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Test: SATlive Audiomessystem

(ID: 1948)

 
Es ist Montagmorgen, oder doch Dienstag? Egal! Das ist im Nightliner einfach keine wichtige Frage, wenn man auf Tour ist. Jedenfalls nicht halb so wichtig wie die, wo es zum Catering geht. Schließlich brauche ich nach den gesellschaftlichen Verpflichtungen des Vorabends erst mal einen starken Kaffee. Gleich nach dem Frühstück und einer belebenden Dusche gehe ich gegen 12:00 in die Halle, in der unsere Lichtcrew seit dem Morgengrauen unzählige dieser neumodischen, völlig überbewerteten LED-Wände unter die Hallendecke zieht, hör mir ein paar Takte meiner Lieblings CDs über die heutige PA an, bedanke mich beim Haustechniker für die perfekte Vorbereitung und beschließe mir die Zeit bis zum Soundcheck um 17:00 im Wellnessbereich zu vertreiben.
Leider hat aber auch der wundervollste Traum ein Ende. Wir sind heute zu Gast im schönen Hamburg. Den Wellnesbereich gibt es nicht wirklich und die PA klingt zwar alles andere als schlecht, aber eben auch genug „aber“, dass die nächsten Stunden für mich keine Langeweile aufkommt. Druck gibt es reichlich, doch die Textverständlichkeit lässt zu wünschen übrig. Das habe ich von der Anlage in den sympathischen blauen Schachteln mit dem großen T schon anders gehört. Nach einem kurzen Versuch das Problem mit dem grafischen Equalizer zu beheben, wird schnell klar, dass sich die Suche nach einem grundlegendem Problem lohnt.

Ich starte SATlive und richte erst mal ein Projekt ein. Innerhalb eines Projekts kann man mehrere Lautsprecher definieren. Diesen Punkt sollte man bei der Verwendung von SATlive besonders gründlich verinnerlichen, da man sonst sehr schnell den Überblick über seine Messungen verliert oder (wie ich anfangs) Messergebnisse versehentlich überschreibt. Nach dieser Vorbereitung gebe ich mit dem Signalgenerator ein rosa Rauschen aus. Diese Art von Rauschen zeichnet sich dadurch aus, dass es die gleiche Energie in jedem relativen Frequenzband liefert und somit dem menschlichen Hörempfinden entspricht. Zunächst höre ich mir mit diesem Testsignal jeden einzelnen Lautsprecher an. Dabei bemerkt man einfach ob ein Lautsprecher defekt ist oder z.B. mit einem anderem als dem für ihn vorgesehenen Frequenzband gespeist wird. In diesem Fall klingt jeder Lautsprecher für sich gewohnt richtig. Der Fehler muss also mit SATlive in der Überlagerung der Phasengänge im Bereich der Übergangsfrequenzen gesucht werden. Erneut spielt das Programm rosa Rauschen ab. Lediglich der Hochtöner ist angeschaltet. Ich platziere das Messmikrofon an einem repräsentativen Punkt in Ohrhöhe. Manche messen auch gerne mit auf dem Boden liegenden Mikrofonen, um Kammfilter zu vermeiden. Ich bevorzuge erstere Methode, da auf dem andere Laufzeiten der Wege zueinander gemessen werden. Zu Beginn der Messung muss das Referenzsignal mit dem Signal des Messmikrofons synchronisiert werden. Das heißt SATlive muss die Laufzeit von der PA zum Messmikrofon berücksichtigen. Zu diesem Zweck verwendet man das Tool Delayfinder. Nachdem nun einmal ein Delay für die Messungen festgelegt wurde, sollte dieses nicht mehr verändert werden, da sich alle Phasengänge auf diese Laufzeit beziehen. SATlive unterscheidet zwischen drei verschiedenen Modulen, dem MAT Modul, dem FFT Modul und dem Modul Impulsantwort. Im Mat Modul werden kontinuierliche Messungen durchgeführt. Der größte Teil der Messungen, die im PA Alltag erforderlich sind, erfolgt in diesem Modul. Referenz und Messsignal können hier in einem 10, 15 oder 32 bandigen Analyser oder als FFT dargestellt werden. Die Übertragungsfunktion zeigt Frequenz und Phasengang des untersuchten Systems in zwei Fenstern untereinander. Außerdem können in diesem Modul auch Impedanzmessungen realisiert werden. In unserem aktuellen Fall betrachten wir die Übertragungsfunktion. Zunächst messen wir sie für den Hochtöner. Um die Messung unempfindlicher gegenüber Störschall zu machen, kann man Messungen mitteln. Je mehr Mittelungen, desto ruhiger und genauer steht die gemessene Kurve. Anderseits sieht man Veränderungen, z.B am Equalizer, langsamer. Je nachdem was man erkennen will, kann man die Kurve glätten. Dafür stehen unterschiedliche Auflösungen von 1/32 is 1/1 Oktave und die so genannte gehörrichtige Glättung zur Verfügung. In der feinsten Auflösung sieht man auch kleinste Unebenheiten im Frequenzverlauf, die z.B. eine Rückkopplung hervorrufen könnten, deutlich, in der gröbsten erkennt man dafür aber klarer den subjektiven Frequenzverlauf. Sobald sich unsere gemessene Kurve einigermaßen beruhigt hat, speichere ich sie. Die dafür im Programm bereitgestellten Speicherplätze nennen sich Quicktraces. Jedem im Projekt angelegten Lautsprecher sind 8 zugeordnet. In gleicher Weise messe ich nun auch die Übertragungsfunktionen der anderen Wege und des Gesamtsystems. Bei der Betrachtung all dieser Kurven sieht man zunächst, ob die Pegel der einzelnen Wege zueinanderpassen. Mit der Funktion „optimale Überlagerung“ lässt sich der Frequenzgang darstellen, den man bei optimaler zeitlicher Anpassung der Wege zueinander erreichen kann. In unserem Fall unterscheidet sich dieser noch deutlich vom gemessenen Frequenzgang des Gesamtsystems. Im Bereich der Übergangsfrequenzen, also den Frequenzen, bei denen zwei Wege gleich laut sind, also die gemessenen Kurven sich schneiden, fallen Einbrüche auf. Diese Frequenzen können deutlich von der in der Frequenzweiche eingestellten Trennfrequenz abweichen und sich durch Veränderung der Pegel der Wege zueinander verschieben. Betrachtet man die Phasenverläufe der Kurven in diesem Bereich, so fällt auf, dass sie weit auseinanderliegen und unterschiedliche Steigungen aufweisen, was nichts anderes bedeutet, als dass eine zeitliche Differenz besteht. Dafür gibt es verschiedene Ursachen: Lautsprecher sind unterschiedlich weit weg von der Hörposition, bedingt durch die Aufstellung oder weil z.B. Hörner unterschiedliche Längen haben. Filter verursachen erhebliche Laufzeiten ebenso wie A/D Wandlungen. Die Optimierung der Überlagerung Phasenverläufe durch Anpassen der Delayzeiten der einzelnen Lautsprecher ist unter dem Begriff Timealignment bekannt. Die Auswirkung von z.B. nur einer Millisekunde Veränderung der Zeit innerhalb eines Zweiwegesystems erkennt man im folgenden Beispiel.

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Der Einfluss eines Delays von nur einer Millisekunde auf den Phasengang eines Basslautsprechers

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TT und HT mit bei nicht optimierter Überlagerung:

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Man erkennt hier deutlich, dass im Bereich der Übergangsfrequenz die Phasen im Bass und Hochtonweg weit auseinanderliegen. Das Delay im Bassweg ist zu groß. Daher ist die Steigung der Phasenkurve größer als die des Hochtonwegs.

TT und HT bei optimaler Überlagerung

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Über 2 Oktaven sind die Phasengänge von HT und TT nahezu deckungsgleich.

Vergleich der resultierenden Gesamtfrequenzgänge

Vergleich der resultierenden Gesamtfrequenzgänge

Bei nicht optimaler Überlagerung tritt hier bei 285 Hz eine Auslöschung von ca 15 dB auf.

 

Heute in Hamburg habe ich es mit einer 4-Wege aktiv getrennten PA zu tun. Als Controller dient ein BSS Omnidrive. Nachdem ich, wie beschrieben, den aktuellen Zustand der PA gemessen habe, werfe ich einen Blick in die Parameter des Omnidrive. Alle Delays stehen auf null. Da verwundert das unbefriedigende Hörerlebnis nur wenig. Nach erfogreichem Timealighnment klingt die Anlage schon viel ausgeglichener, ohne dass bisher ein Equalizer bemüht werden musste. Eine anschließende Messung des Frequenzgangs der PA bestätigt den positiven Höreindruck. Erst jetzt sollte man über den Einsatz eines Equalizers für das Feintuning nachdenken. Da der Frequenzgang einer Beschallungsanlage leider in den seltensten Fällen an allen Plätzen im Publikum gleich ist, stellt jedoch jegliche Entzerrung einen Kompromiss dar. SATlive bietet die Möglichkeit aus den Messungen an verschiedenen Positionen einen Mittelwert zu berechnen. Achtung!!! Hier sollten Pegel unter Vernachlässigung der Phasen gemittelt werden. Man muss in SATlive daher RMS Mittelung und nicht komplexe Mittelung wählen. Um den Einfluss der Entzerrung vorherzusehen, bietet Sat live den virtuellen Equalizer. Mit seiner Hilfe kann man, ohne seine Umwelt mit lästigen Rauschorgien zu belästigen, den Einfluss der Entzerrung simulieren. Spätestens jetzt ist eine gute Gelegenheit gekommen, um in den Kommentaren zu diesem Artikel Streit darüber zu führen, ob man Equalizer mit Messtechnik oder Ohren einstellen sollte. Klar im Vorteil ist, wer beides hat.

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Forum
  1. Profilbild
    aerosone

    Ein sehr interessanter Artikel, den ich allerdings nochmal in Ruhe lesen muss, hehe. Das Produkt interessiert mich sehr, aber auf der Herstellerseite sind die Infos recht spaerlich und sehr technisch.

    Vielen Dank fuer die Muehe, Willi!

  2. Profilbild
    tenderboy

    teste das programm seit ein paar tagen und hab es jetzt auch bestellt. zu beginn schon recht „overwhelming“, aber nach etwas einarbeitungszeit super zu nutzen
    like mucho!

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