiger Klemmverschluss, der sicher auch nach Jahren seinen Dienst tut und stabile Gummibänder. Ersatzgummis sind aber keine im Lieferumfang.
Insgesamt lässt die Verarbeitung keine Wünsche offen: Die Australier haben ihre Fertigung definitiv im Griff.
Das schwarz beschichtete Aluminiumgehäuse ist präzise verarbeitet und die Spaltmaße sind perfekt. Auch der silberglänzende Mikrofonkorb ist ohne jeden Fehler und auch die XLR-Buchse macht einen stabilen Eindruck. Der goldfarbene runde Einsatz am Mikrofonhals zeigt die Vorderseite – hier sollte man reinsprechen. Wie bei den anderen NT1 Modellen, hat man auf Bedienelemente am Mikrofon verzichtet: So findet sich weder ein Low-Cut, noch eine Pad-Funktion am Mikrofon. Schade – das hätte mir gut gefallen.
Rode NT1 Signature: Die Gretchenfrage
In Anlehnung an Johann Wolfgang von Goethes Tragödie „Faust“ muss auch hier eine Gretchenfrage gestellt werden. Lautete diese im Drama noch „“Nun sag‘, wie hast du’s mit der Religion?“, so lautet diese hier: „Was kostet det Janze?“ und man möchte ob der mit dem Gen5 Mikrofon identischen Ausstattung allerdings ohne die USB und DSP Optionen befürchten, dass dies ein vergleichsweise teurer Spaß ist. Ein Rode NT1 5th Generation kostet aktuell 249,- Euro. Dann sind es beim Signature vielleicht 40,- bis 50,- Euro weniger?
Weit gefehlt: Für 189,- Euro kann man dieses Mikrofon (Stand 11, 2023) bestellen und das ist wirklich ein attraktives Angebot. Ein Großmembran-Kondensatormikrofon mit goldbedampfter 1″ Kapsel inklusive Spinne, Poppschutz und 6 m XLR-Kabel – und: Made in Australien! Das ist ein Wort.
Jetzt darf man befürchten, dass Rode das NT Signature vielleicht – heimlich – im Gegensatz zum NT1 5Gen abgespeckt hat und man klangliche Defizite hinnehmen muss? Deswegen zum finalen Kapitel in unserem Drama …
Wie klingt das Rode NT1 Signature?
Auch hier werde ich Sie etwas auf die Folter spannen, denn wir sollten zunächst die Zielgruppe und somit die Erwartungen festlegen. Eigentlich als Allrounder gedacht, hat sich bei Radiomoderatoren das NT1-A schnell als beliebtes Sprachmikrofon im unteren Preissegment etabliert. Nicht jeder Sender kann oder möchte seinem Moderator ein Neumann vor die Nase setzen und durch die ausgeprägte Anhebung im Präsenzbereich kommt Sprache beim NT1-A immer sehr klar und gut verständlich aus dem Lautsprecher.
Allerdings: Im Kapitel „Gesang“ muss der Toningenieur mit dem NT1-A kämpfen. Denn nicht nur die oberen Mitten, sondern auch das gefürchtete „Bleeding“ (Hintergrundgeräusche im Studio), Atemgeräusche oder raschelnde Kleidung nimmt das Rode nur zu gern auf und schickte es mit Verve übers Kabel. Nach diversen Ablegern und Varianten kam man dann mit dem NT1 Gen4 auf den Markt, das einen deutlich milderen Präsenzbereich verzeichnet. Das Mikrofon gehört zwar immer noch zu den hellen Vertretern seiner Zunft, aber der schon etwas grelle Charakter eines NT1-A war gezähmt.
Die Generation 5 war dann eher eine Funktionserweiterung mit dem USB-Port und den Möglichkeiten des DSPs – klanglich aber sehr identisch mit dem Gen4. Trotzdem: Als Gesangsmikrofon ist das Rode immer noch nicht erste Wahl. Für fast 300,- Euro konnten die Mitbewerber in diesem Segment einfach einen neutraleren oder charakterstärkeren Sound bieten.
Wie ist es jetzt mit dem NT1 Signature?
Sagen wir es mal so: Es hat wieder etwas mehr vom NT1-A zurückgewonnen. Im Vergleich habe ich das Kleinmembran-Kondensatormikrofon Lewitt LCT 140 Air (128,- Euro) und das Lewitt LCT640 TS (839,- Euro) herangezogen. Das 140er verfügt auch über eine Nierencharakteristik und das sehr flexibel einsetzbare Lewitt 640TS habe ich im Monobetrieb auf Stellung Niere eingestellt und jeweils alle Onboard-Funktionen, wie Pad oder Low-Cut, deaktiviert.
Zuerst habe ich einen Text gelesen und über meine Universal Audio Apollos (TWIN X Quad und X6) aufgenommen.
Danach ein Klangbeispiel mit einer akustischen Gitarre und einigen weich und hart angeschlagenen Akkorden.
Abschließend habe ich nur beim Rode NT1 Signature meinen Sprechabstand sukzessive vergrößert und schließlich im 45 Grad Winkel in das Mikrofon gesprochen:
Klangliche Bewertung des Studiomikrofons
In Stellung „Air“ mit leichter Höhenbetonung ist das LCT 140 im Vergleich das hellste und transparenteste Mikrofon im Vergleich. In der Stimme hat es weniger Volumen als die Kontrahenten, aber insbesondere bei Instrumentenabbildung punktet das kleine Stabmikrofon mit vielen Details und Schnelligkeit.
Das Lewitt 640 ist noch mal detailreicher, aber nicht heller. Sehr transparent und luftig liebe ich das Lewitt in praktisch allen Einsatzbereichen. Stimme und Instrumente gewinnen gleichermaßen und es entlarvt auch sofort jeden mittelmäßigen Preamp. Gut, man muss für das österreichische Lewitt auch fast 900,- Euro hinblättern.
Und das Rode? In der Sprache sehr klar, präsent und mit bester Verständlichkeit, aber im direkten Vergleich etwas zu „ambitioniert“ im Mittenbereich. Das Mikrofon wirkt lauter, obwohl es identisch eingepegelt wurde. Im Hochtonbereich ist es vergleichsweise dunkel, während es im Bass sehr straff und neutral klingt. Als Podcaster oder YouTuber definitiv erste Wahl – auch beim Autofahren oder mit mittelmäßigen Kopfhörern versteht man jedes Wort, wenn mit dem NT1 Signature aufgenommen wurde. Gesang: Für mich bei Frauenstimmen und hellen Männerstimmen too much im Präsenzbereich. Wer sehr tief oder dunkel singt und mehr Klarheit wünscht, dem kann man das Rode empfehlen, aber hier würde ich eher einen guten Equalizer empfehlen und auf ein neutraleres Mikrofon setzen.
Somit sehe ich das NT1 Signature eher nach dem Motto „Back to the roots“ in Richtung NT1-A. Ein wirklich sehr empfehlenswertes Kondensator-Mikrofon für neue Medien: Wer gerne twitcht, youtubet, play alongs aufnimmt oder einen Podcast machen möchte, für den ist das Rode eine echte Empfehlung. Für den Gesang und die Aufnahme von Instrumenten würde ich andere Mikrofone bevorzugen. So konnte mich das sE Electronics DynaCaster DCM6 überzeugen (166,- Euro) oder auch das Lewitt LCT 240 (115,- Euro). Preislich leicht darüber haben uns die neuen Universal Audio SD-1 (249,- Euro) mit Software-Modeling gefallen.
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Ist das Rode NT1 Signature nicht einfach nur im Wesentlichen identisch mit dem „alten“ Rode NT1?
Ein sehr gutes Mikrofon und überraschend empfindlich: Der Wasserhahn 3 Räume weiter landet zwangsläufig mit auf der erstaunlich gut klingenden und sehr rauscharmen Aufnahme.
Mit Popschutz und Micscreen lässt sich das etwas eingrenzen.
Bei dieser Art von Mikrofonen ist auf Schalter am Gerät zu verzichten, macht Sinn: Zum einen würden diese bei Betätigung Störgeräusche erzeugen, zum anderen wird so ein NT1 in der Regel an einem Mischpult betrieben. Und hier gibt normalerweise einen Low-Cut/Mute etc. in Griffweite.
“ Ist das Rode NT1 Signature nicht einfach nur im Wesentlichen identisch mit dem „alten“ Rode NT1?”
Das ist ja gerade das Problem mit dieser komischen Modellbezeichnungspolitik bei Rode… die Mikrophone der NT1* Serien unterscheiden sich klanglich signifikant, und die Informationen sind nicht immer eindeutig, und Rode sagt auch nicht, ob die da unterschiedliche Kapseln verbauen.
Es gibt ja zur Zeit 4 Modelle mit NT1 im Katalog…
Da im Fazit dieses Tests was von “Betonung im Prasenzbereich” steht, nehme ich an, dass es was anderes ist als zB das noch erhältliche “NT1” (Kit mit Spinne und Poppfilter), welches eine deutlich sanftere Abstimmung in den Höhen hat und imho immer noch eine Empfehlung ist für ein gutmütiges Grosskondenser mit einem weiten Einsatzbereich. Auch wenn es 80€ oder so mehr kostet, definitiv den Aufpreis wert, insbesondere auch gegenüber dem NT1A (welches mEn fürchterlich britzelige Höhen hatte).
Es ist schon erstaunlich, zu welchen Preis heutezutage Mikrofone angeboten werden, die mit hervorrageneden technischen Daten aufwarten können. So auch die Rode Mikrofone. Damit kann man auch das Husten der Läuse aufnehmen.
Diese Mikrofone sind überwiegend wirklich Allrounder. Kontrabass, Cello oder Sprache und Gesang, sogar Schlagwerk, alles kein Problem!
Die Zeiten der „Spezialisten“ gehen zu Ende, dies war eh der damaligen technischen Limitierung geschuldet. EIne fehlende Dämpfungsschaltung würde ich ich nicht als Minus ankreiden, da die Benutzung dieser immer mit einer Reduzierung des Störabstands verbunden ist.
Grüße von Vati