Eine Schönheit mit drei Gesichtern
Inhaltsverzeichnis
Die Focal Trio6 ist die neueste Evolutionsstufe des zweitgrößten Monitormodells der Franzosen und man hat sich einiges einfallen lassen, um den bekannt guten Klang der Focal weiterzuentwickeln, was sicher nicht leichtgefallen ist. Denn eines ist klar: Die Focals gehören sicher zu den meistverkauften Monitoren im höheren Preissegment und das zu Recht, denn diese Mischung aus maximaler Auflösung, Klangqualität und einer Charakteristik, die ein ermüdungsfreies Hören in bester Qualität verspricht: das bekommen so nur die Franzosen hin. Ob das auch beim neuesten Modell gelungen ist, schauen wir uns jetzt an.
Midfield-Studiomonitore: Potenzielle Mitbewerber
Ich muss zugeben: seit dem Test der PMC 6 Monitore hier bei Amazona.de war mir klar, dass da nicht mehr viel kommen kann. Insbesondere im Bereich der Midfield-Monitore im höheren Preissegment scheint eine obere Grenze erreicht worden zu sein.
Schon die KS Digital C100 haben mich mit ihrer „live-haftigkeit“ sehr überzeugt und ich darf jedem nur raten, sich diese, oder die neuen PMC Modelle einmal anzuhören.
Und jetzt kommt Focal und bringt sehr hübsche Near-/Midfield-Monitore auf den Markt – und zwar ganz ohne irgendwelchen DSP-Krimskrams. Da wird der Frequenzgang nicht an den Raum angepasst und die Phase ist, wie sie ist. Kein umfangreiches Software-Paket ohne Netzwerkkabel und PC gesteuerter Anpassung. Nein: Nur ein paar Schalter und Encoder zur Regelung von Bass, Mitten und Höhen und ein Focus Modus (dazu später mehr): fertig.
Nochmal: Für 2x 2.979,- Euro bekommt man einfach nur ganz klassische Aktivlautsprecher. Ist das überhaupt noch 2023?
Die Ausstattung der Focal Trio6
Focal gibt sich bei der Trio6 ganz klassisch: 3-Wege Monitor-Lautsprecher für Near- und Midfield, der durch eine drehbare Mittel-Hochtoneinheit sowohl liegend als auch stehend betrieben werden kann.
Dafür muss man vier Inbusschrauben lösen und die Einheit in die gewünschte Richtung drehen. Mit etwas Vorsicht und Liebe ist dieser Vorgang schnell gemacht und je nach Hörabstand kann man den Speaker mit außen- oder innenliegenden Bässen betreiben.
Zwei kleine Bassreflex-Ports für die drehbare Einheit und ein breiter Reflexkanal („Large laminar port“) unter dem Bass prägen den stimmigen optischen Eindruck. Wie von Focal schon länger bekannt werkelt auch hier der berühmte, inverse 1,5“ Beryllium Kalottenhochtöner hinter einem nicht abnehmbaren Gitter.
Darunter der 5“ „W“-Cone Mitteltöner, ebenfalls aus eigener Fertigung. Dazu sagt der Hersteller (Zitat Focal Website):
„Die von Focal in Frankreich hergestellte „W“-Verbundmembran ermöglicht eine perfekte Optimierung der Frequenzgangkurve. Die einzigartigen Eigenschaften dieser Membran – Leichtigkeit und Steifigkeit – ermöglichen die Kontrolle der Signalübertragungsgeschwindigkeit innerhalb des Materials. Durch die Veränderung der Dicke des Strukturschaums kann die Dämpfung der Membran genau gesteuert werden. Das Ergebnis ist ein transparenter Klang, sehr geringe Verzerrungen und ein hervorragender Phasengang.“
Ja, das ist natürlich Marketingdeutsch, aber wenn Focal eines kann, dann Lautsprecher mit exzellenten Chassis bauen und hier wird ein nicht unbeträchtlicher Aufwand getrieben. Der große 8“ Bass ist ebenfalls aus diesem neuen Materialverbund hergestellt. Das massive Gehäuse mit den Abmessungen von 53,7 x 29,2 x 36,9 cm (H x B x T) und die antriebsstarken Chassis bringen auch 25 kg pro Speaker auf die Waage.
Auf der Front findet man auch die LEDs für den Betrieb/Standby-Mode und den „Dual-Focus-Mode“, der insgesamt drei umschaltbare Betriebsarten ermöglich:
- 3-Wege Monitor
- 2-Wege Monitor, bei dem nur Tweeter und Hochtöner arbeiten
- 1-Weg Monitor: Nur der Mitteltöner ist in Betrieb, ähnlich einem Auratone/Avantone MixCube Speaker
Man kann den Focus Mode einfach über einen Schalter auf der Rückseite des Lautsprechers umschalten oder ganz komfortabel über einen kompatiblen A/B-Fußschalter – die passenden Klinkenbuchsen dafür sind ebenfalls vorhanden.
Ansonsten ist die Rückseite der Focal Trio6 überraschend übersichtlich:
Oben von links nach rechts die Aktivierung der Standby Funktion, der XLR Input (10 kOhm), eine Umschaltung der Eingangsempfindlichkeit (-10 dBU / +4 dBU), der besagte Focus-Mode Schalter und die beiden Klinken für Focus In- und Out.
Darunter die Filtermatrix mit einem Highpass Filter (45, 60, 80 Hz), LP Shelving (± 3 dB), Low/Mid (160 Hz) und Highpass (jeweils ± 5 dB). Dann nur noch die Buchse für die Stromversorgung und Ende!
Kein AES/EBU, kein RJ45 für ein DSP-Management, kein Display und keine Möglichkeit, ein komplexes 11.1 Speaker-Array zu konfigurieren. Dafür jeweils 100 W G-Class Verstärker und Bässe und Mitten und 50 W für den Hochtöner.
Die technischen Daten:
- Frequency response (@ -3 dB) 35 Hz – 40 kHz
- Focus mode 1: (MixCube) 100 Hz – 15 kHz
- Focus mode 2: 80 Hz – 40 kHz
- Maximum SPL (Average CEA2034) 115 dB (50 – 10 kHz free field @ 1 m)
Die Verarbeitung der Focal Trio6
Von allen mir bekannten Monitorherstellern schafft nur Focal diesen perfekten Spagat zwischen technoider Zurschaustellung von Komponenten und einem gefälligen, wohnzimmerfreundlichen Design. Das schwarze Gehäuse aus 22 mm starken MDF-Platten und die beiden roten Seitenwangen sehen einfach klasse aus und auch bei Blick durch die Lupe wird kein Verarbeitungsmangel sichtbar. Die Chassis sind perfekt eingepasst, alle Schalter und Buchsen sind von höchster Qualität und überhaupt: Das ist Champions-League!
Wenn mich jemand zur Kritik zwingen würde, dann könnte ich mir allenfalls für die Zukunft eine elegantere Konstruktion für die drehbare Mittel-/Hochtoneinheit wünschen. Vielleicht magnetisch oder mit Spannverschlüssen? Die Methode per Inbusschlüssel wirkt bei der edlen Verarbeitung etwas hemdsärmelig. Aber ja: Das macht man in der Regel nur einmal im langen Studioleben eines Lautsprechers. Ein echter Kritikpunkt ist das definitiv nicht.
Wie klingt die Focal Trio6 im Tonstudio?
Wer jetzt glaubt, es kommt wieder die alte Leier: „Klingt super aber irgendwie nach HiFi/High End“, den muss ich zu meiner und eurer Überraschung enttäuschen. Diesen in den Mitten leicht zurückgenommenen Charakter findet man bei der Trio6 gar nicht – im Gegenteil: Der Monitor klingt insbesondere in den Mitten sehr knackig und präsent – dabei völlig neutral und feindynamisch. Musikalisch dichte Produktionen, wie „Drift“ der Industrial Metaller von 3Teeth lösen sich sehr fein auf und die musikalische Tiefe wird sauber herausgearbeitet.
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Der Hochtonbereich ist und bleibt State-of-the-Art, wenn man mir den High-End-Ausdruck bitte verzeiht. Bei einer Auflösung der besten AMT-Hochtöner und einer Seidigkeit (noch mal: sorry!), die ihresgleichen sucht, ist der Beryll-Hochtöner von Focal immer noch das Maß der Dinge. Ich finde es lobenswert, dass Focal diesen auch in den Pro-Monitoren einsetzt. Das zeigt zum einen, dass dieser offensichtlich hoch belastbar ist und zum anderen genug Pegel für Studioumgebungen liefert. Percussion, das Sirren der Saiten eines Flügels oder die komplexen Obertöne eines Vintage-Röhrenkompressors: Dieser Hochtöner kann einfach alles.
Der Bass ist tief und wuchtig. Im Gegensatz zu geregelten Systemen fehlt vielleicht das letzte Quäntchen an Härte und Präzision, aber beschreibende Worte, wie „weich“ oder „wummerig“ sind hier fehl am Platz. Der Bass liefert ebenfalls eine großartige Auflösung und lässt keinen Zweifel beim Abmischen der Kick-Drum oder eines mächtigen Synthesizer-Basses.
Generell sind die Stimmigkeit und der Gesamtklang dieses Lautsprechers formidabel. Kein Frequenzband sticht heraus – und trotzdem kann jede Spur sauber gemixt und perfekt gepegelt und positioniert werden.
Apropos Positionierung: Sicherlich bietet die Focal keine Räumlichkeit und Ortbarkeit, wie bei den großen PMC- oder KS Digital Lösungen. Aber – und das finde ich bemerkenswert – alles stimmt. Man hat bei der Nutzung im Studioalltag keinerlei Probleme beim Panning, bei den Reverbs, bei der Mikrofonpositionierung oder dem Abstand der Stimme zum Mikrofon. Hier passt einfach alles.
Die von mir überragend getestete PMC-6 würde ich persönlich um einen Hauch vorziehen, weil sie alle Studioaufgaben einfach NOCH einfacher macht. Hier reden wir aber von Nuancen und individuellem Geschmack. Focal zeigt, dass es grundsätzlich auch ohne (zu) viel Technik-Schnickschnack geht: Die Franzosen können einfach nur saugute Studiomonitore bauen.
Der Focus Modus von Focal
Die drei Modi sind sehr nützlich – schließlich hat nicht jeder mannshohe Lautsprecher zuhause. In der Realität sind Buetooth-Speaker und Autoradio die typischen Wiedergabegeräte. Wenn es gut läuft, dann ein Homepod oder Sonos System.
Der 2-Wege-Modus hat mir besonders gut gefallen. Natürlich, im Vergleich zum 3-Wege System fehlt es an Basspower. Aber mit einem kleinen Monitor der Mittelklasse kann dieser Modus in Sachen Frequenzumfang gut mithalten. In Sachen Qualität liegen die Focals weit darüber. Der Mixcube Klang ist im Vergleich zu den Avantones fast schon zu gut – ein Zeichen, wie gut der Mitteltöner in der Trio6 arbeitet. Räumlich, recht neutral und mit anständigen Höhen und Tiefen. Das Umschalten per Fußschalter ist sehr komfortabel und gibt dem Tonmeister einen guten Eindruck für alternative Systeme.


Conclusio
Ein Monitor, handwerklich perfekt gemacht, mit sehr hochwertigen Zutaten, ohne viel Technik, aber dafür penibel abgestimmt und klanglich in höchster Liga spielt. Was sagt uns das? Nun, wir lernen: Viel Technik kann viel helfen, aber der konventionelle Weg muss nicht schlechter sein. Es mag vielleicht präzisere, räumlich exaktere Monitore geben, aber in Sachen Musikalität sind die Focals herausragend. Braucht es am Ende die DSPs, parametrischen EQs und Phasenkorrekturen gar nicht? Eines ist klar: Durch die Technik werden Lautsprecher flexibler. Neue Datentransfertechniken (AES, Dante etc.), Multichannelkonfigurationen und Erweiterbarkeit – da haben andere Hersteller ihre Stärken. Aber reduzieren wir das Thema auf 2-Kanal-Stereo, so können klassische Konstruktionen, wie die Focal Trio6 absolut überzeugen.
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Vielen Dank für den interessanten Test!😀
Um ehrlich zu sein, finde ich es sogar als Vorteil, wenn der Monitor selbst keinen programmierbaren DSP bietet – sondern einfach nur gut gemacht sind.
Warum? Weil die Monitore länger laufen werden als es Updates für die Software geben wird.
@der.marder Hallo und Danke! Immerhin: alle von mir getesteten Monitore mit DSP hatten auch eine klassische Klangregelung an Bord – somit wäre ein gutklingender Betrieb auch über die Lebenszeit des Herstellers sichergestellt. Viele Grüße!
@Jörg Hoffmann Ich hab da immer die Befürchtung, dass man den DSP mit einer App auf den Raum einstellt, diese irgendwann nicht mehr funktioniert, und man dann den DSP nicht mehr auf die Grundeinstellung zurücksetzen kann. Das kann notwendig werden, wenn der Raum und/oder der Besitzer wechselt.
@bluebell Solche Themen kann es in der digitalisierten Welt immer geben. Aber meist wird es angekündigt, wenn Produktsupport erlischt. Deswegen halte ich fieses Szenario für unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.
@der.marder Sehe ich auch so. Präferiere gut gemacht ohne Firlefanz. Minimalistisch, universal, und gut.
Danke für den Test, diese Lautsprecher scheinen äußerst interessant.
@der.marder Genau so… und weil ich grundsätzlich nicht will, dass die Box das Ergebnis meiner Bearbeitung nachträglich beeinflusst…
Einen Verzicht auf eine App oder Software, die irgendwann dann doch nicht mehr gepflegt wird, finde ich gut.
Die Einmesserei durch den Nutzer überzeugt mich eh nicht, da wenige Zentimeter neben der Position des Messmikrofons wieder was ganz anderes gemessen wird. Und wenn nicht, weil man einen riesigen, gut behandelten Raum hat, dann braucht man sie nicht – außer vielleicht leichte Korrekturen, die mit einem Höhen- und Bassregler zu machen sind.
Schick sind die Focals eh. Und der Berylliumhochtöner hat ein Gitter, da sollte also nichts passieren, was die Gesundheit schädigt
In Sachen Langzeitverfügbarkeit ist der Verzicht auf DSPs sicherlich zu begrüßen.
Im Schnitt werden ICs & Prozessoren ja nur ca. 7 Jahre vorgehalten.
Da ich diverse Focal-LS bis zur Grande Utopia (und diese mit den dicken Boliden von naim ausgefahren) gehört habe, kann ich nur deren Qualität bestätigen.
Daher glaube ich sofort, daß diese hier von vorzüglicher Qualität sind.
Auch die Rosenholzoptik finde ich ansprechend. Dadurch wirken die Monitore edel, und sind optisch auch Wohnzimmer-tauglich, so man sie dort denn zum Einsatz bringen möchte, was ich mir übrigens durchaus vorstellen kann.
Das zeigt, daß man Spitzengeräte durchaus in Europa (Frankreich) bauen kann ohne dafür den Chinamann zu bemühen.
Vielen Dank für den aussagekräftigen Test! Kein DSP für variable EQs finde ich tatsächlich als deutlichen Nachteil, da hiermit einfach Potential verschenkt wird. Eine individuelle Raumanpassung bringt sicher in 95% aller Abhörumgebungen einen Vorteil (wen man es richtig macht). Es gibt dafür natürlich auch externe Lösungen aber die sind meiner Erfahrung nach stets nur die zweitbeste Möglichkeit. Dennoch ein interessanter Monitor, wenn es ihn denn auch in schwarz gäbe. Ich finde das rot wirklich hässlich…Geschmäcker halt ;)