Headroom bis zum Abwinken!
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Wenn man einen großzügigen Blick auf die Landschaft der professionellen Mikrofonvorverstärker wirft, kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass die Anzahl der zweikanaligen Varianten vergleichsweise gering ist. Dies verwundert umso mehr, wenn man sich vor Augen hält, dass die Anzahl der Signalquellen, die für Stereo ausgelegt sind, wie zum Beispiel Overheads bei den Schlagzeugaufnahmen, Akustikgitarrenaufnahmen, die Kombination Direktschall zusammen mit Ambience oder Orchesteraufnahmen durchaus vorhanden sind. Um auch hier im High-End-Bereich gewappnet zu sein, hat die Firma SPL aus Niederkrüchten mit dem SPL Crescendo duo V2 einen Preamp in ihrem Portfolio, der nun in einer aktualisierten Ausgabe vorliegt. Da lassen wir uns doch nicht lumpen und schauen uns direkt die neue Variante einmal etwas genauer an.
Die Konstruktion des SPL Crescendo duo V2
Im Gegensatz zum V1 Modell, das noch in Silber daher kam, wird die V2 Version in einem ansprechenden Schwarz ausgeliefert, das sich wohl nahtlos in jede Studio-Optik einfügen wird. Der Mikrofonvorverstärker kommt in einer sehr massiven Ausfertigung daher und verlangt mit den Abmessungen (B x H x T) 482 mm x 88 mm x 300 mm und einem Gewicht von knapp über 6 kg schon einem ordentlichen Griff während des Transports. Um eine bessere Luftzirkulation bezüglich der Wärmeabfuhr zu gewährleisten, wurden die seitlichen und oberen Bleche des Gehäuses perforiert. Dennoch ist von keiner übermäßigen Wärmeerzeugung auszugehen, da die maximale Leistungsaufnahme unter 20 Watt liegt. Gefertigt wird der Crescendo V2 wie alle Pro Geräte von SPL in Deutschland, wobei dies bei SPL Entwicklung UND Fertigung bedeutet.
Dass der SPL Crescendo Duo V2 für den reinen Rack-Betrieb konzipiert wurde, erkennt man schon anhand der Tatsache, dass keinerlei Füße im Lieferumfang vorhanden sind und auch keinerlei Bohrungen im Gehäuse angelegt wurden. Es empfiehlt sich daher, ihn nach Erhalt umgehend im Rack zu platzieren, da die Unterseite tatsächlich vergleichsweise empfindlich ist und schnell zu Kratzern neigt.
Was bietet der Preamp SPL Crescendo V2?
Bei dem SPL Crescendo Duo V2 handelt es sich wie gesagt um einen zweikanaligen Mikrofonverstärker in zwei Höheneinheiten, der einmal mehr mit der legendären 120 Volt Technik von SPL ausgestattet wurde. Bei der 120 Volt Technik handelt es sich um eine von SPL entwickelte Schaltung, die das eingebaute Netzteil eine Gleichspannung von +/-60 Volt ausgeben lässt, was wiederum deutlich über dem Standard anderer Hersteller liegt. Der Vorteil dieser Operationsspannung liegt darin, dass die Geräte einen deutlich höheren Headroom in ihrer Signalwiedergabe haben und allgemein ermüdungsfreier klingen. Um das Gerät betreiben zu können, musste SPL dafür spezielle Operationsverstärker entwickeln, die sie auch in eigener Fertigung herstellen.
Damit einhergehend befinden sich bereits die Messwerte auf sehr hohem Niveau und liegen zum Teil deutlich über den Möglichkeiten der Mitbewerber. Mit einem Ausgangspegel von 32,5 dBu schiebt der Mikrofonvorverstärker bei Bedarf das Signal ordentlich an und mit einem Distortion-Faktor von nur 0,0036 bei 30 dB Gain und 0,32 dB bei 70 dB Gain spielt der der SPL Crescendo duo V2 in der Spitzenliga.
Das Frontpanel des Preamps verfügt über zwei identische Einheiten, die aus je einem VU-Meter, einem großen Microphone-Gain-Drehregler, einem kleineren Output-Drehregler und insgesamt sechs On-Off-Schalter bestehen. Die Funktionen der Schalter/Regler im einzelnen:
- 48 V: Die Aktivierung der für Kondensatormikrofone benötigten Betriebsspannung plus einer Kontroll-LED
- VU-10: Mit diesem Schalter lässt sich der im VU-Meter angezeigte Pegel um -10 dB verschieben, sehr praktisch, wenn hohe Verstärkungen gefahren werden
- ø: Durch Aktivieren des Polaritäts-Umkehrschalters wird die Polarität eines Mikrofonsignals um 180° gedreht
- HP: Ein Hochpass-Filter mit 6 dB pro Oktave reduziert Trittschall unterhalb von 120 Hz
- Mic Gain: Die Verstärkung wird über einen 12-stufigen Schalter eingestellt. Die Vorverstärkung reicht von +18 dB bis +70 dB
- PAD: Durch aktivieren des PAD kann die Eingangsempfindlichkeit um 20 dB herabgesetzt werden. So kann der Vorverstärker ideal an Eingangssignale mit hohem Pegel angepasst werden. Mit aktiviertem PAD und minimalem Gain eignet sich der Crescendo duo auch ideal für Eingangssignale mit Line-Pegel.
- Output: Der zuschaltbare Ausgangsregler erlaubt eine Pegelanpassung an nachfolgende Geräte. Der Regelbereich ist +/-10 dB. Damit ergibt sich eine maximale Gesamtverstärkung von 80 dB.
Die Rückseite des SPL Crescendo duo V2
Auf der Rückseite des SPL Crescendo Duo V2 befindet sich ein echter Bonuspunkt in Form eines Splitters. Die komplett in XLR symmetrisch ausgeführten Ein- und Ausgänge, alle verriegelbar, können dadurch doppelt abgegriffen und zweimal unabhängig auf verschiedene Eingänge ausgegeben werden. Angenehmerweise hält SPL die Ausführungen in der Pro-Serie bei, alle Bedienungselemente auf der Rückseite des Gehäuses auch kopfüber lesbar zu machen. Mit dieser Ausführung erlaubt es SPL ,sämtliche Schriften auch bei einem Beugen über das Rack von oben erkennen zu können. Ein kleiner Fakt, aber eine unglaublich große Hilfe im professionellen Umfeld.
Ob hingegen das Anbringen des On-Off-Schalters auf der Rückseite des Gehäuses eine gute Wahl ist, bleibt dahingestellt. Natürlich kann man den Preamp mittels einer Netzleiste ein- und ausschalten, allerdings bevorzuge ich tatsächlich ebenfalls den On-Off-Schalter auf der Frontseite, um eine individuelle Verwaltung des Vorverstärkers bzgl. des Netz-Status zu gewährleisten. Um Brummschleifen zu verhindern, ist der SPL Crescendo Duo V2 noch mit einem Summen-Groundlift ausgerüstet, den man auf der Rückseite des Gehäuses mittels eines Druckschalters aktivieren kann. Abschließend gibt es noch eine Kaltgerätebuchse auf der Rückseite des Gehäuses.
Der SPL Crescendo duo V2 in der Tonstudio-Praxis
Man mag es gut heißen oder nicht, aber der erste optische Eindruck ist und bleibt ein entscheidender Faktor eines Produktes. In dieser Hinsicht hat die Firma SPL einmal mehr alles richtig gemacht. Die konsequent schwarze Optik des Mikrofonvorverstärkers versprüht einen edlen Charakter, zudem sind die haptischen Eindrücke, die die Regler und Schalter hinterlassen, klassisch Made in Germany im besten Sinne. Manchmal würde man sich wünschen, dass die Konkurrenz ein wenig mehr Wert auf diese Art der Präsentation legt.
Ob die grobe Auflösung des Gain-Reglers oder die feine Rasterung des Output-Reglers, alle Regler erledigen ihre Arbeit mit einem haptischen Feedback, beziehungsweise im Bereich der Schaltern mit einem kräftig klickenden Geräusch, was das Einrasten des Schalters akustisch untermauert. So macht Arbeiten Spaß!
Schon bei den ersten anliegenden Signalen spürt man die Wirkung der 120 Volt Technologie. Wenngleich viele Kritiker nicht müde werden zu behaupten, dass selbige Technik mehr ein Show-Element als ein echter physikalischer Gewinn darstellen würde, so sollte man gerne im A/B-Vergleich einmal antesten, wie übersteuerungsfest die unterschiedlichen Geräte sind. In der Tat ist der Headroom des SPL Crescendo Duo V2 deutlich höher als das, was man aus vergleichbaren Produkten an Widerstandskraft herausholen kann. Schnelle, harte Peaks werden sehr gut abgefedert und unterbrechen in keinster Weise den normalen Signalfluss, wie es gerne einmal bei anderen Geräten der Fall ist.
Wie nicht anders zu erwarten, verfolgt SPL mit seinem Crescendo V2 eine andere Herangehensweise als die klassisch britische Vorverstärkung. Im Gegensatz zu dieser Herangehensweise, bei dem man die Vorstufe gerne einmal heiß anfährt, um für mehr Sättigung und Kompression zu sorgen, um das Signal im Output-Regler wieder abzusenken, verfolgt der SPL Crescendo Duo V2 eine gleichmäßige Verstärkung über den gesamten Regelbereich, ohne letztendlich in die Färbung des Signals einzugreifen.
Dabei klingt der Preamp neutral im besten Sinne, was sowohl auf alle möglichen Mikrofontypen als auch auf Line-Signale zutrifft. Der Klang bleibt stets transparent und bietet eine hervorragende Basis für die weitergehende Verarbeitung der Signale. Einzig und allein den Output-Regler sollte man ein wenig im Auge behalten, da der SPL Crescendo Duo V2 über wahrlich massive Verstärkungsreserven verfügt und bei unkontrollierter Verwendung gerne einmal den Input des nächstanliegenden Gerätes übersteuert. In diesem Fall nützt einem natürlich die beste Vorverstärkung nichts, wenn man sie in der nächsten Stufe wieder zugrunde richtet.
Inwieweit man den starken Basshub eines Bändchenmikrofons mit dem verbauten Hochpassfilter in den Griff bekommt, hängt vom jeweiligen Mikrofontyp ab. Von daher sollte man sich immer vor Augen führen, dass man ggf. einen weiteren Equalizer im Signalweg platziert, um die typische klangliche Ausrichtung dieser Mikrofontypen in den Griff zu bekommen. Alles, was jedoch über Bändchenmikrofone hinausgeht, wird hingegen in höchster Qualität mit bestem Klang und besten Messwerten am Ausgang anliegen. Mir ist selten ein Pre-Amp vorgekommen, den man so gefahrlos verwenden kann, ohne irgendeiner Fehlbedienung zu erliegen.
Ein herausragendes Gerät, das eine allumfassende Basis für jegliche Form von Mono- oder Stereosignalen bietet!
Ich vermisse bei diesem Gerät einen digitalen Ausgang. Ich weiß, der Signal Weg ist analog, aber ein DA-Wandler kostet nicht die Welt und wäre dann nicht nur fähig, das Signal sauber an das nächste Gerät weiterzugeben, sondern ich könnte es auch als Audio Interface einsetzen. Zumindest die Option vermisse ich. Ansonsten scheint das Gerät eine gute Wahl zu sein.
@Tai Meintest Du einen USB Ausgang?
Ein digitaler Ausgang macht noch lang kein Audio-Interface……
@maga Nee, ich meinte tatsächlich AES EBU oder S/P DIF. Doch das macht ein Audiointerface draus. Hier stehen momentan drei Rechner. Alle haben S/P Dif Eingänge. Verbinde ich die mit dem Vorverstärker, kann ich die Signale direkt aufzeichnen. Aber klar, eine USB Schnittstelle wäre für mehr Leute eine Option, ist schon mal AD gewandelt, wäre das ein kleiner Schritt.
@Tai Tja, das ist wirklich eine gute Frage, was muss man in eine AD Wandlung investieren.
Denn wenn der Crescendo Duo einen AD Wandler bekommt, ändert sich 100% der Preis.
Plus 500€ oder 1000€ oder noch mehr?
Ich denke das hier unter Umständen bewusst keine AD Wandler eingebaut werden, um die Auswahl zu erlauben.
Wenn es denn externe AD Wandler sein sollen, was macht Sinn zu investieren?
Eine Frage bleibt aber, wie groß ist der hörbare Unterschied zu Interfaces mit eingebautem AD Wandler, wie zum Beispiel ein Neumann MT 48? 🤔
Lohnt die Materialschlacht, oder deuten sich doch nur Nuancen als Unterschied an?
Was muss investiert werden auf der anderen, der Wiedergabe Seite?
@Tai Das ist halt ein Vorversträrker, der noch die allerletzten minimalen Prozent rausholt für Leute bzw Tonstudios die schon alles haben. Ansonsten baut SPL ja auch sehr gute Interfaces wie das Crimsons, das Qualitativ ja auch schon sehr, sehr gut ist.