Dynamisches Mikrofon samt Dynamite Preamp
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sE Electronics ist inzwischen kein Neuling mehr im Musikbusiness. Gegründet im Jahr 2000, wurde 2003 in Shanghai eine eigene Produktionsstätte eingeweiht. Das Portfolio ist inzwischen stark angewachsen, denn neben Mikrofonen werden auch Reflexion-Filter und weiteres Zubehör angeboten. Ein Highlight in der Palette ist sicher die Mikrofonserie, die in Zusammenarbeit mit Rupert Neve entstanden ist. Aber auch die normalen Produkte bieten eine gute Performance bei hochwertiger Verarbeitung und günstigen Preisen, so dass die von mir getesteten Modelle meist überaus positiv abschnitten. Selbst besitze und nutze ich inzwischen das Bändchen VR2 Voodoo, das Kickdrum Mic X1D und das dynamische Instrumentenmikrofon V7 X. Mit dem DynaCaster eröffnet sich sE eine neue Produktgattung und natürlich habe ich einem Test gern zugesagt.
Erster Eindruck und technische Daten
Geliefert wird das Mikrofon in einem einfachen Pappkarton, eingewickelt in Luftpolsterfolie. Mit dabei ist ein Windschutz, die DIN-A5-Bedienungsanleitung in diversen Sprachen und zwei Aufkleber. Es fehlt ein separater Mikrofonhalter, denn der ist im Gehäuse integriert. Das Reduziergewinde für europäische Mikrofonstative ist implementiert, sehr löblich.
Die Bedienungsanleitung weist auf die 3-jährige Garantie hin, dafür muss das Produkt bei sE Electronics registriert werden. Das war es auch schon, also können wir uns direkt dem Mikrofon widmen.
Ganz schön wuchtig, das gute Stück. Mit einer Korpuslänge von 142 mm und 62 mm Durchmesser verwundert auch das Gewicht von handgestoppten 680 g nicht. Im Inneren werkelt die neu entwickelte dynamische DMC8 Kapsel mit Neodymmagnet, die als Niere ausgelegt ist.
Damit wird ein Frequenzgang von 20 Hz bis 19 kHz erreicht. Die Impedanz liegt bei 300 und 135 Ohm. Das erklärt sich daraus, dass das DynaCaster zwar dynamisch arbeitet, jedoch über einen zuschaltbaren Dynamite-Vorverstärker verfügt, der bei Bedarf 30 dB mehr Gain liefert und Phantomspeisung benötigt.
Neben dem Dynamite I/O sind zwei weitere Schiebeschalter auf der Unterseite des Gehäuses integriert. Der erste bietet eine Absenkung bzw. Anhebung für den Bassbereich, der zweite eine Höhenanhebung in zwei Stufen. Welche Frequenzen hier bedient werden, darüber schweigt sich der Hersteller aus. Das Frequenzdiagram bietet hierbei aber Anhaltspunkte, dazu später.
Das DynaCaster wird von vorn besprochen, hier darf man sich nicht von der Großmembran-Optik täuschen lassen. Zur Unterdrückung von Popp- und Windgeräuschen ist ein mehrlagiger Filter integriert. Hinter dem Einsprechgitter sitzt ein roter Schaumstoff, dahinter ein Käfig mit zwei feinmaschigen Gittern. Der Zwischenraum ist mit grob-porösem Schaumstoff ausgefüllt. Die Filter lassen sich abschrauben und sind so leicht zu reinigen. Auch der seitliche Käfig mit Maschengitter und Schaumstoffauskleidung ist abschraubbar. Sollte das alles nicht genügen, um ungewollte Geräusche zu unterdrücken, liegt noch der externe Windschutz bei.
Das integrierte Gelenk lässt sich sicher festziehen und ermöglicht eine stufenlose Neigungsverstellung von ca. 130 Grad. Die Verarbeitung des gesamten Mikrofons macht einen sauberen und hochwertigen Eindruck.
Einsatzgebiete des sE Electronics DynaCaster
Natürlich wird das DynaCaster vorwiegend als Broadcast-Mikrofon beworben, was sich auch durch Form und Namensgebung nachvollziehen lässt. Hier können die Frequenzschalter je nach Stimme, Sprechabstand und Raum eine gute Hilfestellung zum sauberen Klang liefern. Durch den integrierten Preamp lässt sich das Mikro auch bei leiseren Passagen ohne zusätzlichen Booster vor dem eigentlichen Vorverstärker unkompliziert nutzen.
Was für Stimme geht, funktioniert in der Regel auch für Gesang. Auch hier bieten die Schalter Variationen, um die Stimme perfekt anzupassen. Aber auch für akustische Instrumente und eine Amp-Abnahme möchte uns der Hersteller das Mikrofon empfehlen. Wir werden da ganz genau hin hören, welche Einsatzzwecke sich hier gut eignen.
Das sE Electronics DynaCaster in der Praxis
Das Mikro ist vorwiegend für Sprache geschaffen, also starten wir auch damit. Alle Schalter stehen auf neutral, d. h. auch der interne Dynamite-Preamp ist deaktiviert und es wird keine Phantomspeisung benötigt.
Der Klang ist sehr ausgewogen und bringt die Stimme druckvoll nach vorn. Der ideale Sprechabstand liegt so bei 2-3 Finger Breite, bei weiteren Entfernungen wird das Signal recht schnell indirekt. Geht man ganz nah heran, so ist zu hören, dass der Nahbesprecheffekt recht erfolgreich unterdrückt wird. Ganz hervorragend arbeitet der dreilagige Popp-Filter, da geht fast nichts durch.
Allerdings muss ich das Gain schon sehr stark aufreißen, ca. 55 dB dürfen es für Sprache schon sein. Mein Apollo Interface macht das noch mit, es dürften aber einige andere Interfaces da schon ordentliche Probleme bekommen. Das Mikrofon selbst ist dabei erstaunlich rauscharm.
Also wird nun der interne Vorverstärker aktiviert, der 30 dB aufholt. Um denselben Wert wird das Gain am Interface verringert und die Phantomspeisung zugeschaltet. Der Klang wird dadurch etwas offener und höhenreicher, was aus der Interaktion der beiden Vorverstärker und der Impedanzänderung resultieren könnte. Pegelreserven hat man nun natürlich genug, da können nun selbst sehr schwache Preamps benutzt werden. Hier zeigt sich eindeutig ein Riesenvorteil gegenüber dem allseits bekannten Broadcast-Mikro einer großen amerikanischen Firma. Das kommt ohne zusätzlichen Preamp fast nie aus. Hier ist er integriert und damit auch schon mitbezahlt.
Beim ersten Hantieren mit den versenkt angebrachten Schaltern fällt auf, besonders gut abzulesen sind sie nicht. Zwar ist notwendigerweise eine Kerbe vorhanden, damit die Schalter mit Kugelschreiber oder Büroklammer bedient werden können, eine zusätzliche weiße Markierung wäre hier aber noch deutlich aussagekräftiger. So bleibt nur, möglichst gute Lichtverhältnisse zu schaffen, was im Tonstudio ja nicht immer gegeben ist.
Machen wir doch gleich mit den klangverändernden Schaltern weiter. Der Tieftonbereich lässt sich absenken und anheben, laut Frequenzdiagramm beginnt die Beeinflussung schon bei 800 Hz. Beide aktiven Schalterstellungen bewirken eine dezente Klangveränderung, die immer natürlich bleibt. Dabei kann die Anhebung etwas mehr Wärme in die Stimme legen, die Absenkung dient der Unterdrückung störender Resonanzen.
Auf der anderen Seite des Frequenzbandes bietet das DynaCaster zwei Höhenanhebungen. Stufe 1 beginnt bei ca. 2 kHz und macht die Stimme deutlich präsenter. Dadurch leidet aber auch etwas die Intimität, passt gut für Gesang, bei Sprache ist in der Regel die Neutralstellung zu bevorzugen. Noch eine Schippe drauf legt Stufe 2, die schon ab 1 kHz eingreift. Bei einem vernünftigen Raumklang ist das zuviel des Guten, hier werden evtl. überdämpfte Räume ausgeglichen. Die Stimme klingt jetzt zu hart und zischelig, für Instrumentenabnahme könnte das aber eine lohnende Einstellung ergeben.
Also machen wir mit der akustischen Gitarre weiter. Der Hersteller regt ja an, das Mikrofon durchaus in Anwendungen jenseits der Stimme zu probieren. Hier gerät das Signal etwas zu matt, ist eben kein Kondensatormikrofon. Durch die maximale Höhenanhebung bei gleichzeitiger Absenkung der Bässe lässt sich aber ein ganz brauchbarer Sound erzielen, der durchaus eine Alternative zu kristallklaren Stahlsaitenabnahme mit einem Kondensatormikro bietet. Auch in Kombination mit einem zusätzlichen Kleinmembraner lassen sich flexibel einsetzbare Sounds zaubern.
Gerne checke ich Mikrofone auch mit einem Shaker, um die Ansprache und das Impulsverhalten zu untersuchen. Nun, dafür ist das DynaCaster nicht geschaffen, denn hier kommen einfach zu wenig Höhen rüber und das Ansprechverhalten ist auch zu träge. Weiter verwunderlich ist dieses Ergebnis nicht, dafür ist das Mikrofon nun echt nicht geschaffen.
Glücklicherweise ist es mir diesmal gelungen, das Mikrofon im Testzeitraum auch Live einzusetzen. Ein kleines Jazz-Drumset mit 18“ Kick galt es abzunehmen. Im Normalfall arbeite ich sehr gerne mit einer Grenzfläche in der BD, hier gab es leider kein Loch im Resonanzfell, so dass die Kick vor dem Resonanzfell abgenommen wurde.
Ich hatte mir also vorgenommen, das DynaCaster beim Soundcheck kurz einzusetzen und dann auf ein anderes Mikro zu wechseln. Das Ergebnis war dann aber, dass das DynaCaster auf Anhieb so überzeugend klang, dass es für das Konzert stehenbliebt. Dabei war weder am Mikro selbst die Klangschalter, noch im Mischpultkanal die Klangregelung aktiv. Wenn es funktioniert, muss ich nicht unnötig rumbiegen. Ein sehr schöner und überraschender Abschluss des Tests.
Hallo Armin,
Auch ein herzlichen Dank für diesen Artikel! :-) Wieder sehr interessant und gut zu lesen.
Ich hatte das schon mal erwähnt aber möchte es hier noch mal betonen… ich wurde mich freuen noch mehr Artikeln von dir über Mikrofonen zu lesen ;-) Danke dir und viele Grüße, Garfield.
Hallo Garfield,
danke dir für dein positives Feedback.
Schauen wir mal, was sich an Mikrofonen noch so findet, ich habe da auch immer ein Auge auf den Markt.
Ich bin übrigens die letzten 2 Tests wieder dazu zurück gekehrt ohne Soundbeispiele zu arbeiten. Habe das nun auf Wunsch vieler Leser lange gemacht, stelle aber fest, dass mein Schreibstil ohne Sounds deutlich flüssiger ist. Werde das also in Zukunft je nach Lage variieren.
Grüße Armin
Man sieht es zwar dann auf dem letzten Bild mit der Bassdrum, aber bei Broadcastmikrofonen wäre die Anschlussart wichtig zu nennen. ;-)
Sonst astreiner Test.
PS: warum machst Du den Sprechtest (weil broadcast) nicht separat nach dem Schreiben und gibst einen Link auf Soundcloud oder YT an? So störst Du den Schreibflow nicht und wir bekommen trotzdem einen (Audio-)Eindruck von dem Mik.
@dAS hEIKO Man sieht den XLR Anschluss auch im ersten Foto/Praxis. Aber stimmt, ich hätte das näher aufführen sollen, dass er im Pistolengriff neben der Stativbuchse sitzt.
Soundfiles mache ich immer während des Schreibens, da darauf natürlich auch im Text eingegangen wird. Das einfach nachträglich drüber zu stülpen funktioniert bei mir schlecht. Aber vielleicht kann ich da ja eine Lösung finden, ich gehe mal in mich.
Grüße Armin