Die Nick Johnston gibt's jetzt in günstig
Ende des letzten Jahres hatte ich die Gelegenheit, die Schecter Nick Johnston Signature einem Test zu unterziehen. Das Ergebnis damals war eindeutig – ein Trauminstrument eines außergewöhnlichen Gitarristen! Einziger Haken bei der Sache war bzw. ist ihr Preis, der das Budget vieler von uns bei Weitem übersteigen dürfte. Eben typisch Signature E-Gitarre, könnte man jetzt sagen. Doch es gibt vielleicht eine Lösung und die heißt wie so oft: Fernost. Schecter lässt die Strat des Kanadiers unter der Bezeichnung Schecter Nick Johnston Traditional in Indonesien für fast ein Viertel des Preises der USA-Variante fertigen, was aber immerhin noch rund 800,- Euro sind und sich diese Strat natürlich in den Preisbereich der originalen Stratocaster von Fender aus deren Mexiko-Baureihe vorstößt. Kann sie mithalten? Und wie groß ist der Unterschied zur US-Version der Nick Johnston?
Schecter Nick Johnston Traditional AG – Facts & Features
Klar, ganz so cool und edel wie das Original aus den USA wirkt die Nick Johnston Traditional natürlich nicht. Die Rundungen des aus Erle bestehenden Korpus sind nicht ganz so sauber und homogen gefräst und auch ihr hohes Gewicht lässt darauf schließen, dass die Qualität des verwendeten Tonholzes nicht ganz so hochwertig ist. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie leicht doch das USA-Modell war. Unser Testinstrument besitzt eine strahlende, türkisgrüne Farbe, Schecter bezeichnet dieses Finish als „Atomic Green“. Zu bekommen ist die Gitarre zudem noch in einem Silbermetallic-Ton („Atomic Silver“). Der Lack wurde sauber aufgetragen, auch an den kritischen Stellen wie etwa dem Hals-Korpus-Übergang wurde sorgfältig gearbeitet. Wie beim Original aus den USA finden wir auch hier einen bearbeiteten Übergang zwischen diesen beiden Teilen, die Greifhand hat also auch hier ein leichtes Spiel. Der Rest des Korpus ist ganz typisch Strat, mit den Fräsungen auf der Vorder- und Rückseite fühlt man sich ja schon traditionell auf Anhieb wohl! Das einzige, was an den ansonsten glatten Linien ein wenig stört, ist der nicht versenkt eingesetzte Deckel des Vibratofachs auf der Rückseite. Aber damit kann man leben.
Nick Johnston Traditional AG – der (geröstete) Hals?
Auch bei Schecter ist rösten angesagt, zumindest sieht der sehr dunkle Ahornhals stark danach aus. Es könnte aber schlicht und einfach nur eine Schicht Beize sein, das hätte im Prinzip den gleichen Effekt. So genau lässt sich das nicht rausfinden, in jedem Fall aber liegt der Hals mit seinem extrem flachen Profil gut in der Hand, mit dem üblichen Halsprofil einer klassischen Strat hat das hier jedoch nichts mehr zu tun. Das Shaping geht eindeutig in Richtung „Metalbrett“, was ja auch kein Wunder ist, denn der Künstler selbst wird ja eher dem Heavy-Lager zugeordnet. Obwohl das eigentlich eine Frechheit ist, bei den kompositorischen und technischen Fähigkeiten, die Nick Johnston besitzt. Aber zurück zum Thema.
Auf den Hals aufgeleimt wurde ein Griffbrett aus Ebenholz, das die 22 extra dicken Jumbobünde trägt und einen flachen Radius von 14″ besitzt. Die Bunddrähte wurden perfekt eingesetzt und an den Kanten sorgfältig abgerichtet, ihre ungewöhnliche Höhe aber dürfte vermutlich für den einen oder anderen etwas Umgewöhnung erfordern. Dafür aber intoniert die Gitarre in jeder Position auf dem Griffbrett absolut rein und auch nicht ganz so sauber gegriffene Töne werden dadurch zur Not noch gerettet. Beim weiteren Betrachten des Griffbretts fällt an dessen unterem Ende die Öffnung für die Einstellschraube des Halsstabs ins Auge. Auch das hat man wie bei dem US-Modell beibehalten, was ich persönlich ja ganz prima finde!
Nick Johnston Traditional AG – die Hardware
Hier sticht die Schecter die üblichen Strats deutlich aus. Mit ihrem auf zwei Bolzen gelagerten Vibratoblock und dem Satz Klemmmechaniken an der Kopfplatte sind die Voraussetzungen für ein verstimmungsfreies System gegeben. Der Vibratohebel gleitet sanft in seine Öffnung, über eine Inbusschraube an der Seite des Vibratoblocks kann das Spiel des Hebels so reguliert werden, dass er nach Benutzung der rechten Hand nicht mehr im Wege steht und einfach nach unten fällt. Ein ebenso wichtiger Punkt, zumindest für mich, ist ein frei schwebendes System, bei dem auch Upbendings möglich sind. Das ist hier gegeben, der Vibratoblock schwebt so weit über der Decke, dass mit der Werkseinstellung zumindest ein Halbton nach oben problemlos möglich ist. Mit etwas Geschick ist hier ganz bestimmt auch mehr drin.
Mit dem Hebel sollte man es jedoch nicht zu sehr übertreiben, so ganz problemlos arbeitet das System trotz aller gut gemeinten Vorkehrungen dann doch nicht. Leichte Nutzungen sind kein Problem, nach einer kernigen „Dive-Bomb“ sind Verstimmungen jedoch unüberhörbar und man muss zwangsläufig an/mit den Mechaniken zur Tat schreiten. Zum Glück sind die verbauten Locking-Tuner aber von guter Qualität, sodass man beim Stimmen nicht gleich die Nerven verlieren muss. Mit ein Grund für das letzte Stückchen fehlende Stimmstabilität dürfte vermutlich der String-Tree sein, der die H- und die hohe E-Saite auf ein niedrigeres Niveau absenkt. Beim Benutzen des Systems hört man immer wieder deutlich metallische Geräusche aus diesem Bereich und auch genau diese beiden Saiten leiden am meisten unter Verstimmungen.
Nick Johnston Traditional AG – die Elektrik
Logo, drei Singlecoils, sieht man ja sofort und die gehören auch auf eine Strat. Aber auch hier gibt es wieder feine Unterschiede zu Fenders Klassiker. Abgesehen davon, dass es nur ein Tone-Poti für alle drei Singlecoils gemeinsam gibt, wurde auch das Volume-Poti ein gutes Stück weiter nach unten gesetzt. Aha, dann hatte also auch der gute Mr. Johnston immer wieder damit zu kämpfen, dass seine Strat immer leiser wurde … Die beiden Potis mit ihren griffigen Plastikknöpfen präsentieren sich in guter Form, sind aber leider recht schwergängig. Der Schalter gibt ein ähnlich gutes Bild ab, hier ist die Schwergängigkeit dagegen ein Pluspunkt, denn er rastet in seinen Positionen ein. Die drei Tonabnehmer stammen ebenfalls aus eigener, fernöstlicher Fertigung und werden wie gewohnt in den fünf allseits bekannten Variationen vom Schalter angesteuert. Was dabei herauskommt, das hören wir uns nun an.
Nick Johnston Traditional AG – der Praxis-Check!
Brillant und knackig im Klang und in der Tonansprache zeigt sich die Schecter Nick Johnston Traditional schon im trocken angespielten Zustand. Die satinierte Halsrückseite lässt die Greifhand mühelos und fast schon wie über eine Eisfläche gleiten, etwas gewöhnungsbedürftig sind für mich jedoch die extrem hohen Bünde, bei denen man etwa ausgiebige Slides für sich selbst neu arrangieren muss. Die Bespielbarkeit kann als gut bezeichnet werden, unser Testinstrument besitzt zwar eine eher „rustikale“ Saitenlage, das lässt sich aber ganz schnell durch einfaches Absenken der zwei Stehbolzen des Vibratos beheben.
Mit übermäßig viel Sustain kann die Schecter Nick Johnston Traditional nicht glänzen, dafür aber lässt ihr mittiger und höhenreicher Grundsound schon erahnen, wo die Reise am Verstärker angeschlossen wohl hingehen wird. Und das, was die drei Singlecoils bieten, ist wirklich beachtlich! Nicht nur, dass sie selbst bei hoher Zerrung kaum nennenswerte Nebengeräusche produzieren, sie verleihen dem Grundsound der Gitarre einen zusätzlichen warmen Charakter, ohne jedoch dabei die Spritzigkeit, also ein kräftiges und fein aufgelöstes Höhenbild, vermissen zu lassen.
Töne sagen viel mehr als Worte und so hören wir in den folgenden Klangbeispielen, wie sich die Schecter Nick Johnston Traditional am Verstärker so gibt. Verwendet wurde dafür mein Orange Micro Dark mit einer angeschlossenen 1×12″ Celestion V-30-Box, davor wurde zur Aufnahme ein AKG C3000 Mikrofon platziert. Effekte wurden keine verwendet, Nick Johnston mag das ja offensichtlich auch nicht, so trocken, wie sein Sound klingt.
Die ersten drei Files zeigen den Cleansound der Gitarre mit unterschiedlichen Pickup-Schaltungen: Track 1 nutzt die Kombination Front + mittlerer Singlecoil, in Beispiel 2 hören wir nur den Pickup in Halsposition und Nummer 3 zeigt die Verbindung des mittleren Singlecoils mit dem am Steg.
Bei den Overdrive-Sounds hören wir zuerst in den Sound des Hals-Pickups rein, bevor in Track 5 die Kombination Mitte und Steg zu hören ist.
Es ist schwer, eine bessere richtig „strattige“ Strat in der Preisklasse zu finden, wenn man die Modernisierungen mag, natürlich. Liegt meines Erachtens deutlich über den mexikanischen Playern, auch über den Player Plus-Modellen von Fender. Dafür steht aber auch was anderes auf dem Headstock…
Ich habe noch eine klassische Strat auf dem Zettel, die hier steht sehr weit oben.