Die Renaissance des Grafiktablets
Sensel Morph ist ein MPE-Controller, der per USB oder Bluetooth kommuniziert und so auch konfiguriert werden kann. Sei es als MIDI-Gerät, Rechnertastatur oder etwa Joystick. Das Gerät enthält einen LiPo-Akku, so dass es drahtlos über Bluetooth betrieben werden kann. Derzeit gibt es neun Overlays, die auf der magnetischen Tablet-Fläche haften und verschiedene Bereiche abdecken. Sensel Morph funktioniert mit macOS, iOS, Windows, Android und Linux. Und irgendwie kommt mir das Prinzip bekannt vor.
Manche Dinge klingen einfach nach Oldschool. So z. B. auch der Ausdruck „Grafiktablett“ – das klingt so 80er und beschwört Bilder von Spaceshuttle-Schiffen in grober 3D-Netzstruktur herauf. Was hat das nun mit dem Sensel Morph zu tun? Nun, es ist exakt dasselbe Prinzip wie damals: Auf einer Tablet-Oberfläche können X- und Y-Positionen sowie die Stärke des Aufdrucks ermittelt werden. Diese Informationen können dann in vielfältiger Weise verarbeitet und u. a. zu MIDI-Daten transformiert werden.
Das Sensel Morph verfolgt dabei einem praktikablen Ansatz: Anstatt direkt auf die 24 x 14 cm große Oberfläche zu „zeichnen“, gibt es neun Overlays aus dem berüchtigten Nature-Skin-Latex-Material, das immer wieder auf geteilte Begeisterung trifft. Die mir vorliegenden Overlays im Einzelnen:
Piano Overlay
Drum Pad Overlay
Music Production Overlay
Buchla Thunder Overlay
Video Editing Overlay
Innovators Overlay
Folgende Overlays sind außerdem erhältlich:
Gaming Overlay
Tactile Keyboard Overlay (QWERTY, DVORAK, AZERTY)
App geht’s
Nach dem Herunterladen der App (ohne Registrierung) präsentiert sich diese aufgeräumt und klar strukturiert, so dass das Quick-Start-PDF nicht benötigt wird. Leider gibt es die vollständige Dokumentation nur auf der Sensel Website. Das hat zwar den Vorteil, dass sie sofort aktualisiert werden kann – ich habe dennoch immer gerne wenigstens über die grundlegenden Funktionen ein ausdruckbares PDF „in den Händen“. Auf der Haben-Seite findet man allerdings Schritt-für-Schritt-Anweisungen zur Installation für alle relevanten Software-Produkte, sei es Logic oder Ableton Live, aber auch Adobe Photoshop (Grafiktablett, ick hör dir trapsen). Nicht nur das, es gibt auch Tutorial-Videos, die noch mal alles genau zeigen.
Overlays des Sensel Morph
Das Prinzip des Sensel Morph ist dabei immer das Gleiche: Man legt das Overlay auf die Sensorfläche des Sensel Morph und lädt mit der SenselApp das entsprechende Overlay auf das Tablet. Durch eine magnetische Oberfläche bleibt das Overlay auch recht sicher haften. Bei verstärktem Druck rutscht das Overlay zwar minimal, aber es beeinträchtigt das Spielen nicht. Es kann je ein Overlay-Layout pro Overlay im Gerät abgelegt werden. Allerdings erkennt der Sensel Morph automatisch, wenn ein bestimmtes Overlay aufgelegt wurde und schaltet dann das entsprechende Layout aktiv. Am oberen Rand des Tablets befindet sich eine lange Reihe von weißen LEDs, die zum Feedback dienen, ob eine Berührung auf dem Overlay registriert wurde.
Ein Overlay ist zur Funktion übrigens zwingend erforderlich. Ohne gibt der Sensel Morph keinen Mucks von sich. Deshalb muss beim Kauf auch immer mindestens ein Overlay eingeplant werden.
Man ist aber nicht auf eine Vorkonfiguration pro Overlay beschränkt, denn in der App lassen sich alle gesendeten MIDI-Daten modifizieren. So kann man dem Piano-Overlay sehr schnell Poly-Aftertouch beibringen, indem man alle Tasten mit der CMD-Taste zusammen auswählt und die entsprechende Option aktiviert. Verschiedene Overlays bieten dabei auch verschiedene Basis-Konfigurationen an. Das Buchla-Thunder-Overlay bietet so u.a. zwei X/Y/Z-Pads, wobei Z die Druckachse beschreibt.
Die Standardeinstellung des Piano-Overlays hat die Eigenschaft, einen gleitenden Übergang von einer zur anderen Taste zunächst nicht zu registrieren. Für ein neues Note-Event muss zwangsläufig der Finger gehoben werden; Slides sind somit unmöglich. Trotzdem finde ich dieses Overlay recht gelungen, denn die Tasten sind so schmal, dass zwei Oktaven auf dem Sensel Morph Platz haben, trotzdem ist ein Spielen darauf recht angenehm. Allerdings hätte ich mir als Standardkonfiguration eine Roli-Seaboard-ähnliche gewünscht. Das kann man natürlich über die Definition MPE XYZ Pad bewerkstelligen, muss es aber selber tun – dann funktioniert auch das Glissando-Spiel. Der Software-Synthesizer Equator von Roli lässt sich mit dieser Konfiguration mühelos spielen. Zwar bietet der Sensel Morph nicht so viel „Fleisch“ wie ein Seaboard oder Seaboard-Blocks, ausdrucksstark kann man darauf dennoch spielen.
Weniger gelungen finde ich dagegen das Drum-Pad-Overlay. Nicht weil die Anordnung der Flächen unangenehm wäre, es liegt einfach am Spielgefühl auf dem recht dünnen Silikon-Pad. Ein längeres Spielen wirkt sich unangenehm auf die Handgelenke aus und man ermüdet schnell – Spielfreude kommt hier keine auf. Man kann das Drum-Pad zwar auch mit richtigen Sticks spielen, dafür ist die Fläche aber arg klein. Außerdem ändert auch nichts am zu harten Untergrund.
Music Production Overlay
Das Music Production Overlay kann mehrere Aufgaben erfüllen. Zunächst agiert es als ein ganz normaler MIDI-Controller. Den Pads, Slidern und, ich will sie mal Rund-Slider nennen, können wie gewohnt verschiedene MIDI-Kommandos beigebracht werden. Auf den ersten Blick mögen diese Rund-Slider recht unbedienbar erscheinen, da sie aber einen hohen Rand und eine muldenartige Vertiefung besitzen, flutscht der Finger geradezu im Rund. Die Gefahr eines Abgleitens besteht dabei nicht.
Die zweite Funktion betrifft ganz speziell Ableton Live. Nach Installation eines Scripts von der Sensel-Website kann das Music Production Overlay auch als Control-Surface genutzt werden, ohne ein eigenes MIDI-Mapping vornehmen zu müssen. Für alle musikorientierten Overlays gibt es dafür je ein Script. Die Funktionen im Control-Surface-Modus sind dabei an denen eines Novation Launchpads angelehnt.
Eigenkreationen
Das Innovators Overlay lädt zum Experimentieren ein. Die SenselApp enthält für dieses Overlay nämlich einen eigenen Editor bereit, mit dem man Bedienelemente in verschiedenen Formen und Größen erzeugen und entsprechend konfigurieren kann. Zur Auswahl stehen Kreis/Oval, Quadrat/Rechteck und eine hexagonale Form. Zur Orientierung wird man sich wohl oder übel diese Flächen irgendwie auf dem Overlay markieren müssen. Eine elegante Variante dafür ist ein Ausdruck in der richtigen Größe – ein Blatt Papier beeinträchtigt nämlich die Funktion des Sensel Morph in keiner Weise und durch die Transparenz des Overlays kann man alles gut sehen.
Wie bei allen Overlays lässt sich die Art der Nachricht aus einer der folgenden Quellen konfigurieren:
MIDI
Note-Button
CC-Button
CC-Slider/Knob
MIDI XYZ-Pad
MMC Button
MIDI Morph Modifier
Eingabegeräte
Touchpad Area
Gamepad-Control
Setting Button
Keyboard
Button
Slider/Knob
Knob Modifier
Pressure
Media
Wie man sieht, kann man Sensel Morph auch für allerlei andere Zwecke nutzen. Über ein spezielles Developers Cable kann man sogar eine UART-Verbindung mit einem Micro-Controller herstellen – auch nett.
Aus diesem Grunde würde ich beim Kauf am ehesten auch das Innovators Overlay hinzufügen. Es hat zwar keine taktilen Eigenschaften, da es einfach nur eine plane Fläche ist, dafür kann man es extrem vielseitig einsetzen, vorausgesetzt man nimmt sich die Zeit für das Erstellen der Layouts.
Apropos Oberfläche: Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese mit so gut wie allen Utensilien zurechtkommen, so z. B. auch Pinsel oder stumpfe Stifte. Man sollte aber tunlichst spitze Gegenstände vermeiden – die reißen die Silikonoberfläche auf Dauer unweigerlich auf.
Alle Overlays (bis auf das Innovators Overlay) besitzen am oberen Rand eine Reihe von Buttons. Hier sind spezielle Funktionen, wie z. B. Oktavwahl beim Piano Overlay oder die Auswahl eines der neun konfigurierbaren Sets des Buchla Thunder Overlays untergebracht. Obwohl ich immer noch kein großer Fan von Bluetooth-MIDI bin, konnte der Sensel Morph ohne Probleme über Bluetooth in das MIDI-Setup eines Macs eingebunden werden. Störenden Latenzen konnte ich dabei nicht feststellen.
Modulares
Natürlich ist mit den entsprechenden Modulen auch eine Integration ins Modularsystem möglich. SchneidersLaden hat dazu ein Endorphin.es Shuttle-Control mitgeschickt. Nach der Konfiguration lässt sich der Sensel Morph problemlos an die „to Host“-Buchse des Shuttle-Controls anschließen und nun können CV-Signale nach Belieben versendet werden. Auch die MPE-Konfiguration funktioniert problemlos.
Hm, entscheidend bei dieser Art Controller ist ja nicht die Funktionsvielfalt (die ja meistens im Übermaß vorhanden ist), sondern die Zuverlässigkeit der touch-erkennung! Wenn das Hakenaudio das Maß aller Dinge in Touch-Erkennung ist, und die uno-drum das schlechteste, wo ist dann dieser hier? Beim roli hat mich der weite Weg bis etwas erkannt wird dazu gebracht es wieder zu verkaufen… Das linndrum war da besser aber auch noch nicht zufriedenstellend.
Wie gut erkennt das sensel denn die Eingabe? Klappen da 32tel fingerdrummings so gut dass es benutzbar ist?
martin stimming: „die uno-drum das schlechteste“
Wenn Du die Uno-Drum-Touch-Erkennung schlecht findest hattest Du noch keine schlechte Touch-Erkennung unter den Fingern. Bei mir wird die leiseste Berührung sofort in Klang umgesetzt. Besser ist es kaum möglich.
martin stimming: „Beim roli hat mich der weite Weg bis etwas erkannt wird“
Darüber hatten wir schonmal gesprochen. Ich kann das immer noch nicht nachvollziehen. Das Seaboard ist ein Keyboard bei dem Tasten gedrückt (nicht berührt) werden. Im Vergleich zu „normalen“ Keyboards ist der Reaktionsweg mit ca. zwei Millimetern extrem kurz.
Alles Top. Ich fand es direkter als das Blocks-Seaboard, auch schnelle Sachen gehen darauf gut. Die Hardware lässt da nichts zu wünschen übrig.
Da Sensel das Thunder overlay mit Buchla entwickelt hat,hätte ich als Buchla Nutzer gerne etwas über die Verbindung mit einem Buchla System erfahren.
Darüber wurde kurz im Abschnitt „Modulares“ gesprochen. Man braucht auf jeden Fall ein Übersetzer-Modul, dass die MIDI-Daten in CV umwandelt. Das sollte dann am besten auch Buchla-CV können (also 1,2V/Oktave).
Das angesprochene Shuttle Control von Endorphines ist da bestens geeignet. Das Sensel Morph an sich hat aber nicht direkt was mit Buchla zu tun, außer der Tatsache, dass es ein Overlay gibt, dass in dieser Form ja wohl auch für Buchla-Systeme verfügbar ist. Die Vorkonfiguration ist in der Abbildung ersichtlich – es ist als MIDI-MPE ausgelegt.
Seitdem ich das Music Production Overlay gesehen habe, habe ich Lust auf Pfefferminzfondant ;)