TNT and Dynamite
Inhaltsverzeichnis
Mit dem sE Electronics DynaCaster DCM6 teste ich das mittlere Modell der DynaCaster Serie des chinesischen Herstellers sE Electronics. Durch die Erweiterung des Portfolios nach unten erhofft man sich, die Produkte im Preissegment unter 200,- Euro zu platzieren. Dafür wurde aus dem bekannten DynaCaster DCM 8 das sE Electronics DynaCaster, das über einen zuschaltbaren Dynamite-Preamp verfügt und dazu noch mit einer Frequenzanpassung am Mikrofon ausgestattet ist. Das hier getestete DCM6 bietet dagegen lediglich den Dynamite Vorverstärker (ohne EQ) und das DCM 3 kommt gänzlich ohne Preamp und Equalizer daher. Nachdem Armin Bauer das DCM 8 im April 2022 schon „sehr gut“ befand, schaue ich mir heute den kleineren Bruder DCM 6 an.
Über den Hersteller sE Electronics
China kopiert – so die landläufige Meinung über Produkte aus Fernost. Egal, ob Staubsauger, Autos oder Synthesizer: Viele China Produkte kommen einem irgendwie bekannt vor. Siwei Zou, der Gründer von sE Electronics ist da ganz anderer Meinung. Als er das Unternehmen im Jahr 2000 gründete, wollte er eigenes Knowhow und Erfahrung in die Herstellung von Mikrofonen einbringen. Mittlerweile hat man sich durch eine eigene Produktionsfabrik in Shanghai und prominente Unterstützer, wie Rupert Neve, zu einem etablierten Mikrofonhersteller für gute und preisgünstige Recording-Produkte gemausert. Die überarbeitete DCM-Serie soll insbesondere im Bereich Sprache und Gesang glänzen und trifft so natürlich auf bewährte Studiogrößen, wie Shure oder Sennheiser.
Welche Ausstattung bietet das DynaCaster DCM6
Das sE Electronics DynaCaster DCM6 ist ein frontbesprochenes dynamisches Mikrofon mit Nierencharakteristik. Die Kapsel mit Neodymmagnet ist bei allen Mikrofonen der DCM-Serie identisch und soll im Frequenzgang für die Abnahme der menschlichen Sprache optimiert sein. Der Mikrofonkorb ist abnehmbar und darunter verbirgt sich der integrierte Pop-Filter.
Zur Ausstattung gehört ein Windschutz aus Schaumstoff und eine (fest montierte) schwenkbare Mikrofonhalterung für die Stativmontage. Ein Reduziergewinde für europäische Mikrofonständer liegt ebenfalls bei.
Das Mikrofon wiegt satte 518 g und hat die Maße 158 x 86 x 62 mm (L x B x H). Und dann gibt es noch diesen roten Knopf auf der Unterseite ….
Der Dynamite Vorverstärker
Dynamische Mikrofone haben eine konstruktive Eigenheit: die geringe Empfindlichkeit. Denn diese Bauart ist eigentlich ein umgedrehter Lautsprecher. Hier wird durch die Bewegung der Membran (durch die Sprache bzw. den Gesang) ein Strom induziert und so ein Signal erzeugt. Da das Schwingungssystem in einem dynamischen Mikrofon aber recht schwer ist, braucht es entweder viel Schalldruck (und somit Auslenkung) oder einen kräftigen Vorverstärker, der die leisen Signale des Mikrofons entsprechen rausch- und verzerrungsfrei ausgibt.
Wer schon mal ein Shure SM7B an seinem Preamp betrieben hat, der weiß, was ich meine: Da braucht es sehr viel Gain, um einigermaßen Pegel zu bekommen. Viele einfache Audiointerfaces haben hier einfach zu wenig Saft – insbesondere die Modelle mit USB-2 Stromversorgung. Getreu dem Motto: Von nichts kommt nichts!
Den Technikern bei sE Electronics war dies wohl ein Dorn im Auge und so haben sie in das Mikrofon einen kleinen „Pre-Pre-Amp“ gepackt, der das Signal um 30 dB verstärkt. Damit kommt jedes einfache Audiointerface klar. Allerdings braucht es für diese Extrapower Strom und dazu muss man die 48 V Phantomspeisung am Mikrofonvorverstärker aktivieren. Die Empfehlung ist, die 48 V dauerhaft aktiviert zu lassen und den Dynamite bei Bedarf per rotem Knopf zu starten.
Eine interessante Lösung, die das DCM6 für einen sehr breiten Einsatzbereich empfehlen.
Übrigens: Auch für einen leistungsstarken Preamp kann sich das DCM6 lohnen. Die Dynamite Leistungsspritze verschafft Headroom und den kann man ja immer gut gebrauchen.


Verarbeitung und technische Daten des DCM6
Ich bin begeistert: Das sE Electronics ist überaus solide verarbeitet und macht am Mikrofonständer einen sehr hochwertigen Eindruck. Der Metallkorpus ist präzise gefertigt, genauso wie die anderen Komponenten. Korb, Windfilter, Gewinde, vergoldete XLR-Buchse: Das gefällt mir ausgesprochen gut! Dazu wirkt die rot schimmernde Membran sehr edel und so geht mein Daumen steil nach oben. Gut gemacht! Zu beachten ist, dass das DCM6 durch das fest installierte Gewinde kein Handmikrofon ist, obwohl es von vorne besprochen wird.
Die technischen Daten sind up-to-date (Werte in Klammern mit aktiviertem Dynamite Preamp):
- Übertragungsbereich: 40 – 18.000 Hz
- Empfindlichkeit ohne Preamp: 2,5 mV/Pa (-52 dBV)
- Empfindlichkeit mit Preamp: 79 mV/Pa ( -22 dBV)
- Ausgangsimpedanz: 600 Ohm (135 Ohm)
Über das Eigenrauschen schweigt sich der Hersteller aus, aber hier kann ich nur Erfreuliches berichten. Auch mit aktiviertem Dynamite Vorverstärker rauscht das Mikrofon sehr wenig.
Die Mitbewerber des sE Electronics DCM6
Dynamische Mikrofone für Sprache und Gesang gibt es wie Sand am Meer und wenn man einfach nichts falsch machen möchte, dann holt man sich das Shure SM58 für schlanke 119,- Euro oder im Broadcastbereich das Shure SM7B (mit den erwähnten Themen im Bereich Pegel). Gerne gesehen sind auch die Sennheiser „e“ Modelle 835 bis 945 und natürlich diverse Modelle von AKG und Beyerdynamic. Im Einsteigerpreissegment machen die günstigen Mikrofone der Thomann-Eigenmarke the t.bone meist eine gute Figur.
In meinem Test darf sich das sE Electronic DCM6 gegen ein Shure SM58S (119,- Euro) und ein Kondensatormikrofon Sennheiser e865s (238,- Euro) behaupten. Die Mikrofone sind mit meinem Universal Audio X6 bzw. TWIN X verbunden und die Klangbeispiele wurde in Universal Audio LUNA eingespielt – ohne jegliche Effekte.
Klang und Bewertung des sE Electronics DCM6
Starten wir mit Vocals:
Hier zeigt das Shure SM58 seine systembedingten Schwächen. Der Preamp muss richtig Gas geben und trotzdem klingt es bei Sprache nicht sehr transparent und auch an der Feinddynamik hapert es. Das ändert sich, wenn man das Shure als Gesangsmikrofon einsetzt und insbesondere in den oberen Mitten und Höhen mit dem Equalizer nachhilft. Für Podcasts würde ich das SM58 eher nicht einsetzen.
Das Sennheiser e865 ist offensichtlich das genaue Gegenteil vom Shure: Hell, transparent, feindynamisch, aber es fehlt etwas in den unteren Lagen. Die Sprachverständlichkeit ist sehr gut und so eignet sich dieses Kondensator-Mikrofon für viele Bereiche: Podcasts, Moderation, Gesang: Ein schöner Allrounder, dem man nur im Bass etwas auf die Sprünge helfen sollte. Allerdings ist das Sennheiser auch das teuerste Mikrofon im Vergleich.
Das DCM6 liegt mit 166,- Euro in der Mitte. Es ist aber über 60,- Euro günstiger als das Sennheiser. Klanglich liegt es aber viel näher am teuren Modell und distanziert das SM58 im Sprachbereich deutlich. Nahsprecheffekt, Eigenrauschen, Dynamik, Pop-Empfindlichkeit und Sprachverständlichkeit: Das DynaCaster macht einen hervorragenden Job. Allerdings mag es keine großen Abstände. Mit zunehmender Entfernung leidet das Klangbild deutlich und wird indifferent. Somit keine Empfehlung als Raummikrofon (was der Hersteller auch nicht behauptet), aber ein dickes Lob für die anderen Disziplinen.
Je nach Vorverstärker kann ich die Aktivierung des Dynamite Preamps im Mikrofon gut empfehlen. Wenn man entsprechend ausgleicht (Dynamite aktivieren und Pegel am Preamp um ca. 30 dB reduzieren), dann gewinnt das Klangbild an Transparenz und Präsenz. In Sachen Feindynamik und Auflösung liegt das Sennheiser (wohl auch aufgrund der Bauweise als Kondensatormikrofon) noch vorne, aber im Bass gefällt mir das DCM6 sehr gut.
Mit meiner akustischen Gitarre bleibt die Tendenz erhalten, aber – wie schon im Test des DCM8 von Armin Bauer – es reicht die Transientenaufnahme und die Auflösung in den Höhen nicht aus, um das Instrument mit all seinen Facetten aufzunehmen.
Das ist aber auch das Hoheitsgebiet der Kondensator- und Bändchen Mikros. Hängt man das DCM6 vor eine Marshall Combo und schrammt im Proberaum auf seiner Les Paul herum, dann ist die Qualität völlig ausreichend.
Die Nierencharakteristik ist zudem gut ausgeprägt und man muss sich schon sehr anstellen, um hier eine Rückkopplung zu provozieren. Ein weiterer Punkt ist die Richtungsabhängigkeit und auch hier zeigt sich, dass Sprache und Gesang das bevorzugte Metier ist: Am besten klingt das sE Electronics DynaCaster DCM6, wenn man direkt hineinspricht oder singt.
Alles in allem eine sehr überzeugende Vorstellung: Sehr flexibel durch den Dynamite Preamp, sehr gute und ausgewogene Klangqualität und eine sehr gute Verarbeitung machen das DCM zu einem echten Schnapper – die etablierte Konkurrenz sollte ein Auge auf den Hersteller haben: Ich wüsste nicht, ob ich angesichts der Qualität eines DynaCaster DCM 6 mehr als das Doppelte für ein SM7B ausgeben würde.
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