Praxis
Der Neve 88RS Channelstrip für die UAD-Plattform ist ein sehr vielseitiges Werkzeug und benötigt ebenso wie die Original Neve Konsole etwas Eingewöhnungszeit. Vor allem diejenigen, die eher typische DAW-Plug-ins gewohnt sind, müssen sich erst einmal auf die „Retro-Bedienung“ einstellen. Hat man das aber einmal getan, dann ist die Bedienung einfach und intuitiv. Vor allem ist man eher dazu geneigt, genau hinzuhören als hinzuschauen, denn die Plug-in-Oberfläche lenkt die Aufmerksamkeit nicht durch Spielereien ab. Das Plug-in ist recht DSP-hungrig, eine Instanz des Neve 88RS benötigt etwa 10 Prozent DSP-Leistung eines aktuellen Apollo 8 mit vier Sharc-DSPs. Die Legacy Variante ist zum Glück sehr viel sparsamer, da die rechenaufwendigen Nichtliniaritäten hier weggelassen wurden.
Die Preamp-Emulation klingt in erster Linie sauber und transparent, was aber auch beim Original so ist. Die Neve 88RS Konsole wurde ja dafür gebaut, Signale in höchster Qualität zu verstärken und zu übertragen und nicht um zu färben. Gibt man etwas mehr Gain hinzu, dann kann man dem Preamp aber auch eine ganze Menge an Verzerrungen entlocken. Bei Signalen mit starkem Tonanteil muss man etwas aufpassen, da setzt die Verzerrung zwar spät, dafür aber recht abrupt und hörbar ein. Bei perkussiven Signalen hingegen fällt die Verzerrung erst viel später auf und man kann die Signale schön in die Sättigung fahren, was sehr gut funktioniert und hilft, Transienten zuverlässig im Zaum zu halten.
Um das klanglich zu verdeutlichen, habe ich den Logic-Drummer ein bisschen trommeln lassen und den Gain-Regler währenddessen aufgedreht, alles andere blieb ausgeschaltet.
Man kann schön hören, ab wann die Verzerrungen Überhand nehmen. Da gibt es viel Spielraum für dezente bis heftige Sättigungsartefakte. Bemerkenswerterweise ändert sich der Spitzenpegel vom Anfang bis zur lautesten Passage nur um etwa 3 dB. Im zweiten Beispiel hört ihr den Drummer zuerst 4 Takte ohne Bearbeitung und dann 4 Takte mit dem 88RS, wobei eher dezente Einstellungen im Preamp, Kompressor und EQ getätigt wurden.
Das bearbeitete Signal wurde hier angenehm verrundet, so dass der Spitzenpegel etwa 5 dB unter dem Pegel der unbearbeiteten Spur liegt. Der Neve 88RS ist also ein gutes Werkzeug, um Lautheit zu gewinnen, ohne zu limitieren.
Im dritten Beispiel habe ich einen kurzen pentatonischen Basslauf auf meinem Sandberg 5-Saiter eingespielt. Das Signal wurde per DI-Box gesplittet und einmal in den Mikrofon-Eingang von Kanal 1 und einmal in den Hi-Z Eingang von Kanal 2 gesteckt. Kanal 1 wurde ohne weitere Bearbeitung aufgenommen, Kanal 2 wurde mit dem Neve 88RS Channelstrip im Unison Slot bearbeitet. Der Bass wurde leicht komprimiert (ca. 5 dB Gainreduction), die Bässe und Höhen sowie 300 Hz wurden leicht angehoben. Zuerst hört ihr den unbearbeiteten Bass, dann im zweiten Durchlauf den Bass mit 88RS.
Im vierten Klangbeispiel hört ihr Bass und Schlagzeug zusammen, dazu noch ein paar Gitarren. Im Mix kamen dabei noch die Emulation vom AKG B20 Federhall, das Ampeg SVT Pro Plug-in und der Softube Vintage Amp Room sowie etwas Roland Dimension D Chorus auf der Offbeat-Gitarre zum Einsatz.
Viel Spaß beim Reinhören.